Vorbeugender Brand- und Gefahrenschutz bei (Groß-) Veranstaltungen

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1 Gemeinsame VB-Fortbildung 2012 von AGBF Sachsen AK VB/G und LFV Sachsen Referat VB Vorbeugender Brand- und Gefahrenschutz bei (Groß-) Veranstaltungen Ein Überblick Datum: Vortrag von: BR Witte, Stadt Leipzig, Branddirektion 1

2 Bewertung von Großveranstaltungen 2

3 Inhaltsübersicht Risikobetrachtung bei Veranstaltungen Gefahren bei Veranstaltungen Lösungsvorschläge Rechtliche Einstufung von Veranstaltungen Versammlungsstätte Veranstaltung im Freien Das Sicherheitskonzept Literaturhinweis 3

4 Risikobetrachtung Grün: akzeptables Risiko Gelb: mit Auflagen akzeptables Risiko Rot: inakzeptables Risiko Quelle: [5] 4

5 Gefahren bei (Groß-)Veranstaltungen - Brand 56 Tote, 265 Verletzte Bradford, 1985 Fußballspiel Fettexplosion Flüssiggaseinsatz Bild: Lübecker Nachrichten 5

6 Gefahren bei (Groß-)Veranstaltungen - Wetter Blitzschlag Römerfest Xanten, Verletzte Sturmböen Pukkelpop, Hasselt (Belgien) Tote Hagelschlag öffentliche Übertragung der Fußball WM 2006, Leipzig

7 Gefahren bei (Groß-)Veranstaltungen - Erkrankung Sonne / Hitze Dehydration, Sonnenstich, Kreislaufprobleme verdorbene Speisen Infektionskrankheiten Nürburgring, Rock am Ring 7

8 Gefahren bei (Groß-)Veranstaltungen Technischer Defekt Ausfall / Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung Leipzig, 2012, Pferderennen Stromausfall Ausfall sicherheitsrelevanten Einrichtungen Einsturz von Bühnen oder Tribünen Absturz von Bühnentechnik 8

9 Gefahren bei (Groß-)Veranstaltungen Faktor Mensch Besucherverhalten, Demonstranten, Störer krimineller / terroristischer Akt Unfall menschliches Fehlverhalten 9

10 Gefahren bei (Groß-)Veranstaltungen Personendruck Hoher Personendruck 21 Tote Duisburg Loveparade 2010 Unvorhersehbares 10

11 Hoher Personendruck Massenpanik (?) Schäden durch hohen Personendruck - Belohnungssituation (Media Markt Berlin , > 5 Verletzte), - Idol (Tote Hosen Konzert, Düsseldorf, , eine Tote), - Veranstaltungsende (Bergisel Schanze (Ö), 1999, 5 Tote), - Störung der Infrastruktur (Toilette Oktoberfest München, 2004, Polizei regelt Zugang), - Fehler in der Verkehrsflächenplanung (LoPa Duisburg, , 21 Tote) - Einlasssituation (DSDS-Autogrammstunde, Oberhausen, , > 60 Verletzte), Kommunikationsproblem: Hinten weiß nicht, was vorne passiert Die Ursache für den hohen Personendruck ist für die Folge zweitrangig Bilder oben: [1], unten [5] 11

12 Schutzmaßnahmen Wege planen Wege planen (nicht nur die Rettungswege) 6 m Breite für FW-Zufahrten in Bereichen mit Besuchern [8] Ohne Stolperstellen Verengungen, Knicke vermeiden (Sicherheits-)Beleuchtung Stufen, Treppen mit Handläufen Eingangssituationen betrachten Entlastungsflächen schaffen Ersatzbelohnung z.b. Bühne im Tunnelbereich der Loveparade 2010 [5] Bild oben: [5] 12

13 Schutzmaßnahmen Absperrungen Vereinzelungsanlagen Bild: [5] Wellenbrecher Bilder: [7] Mobile Sicherheitsabsperrung für Veranstaltungen [6] 13

14 Schutzmaßnahmen - Informieren Übersichtspläne Flucht und Rettungspläne Hinweistafeln Ab hier noch 30 Minuten bis zum Eingang Durchsageeinrichtungen Bild: Taschenlexikon Eventsafety, VABEG, 2. Aufl. 14

