12. Wahlperiode
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- Heini Fleischer
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1 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 12 / Wahlperiode Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Sozialministeriums Altersteilzeitgesetz Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen I. zu berichten, 1. in welchem Umfang in den letzten Jahren älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein gleitender Übergang in den Ruhestand, zum Beispiel durch kürzere Tages- oder Wochenarbeitszeiten, ermöglicht werden konnte; 2. inwieweit sich das am 1. August 1996 in Kraft getretene Altersteilzeitgesetz (ATG) als Ersatz für die Frühverrentung bewährt hat; 3. wie viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Baden-Württemberg und bundesweit 55 Jahre und älter sind und wie sich diese Zahl in den nächsten Jahren voraussichtlich entwickeln wird; 4. wie viele Anträge auf Altersteilzeit im Sinne des ATG bis heute in Baden-Württemberg und bundesweit gestellt wurden; 5. welches die Gründe dafür sind, daß derzeit das ATG kaum in Anspruch genommen wird; 6. ob es zutrifft, daß ergänzende tarifvertragliche Regelungen es für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erst ermöglichen, Altersteilzeit in Anspruch zu nehmen; Eingegangen: / Ausgegeben:
2 Landtag von Baden-Württemberg 12. Wahlperiode Drucksache 12 / wie viele tarifvertragliche Regelungen es in Baden-Württemberg und bundesweit gibt, die die Leistungen des ATG tarifvertraglich ergänzen und für wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diese Tarifverträge gelten; II. die Tarifpartner in ihrem Bemühungen zu unterstützen, ergänzende tarifvetragliche Regelungen zum ATG zu vereinbaren Maurer, Goll und Fraktion Begründung Auf der einen Seite hoffen viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf einen gleitenden Übergang in den Ruhestand, andererseits suchen immer mehr Arbeitslose einen Arbeitsplatz. Das ATG hat bisher die Erwartungen nicht erfüllt. Die Umsetzung des Altersteilzeitgesetzes läuft derzeit mehr als schleppend. Ein Jahr nach dem Inkrafttreten hat die Bundesanstalt für Arbeit bundesweit lediglich Anträge gezählt. Nur dort, wo das Gesetz durch Vereinbarungen der Tarifpartner nachgebessert werden konnte, wird in verstärktem Umfang das ATG in Anspruch genommen. In vielen Branchen gibt es aber bisher keine traifvertragliche Regelungen. Eine Verbesserung des ATG erscheint nach diesen Erfahrungen geboten. Stellungnahme Mit Schreiben vom 10. Oktober 1997 Nr /12/1947 nimmt das Sozialministerium nach Anhörung des Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg zu dem Antrag wie folgt Stellung: Zu I. 1.: Nach den Erhebungen des Statistischen Landesamtes von Ende September 1996 war der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Altersklasse der 55- bis unter 60jährigen mit 19,2 % am höchsten (vgl. Anlage 1). Dies, und der starke Rückgang des Anteils Teilzeitbeschäftigter bei den älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ab 60 Jahre könnte ein Hinweis darauf sein, daß ein Teil der älteren Beschäftigten durch Reduzierung der Arbeitszeit einen gleitenden Übergang in den Ruhestand mit baldmöglichem Übergang in den Ruhestand realisiert. Weitere Daten, die einen vertieften Gesamtüberblick über den gleitenden Übergang älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Ruhestand geben könnten, liegen dem Sozialministerium nicht vor. Zu I. 2.: Das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1078) hat die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und nach Altersteilzeitarbeit umgestaltet. Die 2
