Fachtag Baurecht Handwerkskammer Dresden am 01. März 2012 (Messe HAUS)

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1 Fachtag Baurecht Handwerkskammer Dresden am 01. März 2012 (Messe HAUS) RA Bernd Morgenroth

2 Referent: Rechtsanwalt Bernd Morgenroth, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, BSKP Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer Fetscherstraße 29, Dresden Vertragliche Vereinbarungen vs. gelebter Realität Was schuldet der (Werk-) Unternehmer? Oder: Was steht drauf und was ist wirklich drin?

3 Woraus setzt sich die Leistungs-/Erfüllungspflicht des Werkunternehmers (als AN) zusammen?

4 Bestandteile des werkvertraglich geschuldeten Erfolges 1. Leistungsbeschreibung/ Beschaffenheitsvereinbarung 2. vertragliche Regelungen (VOB; AVB; BVB...) Leistungs-/Erfüllungspflicht des Werkunternehmers 3. technische Vorgaben (VOB/C, DIN etc.) 4. Funktionalität 5. Gesetz/Rechtsprechung - BGB - EuropaR - Rechtspr. international - Rechtsprechung des EuGH

5 Die unternehmerische Misere bei der Erfolgshaftung Der Auftragnehmer (und/oder seine Berater) haben alle Komponenten im Rahmen der Vertragsanbahnung beim Vertragsabschluss wie auch bei der Realisierung des Vorhabens zu beachten. Häufig weiß der Unternehmer nur, was auf der Packung drauf steht, aber nicht was wirklich drin ist!

6 1. Leistungsbeschreibung/ Beschaffenheitsvereinbarung Hierbei soll die zu erbringende Leistung eindeutig und erschöpfend ( 9 VOB/A) beschrieben sein Leistungsverzeichnis, Pläne, ergänzende Bestandteile,...). Seit der Schuldrechtsreform gilt die strenge Anlehnung an der sog. Beschaffenheitsvereinbarung ( was drin steht, muss ich auch bringen )

7 Problem: häufig unklare, missverständliche und lückenhafte Ausschreibungen /Leistungsbeschreibungen der öffentlichen Hand sowie bei gewerblichen/privaten Bauvorhaben besondere Gefahren bei funktionaler Leistungsbeschreibung ( Mogelpackung ) Folge: Streit um Nachträge und Mängel! oft eigenmächtige Abweichung von der Leistungsbeschreibung (Bsp. Isofloc statt Intello )

8 2. Vertragliche Regelung wann gilt die VOB? (häufig Einbeziehungsprobleme) Ist die VOB/B als Ganzes in den Vertrag eingeführt? - Wenn nein, was gilt dann? - Auf welche VOB-Regelungen bei der isolierten Inhaltskontrolle kann ich mich noch verlassen? Wie gehe ich mit AVB/BVB (mit teilw. offensichtlich unwirksamen Regelungen) der anderen Vertragspartei (AG) um?

9 3. Technische Vorgaben und Funktionalität Was ist Stand der Technik, welche allgemein anerkannten Regeln der Technik gelten? Gibt es ggf. DIN-Vorgaben, die nicht (mehr) den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen? (z. B: Schallschutz, DIN 4109) Inwiefern wird die VOB/C vereinbart, wenn nicht die VOB/B zwischen den Parteien vereinbart wird? Was ist mit Herstellervorgaben, inwieweit gelten diese und was gilt bei Widersprüchen mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik?

10 4. Funktionaler Mangelbegriff AN haftet auch für nicht erreichte aber nach Vertrag vorausgesetzte Funktion: (z.b. nicht ausreichende Beheizung eines Hauses, vgl. BGH Urteil vom VII ZR 183/05)

11 5. Gesetzliche Regelungen / Rechtsprechung Grundsätzliche Geltung des BGB Durch neue gesetzliche Regelungen ( 651 ff BGB) und die Rechtsprechung des EUGH (Urteil vom )ist bei der Frage, welcher Vertragstypus in welchem Rechtsverhältnis gilt, so einiges auf den Kopf gestellt werden

