Von der Welvert-Kaserne zum Wohngebiet Welvert

Transkript

1 Thema: Konversion Von der Welvert-Kaserne zum Wohngebiet Welvert Es lassen sich auch lokalgeschichtliche Aspekte an dem Kasernen-Thema festmachen: z.b. Die Schwächung Villingens seit dem 18. Jh. und der Aufstieg im späten 19. Jh.. Es lässt sich auch ein Bezug zur großen Politik herstellen: z.b. Kasernenbau in Villingen als Kriegsvorbereitung. Die Bilderserie der PP-Präsentation Hier wird der Zustand der Kaserne Anfang wenige Monate vor Beginn der Abrissund Umbauarbeiten festgehalten. Erläuterungen zu den Bildern finden sich in diesem Text ab Seite 6. Erkundung des Wohngebiets Welvert Ein Besuch vor Ort ist unverzichtbar. Hier können einzelne Schüler/innen (-gruppen) Vorarbeit leisten. Z.B.: 1. Das Wohngebiet erkunden und der Klasse/dem Kurs ihre positiven/negativen Eindrücke schildern. 2. Ein Blick auf die Straßennamen könnte lohnen: Was hat sich denn der Gemeinderat dabei gedacht die Straßen gerade nach diesen Herren zu benennen: Konrad Adenauer, Charles de Gaulle, Pierre Pflimlin, Robert Schuman, Jean Monnet, Heinrich Mann, Carlo Schmid 3. Schüler können ein Interview führen mit dem Architekten Gregor Braun. Er ist der Geschäftführer der Stadtentwicklung Welvert GmbH, die das Gelände von der Bundesrepublik erworben und entwickelt hat. (Gregor Braun, Steinkirchring 52, Villingen-Schwenningen; Tel /97370; Mail info@braun-stadtentwicklung.de) Auch ein Blick auf die Homepage könnte sich lohnen. 4. Ein Interview mit dem zuständigen Planer der Stadtverwaltung ist sicher möglich: Amt für Stadtentwicklung, Winkelstraße 9 in VS-Schwenningen. Kontaktaufnahme über Amtsleiter Henning Keune, Tel / Ein weiterer Aspekt kann im Archiv der Stadt untersucht werden: Wie war der kommunalpolitische Ablauf dieser Konversion (Gemeinderatsvorlagen: von der Änderung des Flächennutzungsplans bis zum Bebauungsplan) 6. Auch der Verfasser dieses Textes ist zum Thema Welvert ansprechbar: Bernd Schenkel, Mail: b.schenkel@t-online.de 1

