Brasilien. Forschungssemester Universidade de São Paulo

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1 Vorbereitung Brasilien Forschungssemester Universidade de São Paulo 2014 Für das Auslandssemester in Brasilien habe ich mich am Lehrstuhl FBK an der TU Kaiserslautern beworben. Das FBK und das Institut für Produktionstechnik der Universität São Paulo (USP) führen eine enge Kooperation und bieten jedes halbe Jahr einen Studentenaustausch an. Nach Bewerbung und einem kurzen Vorstellungsgespräch beim Oberingenieur Benjamin Kirsch stand meine Zusage fest. Damit begann die bürokratische und organisatorische Arbeit: Dokumente für die USP: Die Universidade São Paulo in São Carlos benötigt eine Vielzahl von Dokumenten und möchte einige vom Department Coordinator (in dem Fall Prof. Aurich) signierte Exemplare haben. Zu den Dokumenten gehörte u.a. ein auf Portugiesisch übersetzter Transcript of Records und zwei Empfehlungsschreiben von Professoren. Visum: Da die Forschungsdauer ein halbes Jahr beträgt, ist ein Studentenvisum des Typs IV fällig. Das Visum ist an einem der Konsulate oder in der brasilianischen Botschaft in Berlin zu beantragen. Vorsicht, je nach Ort, wo man das Visum beantragt, variieren die benötigten Unterlagen. Auf jeden Fall gehören Reisepass, ein polizeiliches Führungszeugnis, eine Bestätigung des Hin- und Rückflugtickets, eine Bescheinigung für eine Auslandskrankenversicherung, eine Geburtsurkunde und ein Einladungsschreiben der brasilianischen Bildungseinrichtung zu den angeforderten Unterlagen. Eine genaue Auflistung der benötigten Unterlagen findet man auf der entsprechenden Website des Konsulats. Die Website der brasilianischen Botschaft mit allen Anforderungen für das Studentenvisum lautet wie folgt: anden,_sprachkurse_und_sch%c3%bcler.xml Stipendium: Vor jedem Auslandsaufenthalt im Rahmen universitärer Aktivitäten sollte man sich um ein Stipendium bemühen, da die Erfahrungsbericht - Forschungssemester, Universidade de São Paulo, Brasilien

2 Chancen eines zu erhalten relativ hoch sind und die erhaltenen finanziellen Mittel das Studieren erheblich erleichtern. Für kurzfristige Stipendien kann man sich beim DAAD bewerben, insofern man sein Auslandssemester außerhalb der EU macht. Für die Bewerbung werden ebenfalls einige Unterlagen benötigt: ein von der deutschen und brasilianischen Bildungseinrichtung unterschriebenes Learning Agreement, ein Notenauszug, ein Sprachnachweis (Englisch in meinem Fall) und ein Motivationsschreiben. Die Motivation sollte nachvollziehbar formuliert werden und das Stipendienkomitee überzeugen. Näher Informationen findet man auf der Website der Stipendien AG in Kaiserslautern: Impfungen: Es ist für die Einreise nach Brasilien keine Impfung vorgeschrieben, wie beispielsweise in Kolumbien, wo eine Gelbfieberimpfung nachgewiesen werden muss. Allerdings sind die Impfungen gegen Gelbfieber und Hepatitis dringend zu Empfehlen. Unterkunft und Studentenleben Ich wohnte in São Carlos in einer Verbindung zusammen mit acht weiteren Studenten. Der Standard der Unterkunft ist mit dem deutschen nicht zu vergleichen. Die Wände des Hauses sind schlecht isoliert und an Ungeziefer muss man sich auch gewöhnen. Außerdem war es schier unmöglich, das Haus mit der Anzahl an Mitbewohnern rein zu halten. Zwar erschien einmal die Woche eine Reinigungskraft, die das ganze Haus komplett reinigte, das Geschirr spülte und die Zimmer aufräumte, allerdings taten die Bewohner wiederum nichts für die Sauberkeit des Hauses. Der Name der Verbindung (Republica) in der ich wohnte lautet Saudosa Maloca und ist ein Haus mit zwei Etagen, inklusive Garten und Garage. Das Haus hat vier Zimmer - in einigen schliefen zwei bis drei Leute. Die meiste Zeit jedoch, hatte ich ein Zimmer für mich alleine, was ich sehr begrüßte, da ich so mehr Ruhe und Privatsphäre genießen konnte. Des Weiteren war die Republica mit einem großen Wohnzimmer, einem Esszimmer und einer großen Küche ausgestattet. Mein erster Eindruck dieser Einrichtung war sehr erschrecken, jedoch gewöhnte ich mich schnell an die kulturellen Umstände. Mit der Zeit wurden aus Mitbewohner des Hauses sehr enge Freunde, die mich auch zu ihren Familien einluden und ich konnte so einen sehr tiefen Einblick in die Kultur des Landes erhaschen. Ich lernte durch meine Freunde viele andere Erfahrungsbericht - Forschungssemester, Universidade de São Paulo, Brasilien

