Schuld und Strafe Straftheorien am praktischen Fall erörtert
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1 S I C Problemfelder der Moral Beitrag 8 Schuld und Strafe 1 Schuld und Strafe Straftheorien am praktischen Fall erörtert Lutz B. Mathy, Leipzig Wie entscheiden Richter eigentlich, wer welche Strafe bekommt? Klasse: 8 10 Dauer: 7 Stunden + 1 Stunde Lernerfolgskontrolle Arbeitsbereich: Problemfelder der Moral / Recht und Gerechtigkeit Gemäß einer Studie des Bochumer Kriminologen Prof. Dr. Hans-Dieter Schwind hat sich die Einstellung der Bevölkerung zu den Zielen des Strafvollzuges in den letzten 24 Jahren deutlich verändert. Immer weniger Menschen befürworten die Resozialisierung Straffälliger, immer mehr sehen in Vergeltung und Abschreckung den eigentlichen Zweck der Gefängnisstrafe. Vor allem nach spektakulären Verbrechen flammt die Diskussion um das Ausmaß der Kriminalität, die Härte der Strafen und den Schutz der Bürgerinnen und Bürger immer wieder auf. Damit aber wird letztlich die Frage nach dem Sinn und Zweck des Strafens, seiner Wirksamkeit und auch nach den Ursachen von Kriminalität gestellt. Dieser Beitrag bietet schülergerecht aufbereitete Materialien, sich mit Straftheorien und Strafzwecken fundiert auseinanderzusetzen. Anhand ausgewählter Fallbeispiele aus der Praxis nähern sich die Lernenden den unterschiedlichen Strafzwecklehren und erkennen im Zuge dessen Möglichkeiten und Grenzen staatlichen Strafens wie des Bemühens, dieses rational zu begründen.
2 6 Schuld und Strafe C Problemfelder der Moral Beitrag 8 S I Materialübersicht Stunde 1 und 2 Einführung in die Straftheorien M 1 (Ab/Tx) M 2 (Tx) Stunde 3 Ein Tag im Gericht Warum soll Rico Schneider ins Gefängnis? Überblick über die Strafarten M 3 (Ab) Stunde 4 M 4 (Tx) Quiz was gibt es für Strafen? Der juristische Schuldbegriff Der juristische Schuldbegriff Stunde 5 7 Straftheorien am praktischen Fall angewendet M 5 (Tx) Aufgaben für die Gruppenarbeit M 6 (Ab) Arbeitsblatt zur Fallbearbeitung und Präsentation M 7 (Tx) Fall 1: Unfall in der Garageneinfahrt M 8 (Tx) Fall 2: Der Raser von Rothenburg M 9 (Tx) Fall 3: Mordfall Tamara S. M 10 (Tx) Fall 4: Drogensüchtig M 11 (Tx) Fall 5: Streit mit dem Busfahrer M 12 (Tb) Tafelbild: Grenzen der Strafzwecke Stunde 8 M 13 (Tx) Leistungsüberprüfung Vorschlag für eine Klassenarbeit: Alte Männer vor Gericht
3 S I C Problemfelder der Moral Beitrag 8 Schuld und Strafe 7 M 1 Ein Tag im Gericht 5 Rico Schneider steht vor Gericht wieder einmal. Er wurde bei einem Einbruch geschnappt und die Staatsanwältin weist ihm im Laufe der Verhandlung weitere 13 Einbrüche nach. In ihrem Schlussplädoyer verlangt sie eine empfindliche Freiheitsstrafe, weil in letzter Zeit die Zahl von Einbruchdiebstählen in der Gegend sprunghaft angestiegen sei und man potenzielle Täter abschrecken müsse. Der Anwalt Rico Schneiders wendet hingegen ein, dass sein Mandant von seiner Jugend an Schritt für Schritt ins kriminelle Milieu abgerutscht sei. Er habe keinen Schulabschluss, geschweige denn eine Berufsausbildung. Nie habe Rico Schneider einen geregelten Tagesablauf gehabt oder sei einer anständigen Tätigkeit nachgegangen. So sei es nicht verwunderlich, dass er auf die schiefe Bahn geraten sei. In seinem Schlusswort zeigt Rico Schneider Reue und beklagt die Perspektivlosigkeit in seinem Leben. Er hofft, dass ihm in der Haft die Gelegenheit gegeben werde, eine Berufsausbildung zu machen, um danach neu anfangen zu können. Diese Worte des Angeklagten sorgen für Unmut im zahlreich versammelten Publikum: Ich kann vor lauter Angst nicht mehr schlafen und der arme Kerl' soll eine Ausbildung bekommen? Der soll einfach in den Knast und dort seine ge - rechte Strafe absitzen!, ruft eines der Einbruchsopfer in den Saal. Während die Richterin für Ruhe sorgt, kommt ihr angesichts der zahlreichen Vorstrafen Schneiders der Gedanke, dass bei einer zu milden Strafe die Gefahr bestehen könnte, dass Rico Schnei der die Justiz nicht ernst nimmt und nach seiner Haftentlassung wieder rückfällig werden könnte. Was, wenn er dann sogar Gewalt anwendet? Aufgaben (M 1) 1. Lest den Text genau durch. Was erhoffen sich die einzelnen Beteiligten von einer Bestrafung Rico Schneiders? 2. Fasst die Aussagen jeweils kurz in eigenen Worten zusammen. Die Staatsanwältin: Der Verteidiger: Rico Schneider: Dame aus dem Publikum: Die Richterin:
