Beckenfrakturen. Die Hüftgelenkspfanne wird von den 3 Knochenanteilen gemeinsam gebildet: Darmbein Sitzbein, Schambein.
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- Magdalena Weiß
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1 Beckenfrakturen Ursache Überwiegend Verkehrsunfälle mit Sturz, Quetschung, Verschüttung. Indirekt entstehen Beckenfrakturen durch Muskel, Sehnen- oder Bänderzug (fortgeleitete Gewalt). Einteilung Das Becken besteht aus zweimal Os ileum, zweimal Os ischii, zweimal Os pubis, Kreuz-Steißbein mit Ileosakralgelenk, Symphyse. Die Hüftgelenkspfanne wird von den 3 Knochenanteilen gemeinsam gebildet: Darmbein Sitzbein, Schambein. I. Frakturen ohne Stabilitätsverlust (Beckenring nicht unterbrochen). II. Frakturen mit Stabilitätsverlust (Beckenring unterbrochen). III. Frakturen der Hüftgelenkspfanne. I. Frakturen ohne Stabilitätsverlust sind isolierter Schambeinbruch isolierter Sitzbeinbruch, Beckenrandbruch / Querbruch der Darmbeinschaufel (Duvernayfrakturen), Querbruch des Kreuzbeines, Steißbeinbruch, Abrißbrüche Spina iliaca anterior superior (M. sartorius und M. tensor fascia latae) Spina iliaca anterior inferior (M. rectus femoris) Tuber ischiadicum (M. biceps femoris, M. semitendinosus) 25
2 II. Frakturen mit Stabilitätsverlust einseitiger Bruch des oberen und unteren Schambeinastes, Bruch des oberen und unteren Schambeinastes bds. (Schmetterlingsfraktur, Dashbord-Verletzung), Symphysensprengung, vertikale Alafraktur / Sprengung des Ileosakralgelenkes, vertikale Alafraktur / Sprengung des Ileosakralgelenkes und gleichzeitige Fraktur des oberen und unteren Schambeinastes derselben Seite (Malgaigne-Fraktur), vertikale Alafraktur / Sprengung des Ileosakralgelenkes und gleichzeitige Fraktur des oberen und unteren Schambeinastes der anderen Seite (gekreuzte Malgaigne-Fraktur). III. Frakturen der Hüftgelenkpfanne (Häufigkeit) A 1: dorsale Pfannenrandfraktur, Unfallmechanismus: Schlag auf das Kniegelenk bei um 90 Grad gebeugter Hüfte = Dashboard-Fraktur (30 %). A 2: ventrale Pfannenrandfraktur (2 %). B 1: dorsale Pfeilerfraktur mit Subluxation des Femurkopfes nach dorsocranial (5 %). B2: ventrale Pfeilerfraktur mit Subluxation des Femurkopfes nach ventromedial (5 %). C: reine Querfraktur durch beide Pfeiler: Querfraktur durch den Pfannengrund mit Subluxation/Luxation des Femurkopfes nach zentromedial, Mechanismus: Sturz auf Trochanter major (8 %). Kombinierte Brüche machen ca. 50 % aus. Kombination A/C und Kombination B1/B2 je 20 %, Kombination A2/B2 sowie T-Fraktur durch die Hüftpfanne machen je 5 % aus. Klinik Bei den Frakturen mit Stabilitätsverlust und den Hüftpfannenbrüchen kommt es oft zu starken Blutungen in das Becken und auch retroperitoneal hinein. Dementsprechend ist der Volumenmangelschock oftmals das 1. klinische Zeichen. Der Schmerz ist im Unfallschock oft nicht so groß. Begleitverletzungen zusätzlich massiver Blutverlust durch Verletzung von Gefäßen. Verletzung von Harnblase und Harnröhre, Vagina, Rektum. Verletzung abdomineller Organe. Zwerchfellruptur. Verletzung des Nervus ischiadicus. Zerreißung des M. iliopsoas (schwer diagnostizierbar) 26
