Wohnen und Bildung Achillesfersen des Sozialen Bayern
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- Catharina Arnold
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1 Wohnen und Bildung Achillesfersen des Sozialen Bayern AWO Landesverband Bayern und DGB Bayern zum Dritten Sozialbericht der Bayerischen Staatsregierung Montag, PresseClub München I. Wohnen Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung. Die Förderung des Baues billiger Volkswohnungen ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden. Artikel 106 Bayerische Verfassung 1. Bayern gehen die Wohnungen aus Im Dritten Bayerischen Sozialbericht 1 räumt die Staatsregierung Probleme bei der Wohnraumversorgung in Bayern ein (162 f.). Die Ausführungen belegen, dass eine Entlastung des Wohnungsmarktes aufgrund des demografischen Wandels in Bayern in absehbarer Zeit nicht in Sicht ist. Aufgrund zurückgehender Haushaltsgrößen geht die Staatsregierung bis 2029 von einer Zunahme der Zahl der Haushalte um 6% aus, während die Bevölkerungszahl nur um 0,3% zunehmen soll (163). 1 Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, Dritter Bericht der Staatsregierung zur sozialen Lage in Bayern, München 2012 (Seitenzahlen)
2 Damit sich die Wohnungsmarktanspannungen nicht noch weiter verstärken legt der Dritte Bayerische Sozialbericht (163, bezogen auf Ende 2011) einen Neubaubedarf bis zum Jahr 2029 von Wohnungen in Bayern zugrunde. Weil auch in der Vergangenheit die Neubautätigkeit stets unter dem tatsächlichen Bedarf lag gibt der Dritte Bayerische Sozialbericht (163) darüber hinaus einen Nachholbedarf von rund Wohnungen an. Die Staatsregierung hält damit bis 2029 einen Gesamtbedarf von Wohnungen für gegeben. Der Dritte Bayerische Sozialbericht unterstellt damit eine erforderliche Anzahl neu fertig gestellter Wohnungen in Bayern von rund (61.944) pro Jahr. Angesichts der Entwicklung der letzten Jahre, die der Bericht einräumt, erscheint dies illusorisch. Die Staatsregierung gibt an (163): Neubaubedarf Bayern 2010 Tatsächliche Baufertigstellungen 2010 Tatsächliche Baufertigstellungen bis Wohnungen Wohnungen Wohnungen 2. Wer wenig hat zahlt mehr Die zunehmende Wohnungsknappheit verschärft die negativen Wirkungen der Wohnkosten gerade für Gering- und Mittelverdiener. Der Dritte Bayerische Sozialbericht (243) ermittelt die Wohnkostenbelastung für die Warmmiete im Landesdurchschnitt für Bayern auf 27% des Netto-(äquivalenz-) einkommens. Dabei zeigt sich, dass gerade Geringverdiener unter einer extrem höheren anteiligen Kostenbelastung beim Wohnraum leiden. So beträgt die Einkommensbelastung für das Wohnen bei Geringverdienern mit einem Nettoeinkommen unter 1.000,00 Euro pro Monat 43% des Nettoeinkommens, d. h. 60% mehr als im Landesdurchschnitt. 2
3 Im Vergleich mit Einkommensbeziehern zwischen 2.500,00 bis 3.000,00 Euro pro Monat (Wohnkostenbelastung bei 16%) müssen Geringverdiener mehr als den doppelten Anteil ihres Einkommens für ihren Wohnraum aufwenden, im Vergleich zur Einkommensgruppe ab 3.000,00 Euro (13%) mehr als das Dreifache. Wohnkostenbelastung für Mieter in Bayern 2008 aus: Dritter Bayerischer Sozialbericht (243) 3
4 Insbesondere Gering- und Mittelverdienende, Alleinlebende Frauen und Alleinerziehende mit Kindern und Ältere sind damit die Verlierer der Bayerischen Wohnungspolitik. Sie können sich immer öfter keine angemessene Wohnung leisten. 3. Sozialer Wohnungsbau vom Aussterben bedroht Angesichts dieser Entwicklungen besonders dramatisch ist die Entwicklung im Bereich Sozialwohnungen. Die Staatsregierung räumt im Dritten Bayerischen Sozialbericht (163) ein, dass sich der Bestand der sozial gebundenen Mietwohnungen kontinuierlich (vermindert). Nach den Angaben bewohnen 5% aller bayerischen Haushalte bzw. 9% der Mieterhaushalte eine Sozialwohnung. Die Staatsregierung gibt (163) den Bestand an Sozialwohnungen 2010 mit Wohnungen an. Aufgrund des Auslaufens der Bindungen erwartet sie ohne Berücksichtigung des Zugangs neu geförderter Wohnungen bis 2020 einen Rückgang der Zahl der Sozialwohnungen um 30% d. h. auf nur noch Dem gegenüber hat aktuell das Pestel Institut 2 den Bedarf an Mietsozialwohnungen in Bayern auf beziffert. Selbst unter Herausrechnen des Bedarfs in ländlichen Räumen wegen der dort zu verzeichnenden grundsätzlich niedrigeren Miethöhe sieht das Pestel Institut für Bayern einen wirksamen Bedarf von Sozialwohnungen. 2 Pestel Institut, Bedarf an Sozialwohnungen in Deutschland, Untersuchung im Auftrag der Wohnungsbauinitiative, Hannover August 2012 (S.9 ff.) 4
