Otto v. Bismarcks Innenpolitik
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- Marta Gehrig
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1 1 Otto v. Bismarcks Innenpolitik
2 2 Otto von Bismarck wird am als Sohn des Rittergutsbesitzers Ferdinand von Bismarck auf Schloß Schönhausen im Elbe - Marschland nahe Stendal geboren. Vom siebten Lebensjahr wächst Otto in Berliner Erziehungsanstalten auf, studiert dann in Göttingen und Berlin Rechtswissenschaften und steht im preußischen Staatsdienst. Dann übernimmt er die Verwaltung seines Gutes Kniephof in Pommern, und verwaltet nach dem Tod seines Vaters das Gut Schönhausen. Als Vertreter der sächsischen Ritterschaft tritt er in den Vereinigten Landtag in Berlin ein und heiratet Johanna von Puttkamer, eine pommersche Gutsbesitzertochter. Als konservativer Abgeordneter des preußischen Landtags bekämpft er 1848 Revolution und Demokratie, tritt für die Ablehnung der Kaiserkrone ein, die dem König von Preußen von der Frankfurter Nationalversammlung angetragen wird, und geht dann als preußischer Gesandter an den wiedererrichteten Bundestag nach Frankfurt. Anschließend wird er 1859 Gesandter in Petersburg, dann in Paris, von wo er 1862 zum preußischen Ministerpräsidenten berufen wird übernimmt er dazu das Amt des deutschen Reichskanzlers. Bismarcks grundsätzliche Einstellung ist erkennbar aus einem Interview, das er während des Krieges mit Österreich - einem französischen Journalisten gibt: Ich verfolge mit durchaus ruhigem Gewissen einen Endzweck, den ich als für mein Land und Deutschland nützlich ansehe. Was die Mittel betrifft, so habe ich in Ermangelung anderer mich derer bedient, die sich mir darboten. Bei der gegenwärtigen Lage Preußens in Deutschland und gegenüber Österreich mußten wir vor allem eine Armee haben. Das ist in Preußen die einzige disziplinierbare Macht. In der Armee ist jeder Preuße ein prächtiger Soldat und schlägt sich wie ein Löwe für die Ehre des Landes. Durch meine Familie, meine Erziehung bin ich vor allem der Mann des Königs. Vor sechzehn Jahren lebte ich ruhig als Landedelmann [Junker]. Da rief mich der Wille des Königs als Bundestagsgesandten nach Frankfurt. Schon damals faßte ich den Plan, den ich jetzt auszuführen suche: Norddeutschland in seiner vernünftigen und natürlichen Gestalt unter die Führung Preußens zu bringen. Um dieses Ziel zu erreichen, würde ich allem trotzen, dem Exil (Verbannungsort) und selbst dem Schafott (Enthauptungsstätte). Im Konflikt zwischen König und Parlament stand ich auf der Seite des König; meine persönliche Ehrfurcht vor ihm, meine ganze Vergangenheit, alle meine Familienüberlieferung machten mir das zur Pflicht. Allein, daß ich von Natur oder aus Prinzip der Gegner des parlamentarischen System sein soll, das ist eine ganz grundlose Unterstellung Nach dem Friedensschluß mit Österreich gründet Bismarck 1866 den Norddeutschen Bund, dem neben Preußen die restlichen Staaten nördlich des Mains angehören. Der preußische König Wilhelm führt den Bund, der aber nur als Übergangslösung gedacht ist. Mit den süddeutschen Fürsten schließt Bismarck ein Schutz- und Trutzbündnis ; sein Ziel bleibt der Zusammenschluß aller deutschen Fürsten unter preußischer Führung. Die Verwirklichung seines Ziels bringt der Sieg über Frankreich nach dem Krieg 1870/71. Geduldig verhandelt Bismarck mit den einzelnen Fürsten, und so findet am im Spiegelsaal von Versailles die Krönung des preußischen Königs zum deutschen
3 3 Kaisers Wilhelm I statt, und die gesamtdeutsche Einheit unter preußischer Führung ist erreicht. Über die Siegesfeier, mit der man später die Reichsgründung in Berlin begeht, schreibt eine bekannte Familienzeitschrift: Es war der größte Tag, welchen Berlin jemals gesehen und wie wir einen größeren zu erleben weder hoffen noch begehren dürfen. Es war ein Fest- und Weihetag der gesamten deutschen Nation, von welchem die Geschichte den späteren Geschlechtern erzählen wird! Die Macht in dem neuen Staat haben der Kaiser und die Fürsten. Der Kaiser besitzt das Recht, Bündnisse und Verträge mit dem Ausland zu schließen, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen. Im Krieg führt er den Oberbefehl über Heer und Flotte. Er ernennt die Mitglieder der Reichsregierung, vor allem den Reichskanzler, der nur ihm - nicht dem Parlament - verantwortlich ist. In dem von Vertretern der Länderregierungen gebildeten Bundesrat führt der Reichskanzler den Vorsitz. Dem Bundesrat müssen alle Reichsgesetze und der Reichshaushalt zur Bewilligung vorgelegt werden. Neben dem Bundesrat steht der Reichstag zwar als gesetzgebende Gewalt, aber ohne Zustimmung des Bundesrats kann kein vom Reichstag beschlossenes Gesetz zustande kommen. Die Reichstagsabgeordneten werden in allgemeiner, freier, geheimer Wahl gewählt. Frauen besitzen allerdings noch kein Stimmrecht. Bismarck braucht die Wahlen zum Reichstag nicht zu fürchten. Preußen ist größer und stärker als alle anderen Bundesstaaten zusammen, und die Bevölkerung ist königstreu. Dafür sorgt auch das in Preußen geltende Dreiklassenwahlrecht, das