12 Gesetzliche Regelungen und deren Inhalte werden geprägt von der Auslegung und Kommentierung Dritter, aber insbesondere von der nationalen wie auch zunehmend der europäischen Rechtsprechung (EuGH). Herausragende Stellung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Europarecht mit direkten Einfluss auf nationale Gesetze und Rechtsprechung)

13 Nationale Gesetzgebung und Rechtsprechung Besonders zu beachten ist die Neuregelung des 651 BGB (Werklieferungsvertrag) seit der Schuldrechtsmodernisierung ( ). hier besondere Bedeutung des Urteils des BGH vom ( Silo-Fall )

14 Welche Auswirkungen haben die Neufassung des 651 BGB und das Urteil des BGH vom ? (dazu lesenswert Aufsatz von Jansen, IBR 2010, 1361)

15 In Stichworten: Begriffe Werklieferungsvertrag, vertretbar und nicht vertretbar entfallen. Kaufrecht: Dem Kaufrecht unterliegen alle Verträge über die Lieferung noch herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen (Zweck: Anpassung an die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) (P): Wann unterliegen baubezogene Herstellungsoder Lieferverträge dem Werkvertragsrecht, wann dem Kaufrecht und wann einer Mischregelung werkvertraglich geprägtes Kaufrecht)?

16 reiner Bauvertrag: Werkvertrag mit allen üblichen Regelungen zur Vorleistungspflicht, Gewährleistung, Abnahme, Gewährleistungsfristen etc. gilt vor allem wo der Einbau und die Montage im Mittelpunkt stehen

17 Verträge über die Lieferung von zu verarbeitenden Rohmaterialien unterliegen dem Kaufrecht

18 baubezogene Herstellungs- und Lieferverträge über Bauteile (Fenster, Türen, Heizkörper, Fertigbauelemente, Anlagenteile) Hier gilt: Auf sämtliche Verträge mit einer Verpflichtung zur Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen ist Kaufrecht anzuwenden, auch bei Verträgen zwischen Unternehmen! Dies gilt auch für anderweitig nicht absetzbare herzustellende bewegliche Bau- und Anlagenteile (nach altem Schuldrecht sog. unvertretbare Sachen)

19 Dann wären aber u.u. die Vertragsverhältnisse zwischen HU/BH und HU/SUB unterschiedlich zu behandeln. HU-BH (schlüsselfertiger Bau) -> Werkvertrag HU-SUB (Fenster) -> Kaufvertrag

20 Beispiele aus der Rechtsprechung (s. Aufsatz von Jansen): Die Lieferung einer Siloanlage, deren einzelne Bauteile nach statischen Berechnungen des Verkäufers dimensioniert wurden und wofür der Verkäufer auch noch eine Statik für die bauseits herzustellenden Fundamente mitgeliefert hat, unterliegt dem Kaufrecht. Lieferung und Montage eines serienmäßig hergestellten Mobilheims (Wohncontainer), das auf bauseits hergestellten Fundamenten aufgestellt wird, unterliegt dem Kaufrecht, auch wenn Sonderwünsche erfüllt wurden

21 Die Fertigung und Montage eines Ausbauhauses ist Werkvertrag, nicht Kaufvertrag mit Montageverpflichtung in Bezug auf die einzelnen Bauteile. Die Konstruktion, Lieferung und der Einbau einer maßgeschneiderten Treppenanlage oder von Fenstern und Türen ist Werkvertrag, da der Einbau (der werkvertragliche Erfolg) im Mittelpunkt steht. Die Lieferung von 100 nach Aufmaß herzustellender Wohnungseingangstüren (ohne Einbauverpflichtung) oder einer Treppenanlage (ohne Einbauverpflichtung aber mit Montagehilfe) ist Kaufvertrag

22 Die Reparatur von Bauteilen oder baulichen Anlagen ist Werkvertrag, auch wenn einzelne Neuteile im Zuge der Reparatur eingebaut werden. Fazit: Die Einordnung unter den jeweiligen Vertragstypus ist meistens einzelfallbezogen und nur schwer berechenbar

23 Da auf sämtliche Verträge mit einer Verpflichtung zur Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen Kaufrecht anzuwenden ist und nur Teilregelungen des Werkvertragsrechts überhaupt Anwendung finden ( 642, 643, 645, 649, 650 BGB), stellen sich folgende weitere Probleme:

24 Was ist mit der Vereinbarung der VOB/B? Gilt diese überhaupt, wenn sich z.b. herausstellt, dass Kaufrecht anzuwenden ist? -> Abweichung vom gesetzlichen Leitbild ( 307 Abs. 2 Ziff. 1 BGB) Mangelhaftung: Beim Werkvertrag fünf Jahre nach Abnahme Kaufrecht fünf Jahre nach Ablieferung (meist früher!)