3 Landtag von Baden-Württemberg 12. Wahlperiode Drucksache 12 / 1947 Anspruchsvoraussetzungen können nunmehr alternativ erfüllt werden durch Arbeitslosigkeit von mindestens 52 Wochen (bisherige Regelung) oder durch Altersteilzeitarbeit von mindestens 24 Kalendermonaten. Altersteilzeitarbeit im Sinne der gesetzlichen Neuregelung kann jedoch nur eine Teilzeitarbeit sein, die nach dem 14. Februar 1996 begonnen hat, so daß die Anspruchsvoraussetzung 24 Kalendermonate Altersteilzeitarbeit frühestens im Februar 1998 erfüllt sein kann. Gleichzeitig wurde geregelt, daß die Altersgrenze für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und nach Altersteilzeitarbeit für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind, ab 1997 in Monatsschritten vom 60. auf das 65. Lebensjahr angehoben wird. Die Inanspruchnahme der Rente ab dem 60. Lebensjahr ist zwar weiterhin möglich, jedoch muß der Versicherte dann Abschläge in Kauf nehmen. Diese Rentenminderung kann ganz oder teilweise durch Beiträge ausgeglichen werden. Aus Gründen des Vertrauensschutzes sind u. a. Versicherte von dieser Anhebung der Altersgrenze ausgenommen, die vor dem 14. Februar 1996 das 55. Lebensjahr vollendet haben und die an diesem Tag bereits arbeitslos waren bzw. deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 14. Februar 1996 erfolgt ist, beendet wurde und die daran anschließend arbeitslos geworden sind. Für diese Versicherten wird die Altersgrenze erst ab dem Jahr 2001 in Viermonatsschritten angehoben (Regelung des Rentenreformgesetzes 1992). Aus den dargestellten Regelungen ergibt sich, daß ihre Auswirkungen in der gesetzlichen Rentenversicherung erst in Zukunft spürbar werden. Erst dann läßt sich beurteilen, ob sich das Altersteilzeitgesetz als Ersatz für die bisherige Praxis der Frühverrentung bewährt hat. Zu I. 3.: In Baden-Württemberg waren am 30. Juni sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 55 Jahre und älter. Bundesweit befanden sich sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in dem genannten Altersbereich. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und der Erwerbspersonen im Alter von 55 Jahren und darüber wird in den nächsten Jahren voraussichtlich zunehmen. Für die alten Bundesländer rechnet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit zwischen 1995 und 2000 mit einer Zunahme der sozialversicherten Beschäftigten dieser Altersklasse von 3,001 Millionen auf 3,284 Millionen (+ 9,4 %). Diese Vorausschätzung ist nicht nach Ländern regionalisiert. Für Baden-Württemberg liegt eine Vorausschätzung des Statistischen Landesamtes für Erwerbspersonen nach Altersklassen auf der Basis 1992 aus dem Jahr 1994 vor. Danach nimmt die Zahl der Erwerbspersonen, die 55 Jahre und älter sind, zwischen 1992 und 2010 voraussichtlich von auf (+ 27,6 %) zu. Zu I. 4.: Nach dem Altersteilzeitgesetz vom 23. Juli 1996 wurden nach Angaben des Landesarbeitsamtes bis August Anträge auf Altersteilzeit und 516 Anträge auf Vorausentscheidung nach 12 Abs. 1 AtG gestellt. Bei den Fällen nach 12 Abs. 1 AtG handelt es sich um Blockzeitmodelle (Vollzeitphase/Freistellungsphase), zum Beispiel in der Chemieindustrie, in denen die Wiederbesetzung des freigemachten Arbeitsplatzes erst in der Freistellungsphase des älteren Arbeitnehmers erfolgt. Bundesweit wurden bis Juli Anträge auf Altersteilzeit und Anträge auf Vorausentscheidung gestellt. Altersteilzeit nach dem Altersteilzeitgesetz vom 20. Dezember 1988 wurde in Baden-Württemberg lediglich von 106 Arbeitnehmern in Anspruch genommen. Nach 3
4 Landtag von Baden-Württemberg 12. Wahlperiode Drucksache 12 / 1947 dem Vorruhestandsgesetz vom 13. April 1984, das allerdings keinen gleitenden Übergang, sondern eine Beendung der Erwerbstätigkeit vorsah, wurden in Baden- Württemberg Anträge gestellt und davon Anträge bewilligt. Zu I. 5. und 6.: Trotz großen Interesses an den Neuregelungen für die Altersteilzeit bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist bislang dessen Inanspruchnahme insgesamt hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Allerdings täuschen die unter Ziffer 4 genannten Zahlen möglicherweise insoweit über die tatsächliche Entwicklung