5 4. Wohnungslosigkeit (k)ein Thema im reichen Bayern Bis heute fehlt in Bayern eine amtliche Statistik über Wohnungslosigkeit. Der Dritte Bayerische Sozialbericht ist deshalb auf Schätzungen bzw. punktuelle Zahlen von Städten und aus dem Kreis der Freien und Öffentlichen Wohlfahrtspflege angewiesen. Bereits danach zeigt sich, dass auch im reichen Bayern das Thema Wohnungslosigkeit existiert, aber noch zu wenig politische Konsequenzen nach sich zieht. Allein für die Verdichtungsräume München, Nürnberg, Fürth, Erlangen und Augsburg ist dem Dritten Bayerischen Sozialbericht (164, 247 f.) eine Zahl von zumindest wohnungsloser Menschen zu entnehmen. Allein die bayernweit 13 Präventionsstellen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit in Trägerschaft der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege berieten und betreuten im Jahr Ein- und Mehrpersonenhaushalte (165). Sie trugen durch ihre erfolgreiche Arbeit in vielen Fällen zu Vermeidung des Wohnungsverlustes bei, minderten dadurch persönliches Leid und Existenzängste und reduzierten zudem die Folgekosten von Kündigungen von Mietverhältnissen für Mieter, Vermieter und Kommune erheblich. Die Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit (FOL), die der Kreisverband München Land der Arbeiterwohlfahrt im Auftrag des Landkreises München betreibt meldete im Jahr 2011 für die ersten drei Jahre ihres Bestehens rund Beratungsfälle und das im sogenannten Speckgürtel der Landeshauptstadt. 5. Handlungsanforderung an die Politik in Bayern Die Bayerische Staatsregierung muss sich in Umkehr ihrer bisherigen Politik zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus bekennen und dafür die erforderlichen Rahmenbedingungen schaffen. Es bedarf Anreizen, die Neubautätigkeit im Mietwohnungsbau in Bayern zu erhöhen, ohne dass dies zu noch stärker steigenden Mietpreisen führen darf. 5
6 Die Wohnungspolitik muss sich gezielt für eine Verbesserung der Chancen bislang sozial und wirtschaftlich benachteiligter Haushalte und Personengruppen auf dem Wohnungsmarkt einsetzen. Angebote an präventiven Hilfen zur Verhinderung des Verlusts der Wohnung sind auszubauen und flächendeckend zu entwickeln. Eine aussagekräftige landesweite Wohnungsnotfallstatistik ist endlich einzuführen. Dabei sind die Kommunen und die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege mit ihren Einrichtungen und Diensten einzubeziehen. II. Bildung Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch darauf, eine seinen erkennbaren Fähigkeiten und seiner inneren Berufung entsprechende Ausbildung zu erhalten. Artikel 128 Bayerische Verfassung 1. Zentrale Anforderungen für ein sozial gerechtes Bildungssystem Der Dritte Bayerische Sozialbericht belegt an mehrfacher Stelle, dass weiter Chancenungleichheit im bayerischen Bildungssystem herrscht. Die Seehofer- Schösser-Kommission zur Umsetzung des Zweiten Bayerischen Sozialberichts 3 hatte klare Empfehlungen ausgesprochen, um die Bildungspotentiale der Schülerinnen und Schüler in Bayern auszuschöpfen und Bildungserfahrung unabhängig von sozialer Herkunft zu sichern: Bedarfsgerechter Ausbau der Ganztagesangebote. Dabei seien gebundene Formen der Ganztagsschule deutlich zu bevorzugen (III-111 f.). Ausbau der Jugendsozialarbeit an Schulen (III-112 f.) Verminderung der sozialen Selektivität von Bildungsentscheidungen am Ende der Grundschulzeit (III-116 ff.) 3 Kommission Anforderungen aus dem Zweiten Bayerischen Sozialbericht, Abschlussbericht München 2011 (Seitenzahlen). 6
7 2. Empfehlungen der Seehofer-Schösser-Kommission in den Wind geschlagen Der Bildungssektor belegt exemplarisch, dass die Bayerische Staatsregierung die Ergebnisse der Umsetzungskommission zum Zweiten Bayerischen Sozialbericht in voller Breite übergeht. Dies ist umso bemerkenswerter, als die vorgenannten Aussagen zu den Voraussetzungen einer höheren Chancengleichheit im Bildungswesen sogar zitiert werden (292 f., 299). Tatsache aber ist nach dem Dritten Bayerischen Sozialbericht: Von rund Schulen in Bayern verfügen im Schuljahr 2010/11 gerade einmal über sogenannte offene Ganztagesangebote, d. h. freiwillige Angebote ohne Unterricht am Nachmittag und gerade einmal 762 über Angebote in gebundenen Ganztagsklassen, d. h. mit rhythmisierter Verteilung des Unterrichts auf Vor- und Nachmittag (299). Der Ausbaustand der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) zum beträgt ganze 450 Stellen an 635 Schulen; das Gesamtausbauziel verharrt bei Stellen (66). Unverändert weist Bayern überdurchschnittlich viele Übertritte von der Grundschule auf die Haupt-/Mittelschule auf (294; BY: 36,7%, D: 16,3%). Im Bereich der Schulabschlüsse schneidet Bayern im bundesweiten Vergleich weiter schlecht ab. Bayern zeigt etwa identische Quoten für den Mittleren Bildungsabschluss (298; BY: 39,4%, D: 38,4%), eine deutlich höhere Quote für Hauptschulabschlüsse inklusive qualifizierender Hauptschulabschlüsse (BY: 26,0%, D: 20,1%) und deutlich niedrigere Quoten bei der Allgemeinen Hochschulreife (BY: 19,4%, D: 25,4%; Fachhochschulreife BY: 10,1%, D: 10,8%). 3. Handlungsanforderungen an die Politik in Bayern Die fundierten Handlungsempfehlungen der Umsetzungskommission zum Zweiten Bayerischen Sozialbericht sind schnellst möglich umzusetzen , by/pd 7
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