25 kaufmännische Rügepflicht ( 377, 381 Abs. 2 BGB) bei Kaufvertrag zwischen Unternehmen -> unverzügliche Prüfung aller gelieferten Bauteile und Baustoffe; dies ist nur anders, wenn die Montageverpflichtung von so wesentlicher Bedeutung ist, dass reines Werkvertragsrecht anzuwenden ist (im Einzelfall müssen die jeweiligen Arbeitsschritte (Anfertigung/Herstellung, Anlieferung und Montage) auseinanderdividiert werden und mit prozentualen Schwerpunkten bewertet werden)

26 Wie verhält es sich mit Abschlagszahlungen (Kaufrecht: Zug um Zug / Werkvertragsrecht: Vorleistungspflicht des Unternehmers mit der Besonderheit des 632 a BGB und des 16 VOB) Was ist mit den Nebenkosten (Einbau/Ausbau) der Nacherfüllung (siehe dazu nachfolgenden Fall des EuGH)? - Selbstvornahme kennt das Kaufrecht nicht - etc

27 Folgen: -> weitere Spielräume bei AGB-/Individualverträgen (bisherige AGB auf den Prüfstand stellen) -> Schaffung eines Bauvertragsrechts, das den unterschiedlichen Vertragskonstellationen besser gerecht wird, dabei größere Annäherung zwischen Kaufrecht und Werkvertragsrecht!

28 Was gilt innerhalb der Konstellation Lieferant Auftragnehmer Auftraggeber?

29 Fall des EUGH, Urt. V Ein Bauherr hatte für 1.382,27 polierte Bodenfliesen bei einem Händler gekauft. Nachdem 2/3 der Fliesen in seinem Haus verlegt waren, wurden auf deren Oberfläche Schattierungen festgestellt. Abhilfe ist nur durch einen kompletten Austausch der Fliesen möglich. Das OLG hatte dem Bauherrn u. a ,37 für Ausbau und Entsorgung der mangelhaften Fliesen zugesprochen. Dagegen wendet sich die Revision des Händlers. Der BGH ist der Ansicht, dass diese Kosten nach deutschem Recht im Rahmen der Nacherfüllung (Kaufrecht) nicht verlangt werden können. Die Frage wird dem EuGH vorgelegt, da sich ggf. Ansprüche aus Artikel 3 Abs. 2, 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 99/44/EG ergeben könnten

30 Der EuGH beantwortet die Frage anders als der BGH: Der EuGH ist der Auffassung, dass der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsgutes oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen kann, sofern nicht die Erfüllung seiner Forderung unmöglich oder die Forderung unverhältnismäßig ist. Der Verbraucher kann im Fall der Ersatzlieferung für ein vertragswidriges Verbrauchsgut vom Verkäufer sowohl die Kosten für den Ausbau des Verbrauchsgutes wie auch für den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsgutes verlangen

31 Begründet wird dies u. a. damit, dass im Falle des Einbaus eines vertragsgemäßen Verbrauchsgutes der Verbraucher die Einbaukosten nur einmal getragen hätte und keine Kosten für den Ausbau hätte tragen müssen. Der EuGH nimmt hierbei Bezug zu Artikel 3 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Mit diesem Urteil wird die Rechtsprechung wie auch das geltende Recht leben müssen

32 Welches sind die Folgen für das deutsche Kaufrecht? Nacherfüllung incl. Erstattung von Ein- und Ausbaukosten sofortige Rügepflicht bei Unternehmerverträgen (gegenüber Lieferant) -> häufiger Ausschluss von Gewährleistungsansprüchen Erstattungsberechtigter Verkäufer kann Rückgriff bei Lieferant nehmen ( 478 Abs. 2 BGB)

