Tutorium Klinische Psychologie I. Ethische Aspekte der Klinischen Psychologie in Forschung und Praxis

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Wilhelm Busch
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1 Tutorium Klinische Psychologie I Ethische Aspekte der Klinischen Psychologie in Forschung und Praxis

2 Ethische Aspekte der Klinischen Psychologie in Forschung und Praxis Anna Felnhofer Was sollen wir tun? (Immanuel Kant)

3 Inhalt 1) Begriffliche Abgrenzung 2) Geschichte 3) Rechtliche Lage 4) Konfliktfelder der klinischen Psychologie a) Forschung b) Praxis c) Lehre

4 1) Begriffliche Abgrenzung Ethik gr. ethike = das sittliche Verständnis; ethos = Brauch, Sitte Ethik ist eine praktische Philosophie und beschäftigt sich mit menschlichem Handeln. Disziplin Gegenstandsbereich Methode Deskriptive Ethik Normative Ethik Angewandte Ethik Metaethik Tatsächlich befolgte Handlungspräferenzen Prinzipien und Kriterien der Moral, allgemein gültige Normen und Werte gültige Normen, Werte, Handlungsempfehlungen des jeweiligen Bereichs moralisches/ ethisches Sprechen beschreibend, empirisch wertend, je nach Ansatz (apriorisch, empirisch) wertend, je nach Ansatz (apriorisch, empirisch) analytisch

5 2) Geschichte 1919 Das kleine Albert Experiment 1938 Gründung des APA Committee on Scientific and Professional Ethics 1947 Nürnberger Kodex 1963 Milgram Experiment 1964 Deklaration von Helsinki 1970 Tuskegee Syphilis Studien 1971 Stanford Prison Experiment 1978 Belmont Report 1992 APA Ethics Code 1998 Ethische Richtlinien der DGP und des BDP

3) Rechtliche Lage Umsetzung ethischer Richtlinien Österreich Deutschland Schweiz Psychologen & Psychotherapiegesetz seit 1992 Ethik-Ausschuss des Berufsverbandes Deutscher Psychologen (BDP) Ethische

7 3) Rechtliche Lage Umsetzung ethischer Richtlinien Österreich Deutschland Schweiz Psychologen & Psychotherapiegesetz seit 1992 Ethik-Ausschuss des Berufsverbandes Deutscher Psychologen (BDP) Ethische Richtlinien der Schweizer Gesellschaft für Psychologie (SGP) Ethik Richtlinien des Berufsverbandes österreichischer Psychologen (BÖP) Schieds- und Eherengericht & Ethikkommission der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGP)

8 4) Konfliktfelder der Klinischen Psychologie a) Forschung - Bsp.: Neuroethik - Ethikkommission b) Praxis - Beratung, Behandlung, Therapie c) Lehre

9 4) Konfliktfelder der Klinischen Psychologie a) Forschung Methoden Psychologischer Forschung: Selbst- und Fremdbeobachtung Befragung Erfassung physiologischer Parameter Eindringen in persönliche, intime Bereiche der ProbandInnen Wissenschaftliche Publikationen: Neben medizinischen Journals fordern zunehmend auch psychologische Fachzeitschriften ein Voting einer Ethikkommission (z.b.:journal of Mental Health Research in Intellectual Disabilities) Daher Internationale Forderungen nach psychologischen Ethikkommissionen (Im englischsprachigen Raum Institutional Review Boards, IRB) In Österreich: Forum österreichischer Ethikkommissionen

10 4) Konfliktfelder der Klinischen Psychologie a) Forschung In Österreich: Liste der Ethikkommissionen auf der HP des Forums österreichischer Ethikkommissionen Beispiele: Ethikkommission für Psychologie der Universität Wien Ethikkommission der Medizinischen Universität und des AKH Ethikkommission der Stadt Wien Bioethikkommission des Bundeskanzleramtes

11 a) Forschung Ethische Richtlinien für die psychologische Forschung 1. Kompetenz Fachliche Kompetenz, Fähigkeit zur ethischen Reflexion, Bewusstsein für die Grenzen der Forschung 2. Verantwortung Nichtschadensprinzip ( primum non nocere ), Schweigepflicht vs. Handeln, Fremdnützige Forschung, 3. Respekt Wertschätzende, respektierende Haltung wahren, Vertraulichkeit, Informed Consent (Informierte Zustimmung) Besonderheiten in der Forschung: vulnerable Gruppen (Kinder, ältere Menschen, Menschen mit psychischen Störungen) Online-Forschung Täuschung 4. Integrität Regeln guter wissenschaftlicher Praxis (wissenschaftliches Fehlverhalten)