15 Schutzmaßnahmen - Rettungswegkennzeichnung

16 Schutzmaßnahmen organisatorisch / Planung DIM-ICE-Model: 3 Faktoren 3 Phasen-Modell [9] Regelbetrieb Ingress Einlass Circulation Anwesenheit Egress Auslass Design Planung / Konstruktion Kartenverkauf / - kontrolle z.b. Theken, Stände, Toiletten z.b. Wege, Treppen Information z.b. Anreise, ÖPNV, Blöcke, Garderobe z.b. Programm, Toiletten, Stände Leergutrückgabe, Parkplätze, Fahrpläne Management Regie / Leitung Personenführung, Platzeinweisung Überwachung, Berichterstattung Personenführung Notfallbetrieb Ingress Einlass Circulation Anwesenheit Egress Auslass Design Planung / Konstruktion z.b. Druckentlastung, Gepäckkontrolle Stolperstellen, Entlastungsflächen Ausgangsbreiten Information z.b. Noch 30 Minuten bis zum Eingang Rettungswegkennzeichnung Bleiben Sie wegen Blitzeis im Gebäude bis... Management Regie / Leitung z.b. Zugangssperre Überwachung der Personendichte, Sanitätsdienst Antreiber 16

17 Das Sicherheitskonzept - 43 SächsVStättVO - Mindestzahl der Kräfte des Ordnungsdienstes gestaffelt nach Besucherzahlen und Gefährdungsgraden Sicherheitskonzept Inhalt - Betriebliche Sicherheitsmaßnahmen - Sicherheitsdurchsagen - Anordnung von Abschrankungen 17

18 Sicherheitskonzept - Hinweise Zentrales Dokument, das die betrieblichen Maßnahmen beschreibt, diese müssen mit den baulichen Anforderungen korrespondieren. Inhalt nicht gesetzlich geregelt, Empfehlung nach AGBF Bund [3] Allgemeine Informationen (Programm, Besucherzahlen etc.) Verantwortlichkeiten (Organigramm) Gefährdungsanalyse Verfahren bei sicherheitsrelevanten Störungen (inkl. Durchsagetexten) Festlegungen zu Sicherheitskräften (Stärke, Befugnisse, Ausstattung) Plananlagen Im Einvernehmen mit zust. Polizeibehörde, örtl. Brandschutzbehörde und zust. Träger des Rettungsdienstes Erstellung z.b. durch (große) Sicherheitsfirmen (Ordnungsdienste) 18

19 Verantwortung Mögliche Aufbauorganisation Stab des Veranstalters Name, Erreichbarkeit, Standort Veranstalter Behördenvertreter z.b: Ordnungsamt, Bauordnungsamt, Polizei, Feuerwehr Fachberater z.b: Stadtreinigung, Verkehrsbetriebe Veranstaltungsleitung / Sekretariat Stadionsprecher Pressesprecher Technik Name (Techn. Leitung), Erreichbarkeit, Standort Security Name (Leiter Security), Erreichbarkeit, Standort Sanitätsdienst Name (Leiter SanD), Erreichbarkeit, Standort Brandsicherheitswache Name (Wachhabender), Erreichbarkeit, Standort Entsorgung Name, Erreichbarkeit, Standort Elektro. Tontechnik Kommunikation. Tore Tore Tore Tore Streife Tore Tore Tore Arzt UHS 1) Tore Tore Tore Posten Tore Tore Tore Toiletten Müll 1) UHS = Unfallhilfsstelle 19

20 Rechtliche Bewertung von Veranstaltungen In Deutschland ist alles verboten, sofern man keine Genehmigung hat Baugenehmigung Führerschein Angelschein etc. Veranstaltungen dagegen sind grundsätzlich erlaubt 1). Randerscheinungen sind genehmigungspflichtig: Schankerlaubnis Lärmimmissionen Nutzung öffentlicher Flächen Fliegende Bauten Gewerbe 1) Ausnahme Bayern: Art. 19 Landesstraf- u. VerordnungsG 20

21 Rechtsgrundlagen Märkte / Volksfeste GewO 69a (1) Der Antrag ist abzulehnen, wenn [...] der Schutz der Veranstaltungsteilnehmer vor Gefahren für Leben oder Gesundheit nicht gewährleistet ist oder sonstige erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu befürchten sind. (2) Die zuständige Behörde kann [...] die Festsetzung mit Auflagen verbinden; unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig. Aufnahme des Sicherheitskonzeptes in die Sondernutzungsatzung nach 18 SächsStrG bzw. 8 FStrG i.v.m. 4 SächsGemO Aufnahme des Sicherheitskonzeptes in die Polizeiverordnung nach 9 SächsPolG i.v.m 1 und 14 SächsPolG 10 ArbSchG: Der Arbeitgeber hat [...] die Maßnahmen zu treffen, die zur Ersten Hilfe, Brandbekämpfung und Evakuierung der Beschäftigten erforderlich sind. Dabei hat er der Anwesenheit anderer Personen Rechnung zu tragen. 823 BGB: Verkehrssicherungspflicht 21

