Zu jung für die Altersrente, zu gesund für eine Erwerbsminderung, zu alt und krank für den Arbeitsmarkt?
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- Jörg Egger
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1 PD Dr. Matthias Knuth / Lina Zink Zu jung für die Altersrente, zu gesund für eine Erwerbsminderung, zu alt und krank für den Arbeitsmarkt? Wissenschaftlicher Workshop Arbeitsbedingtheit von Frühberentungen eine nach wie vor aktuelle Problematik Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen, 10. Januar 2007
2 Analysen zum Erwerbsaustritt mit dem SOEP (laufendes FNA-Projekt Die Erwerbstätigkeit älterer Arbeitnehmer und Auswirkungen auf die soziale Sicherung im Alter ) Definition erwerbstätig : mindestens 1 Stunde Erwerbsarbeit pro Woche (ILO-Konzept) Definition endgültiger Erwerbsaustritt : Angabe Erwerbstätigkeit beendet und in Folgemonaten und jahren keine neue Erwerbstätigkeit berichtet oder Eintritt in Rentenbezug (etwaige Nebentätigkeit bleibt unberücksichtigt) Gesundheitszustand im Jahr des Erwerbsaustritts SOEP-Wellen : knapp Personen zwischen 50 und 69 Jahren, die im Beobachtungszeitraum mindestens einmal als erwerbstätig erfasst wurden und ihre Erwerbstätigkeit beenden.
3 Endgültiger Erwerbsaustritt in Abhängigkeit von der Einschätzung des Gesundheitszustandes bis 2003 sehr gut bis gut zufriedenstellend weniger gut bis schlecht 100% 90% Überlebensrate (Erwerbsintegration) in % 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% Log-rank-Test: p = 0,0000 Wilcoxon-Test: p = 0,0000 (Kaplan-Meier Überlebensraten) 0% Alter in Jahren Quelle: SOEP; Berechnung: Jürgen-Nordhause-Janz
4 Endgültiger Erwerbsaustritt in Abhängigkeit von der Arbeitszufriedenheit bis 2003 unterdurchschnittlich überdurchschnittlich 100% Überlebensrate (Erwerbsintegration) in % 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% Log-rank-Test: p = 0,0000 Wilcoxon-Test: p = 0,0000 (Kaplan-Meier Überlebensraten) 0% Alter in Jahren Quelle: SOEP; Berechnung: Jürgen-Nordhause-Janz
5 Anteil Sozialleistungen Beziehender an der Bevölkerung im Erwerbsalter nach Grund der Sozialleistung Prozent der Bevölkerung im Erwerbsalter ,83 1,62 3,04 1,48 4,35 2,24 2,5 4,7 7,6 1,55 4,29 2,88 1,22 2,8 2,12 6,64 5,22 1,93 5,01 1,16 4,1 2,88 0,99 0,9 0,19 3,96 3,92 2,92 1,95 3,13 6,7 1,25 0,18 4,79 4,6 4,67 0,22 0,49 6,35 4,08 5,74 5,15 4,38 7,64 1,82 1,77 7,21 6,9 5,04 4,78 6,38 2,72 4,61 2,51 1,24 2,72 4,27 1,26 2,66 0,84 4,32 2,39 6,59 7,03 3,37 3,39 3,45 3,64 4 4,63 3,29 2,72 3,2 3,38 2,15 2,09 1,21 0 0,59 0,76 DK NL UK DE FR DK NL UK DE FR DK NL UK DE FR Sozialhilfe Arbeitslosenunterstützung Erziehungs-/Pflegeurlaub Erw erbsunfähigkeit Krankheit Alter Quelle: OECD 2003
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7 Status der 50- bis 65-Jährigen nach Selbsteinschätzung 100% keine Angabe 80% anderes 60% 59,39 55,67 74,18 55,38 66,08 erwerbstätig Hausarbeit usw. 40% 20% 0% 9,9 10,22 24,02 8,15 16,48 21,45 2,34 10,98 13,2 5,15 10,28 4,62 2,73 3,81 5,02 2,04 6,05 3,27 7,96 9,21 DE FR DK NL GB Ruhestand arbeitslos dauerhaft krank / erwerbsunfähig And which of these descriptions best describes your situation (in the last seven days)? Quelle: European Social Survey (ESS) 2002; Berechnung: Lina Zink