die Wähler in drei Gruppen einteilt: die Reichen, den wohlhabenden Mittelstand und die große Masse. Trotz ihres zahlenmäßigen Übergewichts kann die Masse nur so viele Vertreter wählen wie jede der beiden ersten Gruppen. Die Abgeordneten im Reichstag und in den Landtagen gliedern sich nach Parteien, die man nach ihrer Sitzordnung im Parlament als rechts, links und mitte einteilt. Rechts sitzen die Konservativen (die preußischen Junker), links die Sozialdemokraten und in der Mitte mehrere Parteien, die Nationalliberalen bzw. die Fortschrittspartei, das Zentrum und einige kleinere Gruppierungen. Bismarck kann zunächst souverän regieren. Er besitzt das absolute Vertrauen seines Kaisers und stürzt sich in den ersten Jahren des Reiches hauptsächlich auf die Nationalliberale Partei. Schwierigkeiten entstehen dann durch die Zentrumspartei, in der die deutschen Katholiken politisch organisiert sind. Im vatikanischen Konzil verkündet der Papst 1870 seine Unfehlbarkeit in Sachen des Glaubens und der Sittenlehre. Die nichtkatholische Welt reagiert auf das neue Dogma (Meinung, Lehrsatz) mit der Frage, wie es sich mit dem modernen Geist und mit den Pflichten gegen den modernen Staat vertrage, und ein Teil der Katholiken trennt sich von Rom. Diese Altkatholiken - wie sie sich nennen - werden von der Regierung unterstützt, und dagegen protestieren die katholischen Bischöfe. Das ist der Beginn des sogenannten Kulturkampfes. Bismarck nimmt den Geistlichen per Gesetz den beherrschenden Einfluß auf die Schule, verbietet den Jesuitenorden in Deutschland, verlangt von allen Priestern ein Staatsexamen vor Ausübung des Berufes und entzieht den Pfarrern das Recht, das Standesamt zu führen.
4 4 Gegen diese staatlichen Maßnahmen protestieren wiederum Bischöfe, Priester und gläubige Katholiken und die Zentrumspartei bekommt großen Zulauf. Bismarck muß die Grenzen staatlicher Macht erkennen, und er sucht den Ausgleich mit dem Papst. Er braucht auch die politische Unterstützung des Zentrums im Reichstag, und so beendet er 1878 den Kulturkampf. Die staatliche Schulaufsicht und die Zivilehe bleiben aber erhalten. Anschließend kümmert sich Bismarck intensiv wieder um die Wirtschaftspolitik, die in eine gewisse Krise geraten ist. Nach Gründung des Deutschen Kaiserreiches waren Währung, Maße und Gewichte, Post und Eisenbahn sowie die Rechtsprechung vereinheitlicht worden. Bald schon herrschte während der sogenannten Gründerjahre Hochkonjunktur, und es entstanden enorm viele Aktiengesellschaften und Großbanken. Zahlreiche Firmen konnten jedoch der Konkurrenz - vor allem der ausländischen - nicht standhalten, und viele Aktionäre verloren ihr Geld. In dieser Lage verlangte das bisher so liberale Bürgertum den Schutz des Staates. Die gleiche Forderung kam auch von der Konservativen und den adligen Grundbesitzern. Sie fühlten sich durch den Überseehandel in ihrer Existenz bedroht, und so forderten Großindustrielle und Großgrundbesitzer gemeinsam staatliche Schutzzölle auf die Einfuhr ausländischer Waren, um so den Markt für eigene Erzeugnisse zu sichern. 1878/79 geht Bismarck auf diese Forderungen ein und gewinnt so die beiden herrschenden Klassen - Adel und Großbürgertum - für seine Politik. Die Schutzzölle schützen allerdings nicht den Verbraucher und sorgen außerdem dafür, daß die Reichsregierung mehr Geld für den Ausbau von Heer und Marine bekommt, denn die Zölle fließen der Staatskasse zu. Danach wendet sich Bismarck der Sozialdemokratischen Partei zu, die für ihn und die meisten Adligen und auch das Bürgertum Reichsfeinde sind, weil ihr Programm auch marxistische Ideen enthält. Als zwei Attentate auf Kaiser Wilhelm verübt werden mit denen die Sozialdemokraten nachweislich aber nichts zu tun haben, legt Bismarck ein Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vor, das der Reichstag mit Mehrheit annimmt. Das Sozialistengesetz von 1878 verbietet alle sozialistischen Vereine, Zeitungen und Versammlungen und ermöglicht die Inhaftierung oder Ausweisung der Parteiführer. In dem Bestreben, die Arbeiter von der Sozialdemokratischen Partei fernzuhalten, erläßt Bismarck in den Jahren die Arbeiterschutzgesetze: Krankenversicherung, Unfallversicherung sowie Alters- und Invalidenversicherung. Diese Sozialpolitik verbessert die Lage der Arbeiterschaft in spürbarer Weise, dennoch gelingt es Bismarck nicht, die Arbeiter den Sozialdemokraten zu entfremden. Von außen betrachtet, scheint Deutschland sich unter Bismarcks Staatsführung zur führenden Wirtschaftsmacht und zum Zentrum der europäischen Politik entwickelt zu haben. Als Bismarck 1890 seinen Rücktritt erklärt, nachdem es zu Gegensätzen mit dem jungen Kaiser Wilhelm II. gekommen ist, schreibt jedoch ein Wissenschaftler: Was war Bismarcks politisches Erbe? Er hinterließ eine Nation ohne alle und jede politische Erziehung Und vor allem eine Nation ohne allen und jeden politischen Willen, gewohnt, daß der große Staatsmann an ihrer Spitze für sie die Politik schon besorgen werde.
5 5 Christian Freitag, 1997
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