3 Erstversorgung und Diagnostik Vitalfunktionen überprüfen. Fehlstellungen / Bewegungseinschränkungen im Bereich Becken / Beine überprüfen. Sensibilität und Durchblutung der Beine prüfen. Seitlicher und ventrodorsaler Stauchungsschmerz der Beckenknochen prüfen, wenn sich Verdacht auf Beckenfraktur bestätigt, sofort Anlegen einer Infusion. Wenn Zeichen eines beginnenden Schocks sofort Infusion mit Plasmaexpandern / Blutkonserven. Transport möglichst auf Vakuummatratze. Abklären ob intrapelvine Mitverletzungen vorliegen. Rektale Untersuchung auf Rektum- und Steißbeinverletzungen. Katheterisieren zur Überprüfung auf Makrohämaturie, wenn keine Spontanmiktion. Röntgenuntersuchungen Beckenübersichtsbild, Hüfte a.p.-bild, Obturatum-Aufnahme (Beckenkippung um 45 Grad, verletzte Seite angehoben). Ala-Aufnahme (Kippung 45 Grad, gesunde Seite gehoben). Subluxationen der Ileosakralgelenke können meist nur mit Röntgenschichtaufnahmen nachgewiesen werden. Manchmal ist zur exakten Bestimmung der Frakturen auch die Computertomographie angezeigt, zur Feststellung von Begleitverletzungen die Computertomographie und Kernspintomographie / Laparoskopie. Weiterbehandlung der Frakturen I. Frakturen ohne Stabilitätsverlust Die Abrißbrüche der Spina iliaca anterior superior werden mit einer Schraube osteosynthetisch versorgt, wenn sie nicht zu alt sind, d.h. übersehen wurden. Abrißbrüche der Spina iliaca anterior inferior werden in Beugestellung des Hüftgelenkes 3 Wochen ruhig gestellt, die Tuber ischiadicum-frakturen werden möglichst in Streckstellung im Hüftgelenk 3 Wochen ruhig gestellt, anschließend funktionelle krankengymnastische Übungsbehandlung. Auch alle anderen Frakturen ohne Stabilitätsverlust werden konservativ behandelt mit 2 bis höchsten 3 Wochen Bettruhe. Die Steißbeinbrüche können von rektal reponiert werden, wenn Dislokationen festzustellen sind. Die Steißbeinfrakturen können aber noch lange Zeit Schmerzen bereiten (Kokzygodynie). In solchen Fällen ist dann Infiltrationsbehandlung, aufblasbarer Sitzring angezeigt. Eine Steißbeinresektion ist nicht ratsam. 27
4 II. Frakturen mit Stabilitätsverlust Einseitige vordere Beckenringfraktur und nicht dislozierte doppelseitige Beckenringfraktur: Ruhigstellung 2 bis 4 Wochen, dann krankengymnastische Übungsbehandlung. Bei dislozierter vorderer Beckenringfraktur muß bis zu 12 Wochen ruhig gestellt werden, bei aber dann schon gleichzeitiger krankengymnastischer Übungsbehandlung. Malgaigne-Frakturen mit Aufklappen der Beckenhälften lassen sich in leichteren Fällen nur mit der Beckenschlaufe behandeln. Ansonsten muß die höherstehende Beckenhälfte mittels supracondylärer Steinmannagel-Extension und Zug von 3 bis 6 kg reponiert werden und kann dann konservativ verheilen. Erhebliche Dislokationen müssen nach Reposition operativ stabilisiert werden (Plattenosteosynthese oder Fixateur externe). Auch mit Operation Liegezeit ca. 12 bis 16 Wochen. Symphysensprengungen: Diastase bis zu 15 mm: konservative Behandlung in Beckenschlaufe. Stärkere Diastase: Fixateur externe oder Reposition und Fixation mittels Platte oder Drahtcerclage über symphysennahen Querschnitt (Gefahr der Infektion). III. Pfannenbrüche Zentrale Luxationen durch Fraktur werden mit einer supracondylären Extension vorbehandelt, je nach Gefährdung des Patienten, Begleitverletzungen. Pfannenbrüche A: Verschraubung, darauf achten, daß Schrauben nicht im Acetabulum liegen. Pfeilerbrüche B: Extakte Reposition und Plattenosteosynthese mit angebogener Platte. Querbrüche C: Plattenosteosynthese. Nachbehandlung: Die mehreren Redon-Drainagen sollten nach 48 Stunden entfernt werden. 3 bis 4 Tage nach Osteosynthese Beginn mit krankengymnastischer Übungsbehandlung (unterstützte Bewegungen vorerst). 1 bis 2 Wochen nach der Osteosynthese Gehbewegungen im Gehbad. 2-3 Monate nach Osteosynthese Übergang auf Vollbelastung. 28