8 Status der 50- bis 65-Jährigen Nichterwerbstätigen nach Selbsteinschätzung (100% = alle Angehörigen der Altersgruppe) Frauen Männer ,28 17,49 2,02 40,25 14,38 1,43 1,3 3, ,06 15,97 26,01 0,92 3,69 8,55 13,48 13,2 12,93 8,26 5,76 2,66 2,81 10,04 6,05 2,03 10,52 3,14 2,64 3,78 8,42 6,24 11,15 5,18 7,45 1,74 4,26 6,95 7,38 2,34 2,31 DE FR DK NL GB DE FR DK NL GB Hausarbeit usw. Ruhestand arbeitslos dauerhaft krank / erwerbsunfähig Quelle: ESS 2002; Berechnung: Lina Zink
9 Selbsteinschätzung des Gesundheitszustandes, Bevölkerung ab 50 Jahre, SHARE 2004 Quelle: Jürges 2006
10 Nach konkreten berichteten Diagnosen standardisierte Selbsteinschätzung des Gesundheitszustandes, Bevölkerung ab 50 Jahre, SHARE 2004 Quelle: Jürges 2006
11 Gesundheitsposition der Bevölkerung ab 50 Jahren in vier europäischen Ländern unter verschiedenen Perspektiven DE FR NL DK Selbsteinschätzung des Gesundheitszustandes (SHARE) standardisierte Selbsteinschätzung des Gesundheitszustandes (Jürges aufgrund SHARE) gesundheitsbezogene Selbstdefinition des Beschäftigungs- und sozialrechtlichen Status (ESS)
12 Anteil von Arbeitslosen mit gesundheitlichen Einschränkungen nach bisheriger Dauer der Arbeitslosigkeit, September Jahre und länger 1 bis unter 2 Jahre 6 bis unter 12 Monate 3 bis unter 6 Monate 1 bis unter 3 Monate unter 1 Monat 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% Quelle: BA-Strukturanalyse 2003
13 Arbeitslose mit gesundheitlichen Einschränkungen jeweils Ende Sept. Arbeitslose ab 45 Jahre alle Arbeitslosen ,7% 35,3% 34,2% 26,0% 24,5% 23,7% Quelle: BA-Strukturanalyse ,8% der Arbeitslosen im Rechtskreis des SGB II waren im Dezember 2005 Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen. (IAW 2006)
14 Erwerbsfähigkeit/Erwerbsminderung (Probleme des Gesetzgebers mit der doppelten Verneinung?) SGB VI: Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. SGB II: Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf [nicht?] absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
15 Sortierprozesse bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ohne erwerbsfähige Angehörige ca SGB XII-Leistungen ab 2005 nicht erwerbsfähig und ohne erwerbsfähige Angehörige ca Dez 2004: 1,87 Mio. Dez 2004: 3,92 Mio. nicht bedürftig ca Dez 2004: 2,26 Mio. Kein Leistungsbezug ab 2005 nicht bedürftig ca. 0,1 Mio. nicht erwerbsfähig 0,77 Mio. : 5,22 Mio. = 14,8% Sozialhilfe (BSHG) 0- bis 14-Jährige Sozialhilfe (BSHG) 15- bis 64- Jährige Dez Arbeitslosenhilfe Angehörige von Arbeitslosenhilfeempfänger/innen ohne Sozialhilfebezug kein Leistungsbezug bis 2004 Dez 2004: 0,96 Mio. Dez 2004: 1,66 Mio. Dez 2004: 2,05 Mio. Dez 2004: ca. 1,4 Mio. nicht erwerbsfähig, aber mit erwerbsfähigem Angehörigen erwerbsfähig ca. 1,6 Mio. alle bedürftig ca. 1,9 Mio. erwerbsfähig und bedürftig 0,65 Mio. bedürftig, aber nicht erwerbsfähig 0,65 Mio. < Arbeitslosengeld II Jan 2005: 4,50 Mio.??? mit erwerbsfähigem Angehörigen ca. 0,94 Mio. Sozialgeld Jan 2005: 1,62 Mio.??? Grundsicherung für Arbeitsuchende Jan 2005: 6,12 Mio. Team Dr. Kaltenborn 2005
