Vertreter von Unternehmen, Kammern, Verbänden, Gewerkschaften und Trägern von Bildungs- und Arbeitsmarktmaßnahmen,
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- Johann Holtzer
- vor 7 Jahren
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1 0 Sehr geehrter Herr Alt, sehr geehrter Herr Prof. Dr. Sell, sehr geehrter Herr Körzell, sehr geehrte Frau Morhard, sehr geehrter Herr Mania, sowie Damen und Herren Abgeordnete des Landtags, Vertreter der Arbeitsagenturen und Jobcenter, Vertreter von Unternehmen, Kammern, Verbänden, Gewerkschaften und Trägern von Bildungs- und Arbeitsmarktmaßnahmen, und von weiteren Institutionen bzw. Akteuren der Thüringer Arbeitsmarktpolitik ich möchte Sie alle recht herzlich in Thüringen willkommen heißen! Ich freue mich, dass so viele kompetente, sachkundige Vertreter so zahlreicher Institutionen den Weg hier nach Erfurt gefunden haben und wir gemeinsam über Lösungsansätze und Strategien zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit (und insbesondere auch Langzeitleistungsbezug im SGB II) diskutieren können. Es geht uns insbesondere darum, Menschen mit schwierigen und oftmals mehreren Vermittlungshemmnissen wieder in Beschäftigung zu integrieren oder zumindest ihre Beschäftigungschancen zu verbessern. Ich denke, dass gerade die Workshops heute Nachmittag gute Foren dazu bilden, mit Fachleuten Vorschläge und Initiativen dafür zu entwickeln. Besonders freue ich mich, dass wir mit Heinrich Alt als Vorstand Grundsicherung der Bundesagentur für Arbeit und Professor Stefan Sell ausgewiesene Experten für die Konferenz gewinnen konnten. Das gilt natürlich auch für die anderen Fachleute, die in der Diskussionsrunde heute Mittag und in den Workshops mitwirken. Trotz der nach wie vor bestehenden strukturellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt möchte ich zu Beginn folgendes kurz feststellen: Es ist uns in den letzten vier Jahren gelungen, Thüringen arbeitsmarktpolitisch, und zwar nicht nur im Vergleich zu den neuen Bundesländern nach vorne zu bringen. Allein die Thüringer Arbeitslosenzahlen konnten in der letzten Legislaturperiode so stark gesenkt werden, wie in keinem Zeitraum zuvor: Im Dezember 2013 hatten wir mit 7,8% die niedrigste Arbeitslosenquote seit 1991,
2 1 die niedrigste Arbeitslosenquote aller ostdeutschen Länder und nur noch gut 1% über dem Bundesdurchschnitt! Im Durchschnitt lag die Arbeitslosenquote in Thüringen im Jahr 2013 bei 8,2% und somit fast gleich auf mit NRW! Wir haben in den vergangenen Jahren und Monaten hart dafür gekämpft, dass niemand mehr vom Billiglohnland Thüringen spricht. Und endlich können wir sagen, wir sind auf einem guten Weg, von dem allerdings auch die schwächeren auf dem Arbeitsmarkt mehr profitieren müssen. Erst kürzlich veröffentlichte das Institut für Wirtschaft in Köln, eine Studie über die Arbeitsmarktentwicklung aller deutschen Landkreise und kreisfreie Städte. Unter den Deutschen Jobmeister[n] waren auch 2 Thüringer Landkreise: der Kyffhäuserkreis und der Landkreis Sonneberg. In beiden Landkreisen sank die Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 2013 um über 5% fast alle Thüringer Kreise entfielen jedoch unter die Kategorie mit dem höchsten Rückgang in der Arbeitslosigkeit Gerade beim Kyffhäuserkreis ist dies besonders anzumerken, da er seit Jahren die höchste Arbeitslosenquote in Thüringen hat und nun zumindest in einem positiven Trend ist. Aber bei allem Grund zur Freude über diese Ergebnisse, zeigt die zweite Hälfte der Studie nach wie vor große Problembereiche auf: so ist insgesamt die Zahl der Beschäftigten in Ostdeutschland nur um 3,6 gestiegen (Bundesschnitt: 6,6 Prozent) Diese Entwicklung spiegelt sich ebenfalls in Thüringen wieder: Der Thüringer Arbeitsmarkt ist momentan durch folgende Entwicklungen gekennzeichnet: stabile, positive Arbeitsmarktentwicklung für die Menschen mit Berufsabschlüssen und relativ kurzer Zeit der Arbeitslosigkeit eine doch auf etwa einem Drittel verharrende Langzeitarbeitslosigkeit und gleichzeitig steigender Fachkräftebedarf. In der Fachkräftestudie meines Hauses haben wir einmal analysiert, wie sich dieser Fachkräftebedarf in den nächsten Jahren entwickelt, und heraus kam dabei Folgendes:
