16. Charakterisierungen der Ganzteilfunktion
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- Jutta Bach
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1 16. Charakterisierungen der Ganzteilfunktion Praxis der Mathematik 15 (1973), Die Ganzteilfunktion Bei der Umwandlung eines unechten Bruches Q in eine gemischte Zahl bedient man sich des Divisionsalgorithmus für natürliche Zahlen. Man gewinnt dann die Darstellung m r mit r < und r, m o. Dabei ist m die größte ganze Zahl, die kleiner oder gleich ist. Beim Nachweis der Konvergenz einer Folge (a n ) gegen a kommt es darauf an, ein N anzugeben, so daß für alle n > N aus die Ungleichung a n a < gilt. Bei vorgegebenem > 0 kann man z. B. für a n = 1 n ein N bestimmen, indem man zur größten ganzen Zahl, die kleiner oder gleich 1 ist, 1 addiert. In beiden Fällen verwendet man die Ganzteilfunktion (Gauß-Klammer; GAUSS 1876, S. 5). [x] ist für alle reellen Zahlen x definiert als größte ganze Zahl, die kleiner oder gleich x ist, d.h.
2 2 [x] = g für g x <g Eigenschaften In den beiden angeführten Beisielen ist die Ganzteilfunktion lediglich ein Hilfsmittel zur knaen Ausdrucksweise. Sie kann aber als reelle Funktion auch selbständiges Interesse im Unterricht beansruchen. Zunächst ist sie ein sehr elementares Beisiel einer unstetigen Funktion. Man kann sie im Analysisunterricht häufig als Gegenbeisiel heranziehen. Durch Verknüfungen mit anderen reellen Funktionen erhält man eine Fülle interessanter Funktionen (SIEGEL 1967). Treenfunktionen also auch die Ganzteilfunktion lassen sich darstellen als Linearkombinationen von charakteristischen Funktionen (FLACHSMEYER 1970). Darüber hinaus besitzt [x] eine Reihe leicht zugänglicher Eigenschaften, die mit Hilfe der Definition oder des Grahen von den Schülern selbst gefunden werden können. Dafür seien einige Beisiele gegeben. Die Funktion f(x) = [x] hat die Eigenschaften: (1) f ist eine surjektive Abbildung von nach. (2) f(f(x)) = f(x) für alle x, d.h. f ist idemotent. (3) f(x) x für alle x. (4) Wenn x y, dann f(x) f(y) für alle x, y, d.h. f ist monoton wachsend. (5) f(x) = x genau dann, wenn x für alle x.
3 3 (6) f(f(x) + f(y)) = f(x) + f(y) für alle x,y. (7) f(x + y) f(x) + f(y) für alle x,y. (8) Wenn 0 x, dann 0 f(x) für alle x. Einige dieser Eigenschaften lassen sich in naheliegender Weise als Eigenschaften des Grahen geometrisch deuten. (3) besagt z. B., daß kein Punkt des Grahen oberhalb der 1. Winkelhalbierenden liegt. (5) besagt, daß von der 1. Winkelhalbierenden genau die Gitterunkte zum Grahen gehören. Bei den Beweisen der Eigenschaften kann man die Nachweisebene variieren. Man kann unmittelbar am Grahen argumentieren, man kann direkt auf die Definition zurückgreifen, und man kann unter Umständen neue Eigenschaften aus bereits bewiesenen folgern. In jedem Fall ergibt sich die Möglichkeit einer differenzierenden Behandlung im Unterricht. Im Hinblick auf die angeführten Eigenschaften erscheint es reizvoll, die Ganzteilfunktion mit der Betragsfunktion zu vergleichen (VOLLRATH 1971) und Analogien und Unterschiede hervorzuheben. 3. Charakterisierungen Ein grundlegendes mathematisches Verfahren ist die Charakterisierung von Gegenständen aus ihren Eigenschaften. Für die Proortionalität sind im Hinblick auf den Unterricht mehrere Charakterisierungsmöglichkeiten gegeben worden (ILSE 1971). Es ist leicht möglich, auch für die Ganzteilfunktion charakterisierende Eigenschaften aus dem Katalog (1) - (8) anzugeben, so daß sich hier die Möglichkeit einer exemlarischen Behandlung der Charakterisierungsmethode ergibt. Das
4 4 Beisiel scheint mir für den Unterricht besonders geeignet zu sein, da die Schüler leicht selbst zahlreiche Varianten angeben können. Die Fragestellung läßt sich motivieren mit Hilfe des Steckbriefroblems oder in der Mengensrache durch Suche der charakterisierenden Aussageform. Grundmenge ist die Menge der reellen Funktionen, freie Variable ist f. Haben wir zunächst f in (1) - (8) als Name für die Ganzteilfunktion verwendet, so deuten wir f jetzt als Variable. Damit werden (1)- (8) zu Aussageformen. Es ist die Aufgabe gestellt, mit Hilfe von möglichst wenigen Aussageformen aus {(1),..., (8)} durch Konjunktion eine charakterisierende Aussageform zu gewinnen. Dabei ist es sogar erwünscht, daß die Schüler zunächst Zusammenstellungen von Aussageformen wählen, die nicht unabhängig sind. Denn damit ist der Ansatzunkt zu Unabhängigkeitsbeweisen gegeben, die mit Modellen geführt werden können, die auch von den Schülern selbst gefunden werden können. Wir werden folgende Beisiele benutzen: (a) f(x) = x, (b) f(x) = kleinste ganze Zahl größer oder gleich x, (c) f(x) =größte ganze Zahl kleiner als x, x für x (d) f(x) Z, [x] 1 sonst. 1 (e) f(x)= (x+g) für g x < g+1, g. 2 Einige mögliche unabhängige Systeme von Aussageformen zur Charakterisierung der Ganzteilfunktion sollen jetzt angegeben werden. Wir betrachten nur reelle Funktionen. Satz 1. (1) (2) (3) (4) gilt genau dann, wenn x Beweis: Die Ganzteilfunktion hat diese Eigenschaft. f(x) = [x].