33 Folgen für das deutsche Werkvertragsrecht: Durch die Entscheidung des EuGH wird die Gewährleistung nach dem Kaufrecht der werkvertraglichen Gewährleistung angenähert. Denn beim Werkvertrag gilt grundsätzlich nach herrschender Meinung, dass der Unternehmer auch Vor- und Nacharbeiten schuldet, die zur Beseitigung eines von ihm zu verantwortenden Mangels erforderlich sind

34 Beispiel: Der Unternehmer verpflichtet sich zum Einbau von Parkett, dass er beim Baustoffhändler einkauft. Wegen des eigens für ihn nicht erkennbaren Materialfehlers löst sich die Deckschicht des Parketts, das neu verlegt werden muss

35 In einem solchen Fall muss der Handwerker das bereits verlegte Parkett ausbauen und neues, fehlerfreies Parkett einbauen

36 Die praktische Bedeutung dieser Divergenzen ist durch die Entscheidung des EuGH relativiert. Denn nunmehr gilt auch neben 635 Abs. 1, S. 2 BGB (für Werkverträge) nach 439 Abs. 1, Abs. 2 BGB für Kaufverträge, dass die Begleitarbeiten zu ersetzen sind. Es kann ggf. von Kleinigkeiten abhängen, ob ein Vertrag (siehe oben) als Kaufvertrag mit Montageverpflichtung oder als Werkvertrag einzuordnen ist

37 Es ist nicht gerechtfertigt, die sprachlich weitgehenden Übereinstimmungen und Regelungen zur Gewährleistung unterschiedlich auszulegen. Zukünftig ist darauf zu achten, dass die Gewährleistungsverpflichtungen, wie auch der Beginn der Gewährleistungsfristen nicht mehr unterschiedlich geregelt werden

38 Neue Argumentationsmöglichkeiten eröffnet das Urteil des EuGH für den Regress des Handwerkers gegen den Baustofflieferanten. Vor der Entscheidung des EuGH war die Gewährleistung des Baustofflieferanten auf die Lieferung einer neuen Kaufsache beschränkt. Die Ein- und Ausbaukosten, die der Handwerker nach der ganz überwiegenden Auffassung zu tragen hat, bleiben danach bei ihm hängen. Falls nunmehr aber auch für Verträge zwischen Unternehmern die Ein- und Ausbaukosten nach 439 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB zu ersetzen sein sollten, so könnte der Handwerker auch solche Kosten beim Lieferanten geltend machen sofern er nicht, wie in der Praxis häufig, die Rüge gemäß 377 HGB unterlassen hat

39 Fazit und Ausblick: Für den baurechtlichen Bereich ist durch die Entscheidung des EuGH dem Bauunternehmer geholfen, der bei seinem Auftraggeber sich später als mangelhaft herausstellende Baustoffe eingebaut hat, diese ausbauen und mangelfrei wieder einbauen musste und von seinem Baustofflieferanten bestenfalls mangelfreie Materialien beanspruchen konnte, sofern dieser nicht ausnahmsweise verschuldensabhängig einer weitergehenden Haftung unterlag

40 Insgesamt aber muss erkannt werden, dass die Vielzahl der Probleme bei der Anwendung von Kauf- und/oder Werkvertragsrecht das seit langem geforderte neue Bauvertragsrecht zusätzlich erforderlich macht und dass perspektivisch, zumindest in der Übergangszeit die Vorteile des Kaufrechts im Baugeschehen für den werkvertraglichen Bereich übernommen werden bzw. die Regelungen einander angeglichen werden

41 In der Praxis gilt: Größere Sorgfalt bei Vertragsschluss und Fassung von AGB Klärung wie die Vertragskette aussieht (Hersteller/Lieferant ->AN->Bauherr)

42 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! BSKP Dr. Broll Dr. Seid Kaufmann und Partner Steuerberater Wirtschaftsprüfer Rechtsanwälte Fetscherstraße Dresden Tel RA Bernd Morgenroth