22 Veranstaltungen im Freien 1 Abs. 1 Nr. 2 SächsVStättVO: Versammlungsstätten im Freien mit Szenenflächen [>20m²], deren Besucherbereich mehr als Besucher fasst und ganz oder teilweise aus baulichen Anlagen besteht. Erläuterung MVStättV (06/2010): Eine Versammlungsstätte im Freien besteht teilweise aus baulichen Anlagen, wenn der Zugang oder Ausgang durch Öffnungen in fest oder vorübergehend errichteten baulichen Anlagen, wie Einfriedungen oder Abschrankungen, gesteuert wird. Finden dagegen im Rahmen eines Volksfestes z.b. auf einer Szenenfläche Darbietungen vor mehr als Besuchern statt und ist dieser Besucherbereich eingezäunt, so fällt jeweils dieser Teil des Volksfestes unter den Anwendungsbereich der MVStättV. 22

23 Ausblick Rückzug des Bauordnungsrechts Fachkommission Bauaufsicht: Änderung der MBO Begründung Stand: Die bisherige Regelung bezüglich Versammlungsstätten im Freien mit Szenenflächen bedarf der Konkretisierung. Die Abgrenzung zwischen Veranstaltungen im Freien und Versammlungsstätten im Freien hat zu Schwierigkeiten geführt. Typische Versammlungsstätten im Freien sind sog. Freilichttheater, Anlagen für den Rennsport oder Reitbahnen sowie Sportstadien also ortsfeste, auf Dauer angelegte Anlagen mit tribünenartiger Anordnung der Besucherbereiche. Das Vorhandensein von Szeneflächen und Tribünen und deren Verkoppelung mit dem dauerhaften Nutzungszweck der Anlage sind Voraussetzungen, um unter die Regelung zu fallen; temporäre Veranstaltungen wie Musikfestivals auf Freiflächen werden nicht erfasst. Werden bei solchen Veranstaltungen Tribünen (und Bühnen) aufgestellt, handelt es sich um Fliegende Bauten; die Genehmigung Fliegender Bauten regelt 76 MBO. Der Anwendungsbereich der Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättV) wird entsprechend angepasst. Dienstberatung SMI mit Bauaufsichtsbehörden vom : Wenn auf einem Gelände eine einmalige Veranstaltung (auch eine Großveranstaltung, z. B. in der Art der Loveparade) durchgeführt werden soll, dabei Bühnen oder Szenenflächen zum Einsatz kommen und der Besucherbereich baulich (z. B. durch einen Bauzaun) so abgeschrankt wird, dass er mehr als Besucher fasst, liegt keine Versammlungsstätte im Freien nach der Begriffsdefinition der SächsVStättVO vor; der Anwendungsbereich der SächsVStättVO ist nicht eröffnet. 23

24 Gemeinsame VB-Fortbildung 2012 von AGBF Sachsen AK VB/G und LFV Sachsen Referat VB Es ist nicht das Ziel Veranstaltungen zu verbieten! Ziel ist die Sicherheit von Veranstaltungen zu erhöhen. Dies muss auch im Interesse der Veranstalter liegen! Denn Sicherheit ist weder Zufall noch Glückssache. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Die gemeinsame VB-Fortbildung 2012 von AGBF Sachsen AK VB/G und LFV Sachsen Referat VB wurde mit freundlicher Unterstützung der Referate 37 und 54 des SMI und der LFS Sachsen durchgeführt. 24

25 Literaturhinweise (1) vfdb Technischer Bericht Statische und dynamische Personendichten bei Großveranstaltungen, Dr. Oberhagemann, 1. Auflage März 2012 (2) Kunst- und Gewerbefreiheit im Spannungsverhältnis zu Anforderungen der öffentlichen Sicherheit bei (Groß-)Veranstaltungen, Fuhrmann, vfdb 1/2012, S. 11ff (3) AGBF-Bund Sicherheitskonzepte für Versammlungsstätten, München, , (4) Aus der Geschichte lernen Ursachen für Massenunglücke, Rogsch, vfdb-tagungsband 2011, S.23ff (5) Braddirektion München Sicherheitsrechtliche Beurteilung und Vorbeugender Brandund Gefahrenschutz bei Großveranstaltungen, , (6) Branddirektion München Mobile Sicherheitsabsperrung für Veranstaltungen, (7) FeuerTrutz Vorbeugender Brandschutz im Bild MVStättV, Spittank, Dietmann, Kremer, Köln 2008 (8) AGBF-NRW Anforderungen an Volksfeste und große Märkte aus Sicht des Vorbeugenden Brandschutz, , (9) DIM-ICE: Event Meta-Modelling, Prof. Keith Still, 2012, 25

26 Kontaktdaten des Referenten Branddirektion Stadt Leipzig Branddirektion Abteilung Vorbeugender Brand- und Gefahrenschutz Gerichtsweg Leipzig Tel.: Fax.: nils.witte@leipzig.de vbg.feuerwehr@leipzig.de 26