3 Bekanntschaften kennen und jeder Tag wurde impulsiv gelebt mit Grillabenden, Feiern, gemeinsamem Kochen und Filmabenden. Ich habe die Zeit in der Saudosa Maloca sehr genossen und ich konnte sehr enge Bekanntschaften knüpfen. Für all diejenigen, die es sich nicht vorstellen können in einer Verbindung zu hausen, empfehle ich in einer WG zu leben. Die gibt es in Brasilien auch, sind allerdings nicht sehr leicht von Deutschland aus zu finden, da es keine WG-Plattform wie WG-Gesucht gibt. Am besten man informiert sich bei einer bekannten Person vor Ort und in Facebook über Unterkünfte. In São Carlos gibt es zwei große Universitäten, welche miteinander konkurrieren: die UFSCAR (Universidade Federal de São Carlos) und die USP mit über Studenten. Beide Universitäten bieten zahlreiche Kurse an. Ob Fußball, Sambatanzen, Schwimmen oder Klettern, für jedermann sollte was dabei sein. Die USP verfügt über ein Freibad, welches ich besonders an heißen Tagen nach der Arbeit nutzte. Einem Fußballteam schloss ich mich auch an. Für ein gutes Nachtleben sorgten viele Clubs in der Stadt sowie die Unipartys, die ähnlich wie in Deutschland von den Fachbereichen organisiert werden. São Carlos ist eine berühmte brasilianische Studentenstadt und das merkt man auch. Unzählige Verbindungen verteilt in der ganzen Stadt organisieren Feste und Sportveranstaltungen. Die Stadt wimmelt von Bars und jungen Menschen und es macht Spaß dort zu leben. Studium Den größten Teil meines Auslandssemesters verbrachte ich an der Universität. Schließlich verfasste ich meine Masterarbeit an der USP und wollte ein gutes Ergebnis erzielen. Die Mitarbeiter des Instituts und die Professoren sind sehr engagiert, hilfsbereit und freundlich. Mit Unterstützung kann man jederzeit rechnen und schnell baute sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen mir und den Mitarbeitern auf. Mein Betreuer war sehr darum bemüht wöchentlich Kontakt mit mir zu halten. Allerdings hätte ich mir mehr Vertrauen und übertragene Verantwortung gewünscht. Da nur wenige Mitarbeiter am Campus Englisch konnten und mein Portugiesisch sehr rudimentär in den ersten Monaten war, schien selbstständiges Arbeiten jedoch auch schwierig. Meine Masterarbeit schrieb ich über das Schleifen. Ich entwickelte dort eine neue Kühlmethode, in der vor dem eigentlichen Schleifprozess und nicht währenddessen gekühlt wurde. Zuerst wurde das Werkstück in einer bestimmten Zeit in flüssigem Stickstoff auf -85 C gekühlt. Die vom Schleifverfahren erzeugte Wärme erhöhte die Temperatur des Werkstücks wieder auf Raumtemperatur. Ich führte zusammen mit den Technikern des Lehrstuhls Experimente durch, wertete die Ergebnisse aus und analysierte die Qualität des Schleifverfahrens. Für den Erfolg des Projekts war ich selbst verantwortlich, jedoch erhielt ich von den Mitarbeitern und Doktoranden viel Hilfe. Zur Krönung veröffentlichte ich meine Masterarbeit zusammen mit meinen Betreuern im CIRP, dem bekanntesten Journal für Produktionstechnik. Erfahrungsbericht - Forschungssemester, Universidade de São Paulo, Brasilien