5 Ist umgekehrt g, dann gibt es nach (1) ein x mit f(x) = g. Aus (2) folgt daraus f(f((x))=f(x), also f(g)= g. 5 Ist x, dann gibt es ein g mit g < x < g + 1. Daraus folgt nach (4) f(g) f(x). Mit f(g) = g ergibt das g f(x) x < g + 1. (3) Mit (1) folgt daraus f(x) = g. Die Unabhängigkeit zeigt man für (1) mit (a), für (2) mit (c), für (3) mit (b), für (4) mit (d). Satz 2. (2) (3) (4) (5) gilt genau dann, wenn x Beweis: [x] hat diese Eigenschaft. Umgekehrt ist für g! nach (5) f(g) = g. f(x) [x]. Ist x ", dann gibt es ein g! mit g < x < g + 1. Wegen (4) ergibt sich f(g) # f(x), also wie eben g # f(x). Andererseits ist nach (3) f(x) # x, also erhält man g # f(x) # x < g+l. Wegen (2) ist f(f(x)) = f(x), also muß nach (5) f(x)! sein, das liefert f(x) = g. Die Unabhängigkeit ergibt sich für (2) mit (c), für (3) mit (b), für (4) mit (d), für (5) mit (a). Satz 3. (3) (4) (5) (6) gilt dann genau, wenn x Beweis: [x] hat diese Eigenschaft. f(x) = [x]. Umgekehrt brauchen wir nur zu zeigen, daß sich (2) aus (5) und (6) ergibt, dann kann man auf den Beweis von Satz 2 zurückgreifen. Es gilt f(f(x)) = f(f(x) + 0) = f(f(x) + f(0)) = f(x) + f(0) = f(x). (5) (6) (5)
6 ' 6 Die Unabhängigkeit ergibt sich für (3) mit (b), für (4) mit (d), für (5) mit (a), für (6) mit (c). Satz 4. (5) & (6) & (7) & (8) gilt genau dann, wenn x( ) Beweis: [x] hat diese Eigenschaft. f(x) = [x]. Umgekehrt zeigen wir zunächst, daß sich aus (7) und (8) die Aussageform (4) folgern läßt. Ist x * y, dann gibt es ein z + 0+ mit y = z + x. f(z) + f(x) * f(z + x) = f(y) und f(z)% 0 (7) ergeben nach (8) f(y) % f(z) + f(x) % f(x), also gilt (4). In Satz 3 haben wir bereits nachgewiesen, daß sich (2) aus (5) und (6) folgern läßt. Sei nun g * x < g + 1 mit g +, dann folgt aus (4) und (5) g = f(g) * f(x). Falls x + Q, x $, + Z, + N, folgt aus (7) mit vollständiger Induktion $ f() $ (5) f( ) % f ( ), also x $ % f( ) $ f(x).
7 7 Das ergibt g, f(x), x < g + 1. Aus (2) und (5) folgt f(x) -, also muß dann f(x) = g sein. Falls x. ist, muß es eine rationale Zahl r geben mit g < x < r <g+1. Nach unseren vorangegangenen Überlegungen muß f(r) = g sein. Mit (4) ergibt sich dann g, f(x), f(r) = g, also f(x) = g. Damit ist für alle x - mit g, x < g +1 für g - f(x) = g. Die Unabhängigkeit ergibt sich für (5) mit (a), für (6) mit (e), für (7) mit (b), für (8) mit (d). Literatur Flachsmeyer, J., Kombinatorik, 2. Aufl., Berlin 1970 Gauss, Werke II, S.5, Göttingen Ilse, D., Über funktionale Charakterisierungen der direkten Proortionaltät f(x)= cx, Math. i.d. Sch. 9, (1971) Siegel,H., Funktionen von x und [x], PM 9 (1967), Vollrath, H.-J., Eine Analyse der Betragsfunktion, MNU 24 (1971),
Kleine lateinische Buchstaben wie z. B. p, q, r, s t, usw.
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