2 Bericht zur Bilderserie: Die Welvert-Kaserne in Villingen-Schwenningen Villingen war im Mittelalter und der frühen Neuzeit eine wehrhafte Stadt und hat in seiner Geschichte einige Belagerungen erfolgreich durchgestanden. Diese militärische Rolle war spätestens 1744 ausgespielt, als Villingen im Österreichischen Erbfolgekrieg den Franzosen kampflos die Tore öffnen musste. Villingen gehörte seit 1326 zu Habsburg und war nach Freiburg eine der wichtigsten Städte in Vorderösterreich. Mit der napoleonischen Neuordnung Deutschlands kam Villingen 1806 zusammen mit zahlreichen anderen Gebieten zwischen Bodensee und Oberrhein an das neu gegründete Großherzogtum Baden. Für Villingen war das ein herber Schlag: Es verlor fast jegliche Zentralität. Die Klöster und damit die höheren Schulen wurden geschlossen, die kulturellen Schätze einschließlich einer Silbermann-Orgel - wurden Richtung Karlsruhe abtransportiert und auf einen wirtschaftlichen Aufschwung, wie ihn dann die beginnende Industrialisierung brachte, musste Villingen noch 50 Jahre lang warten. Für die Bürger gab es eine Hoffnung: Wenn Villingen Garnisonsstadt würde, käme Leben in den Ort und auch wirtschaftlich wäre eine Garnison ein Gewinn. Das ganze 19. Jahrhundert hindurch mühten sich die Stadtväter - vergeblich. Erst im Vorfeld des 1. Weltkriegs fiel 1913 der Beschluss: Villingen bekommt eine Kaserne wurden die Gebäude eingeweiht. Seit den 20er Jahren hat sich der Name Richthofen-Kaserne eingebürgert. 1945, als die französischen Truppen die Kaserne weiternutzten, erhielt sie den Namen eines französischen Generals und wird auch heute, nach dem Abzug der Franzosen in den 1990er Jahren, Lyautey-Kaserne genannt. Die Kaserne, die wir hier in Bildern dokumentieren, ist ein Kind der Aufrüstung des Dritten Reichs. Mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1935 wurden mehr Kasernen benötigt. Ab 1934 liefen die Verhandlungen mit der Stadt. Ein Großteil des benötigten Geländes stellte Villingen unentgeltlich zur Verfügung begannen die Bauarbeiten, und im April 1936 konnten die Rekruten fünf neue Kasernengebäude beziehen. Die neue Kaserne erhielt den Namen Boelcke-Kaserne. Nachdem zwei Jahre später das Villinger Gymnasium in Immelmann Oberschule umbenannt wurde, waren die drei berühmtesten Jagdflieger des Ersten Weltkriegs Richthofen, Boelcke und Immelmann im Villinger Stadtbild vertreten. Dass den Menschen vor allem der Jugend diese Helden nahegebracht wurden, zählte zweifellos zur Wehrhaftmachung des deutschen Volkes wie es die Nationalsozialisten nannten und zur Vorbereitung des Krieges. Die Boelcke-Kaserne hat den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden und wurde ebenfalls 1945 von den Franzosen weitergenutzt. Ihr neuer Name: Welvert-Kaserne, nach einem französischen General. Nachdem die Soldaten 1995 die Kaserne geräumt hatten, wurden zahlreiche Vereine und einige Gewerbebetriebe in den nun leerstehenden Gebäuden untergebracht war endgültig klar, dass eine militärische Nutzung etwa durch die Bundeswehr oder die deutsch-französische Brigade- nicht in Frage kommt. Aus dem Kasernengelände wurde eine Konversionsfläche, die wieder ziviler Nutzung zugeführt werden sollte. 2

3 Seit 2004 plante das im Stadtbezirk Schwenningen ansässige Architekturbüro Gregor Braun mit Unterstützung der Stadtverwaltung und Zustimmung des Gemeinderats das Kasernengelände in ein Wohngebiet umzuwandeln. Die Projektgesellschaft des Architekten erwarb das Gelände von der Bundesrepublik, und seit Januar 2008 rollen die Bagger. Die zahlreichen eingeschossigen Gebäude, die meist als Lager und Garagen genutzt waren, werden abgerissen. Die fünf dreistöckigen Kasernengebäude von 1935/36 bleiben erhalten und sollen sich in das Neubaugebiet einfügen. Zur Orientierung sind zwei Lagepläne angefügt. Der erst Plan zeigt die militärische Nutzung des Geländes in den 1980er und 1990er Jahren. Der zweite Plan zeigt das Wohngebiet, wie es in den nächsten Jahren entstehen wird. 3

4 In den 1980/1990er Jahren sah der Lageplan und die Gebäudenutzung der Welvert- Kaserne folgendermaßen aus: Aus: Kohler, Anhang 9 Die Nutzung der Gebäude: 1 = Stabsgebäude: Büros, Arrestzellen, Heizungszentrale 2 = Unterrichts- und Schulungsräume; Büros der Offiziere 3-5 = Unterkünfte für die Kompanie, Küchen und Essräume im Erdgeschoss, z.t. 1. OG 6 = Sporthalle 7 = Le Mât des Couleurs also der Flaggenmast auf dem Appellplatz 8 = Die langgestreckten, einstöckigen Gebäude waren meist Garagen, an der Westseite auch große offenen Hallen, dazu eine Kfz-Werkstatt. Die schmalen Gebäude dienten auch als Kleiderkammern. 4

