Spezieller Artenschutz im Wald: Kritische Würdigung, Ansätze einer Priorisierung, Diskussion
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- Irma Amsel
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1 Spezieller Artenschutz im Wald: Kritische Würdigung, Ansätze einer Priorisierung, Diskussion Vortrag im Rahmen der Veranstaltung des Vereins für Forstliche Standortskunde und Forstpflanzenzüchtung e. V. am 15. Oktober 2010 in Freiburg i. Br. Artenschutz im Wald Einsichten und Lösungen Jürgen Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
2 Das braucht die Art So stellen wir uns Wald aber nicht vor! Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
3 Ideologien und idealisierte Vorstellungen als Problem Jedenfalls wird bei Forst und Naturschutz mit vielen Vorurteilen aufzuräumen sein, da beide Seiten nur zu gerne die Bewertung naturnah auf schöne, ansprechende, eindrucksvolle und gesunde Waldsysteme anwenden möchten und mit diesem idealisierten Blick die wahre Breite des Potentials natürlicher Ausformung verkennen. Scherzinger 1996: S Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
4 Ideologien und idealisierte Vorstellungen als Problem Das ist heute leider immer noch auf beiden Seiten der Fall, Beispiele: Schwarzbuch Wald des BUND e. V.: - Stigmatisierung des Kahlhiebs - natürliche, ungestörte Waldentwicklung wird als scheinbar alleiniges Mittel zur Sicherung der Artenvielfalt im Wald gesehen Präsentation Forst BW/Naturnahe Waldwirtschaft: - alle Bestände sollen Mischbestände aus Nadelund Laubbaumarten und mehrstufig aufgebaut sein - Nutzung einzelner Stämme, ohne das Waldgefüge zu stören Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
5 Defizite: Welche Waldstrukturen und Entwicklungsphasen haben wir und welche nicht? im Überfluss im extremen Mangel im extremen Mangel Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
6 Defizite: Welche Waldstrukturen und Entwicklungsphasen haben wir und welche nicht? Heutige Situation vielfach: Aus: Trautner (2000) Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
7 Defizite: Welche Waldstrukturen und Entwicklungsphasen haben wir und welche nicht? Notwendig aber (auch): Aus: Trautner (2000) Beispiele erforderlicher struktureller Ausstattung (1) vielfältige innere Ränder und Waldmäntel (2) deutliche Erhöhung des Angebotes an stehendem und liegendem, v. a. massivem Totholz (3) Aufbau von Blößen und sehr lichten Waldbeständen (z. B. Hudewald) Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
8 Welche Arten benötigen spezielle Artenschutzmaßnahmen im Wald? Wie ist die Frage nach Waldarten zu behandeln? Frage v. a. unter historischem und prähistorischem Blickwinkel fachlich interessant Für die heutige Schutzerfordernis aber nachrangig (weder unter gesetzlichen Vorgaben zum Artenschutz noch unter Biodiversitätsgesichtspunkten relevant) Entscheidend dagegen: - Welche Arten können heute am besten oder ausschließlich auf Flächen in der Zuständigkeit der Forstverwaltung geschützt / gefördert werden? - Welche dieser Arten benötigen dringend spezifischen Schutz / spezifische Maßnahmen? Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
9 Welche Arten benötigen spezielle Artenschutzmaßnahmen im Wald? Aus: Trautner (2003) Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
10 Hilfsmittel Informationssystem ZAK aktualisiert und auf alle FFH-Arten ergänzt Verknüpfung u. a. von Verbreitungsdaten und bestimmten Habitatstrukturen Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
11 Welche Arten benötigen spezielle Artenschutzmaßnahmen im Wald? Beispiel Anhang IV FFH-RL Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
12 Welche Arten benötigen spezielle Artenschutzmaßnahmen im Wald? Beispiel Anhang IV FFH-RL Haselmaus: - Nein! - weit verbreitet, offenkundig günstiger Erhaltungszustand - Habitateigenschaften vielerorts bei üblichen Nutzungen verwirklicht - kein Bedarf für zusätzliche spezifische Vorgaben Muscardinus avellanarius / Foto: Rietze Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
13 Welche Arten benötigen spezielle Artenschutzmaßnahmen im Wald? Beispiel Anhang IV FFH-RL Wald-Wiesenvögelchen: - Ja! - nur noch punktuelle Vorkommen, ungünstiger Erhaltungszustand - Habitateigenschaften kaum verwirklicht und pflegeabhängig - vordringlicher Maßnahmenbedarf (auch deutliche Erweiterung der Vorkommen) Coenonympha hero / Fotos: Steiner u. Hermann Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