5 Hüftluxationen Ursachen Hebelung, langsam drehende Gewalteinwirkung bei Verkehrsunfall, Verschüttung, Sportunfall / Absturz. Bei rascher Gewalteinwirkung mit kurzen Hebeln kommt es eher zur Fraktur. Einteilung Hintere Luxation Luxatio iliaca (hintere obere Verrenkung), Luxatio ischiadica (hintere untere Verrenkung). Vordere Luxation Luxatio pubica (vordere obere Verrenkung), Luxatio obturatoria (vordere untere Verrenkung). Klinik Bei der Luxatio iliaca steht der Oberschenkelkopf hinter und oberhalb der Pfanne, das Bein ist verkürzt, adduziert, nach innen gedreht, in der Hüfte gebeugt, das gebeugte Knie der verletzten Seite liegt über dem gesunden Knie, federnde Fixation, Streckung und Beugung der Hüfte sind unmöglich. Bei der Luxatio ischiadica steht der Oberschenkelkopf auf dem Sitzbein. Das klinische Bild ist ähnlich wie bei der Luxatio iliaca, jedoch ist das Bein stärker innenrotiert. Bei der Luxatio pubica steht der Kopf vor dem oberen Schambeinast und ist in frischen Fällen manchmal in der Leistengegend zu tasten. Das Bein ist nicht wesentlich verkürzt, steht annähernd in Streckstellung, nach außen gedreht. Bei der Luxatio obturatoria steht der Kopf am Foramen obturatorium, das Bein ist gebeugt, abduziert und nach außen gedreht, das Knie wird gebeugt gehalten. Begleitverletzungen Fraktur des Acetabulum, Druckschädigung Nervus ischiadicus und Nervus femoralis. Durchblutungsunterbrechung des Hüftkopfes mit eventuell Hüftkopfteilnekrose. 29
6 Therapie Sofortige Reposition in Narkose mit Muskelrelaxation. Bei der hinteren Verrenkung ist die Einrichtung nach Dshandelidze günstig: Patient liegt auf dem Bauch, das in der verletzten Hüfte gebeugte Bein hängt über den Tischrand herunter. Arzt hält mit einer Hand das Beckenende, mit dem Knie drückt er in die Kniekehle und so führt er langsam den Hüftkopf nach vorne wieder in die Pfanne. Bei der Einrichtung nach Böhler zieht man am Oberschenkel über ein Tuch das um den Nacken des Therapeuten geführt wird. Durch Zug an diesem Tuch unter Niederhaltung des Patienten wird eventuell unter vorsichtiger Drehung des Beines reponiert. Die Reposition nach Perschl geschieht über einen Flaschenzug mit Zug nach oben bei liegendem Patienten. Bei der Luxatio pubica muß dann in der Längsachse des Körpers gezogen werden. Nach der Reposition sofort Prüfung von Beinlänge, Durchblutung, Sensibilität der Beine. Röntgenkontrolle ist zwingend erforderlich, eventuell dann sichtbare Acetabulumfrakturen müssen operativ angegangen werden. Nachbehandlung unterstützte aktive Bewegungsübung ohne Belastungen bei Bettruhe in der ersten Woche, nach einer Woche zunehmend aktive Bewegungsübung. Nach 2 ½ bis 3 Wochen Mobilisation im Gehwagen oder an Unterarmgehstützen. Vollbelastung erst nach 6 Wochen. Langfristige Überwachung, da eine Hüftkopfnekrose entstehen kann: Durchblutung des Hüftkopfes erfolgt vorwiegend aus der Arteria circumflexa femoris medialis, die aus der Arteria femoralis kommt. Die Arteria ligamenti capitis femoris, die aus der Arteria obturatiora kommt, versorgt nur einen kleinen Bezirk des Schenkelkopfes in nächster Nähe des Ligamentansatzes. Diese Arterie wird bei der Luxation zwangsläufig abgerissen, was aber keine Hüftkopfnekrose hervorruft. Hüftkopfnekrose tritt nur auf, wenn die Arteria circumflexa femoris medialis oder dessen Hauptäste abgeklemmt oder abgerissen werden. 30
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