hinweg, als bei Altersteilzeitblockmodellen mit mehrjähriger unterschiedlicher Verteilung der Arbeitszeit (Vollzeitphase und Freistellungsphase) derzeit noch keine Anträge auf Vorausentscheidung gestellt sind oder keine Anträge gestellt werden, weil die Wiederbesetzung der freiwerdenden Arbeitsplätze als Voraussetzung für einen Zuschuß nach dem Altersteilzeitgesetz voraussichtlich nicht möglich ist. Allein aus dem Bereich der Tarifpartner der Chemieindustrie wird geschätzt, daß dort bereits im ersten Halbjahr 1997 rund Arbeitnehmer Altersteilzeit in einem Blockmodell ausgeübt haben. Ein Hauptgrund für die noch nicht befriedigende Akzeptanz ist der Wunsch vieler Betriebe und Beschäftigter nach einer auf fünf Jahre gestreckten Altersteilzeitarbeit, möglichst im Blockmodell mit zweieinhalbjähriger Vollzeitarbeit und zweieinhalb Jahren Freistellungsphase. Nach dem Altersteilzeitgesetz setzt die Förderung durch die Bundesanstalt für Arbeit bei über einem Jahr hinausgehenden Vereinbarungen über Altersteilzeit derzeit jedoch eine tarifvertragliche Grundlage voraus. Die Zahl der Vorausentscheidungen zeigt deutlich, daß Altersteilzeit weit überproportional in den wenigen Branchen in Anspruch genommen wird, in denen eine Verblockung nach Tarifverträgen möglich ist. Inzwischen gibt es 45 Altersteilzeittarifverträge, von denen fast 3 Millionen Arbeitnehmer erfaßt werden. Der Altersteilzeittarifvertrag in der Metallindustrie für Nordwürttemberg/Nordbaden von Ende September wird als richtungweisend für andere Tarifbezirke und Branchen, in denen Tarifverhandlungen über Altersteilzeit anstehen, gewertet. Die Umsetzung der Altersteilzeitarbeit scheitert häufig auch an der Frage der Wiederbesetzung, wenn Arbeitgeber gezwungen sind, Personal abzubauen und Ersatzeinstellungen aus wirtschaftlichen Erwägungen ausgeschlossen sind. Nicht zuletzt leidet die Akzeptanz des Altersteilzeitgesetzes auch darunter, daß viele Arbeitnehmer trotz der im Gesetz vorgesehenen Aufstockung des Altersteilzeitentgelts die immer noch beträchtliche Absenkung des Einkommens nicht verkraften können. Dies gilt insbesondere bei Modellen, bei denen der Renteneintritt nach Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vor dem 65. Lebensjahr liegt, da dann Rentenabschläge in Höhe von 3,6 % pro Jahr (Höchstsatz 18 %) hingenommen werden müssen. Diese werden auch in den Tarifverträgen in der Regel nicht oder nur geringfügig ausgeglichen. Es trifft daher zu, daß vor allem für Arbeitnehmer in den niedrigeren Lohn- und Gehaltsstufen erst tarifvertragliche Regelungen mit weiteren Aufstockungsbeträgen über die Erstattungsleistungen der Bundesanstalt für Arbeit hinaus die Altersteilzeit attraktiv machen. Zu I. 7.: Bezüglich dieser Frage wird auf Anlage 2 verwiesen. Bei einer bundesweiten Übernahme des Altersteilzeittarifvertrags für die Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden werden von dieser Vereinbarung ca. 3 Millionen Arbeitnehmer erfaßt. 4
5 Landtag von Baden-Württemberg 12. Wahlperiode Drucksache 12 / 1947 Zu II.: Mit großem Interesse hat die Landesregierung die Tarifverhandlungen in Baden- Württemberg über einen Altersteilzeittarifvertrag in der Metallindustrie verfolgt und im Rahmen der durch die Tarifautonomie vorgegebenen Grenzen auch unterstützt. Die Landesregierung begrüßt den Abschluß von inzwischen 45 Altersteilzeittarifverträgen für fast 3 Millionen Arbeitnehmer mit gegenüber dem Altersteilzeitgesetz teilweise deutlich günstigeren materiellen und flexibleren Bedingungen für die Altersteilzeit. Die Landesregierung erhofft sich aus dem Pilotabschluß für Nordwürttemberg/Nordbaden in der Metall- und Elektroindustrie neben dessen bundesweiter Übernahme in den anderen Tarifbezirken auch eine Signalwirkung für die Aufnahme von Tarifverhandlungen zur Altersteilzeit in weiteren Branchen. Dr. Vetter Sozialminister 5
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