IST-Frankfurt Institut für Schematherapie - Frankfurt

Transkript

1 Schematherapie bei Abhängigkeitserkrankungen Dual Focus Schema Therapy (nach S. Ball) (Einführung) Dr. Eckhard Roediger IST-Frankfurt Institut für Schematherapie - Frankfurt kontakt@eroediger.de

2 Was ist Dual-Focus-Schema-Therapy DFST ist die gemeinsame suchtspezifische und schematherapeutische Behandlung Die Achse-I-Symptomatik der Suchterkrankung muß als eigener Störungsattraktor spezifisch verhaltensbezogen behandelt werden (unabhängig vom ursprünglichen Bedingungsgefüge) Die dysfunktionalen Bewältigungsstile der Achse-II (Persönlichkeitsstruktur) halten die Sucht aufrecht und brauchen eine schematherapeutische Behandlung

3 Modell eines Bedingungsgefüges der Sucht Traumatisierendes familiäres Umfeld Strafende Innere Eltern Erbliche Belastung Sucht als Bewältigungs- Strategie emotionale Vulnerabilität Bedürftiges Kinderleben E. Roediger

4 Belohnungssystem PFC CG OFC Nacc Amyg ST R Th Hip VTA SN Dopaminerge Verbindungen Belohnungssystem Folkow&Wise (2005), Nat Neurosci Dopaminanstieg in Nucl. accumbens nach Nahrungsund Amphetamingabe bei Ratten

5 Die Hymne des süchtigen Narzissten Komm, wir brechen morgen aus Und dann stellen wir uns gegen den Wind! Nur die Götter geh n zugrunde Wenn wir endlich Gott-los sind. Auf den ersten Rängen preißt man - Dienstbeflissen und wie immer die Moral, Doch mein Ego ist mir heilig Und ihr Wohlergehen ist mir - sehr egal! Genug ist nicht genug, Ich laß mich nicht belügen, Schon schweigen ist Betrug, Genug kann nie genügen! Konstantin Wecker

6 Der Sucht-Trichter Rauschhaft-exstatischer Genuß - Auflösung Flow-Bereich Depressives Entzugserleben innere Erstarrung E. Roediger

7 Der Narzisst in der Krise Ein jeder kann sein Schutzengel verlier n Der hat zwar a Engels-Geduld, Doch wenn s net aufpaßt, Wird er weiterflieg n. Dann bist s alloa mit deiner Schuld Und dann wirst s frier n Und dann wirst s frier n. Du lieber Engel, laß mi jetzt no net aloa! I bitt di schee, ziag mi no oimal nauf. Ganz ohne Engel samma do alle vuil zu kloa. Des nächst Mal paß I bestimmt viel besser auf Konstantin Wecker

8 Rückfallursachen (Marlatt und Gordon, 1980) Unangenehme Gefühlszustände (39%) Soziale Konfliktsituationen (18%) Soziale Verführungssituationen (18%) Körperliches Unwohlsein Plötzliches Verlangen angenehme Gefühlszustände Versuche, kontrolliert zu trinken (25%)

9 Suchtmittelexposition Präfrontaler Cortex Suchtbezogener Stimulus Top-down Modus (Craving) Bottom-up Schema (Sucht- Gedächtnis) z.b. Urge-surfing Suchtmittel- Einnahme E. Roediger

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11 Werte / Bedürfnisse Ebene der bewussten Selbstregulation (Erwachsenen- Modus) Achtsamkeit Selbstreflexion / Neubewertung Selbstbeschreibung Selbstinstruktion Aktuelle Erlebens- Ebene (Modus) Sinnes- Reiz S-Variab. Wütendes Kind (Basale Emotion) Innere Bewerter (passende Kognition) Spontane Reaktions- Tendenz (altes R mot.) Funktionale Reaktion (gezeigtes Verhalten) neues R mot. Ebene der neuronalen Struktur (Schema) Alte Schemata: Emotionale Vernachlässigung Bestrafungsneigung Organismus-Variable Stabilisierung der alten Schemata Neue Lösungs- Schemata ( E. Roediger)

12 ST- Behandlungsphilosophie Das vordergründig gezeigte Verhalten sind dysfunktionale Bewältigungsversuche Das verletzte Kind im Patienten sehen Die Patienten sind needy, nicht greedy Das Suchtverhalten kann durch adäquate Grundbedürfnisbefriedigung gebessert werden Die Behandlung ist eine Nacherziehung auf Grundlage von wechselseitiger Offenheit Nicht anklagend werden bei Enttäuschungen Auch Therapeuten haben Rechte und Grenzen

13 Beziehungsgestaltung in der ST Nachbeelterung Unterstützen / Annehmen Akzeptanz Klärung / Selbstreflexion Denken und Sprechen Mentalisierung Empathie Empathische Konfrontation Fordern / Grenzen setzen Veränderung Eintauchen in das emotionale Erleben - Selbstaktualisierung

14 Therapieschritte der Schematherapie Anamnese durch Modus-Brille betrachten Kognitive Fallkonzeption aus Anamnese, Fragebögen und Verhaltensbeobachtung erstellen und besprechen Emotionale Aktivierungen herbeiführen (z.b. imaginativ) oder spontan auftretende Aktivierungen mit dem Modell verbinden Zugang zum Bedürftigem Kind finden und die Verantwortung für die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse übernehmen Entmachten der Inneren Eltern-Modi und Befriedigung der Grundbedürfnisse der Kindseite durch Stühle-Dialoge erarbeiten Emotionale Selbstregulation üben ( urge surfing, innere Dialoge) Aufbau einer ausgeglichenen Lebensbilanz mit Tagebuch Zur Prävention lebenslang Selbstregulation üben