5 Die folgenden Entwürfe, die von Gregor Braun zur Verfügung gestellt wurden, geben ein plastisches Bild des zukünftigen Wohngebiet Welvert. Dies ist eine Fotografie der Modells des Wohngebiet Welvert. Zur besseren Orientierung sind die Straßen und wichtigen Gebäude bezeichnet: 1 = Kirnacher Straße; 2 = Dattenbergstraße; 3 = Peterzeller Straße; a, b, c, d, e = die ehemaligen fünf Kasernengebäude; f = Nahversorgung (Supermarkt) Hier der Plan des Wohngebiets Welvert, auf dem die unterschiedlichen Haus- und Wohnformen zu erkennen sind. 5

6 Die einzelnen Bilder der PP-Präsentation Bild 2 Lagepläne a. Lageplan (Südkurier , Bild von Jochen Hahne) Fläche 1 ist das Areal der Welvertkaserne; Fläche 2 ist das Areal der Lyauteykaserne; Fläche 3 ist das ehemalige Saba-Gelände Die Straße zwische Fläche 1 und 2 ist die Kirnacherstraße, die nach Unterkirnach führt. Die Staße, welche die Fäache nach unten (Osten) begrenzt ist die Dattenberg- und Richthofenstraße. b. Das Bild zeigt das Wohngebiet Welvert im Jahr 2010 als die Bebauung schon im vollen Gang ist. (LMZ452150) Bild 3 Die Boelcke-Kaserne 1936 (Bilder: Stadtarchiv) Die Bilder sind von Osten aufgenommen, etwa von der heutigen Dattenbergstraße, die damals noch nicht gebaut war. Bild 4 Die Welvert-Kaserne (Bilder: Stadtarchiv) Mehrere der kleinen einstöckingen Gebäude und Garagen wurden in den 1960 und 1970er Jahren gebaut. Bild 5 (LMZ498421) Schon bei der Einfahrt zum Kasernengelände Welvert wird deutlich: Die Zeit der Konfrontation mit den Nachbarn ist vorbei. Die Partnerstädte Villingen-Schwenningens zeigen es. Bild 6 (LMZ498422) Hier werden wohl keine Schwerter zu Pflugscharen aber eine 75 Jahre alte Kaserne aus dem Dritten Reich wird zu einem innenstadtnahen und nachgefragten das zeigen schon die ersten Verkaufszahlen - Wohngebiet. Bild 7 (LMZ498392) Jede Kaserne braucht am Eingang eine Wachstube, von der aus die Zufahrt zur Kaserne mit Schranke überwacht werden kann. Dies ist die geräumige Wachstube in der Welvert-Kaserne. Bild 8 (LMZ498393) Hinter der Wachstube ist ein Aufenthaltsraum, und in einem engen Gang sind vier Arrestzellen wie diese im Bild eingerichtet. Vor allem Soldaten, die gegen die Disziplin verstoßen haben, mußten hier ein bis mehrere Tage brummen. Gründe für den Aufenthalt in der Arrestzellen könnten Befehlsverweigerung oder ein Wachvergehen gewesen sein. 6

7 Bild 9 (LMZ498395) Die Arrestzellen sind doppelt gesichert: mit einem Schloss und einem Riegel. Der Arrestant war also hinter Schloss und Riegel. Bild 10 (LMZ498390) Der am besten gesicherte Raum im Stabsgebäude war die Waffenkammer. Die beiden Türen, welche die Waffenkammer gegen unbefugten Zutritt schützten, waren elektronisch gesichert. Sie hatten einen eigenen Sanitärbereich, damit der Wachhabende den gesicherten Bereich während seiner Dienstzeit nicht verlassen musste. Bild 11 (LMZ498388) Dies ist die geräumige Waffenkammer, in der Gewehre, Pistolen, Maschinenpistolen und Maschinengewehre aber auch Panzerfäuste gelagert wurden. Munition wurde meist in einem speziellen Depot aufbewahrt. Die Ausgabe erfolgte durch ein Fenster zum Gang hin, das mit einer schweren Metallplatte gesichert werden konnte. Bild 12 (LMZ498389) Hier sieht man die schmale Durchreiche für Waffen und Munition mit dem schweren Stahlschieber. Bild 13 (LMZ498391) In den Fluren der Kaserne werden in Nischen in der Wand, den Gewehrhalterungen, die Waffen der Soldaten, die hier ihre Stuben haben, aufbewahrt. Bild 14 (LMZ498397) Wenn wir das Stabsgebäude an der Zufahrt zum Kasernengebäude verlassen, treten wir auf einen riesigen Exerzier- und Appellplatz. Wir sehen vorn querstehend -ein Gebäude mit Unterrichts- und Schulungsräumen und den Büros für die Offiziere. Rechts die drei Mannschaftsgebäude. Bild 15 (LMZ498398) Exerzierplatz mit zwei Mannschaftsgebäuden (rechts) Bild 16 (LMZ498399) Mannschaftgebäude mit Fluchttreppen Bild 17 (LMZ498400) Am südlichen Ende des Exerzierplatzes steht der große Flaggenmast für den Flaggenappell. Bei den französischen Truppen war das Le Mât des Couleurs. 7