4 Sprachkurse Da in ganz Brasilien nur wenige Menschen Englisch sprechen, sollte man am besten mit Portugiesisch Kenntnissen einreisen oder die Sprache schnell erlernen. Ich konnte kein Portugiesisch und so machte ich in Deutschland im letzten halben Jahr vor Abreise den A1 Kurs an der TU Kaiserslautern. Dort lernte ich nicht viel, allerding elementare Grundlagen wie Zählen, Buchstabieren und einfache Fragen zu stellen. Daher nahm ich in Brasilien Privatunterricht. Ich lernte die Sprache sehr schnell, da ich zum einen intensiv unterrichtet wurde und meine Portugiesisch Lehrerin meine Fehler direkt korrigierte. Zum anderen hörte ich in meinem Umfeld die Landessprache tagtäglich und sprach viel mit meinen Mitbewohnern, die mir sehr geduldig zuhörten und mich verbesserten. Nach einem halben Jahr konnte ich Portugiesisch fließend. Reisen Neben dem Studieren und dem Leben in São Carlos wollte ich Brasilien entdecken und das tat ich so gut ich konnte. Über Weihnachten besuchte ich Pantanal, ein Sumpfgebiet in Brasilien an der Grenze zu Bolivien und die bekannten Wasserfälle in Foz Iguazu. Karneval verbachte ich in Salvador, wo laut Meinung der meisten Brasilianer der beste Karneval gefeiert wird. Rio de Janeiro besuchte ich im Anschluss und klapperte dort die bekannten Sehenswürdigkeiten ab. Die Strände auf den Inseln Ilha Grande und Ilha Bella im Staat São Paulo kann ich nur empfehlen. Gerne wäre ich mehr gereist und hätte gerne Florianopolis, das Amazonasgebiet und die nordbrasilianischen Städte besucht. Das Land ist viel zu groß, so dass das Geld und die Zeit nicht ausreichen, um alle schönen Orte zu erkunden. Kosten Brasilien ist das teuerste Land in Südamerika und das macht sich in vielen Situationen bemerkbar. Lebensmittel sind zum Großteil teurer als in Deutschland. Besonders die Preise der Importprodukte sind vergleichsweise sehr hoch, aufgrund der hohen Importsteuern. Produkte aus Brasilien sind hingegen billig wie Kaffee, Fleisch und Obst. Billig sind auch die Mieten in Brasilien, vor allem wenn man in einer Verbindung unterkommt. Dort verzichtet man jedoch auf Luxus, den man in Deutschland gewohnt ist. Das Fliegen und Busfahren ist wiederum teurer als in Deutschland. Mit Ryanair und Mein Fern Bus könnten brasilianische Unternehmen sicher nicht konkurrieren. Die Miete kostete ca. 150 und der übrige Lebensunterhalt ca Für meine Reisen gab ich ca aus, inklusive Inlandsflüge, Automietung, Hotelkosten (Hostel), usw. Der Flug nach Brasilien und zurück kostete ca. 800, die Auslandsversicherung ca. 250 und die Anmeldung in Erfahrungsbericht - Forschungssemester, Universidade de São Paulo, Brasilien

5 Brasilien ca Das Visum war kostenlos. Insgesamt ergibt sich ein Betrag in Höhe von Ohne die Finanzierung durch meine Eltern und durch das Stipendium hätte ich die Kosten nicht tragen können. Angewiesen wäre ich dann auf Kredite, so dass ich nicht wüsste, ob ich so das Auslandssemester beschritten hätte. Fazit Das Auslandssemester in Brasilien an der USP kann ich nur empfehlen. Man ist sehr auf sich allein gestellt und muss vieles selbst organisieren, was jedoch auch Vorteile bringt. So war es mir möglich einen sehr tiefen Einblick in die brasilianischen Kultur und Lebensweise zu erlangen. Enge Kontakte mit meinen Mitbewohnern und Arbeitskollegen knüpfte ich so leichter, was mir ebenfalls mein erlerntes Portugiesisch begünstigte. Im Labor arbeitete ich intensiv an meinem Projekt und konnte tiefe Einblicke in die Produktionstechnik und Materialwissenschaft erlangen. Als Krönung durfte ich meine Arbeit im CIRP publizieren. Wer nach dem Studium eine wissenschaftliche Karriere im Bereich Produktionstechnik plant, kann mit dem Forschungsaufenthalt an der USP einen ersten großen Schritt in diese Richtung gehen. Dank der finanziellen Unterstützung durch das Stipendium konnte ich diesen Weg beschreiten. Erfahrungsbericht - Forschungssemester, Universidade de São Paulo, Brasilien