15 Integrierte Modi Gesunder Erwachsener Glückliches Kind Inneres Kind-Modi Innere Eltern-Modi Verletzbares Kind Wütendes Kind Inkonsistenz- Spannung nach Innen wirkend nach außen wirkend Unterordung (Bindung) Selbst- Entwerter Gefühlsvermeidung /Rückzug (Selbstwert, Unlustvermeidung) Überkompensation (Kontrolle) Ärgerlicher Beschützer Distanzierter Beschützer Distanzierter Selbstberuhiger (Drogen, Selbststimulation) E. Roediger

16 Übungen zur Modusdiagnostik Ich fühle mich manchmal sehr hilflos! (Verletzbares Kind) Du bist daran schuld, wenn die Mutter sich so aufregt! (Innere Bestrafer) Ich bin überheblich und frech! (Unterordnung) Ich möchte mich gerne durchsetzen! (Ärgerliches Kind) In mir zieht sich alles zusammen, auch meine Kehle! (Verl. Kind) Ich habe dir doch nie etwas erzählt, um dich nicht zu belasten. (Distanzierter Beschützer) Lach nicht so doll, es gibt keinen Anlaß! (Innere Bewerter) Meiner Mutter geht es schlecht, weil ich Sie belaste. (Unterordnung)

17 maladaptiv / desintegriert funktional / integriert Flexibel wechseln Integrierte Modi (Gesunder Erwachsenenmodus und Glückliches Kind) Einordnen / Kooperieren Zurückhalten / Abgrenzen Selbstfürsorge / Beruhigung Selbstbehauptung / Fordern Basale emotionale Reaktion (Kindmodi) Aktivierte Bewertungen (Elternmodi) Verletzbares Kind (Angst Trauer Wütendes Kind Ekel Wut) ( innengerichtet) (außengerichtet) Inkonsis- tenz-- Spannung Bindungsbedürfnis Selbstbehauptungs-B. Bewältigungsmodi (und soziale Emotionen) Unterordnung (Bindung) Passive Gefühlsvermeidung (Unlustvermeidung) Aktive Selbstberuhigung (Lust, Selbstwertschutz) Überkompensation (Kontrolle, Selbstwerterhöhung) Sich anpassen/ submissiv Kontakt vermeidend Andere verändern / dominant

18 Exemplarischer Moduszirkel bei Abhängigkeit Inkonsistenzspannung Verletzbares Kind: Ich bin traurig Antreibende Eltern: Du must was tun Strafende Eltern: Du bist eine Niete! Unterordnung Distanzierter Selbstberuhiger Inkonsistenzspannung Ärgerliches Kind: Das kotzt mich an Selbsterhöhung Antreibende Eltern außen: Ihr seid jetzt mal dran! Undiszipliniertes Kind: Du darfst dir das gönnen E. Roediger

19 Intrapsychisches Spannungsniveau Exposition in der Imagination Wahrnehmung Inkongruenzspannung Erwartungen (hohe Spannung) Kurze Aktivierung in der Imagination (dann korrigierende emotionale Erfahrung) (Spannung steigt) Spannungsreduktion durch psychotrope Substanzen (Spannung sinkt) Aufbau alternativer Bewältigungsstrategien (Entspannung) Verlauf

20 Prinzip der Imaginationsübung Semantischabstrakte Beschreibung (KOGNITION) Aktuelle Schemaaktivierung in der Therapiesituation (Verlassenheitsgefühl) Erkennen der Schemaaktivierung und Benennen des Schemas (Verlassenheit/Instabilität) Episodischbildhaftes Erleben (EMOTION) Verstärkung der Aktivierung emotionaler Schemaanteile Suche nach ähnlichen emotionalen Aktivierungszuständen in der Biographie (Trennungssituation) E. Roediger

21 Die drei Säulen der Veränderung Achtsamkeit Innerer Dialog Tagesrückblick

22 Die drei Säulen der Veränderung Stimuluskontrolle (Aufmerksamkeits- Lenkung) PFC Achtsamkeit (innerer Dialog) Selbstbelohnung (Tagebuch) Stimulus (intern/extern) Modus (Craving) Alternative Bewältigung Schema (Suchtgedächtnis) Suchtmitteleinnahme E. Roediger

23 Schematagebuch Auslösesituation Affekt und Handlungsimpuls Aktiviertes Schema / Modus Erwachsene Reaktion Effekt Lernerfahrung

24 Literatur Sucht und Schematherapie: Roediger E (2016). Schematherapie in der Suchtbehandlung? Eine motivierende Einführung, KONTUREN online, (ISSN ) Roediger E (2016). Was kann die Schematherapie zur Suchtbehandlung beitragen? Persönlichkeitsstörungen 20 (1) Das ST-Lehrbuch: E. Roediger (2016). Schematherapie Grundlagen, Modell und Praxis. Schattauer: Stuttgart Zur DFST: E. Roediger (2010). Schematherapie bei Abhängigkeit, in: E. Roediger & G. Jacob: Fortschritte der Schematherapie. Hogrefe: Göttingen, S