Unser Problem ist nicht, ob unsere Sehnsüchte befriedigt werden oder nicht. Das Problem ist: Woher wissen wir, was wir ersehnen?
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- Hans Grosser
- vor 7 Jahren
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1 Film im Literaturunterricht. Neue Ansätze zum filmischen Erzählen. Fachdidaktische Ringvorlesung an der Universität Bielefeld Jens Birkmeyer (Uni Münster) Die (Ohn)Macht der Augen-Blicke. Narrative des Sehens in Das Schweigen der Lämmer Unser Problem ist nicht, ob unsere Sehnsüchte befriedigt werden oder nicht. Das Problem ist: Woher wissen wir, was wir ersehnen? (Slavoj Žižek)
2 I II III IV V VI Vorbemerkung Thema des Films Augen-Blicke Sehen und Identität Filmdidaktische Perspektiven im Deutschunterricht Fazit
3 Ausgangsthesen - Durch den Versuch, andere zu beherrschen, wird der Blick linear und gewalttätig. - Der mimetische Blick hingegen ist nichtlinear und zielt auf Befreiung, wenn er sich selbst verstehen will. - Jenseits der Unterwerfung unter ein und Identifikation mit einem Bild gibt es eine Erkenntnischance zwischen Blick und Bild: die Möglichkeit, den Zusammenhang zwischen visueller Macht und Ohnmacht zu verstehen. - Diese Wahrnehmung im Unterricht zu ermöglichen, ist eine zentrale Aufgabe von aufklärender und kritischer Filmdidaktik.
4 Das Schweigen der Lämmer als Genremix (Theweleit 2005): (1) Angriff auf die zarten Seelen (greller Thriller); (2) dämonischer Psychiatriefilm über psychopathologische Konstellationen abartiger Monster und ihrer Symboliken; (3) sich überbietender Polizeiserienfilm; (4) insektologische Großstudie von menschlichen Wachstums- oder Verkümmerungsvorgängen (Theweleit 2005, 119); (5) als Bildungsroman eines heranwachsenden personalen wie institutionellen Körpers einer jungen Frau und ihres (Selbst)Disziplinierungstrainings; (6) moderner kunsthistorischer Rückgriff auf eine gnostisch-mythologische Emblematik, in der das Filmpersonal antike Genealogien repräsentiert.
5 Augen-Blicke - Der Zuschauer wird als Betrachter von Betrachtern zum Komplizen. Sein voyeuristischer Blick wird insgeheim Teil der Beziehung zwischen den sich Anschauenden. - Der Zuschauer wird im Genre des Psychohorrors durch seinen doppelten Blick gleichzeitig zum Opfer und zum Täter gemacht. - Die Übertragung der Macht- / Ohnmachtbeziehungen des Sehens wird nach innen und nach außen gewendet. - Um dies zu bemerken, muss die mimetische Sicht um eine doppelte diegetische erweitert werden: Narration des Films / Narration des Sehens durch Film. - Der Blick des Zuschauers ist immer auch im Film anwesend. Es geht um die Frage: Wer bin ich durch den Film im Film?
6 Sehen und Identität - Das Schweigen der Lämmer zeigt, wie Identitätsbildung an das Erblicktwerden gebunden ist. - Im Blick des anderen erkennt das Subjekt, dass es zum Objekt der Wahrnehmung wird. Hierdurch kann es sich selbst zum Objekt machen, um Subjekt zu werden. - Durch seine Montagetechniken erzwingt der Film eine Sehhaltung. Deren Lust will in einen Bildersog hineingezogen werden, um sich einer fremden Regie zu überantworten. - Das panisch-paranoide Bildmaterial des Thrillers verlangt jedoch nach einem unbestechlichen Sehvermögen. Denn das Pathologische ist vom Gesunden, das Normale vom Abartigen kaum zu unterscheiden.
7 Filmdidaktik im Deutschunterricht - Methodisch ist die Sequenzanalyse durch die Rubrik Sehprotokoll zu ergänzen: Einstellung [Handlung/ Geschehen] Kamerabewegung [Erzählhaltung] Musik und Geräusche Dialoge / Off- Komentar Sehbewegung / Blickrichtungen - Filmdidaktik ist eine Einübung in das Abstandnehmen von den Bildern. Medienkonsum kann durch die Einübung in das betrachtende Abstandnehmen entinfantilisiert werden. - Film bietet immer auch eine mögliche Instanz der Selbstbeobachtung in Bezug auf eine Welt, die immer erst durch das Medium hervorgebracht und damit beschreibbar wird. - Das Schweigen der Lämmer zeigt, dass Subjektwerdung an Abstand und Distanz gebunden ist. Ungebrochene Nähe ist subjektfeindlich und identitätsprekär. - Abstand auszuhalten ist die Gegenposition zum Nähefetisch und Geschwindigkeitskult der konsumistischen Gegenwartskultur.
8 Literatur Domschky, Claudia: Das Schweigen der Lämmer von Jonathan Demme. Motive und Erzählstrukturen. Alfeld Faulstich, Werner: Einführung in die Filmanalyse. 4. Aufl. Tübingen Fehr, Wolfgang: Grundprobleme der Filmanalyse im Deutschunterricht. In: Der Deutschunterricht 3/1997, S Früchtl, Josef: Das unverschämte Ich. Eine Heldengeschichte der Moderne. Frankfurt a. M Krützen, Michaela: Dramaturgie des Films. Wie Hollywood erzählt. Frankfurt a. M Mikos, Lothar: Struktur-funktionale Film- und Fernsehanalyse. Neun Teile. In: Medien praktisch 3/1996, S ; 4/1996, S ; 1/1997, S ; 2/1997, S ; 3/1997, S ; 1/1998, S ; 4/1998, S ; 3/1999, S ; 1/2000, S Mikos, Lothar: Film- und Fernsehanalyse. Konstanz Sloterdijk, Peter: Sendboten der Gewalt. Zur Metaphysik des Action-Kinos. Am Beispiel von James Camerons Terminator 2. In: Bilder der Gewalt. Hrsg. und eingeleitet von Andreas Rost. Frankfurt a. M. 2004, S Theweleit, Klaus: Zu Jonathan Demmes Das Schweigen der Lämmer. In: ders. friendly fire. Deadline-TEXTE. Frankfurt a. M. 2005, S
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