14 Blößen und sehr lichte Waldstrukturen Bedeutung nur im Einzelfall? Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
15 Biodiversitätsschutz durch Blößen und sehr lichte Waldstrukturen Quelle: Auswertung Informationssystem Zielartenkonzept Baden-Württemberg Zuordnung ausgewählter Maßnahmen Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
16 Denkanstöße I (Beispiel Vögel) Als Folge der heutigen Hinwendung der Waldbewirtschaftung zum Dauerwald werden u. a. weiter zurückgehen [ ] Arten der Initialund Aufbauphasen des Waldes [darunter u. a. genannt Ziegenmelker, Grauspecht, Baumpieper] Gatter 2000: S. 160 Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
17 Denkanstöße II (Beispiel Gefäßpflanzen) Nur etwa 12 % der bayerischen Gefäßpflanzen sind an Wald als Lebensraum gebunden, in dem zudem die besonders seltenen Sippen mit 9 % stark unterrepräsentiert sind. Fast alle (Sub-)Endemiten wachsen auf lückigen Offenland-Wuchsorten, keiner wächst in mehr oder minder dichten Wäldern.. Walentowski & Zehm 2010: S. 59 Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
18 Denkanstöße III (Beispiel FFH-Anhang IV-Holzkäferart) Um die Bedingungen an den Brutbäumen zu verbessern (insbesondere Besonnung der Stämme), wird ein Habitatmanagement in Form einer halboffenen Weidelandschaft empfohlen, von der viele andere Arten ebenfalls deutlich profitieren werden. Buse et al. 2007: S. 372 zum Heldbock (Cerambyx cerdo*) * übersetzt aus dem Englischen, betrifft aber Untersuchungsgebiet in Deutschland Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
19 Denkanstöße IV (Beispiel Nachtfalterarten) Artenzahlen und Alpha-Diversität waren im jungen Mittelwaldhieb am höchsten und nahmen in den älteren Hiebsphasen kontinuierlich ab. Artenzahlen und Diversität waren in den beiden Hochwäldern zudem am geringsten. [Es] zeigte die Deckung (Beschattung) von Baum- und Strauchschicht eine signifikant negative Korrelation mit der Nachtfalterartenzahl und Alpha-Diversität. Bolz 2008: S. 427 Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
20 Zwischenfazit Arten- und Biodiversitätsschutz im Wald ist mitnichten über die bisherigen Schwerpunktziele der naturnahen Waldwirtschaft (alleine) umgesetzt oder umsetzbar Bislang insbesondere zwei wesentliche Defizite - Alt- und Totholzmangel (insbesondere massive Totholzstrukturen, auch an speziellen Standorten) - erheblicher Mangel an sehr lichten Waldstrukturen und Blößen (auch an speziellen Standorten) Neues Alt- und Totholzkonzept der Forstverwaltung geht in die eine der richtigen Richtungen, aber durchaus fachliche Kriktikpunkte (letztere z. B. Definition der Habitatbäume schon ab BHD > 30 cm, geringe Mindestfläche Waldrefugien) Zusätzliches umfangreiches Konzept für Blößen und sehr lichte Waldstrukturen erforderlich Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
21 Inhaltliche und räumliche Priorisierung Viele Grundlagen und Bewertungsinformationen (u. a. mit Informationssystem Zielartenkonzept Bad.-Württ.) vorliegend, mit denen gearbeitet werden könnte Priorisierung i. w. nach - Status ZAK (Landesart A/B, Naturraumart) - Relative Bedeutung der Vorkommen auf Flächen in Zuständigkeit der Forstverwaltung - Habitatansprüche erfordern spezifische Maßnahmen (wird vorausgesetzt) Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
22 Wichtig für Umsetzung Artenschutz muss auch Vorrang vor anderen Aspekten eingeräumt werden können (d. h. nicht, dass Artenschutz alles dominieren könnte oder muss hier geht es aber um eine räumliche Differenzierung prioritärer Maßnahmen) Konsequente Bedarfsableitung aus tatsächlichen, fachlich angesetzten Flächenerfordernissen der Arten/Populationen (keine Pauschalwerte für große Waldflächen) Kostenabschätzung für Realisierung (gestaffelt nach Prioritäten) Aus Artenschutzsicht wäre (soweit in wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll) im Gegenzug auch eine Intensivierung der forstlichen Nutzung auf bestimmten anderen Flächen/- anteilen voraussichtlich vertretbar. (z. B. mit höherem Anteil Douglasie, kürzeren Umtriebszeiten) Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober
23 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung (Filderstadt) - Vortrag VFS Freiburg, Oktober Caprimulgus europaeus / Foto: Mayer
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