8 Bild 18 (LMZ498403) Blicken wir den Mannschaftsgebäuden entlang nach Norden, sehen wir das Hauptgebäude der Richthofen-/Lyautey-Kaserne von 1913/14. Die Gebäude dieser Kaserne stehen unter Denkmalschutz und weden gegenwärtig (2011) nicht genutzt. Bild 19 (LMZ498401) Vor dem Mannschaftsgebäude, das im Südosten den Platz begrenzt, steht die Sporthalle der Kasernenanlage. Auf den Plänen von 1935 ist sie als Exerzierhalle ausgewiesen. Wir werden das Gebäude gleich besser sehen, wenn wir im Mannschaftsgebäude auf den Dachboden steigen. Bild 20 (LMZ498405) Hier nun die Sporthalle in voller Größe. Die Halle war 2008 noch gut in Schuß, da sie von den Franzosen in den 1980ern nochmals saniert wurde. Bild 21/22 (LMZ498406/LMZ498409) Blick vom Dachboden des Mannschaftsgebäudes nach Osten Richtung Dattenberg Straße: Hier stehen die Mehrfamilienhäuser, in denen die Familien der Soldaten und der Zivilbeschäftigten wohnten. Bild 23/24/25/26 (LMZ498410/LMZ498411/LMZ498412/LMZ498415) Im Dachgeschoss des Mannschaftsgebäudes finden sich gut erhaltene Bilder, die von Soldaten in den frühen 1990er Jahren gemalt wurden. Auf dem linken Wappenschild sind die Namen der Standort-Kommandanten der Welvert-Kaserne aufgeführt. Bei den Wappenbildern mit der Zahl 110 handelt es sich um das Emblem des 110. Jägerbatallions (Chasseurs). Bild 27 (LMZ498414) Vom Dachgeschoss des Mannschaftsgebäudes hat man einen guten Blick über den Exerzierplatz zu den zahlreichen eingeschossigen Gebäuden im Westen des Kasernengeländes. Es waren eine Kfz-Werkstatt, Garagen, offene Hallen für Panzer und große Lastwagen, Lagerhallen und Kleiderkammern. Diese Gebäude wurden im Frühjahr 2008 abgerissen. Bild 28 (LMZ498416) Garagen. Im Vordergrund wird der Boden untersucht. An einigen Stellen gibt es erhebliche Bodenbelastungen etwa im Bereich der früheren Tankstelle. Bild 29/30/31 (LMZ498418/LMZ498419/LMZ498420) Große Wellblechhallen meist offen für Panzer und Lastwagen befinden sich am Westrand des Kasernengeländes. 8

9 Bild 32 (LMZ498433) Die Welvert-Kaserne steht südlich der Richthofenstraße, die ältere Lyautey-Kaseren liegt nördlich der Staße. Vom obersten Stockwerk der Lyautey-Kaserne hat man einen guten Blick auf das nordwestliche Gelände der Welvert-Kaserne. Hier rechts das Stabsgebäude und die sich daran anschließenden Garagen- und Lagergebäude. Bild 33/34/35 (LMZ498425/LMZ498427/LMZ498428) Blick auf die Garagen- und Lagergebäude der Welvert-Kaserne. Auf diesem Gebiet wird die Infrastruktur des neuen Wohngebiets Welvert seinen Platz finden: Supermarkt, Spielplatz für Kinder, Treff für Jugendliche, Gemeinschaftsräume. Bernd Schenkel, Villingen-Schwenningen,