4 10 Schuld und Strafe C Problemfelder der Moral Beitrag 8 S I M 3 Quiz was gibt es für Strafen? 1 Die Freiheitsstrafe a bekommt man, wenn das Gericht der Meinung ist, dass vom Verurteilten keine weiteren Straftaten zu erwarten sind. Bei einem einzigen Fehltritt des Verurteilten wird sie aufgehoben, der Täter muss dann doch ins Gefängnis. 2 Eine Geldstrafe b muss bei einer Ordnungswidrigkeit bezahlt werden. Ordnungswidrigkeiten sind keine Straftaten, sondern nur Zuwiderhandlungen gegen Verwaltungsvorschriften (etwa im Straßenverkehr). 3 Ein Bußgeld c wird in Form von Tagessätzen, die sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters bestimmen, ausgesprochen. Wird verhängt, wenn eine Freiheitsstrafe nicht als notwendig er scheint. 4 Sicherungsverwahrung d ist die schwerste Sanktion in Deutschland. 5 Bewährung e ist der Oberbegriff für alle Formen einer Bestrafung. 6 Nebenstrafen f kann es für jemanden zusätzlich zur Freiheitsstrafe geben, wenn wahrscheinlich ist, dass die Person auch nach Absitzen der Haft schwere Straftaten verüben wird. Wird oft im Zu sam - menhang mit Sexualstraftätern diskutiert. 7 Sanktionen g sind z. B. der Entzug der Fahrerlaubnis oder die Einziehung von Vermögen des Verurteilten Aufgaben (M 3) 1. Oben seht ihr einige Fachbegriffe, die im Zusammenhang mit Strafen stehen. Verbindet die Begriffe jeweils mit den richtigen Erklärungen. 2. Vielleicht kennt ihr das von zu Hause: Vater oder Mutter ordnen einen Nachmittag Hausarrest oder eine Taschengeldkürzung an. Wo würdet ihr diese Strafen einordnen? Begründet eure Zuordnung. 3. Welche Unterschiede bestehen zwischen den Strafen, die Eltern über ihre Kinder verhängen, und den Sanktionen der Justiz? 4. Welche Strafarten findet ihr nicht oben in der Liste? Denkt dabei über Deutschland hinaus.
5 12 Schuld und Strafe C Problemfelder der Moral Beitrag 8 S I M 4 Der juristische Schuldbegriff Schuld ist die Voraussetzung der Strafbarkeit. Was ist Schuld? Du hast gewusst, was du getan hast oder hättest es wissen müssen. Du hättest dich anders entscheiden können. Du hast gewusst, dass dein Handeln rechtswidrig war oder hättest es wissen müssen. Schuld ist demnach Vorwerfbarkeit. Schuld ist das Belastetsein mit der Verantwortung für eine rechtswidrige Tat. Fall 1 Peter hat kräftig gefeiert und nun tüchtig einen in der Krone. Jenseits von gut und böse torkelt er durch die Straßen. Als er aus Versehen von jemandem angerempelt wird, schlägt er diesem unvermittelt mit der Faust ins Gesicht. Die Polizei erwischt Peter noch. Die angeordnete Blutprobe ergibt eine Blutalkoholkonzentration von 3,4 Promille. Dementsprechend kann sich Peter am nächsten Tag auch an nichts erinnern. Ist Peter schuldig? Fall 2 Sandra fährt mit ihrem Auto am Sonntagmittag durch eine Wohngegend. Plötzlich fliegt ein Ball auf die Straße. Sandra überlegt noch da springt der fünfjährige Tim, der dem Ball hinterherrennt, auf die Straße direkt vor ihr Auto. Sandra kann trotz Vollbremsung nicht verhindern, dass sie Tim anfährt. Der muss mit einem Unterschenkelbruch ins Krankenhaus. Ist Sandra schuldig? Aufgabe (M 4) Sind Peter und Sandra schuldig oder nicht schuldig? Was meint ihr? Verwendet bei Eurer Argumentation die oben abgedruckten Stichworte.
6 M 12 Tafelbild: Grenzen der Strafzwecke Generalprävention Straftaten von dieser Schwere sind sehr selten. Kriminalität lässt sich auch durch Strafandrohung nicht völlig unterbinden. Die Wirkung negativ-generalpräventiver Maßnahmen ist deshalb eher als eingeschränkt zu bewerten. Grenzen der Strafzwecke Spezialprävention Was ist, wenn Straftäter unheilbar krank werden oder auf Dauer behindert sind und somit eine Wiederholung der Straftat von vornherein ausgeschlossen ist? Was ist, wenn der Täter durch die Folgen der Tat schon genug gestraft ist? Drohende Sanktionen werden zum Zeitpunkt der Tat in der Regel gedanklich zunächst verdrängt. Die Wirkung negativspezialpräventiver Maßnahmen sollte deshalb nicht überschätzt werden. Vergeltung Das ausschließliche Beharren auf Vergeltung einer Straftat erscheint bisweilen als zu schematisch. Es verhindert, dass Strafalternativen, wie z. B. ein Täter-Opfer-Ausgleich, ins Auge gefasst werden oder bei der Bemessung des Strafmaßes berücksichtigt wird, dass der Täter durch etwaige Folgen schon genug gestraft ist. Täter-Opfer-Ausgleich Erfolgt nur bei leichteren Straftaten Findet nur statt, wenn es sich um personifizierbare Opfer handelt Setzt die Bereitschaft von Täter und Opfer voraus, sich gemeinsam mit der Straftat auseinander zu setzen Das normale Strafverfahren ist für das Opfer weniger aufwändig und vielleicht auch seelisch weniger belastend S I C Problemfelder der Moral Beitrag 8 Schuld und Strafe 21
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