3 2 bis zum Jahr 2025 haben wir in Thüringen insgesamt einen Fachkräftebedarf von Personen (überwiegend in drei Bereichen: verarbeitendes Gewerbe, im Gesundheits- und Sozialwesen und unternehmensnahen Dienstleistungen)! davon sind Ersatzbedarf, und Erweiterungsbedarf Der Bedarf lässt sich durch zwei Entwicklungen erklären (ähnlich in fast allen neuen Bundesländern): 1. Renteneintritt stark besetzter Jahrgänge; ist auch aufgrund der Überalterung der Belegschaften ein Problem 2. und Beschäftigungsaufbau, durch positive wirtschaftliche Entwicklung Eines wird dabei durch die demografische Entwicklung gleich doppelt verstärkt: und zwar die Tatsache, dass der größte Erweiterungsbedarf im Gesundheits- und Sozialwesen besteht. Allein dort besteht bis zum Jahr 2025 ein Bedarf von In allen drei Wirtschaftsbereichen werden 70-80% Facharbeiter benötigt. Dies zeigt den hohen Bedarf zur Qualifizierung. Insbesondere Akademiker haben einen gewissen Anspruch an Mobilität und werden nicht ohne weiteres in Thüringen bleiben. Es kommt also darauf an, möglichst viele Absolventen an Thüringen zu binden! Wir müssen daher einerseits Zuwanderung ermöglichen und begünstigen aber auch alle vorhandenen Reserven mobilisieren! Deshalb hat das TMWAT gemeinsam mit der LEG im Jahr 2011 die Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung (ThAFF) geschaffen und 2013 mit dem Welcome Center Thuringia eine Servicestelle für ausländische Studenten und Fachkräfte eingerichtet.
4 3 Wir müssen aber auch eine Mobilisierungsstrategie für Ältere weitervoranbringen, die folgendes beinhaltet: Dynamische Tätigkeitsanforderungen, die sich den Bedürfnissen der Mitarbeiter im Alter anpassen. Diese müssen durch gezielte Fortbildungsangebote unterstützt werden. Innovative Entlohnungsmodelle, die Arbeit im Alter aufwerten, aber gleichzeitig Produktivitätsorientierung sichern. Flexible, entprekarisierte Teilzeitlösungen für ältere Mitarbeiter Ein Betriebliches Gesundheitsmanagement, das möglichst früh ansetzt, Es geht darum, allen, die am Erwerbsleben teilnehmen wollen und können, die Möglichkeit dazu zu geben! Aber wie ist die Entwicklung im SGB II und bei den Langzeitarbeitslosen: Immerhin: im Zeitraum von 2005 bis 2012 sank die SGB II-Quote um 3,1% Rückgang stärker als im bundesdeutschen Durchschnitt und der niedrigste Stand aller ostdeutschen Bundesländer! derzeit gibt es etwa Leistungsbezieher im SGB II 34,3 % der Arbeitslosen sind Langzeitarbeitslose, damit liegt Thüringen etwas unter dem bundesdeutschen Durchschnitt Die Arbeitslosigkeit im SGB II und SGB III Bereich konnte zwischen 2011 und 2013 um 8% verringert werden. bei den Langzeitarbeitslosen ist seit 2011 ein Rückgang um 2,4% zu verzeichnen. Trotz dieser teils erfreulichen Entwicklungen: die Gefahr einer Verfestigung von struktureller Arbeitslosigkeit besteht weiterhin! Insbesondere Menschen mit sozialen, persönlichen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen profitieren eben nicht von einer verstärkten Nachfrage nach Fach- und Arbeitskräften.
5 4 Der Anteil von Menschen mit diesen, im Amtsdeutsch: schwerwiegenden und multiplen Vermittlungshemmnissen steigt: so liegt zum Beispiel der Anteil an Arbeitslosen über 50 Jahren bei fast 41%! Leider hängt SGB II-Beziehern oftmals zudem ein vermeintlicher Makel an, der die Vermittlung in Erwerbsarbeit erschwert: Laut Umfrage der Bundesagentur für Arbeit seien nur etwa 40% befragten Arbeitgeber bereit, einen Erwerbslosen einzustellen, der mehr als ein Jahr ohne Beschäftigung ist. dies völlig zu unrecht, wie eine vom Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführte Umfrage zeigt: o Arbeitgebern, die Erwerbslose in Gastronomie, Pflege und im Handwerk eingestellt hatten, dass diese mehrheitliche pünktlich, teamfähig, flexibel, zuverlässig, motoviert und qualifiziert waren. Jeder soll in die Lage versetzt werden, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Deswegen hat das TMWAT allein in den Jahren 2010 bis 2013 die Integration von Langzeitarbeitslosen mit 52 Mio. Euro Landesmitteln und 158 Mio. Euro ESF- Mitteln gefördert. Insbesondere das 2010 initiierte Landesarbeitsmarktprogramm hat sich dabei als erfolgreiches Instrument erwiesen: Im Landesarbeitsmarktprogramm wurden mit Stand Dezember 2013 fast Arbeitslose individuell begleitet. Mehr als von ihnen schafften den Sprung in Arbeit oder Ausbildung, davon mehr als in den ersten Arbeitsmarkt. Außerdem konzentrieren sich 23 Projekte der Thüringer Initiative zur Integration und Armutsbekämpfung mit Nachhaltigkeit (TIZIAN) auf die soziale Stabilisierung und Herstellung von Beschäftigungsfähigkeit von Langzeitarbeitslosen mit Elternverantwortung. Seit gut einem Jahr ( ) arbeiten in sozialen Brennpunkten elf sog. THINKA-Projekte (Thüringer Initiative für Integration, Nachhaltigkeit, Kooperation und Aktivierung) erfolgreich an der Verbesserung der sozialen Infrastruktur. Die aufgeführten Maßnahmen müssen jedoch weiterentwickelt werden.