16 Sortierregeln im deutschen Sozialleistungssystem (Daten für August 2006) arbeitslos zum Einsatz der Arbeitskraft verpflichtet jede Arbeit zumutbar Zielperson für Aktivierung 2,8 Mio. erwerbsfähig: absehbare Arbeitsfähigkeit 3 Std. täglich ja Arbeitslosengeld II 5,4 Mio. nein aktuell arbeitsfähig oder aktuell nicht verfügbar (Kleinkinder, Pflege), erleichterter Leistungsbezug oder in Niedriglohn mehr als 15 Std. beschäftigt 0,7 Mio. ja nein: 1,9 Mio. passiver Leistungsbezug 2,6 Mio. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt ja nein Erwerbsminderungsrente Sozialhilfe
17 Was derzeit nicht bekannt ist... Bestand von Arbeitslosengeld II Beziehenden nach Alter und mit gesundheitlichen Einschränkungen Abgänge aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II in Erwerbstätigkeit nach Alter und gesundheitlichen Einschränkungen in Erwerbsminderungsrente nach Alter in Altersrente nach gesundheitlichen Einschränkungen Arbeitslose mit gesundheitlichen Einschränkungen nach Alter im EU-Vergleich
18 Vorschlag zur Entlastung der Grundsicherung für Arbeitsuchende erwerbsfähig: absehbare Arbeitsfähigkeit 6 Std. täglich ja nein Arbeitslosengeld II (evtl. etwas höher als derzeit) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt ja nein beitragsbasierte Erwerbsminderungsrente auf Antrag: steuerfinanzierte Erwerbsminderungsrente auf Grundsicherungsniveau
19 Argumente für eine steuerfinanzierte Erwerbsminderungsrente Entlastung der Grundsicherung für Arbeitsuchende von Bedarfsgemeinschaften, in denen nach Realität des Arbeitsmarktes keine Person für Arbeitsuche in Frage kommt Senkung der Arbeitslosenzahlen und damit der statistischen Bedrohung der Beschäftigten Konzentration der Aktivierung auf die Aktivierbaren Wichtige Bedingung: Freiwilligkeit Ausnahme von der Bevormundungsklausel 5 Abs. 3 SGB II: Stellen Hilfebedürftige trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht, können die Leistungsträger nach diesem Buch den Antrag stellen
20 Zusammenfassung Zuordnung von Transfer- Abhängigen zu leistungsbegründendem Status ist in weiten Grenzen sozialrechtliche Definitionsfrage. Subjektive Angaben zur gesundheitlichen Befindlichkeit stehen im Kontrast zu sozialrechtlichen Klassifizierungen. Arbeitsmarktpolitische Vorbild-Länder mit niedrigerer Arbeitslosigkeit (NL, DK, UK) haben höhere Anteile von Leistungsbeziehern wegen Invalidität. Briten sind krank, Deutsche sind arbeitslos.
21 Zusammenfassung II Ergebnis Hartz IV : offensichtlichere Trennung zwischen beitragsfinanzierter Sozialversicherung und steuerfinanzierter Grundsicherung Einschränkung der Reichweite der Arbeitslosenversicherung Konzentration von arbeitsmarktfernen und nicht arbeitslosen Leistungsbeziehern in der Grundsicherung für Arbeitsuchende Mögliche Weiterentwicklung: kostenneutrale Reallokation von arbeitsmarktfernen Leistungsfällen Stärkung der arbeitsmarktpolitischen Handlungsfähigkeit im Rechtskreis des SGB II
22 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen Kulturwissenschaftliches Institut. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie Institut Arbeit und Technik
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