12 Beispiel: Neuroethik = Grenzgebiet zwischen Bioethik und den Neurowissenschaften neu entstandener, boomender Bereich Bereiche: Neuroimaging Entwicklung eines neurobiologisch fundierten Menschenbildes Erweitertes Anwendbarkeitsspektrum ( no lie mri ) Suggestivkraft der Bilder Neuropharmakologie Neuroenhancement: pharmakologische Substanzen Neurochemical Selves Neuroprothetik und stimulation Tiefe Hirnstimulation Shift des Fokus auf Beeinflussung psychischer Phänomene und Symptome (nichtmedizinische Anwendung im Sinne von Enhancement) European Neuroscience and Society Network der European Science Foundation Europaweites Forum für multidisziplinären Austausch zw. Neuro- und Sozialwissenschaftlern

13 b) Praxis Beratung, Behandlung, Therapie Umfrage der APA unter amerikanischen Psychologen & Therapeuten Pope & Vetter (1992)

14 b) Praxis Beratung, Behandlung, Therapie, Diagnostik Beispiele für ethische Dilemmata: Vertraulichkeit (Berufsgeheimnis) - Die meisten bewussten Verletzungen ethischer Prinzipien involvieren Vertraulichkeit. - Soll vertrauliche Information offengelegt werden? Wenn ja, wann? - Welche Information? (Kindesmissbrauch, Gewaltausübung) Konflikthafte Beziehungen - Einnahme mehrerer Rollen (Bsp.: Lehrer Therapeut) - spezielle Herausforderung: bestimmte geographische Gegebenheiten (ländliche Gegenden, kleine Dörfer) - Betonung klarer, therapeutischer Grenzen einer professionellen Beziehung - Forderung nach klarer Definition in den ethischen Richtlinien (was ist eine duale, nichtsexuelle Beziehung?)

b) Praxis Beratung, Behandlung, Therapie, Diagnostik Beispiele für ethische Dilemmata: Forensische Psychologie - Verletzung der Weisungsfreiheit - falsche, das eigene fachliche Wissen und Können

15 b) Praxis Beratung, Behandlung, Therapie, Diagnostik Beispiele für ethische Dilemmata: Forensische Psychologie - Verletzung der Weisungsfreiheit - falsche, das eigene fachliche Wissen und Können übersteigende Aussagen vor Gericht Betragen der KollegInnen - Was tun, wenn man Zeuge unethischen Verhaltens seiner KollegInnen wird? - 58% der von der APA befragten PsychologInnen waren der Ansicht, eine Beschwerde über das unethische Betragen eines Kollegen/ einer Kollegin einzureichen, sei an sich schon ein unstreitig unethisches Verhalten (Frage des Berufsethos).

16 c) Lehre Ethik hat im Rahmen des Psychologiestudiums noch keine feste Etablierung gefunden. Ziele einer Ausbildung in Ethik: - Förderung einer systematischen Reflexion professionellen Handelns - Ausbildung einer allgemeinen ethischen Grundhaltung - Durchleuchtung spezieller ethischer Fragen für bestimmte Tätigkeitsbereiche - Heranbildung ethischer Kompetenz Aktuell fehlende Artikulation ethischer Fragen und Konflikte! Im Gegensatz dazu: häufige Konsultation des Ethical Boards der American Psychological Association (APA) durch KlientInnen und PsychologInnen bzw. TherapeutInnen. Für mehr Orientierung: Forcierung der Kasuistik in der Aus-, Weiterund Fortbildung.

17 Linktipps: APA Code of Ethics Belmont Report DGP & BDP ethische Richtlinien Ethikkommission der Fakultät für Psychologie ENSN Nürnberger Kodex

18 Literatur: Bersoff, D.N. (2008). Ethical conflicts in psychology. Washington DC: American Psychological Association. Illes, J. & Bird, S. J. (2006). Neuroethics: a modern context for ethics in neuroscience. Trends in Neurosciences, 29, Pope, K.S. & Vetter, V.A. (1992). Ethical Dilemmas Encountered by Members of the American Psychological Association. National Survey. American Psychologist, 47(3) Reiter-Theil, S. (2004). Ethik in der Klinischen Psychologie. In: M. Perrez & U. Baumann (Hrsg). Lehrbuch Klinische Psychologie - Psychotherapie (3.Auflage). Bern: Huber Fahr. Sales, B. D. & Folkman, S. (2000). Ethics in research with human participants. American Psychologcial Association, Washington DC.

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