6 5 Die Tatsache, dass im August % der Langzeitleistungsbezieher in Thüringen erwerbstätig waren, wirft Fragen auf. Hier werden aber auch grobe Fehler in der langjährig praktizierten Lohnpolitik im Freistaat deutlich. Dabei war gerade der Faktor Gute Arbeit auch seitens der Unternehmer für viele Jahre oftmals völlig unterbewertet. Gute Arbeit muss jedoch zur Grundlage werden für die Sicherung des wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Wachstums! Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: geringe Tarifbindung (46 Prozent in TH gegenüber 61 Prozent in Westdeutschland) niedrige Löhne (34% unter 8,50 ) und noch immer die bundesweit höchste Leiharbeitsquote. auch der Anteil atypischer Beschäftigungsverhältnisse in Thüringen steigt und liegt inzwischen bei 35% (2010: 33%) vor allem Frauen sind in Thüringen zunehmend von atypischer Arbeit betroffen, nur noch jede zweite Frau arbeitet in einem Normalarbeitsverhältnis Wir brauchen eine neue Balance zwischen Leistung und Lohn! In den vergangen Jahren haben wir zahlreiche Initiativen des TMWAT zum Thema Gute Arbeit ins Leben gerufen: Die Änderung des Vergabegesetzes Die Einführung des Leiharbeitskriteriums in die GRW-Förderung Lohnkostenzuschüsse aus dem ESF dürfen nun nur bei mindestens 8,33 Stundenlohn gezahlt werden! oder im Jahr 2012 die Thüringer Bundesratsinitiative Mindestlohn Durch diese Initiativen wollen wir auch ein Signal setzen, dass Menschen und ihrer Arbeit in Thüringen ein hoher Wert beigemessen wird! Umso erfreulicher ist es, dass die SPD auf Bundesebene, (gegen erbitterten Widerstand der CDU) den Mindestlohn von 8,50 im Koalitionsvertrag durchgesetzt hat.
7 6 Am 01. Januar 2015 wird er kommen, spätestens bis Ende 2016 sind dann alle Bereiche davon erfasst. Die Auswirkungen davon werden wohl in keinem anderen Bundesland so sehr spürbar sein wie in Thüringen. Denn 34 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Freistaat verdienen bislang weniger als den Mindestlohn. Eine weitere Maßnahme im Koalitionsvertrag ist zum Beispiel die Einführung eines Programms 2. Chance zur Nachqualifizierung junger Erwachsener ohne Berufsabschluss. Wir hatten dieses Programm in Thüringen jedoch schon im Jahr 2012: mit Thüringen braucht dich haben wir damit quasi eine Vorlage für dieses bundesweite Programm geliefert. Entsprechende Modellprojekte machen wir seit letztem Jahr gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern in Ostthüringen. So wollen wir durch finanzielle Anreize junge Menschen für einen Berufsabschluss zu motivieren. Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere erfolgreiche Bestrebungen zur Verbesserung des Thüringer Arbeitsmarktes reichen mittlerweile weit über die Landesebene hinaus! Aber auch auf Bundesebene müssen wir darüber reden, wie wir im Rahmen öffentlich geförderter Beschäftigung einen sinnvollen ergänzenden Arbeitsmarkt erreichen können. Einen Arbeitsmarkt der Brücken baut zu regulärer Beschäftigung. In diesem Zusammenhang sollten wir sicherlich auch, über den sog. Passiv-Aktiv- Transfer von finanziellen Mitteln im SGB II sprechen. Denn es muss ja darum gehen, sinnvolle Arbeit und nicht Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Vorrang hat für uns natürlich der sog. 1. Arbeitsmarkt wir brauchen aber auch Alternativen für Menschen, die wir dort nicht zeitnah integrieren können. Ich glaube daher eine Diskussion zu diesen Themen lohnt sich auch auf bundespolitischer Ebene.
8 7 Ich möchte abschließend deshalb nochmals alle heute hier Anwesenden einladen sich auch zu beteiligen. Denn wir wollen heute ja auch gemeinsam nach weiteren Ansätzen und Lösungen zur Integration und Fachkräftesicherung suchen. Ich freue mich auf die weiteren Vorträge und die spannende Diskussion! Vielen Dank!
der Thüringer Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, Heike Werner (DIE LINKE),
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