Metzgerei Käferstein. Hausgeschichten aus dem Bahnhofsviertel. Königstraße 40

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1 Hausgeschichten aus dem Bahnhofsviertel Metzgerei Käferstein Beständigkeit und Handwerkstradi on prägen das Innenleben des Hauses. In der vierten Genera on befindet es sich im Besitz der Familie Käferstein und ist ebenso lange Standort einer mi elständischen Hofer Metzgerei wird das Gebäude von Metzgermeister Rudolf Ellmauer als Wirtscha errichtet. Doch bereits fünf Jahre später kau Karl Konrad Käferstein das Haus, das damals noch die Nummer 25 trägt. Käferstein, geboren am 13. Juli 1879, stammt aus Edlendorf bei Helmbrechts. Er heiratet am 24. Februar 1906 Lise e Krauß, geboren am 27. Juni 1882, aus Ahornis. Beim Hofer Metzgermeister Fritz Söllner in der Ludwigstraße, der sich als königlich-bayerischer Hoflieferant einen Namen gemacht hat, lernt er sein Handwerk. Das eigene Haus, ab dem 2. April 1906 Wohnsitz der Familie, wird auch zur eigenen Betriebsstä e. In dem zweistöckigen Gebäude wachsen zwei Töchter und ein Sohn der Eheleute auf. Ludwig, der Jüngste, tri acht Tage nach der Währungsreform am 20. Juni 1948 in die Fußstapfen seines Vaters. Doch der Sohn s rbt bereits 1957, nur sieben Jahre nach Karl Käferstein. Bis 1962 führt seine Frau Hildegard, eine geborene Benker aus Hallerstein, die Metzgerei weiter. Dann ist der Enkel des Firmengründers alt und berufserfahren genug, um den Betrieb zu übernehmen. Manfred Käferstein, geboren 1940, hat bereits mit 17 Jahren seine Gesellenprüfung bestanden. Mit 19 ist er Metzgermeister. Bei der Freisprechungsfeier lernt er Marga Pü ner kennen und lieben. Beide heiraten Marga steigt mit ins Geschä ein und wird Mu er von Pia und Klaus. Betrieb und Wohnungen sind eng verknüp. Zusätzlich zur Haustreppe führt ab 1920 eine Wendeltreppe 70 Jahre lang von der Metzgerei und Küche im Erdgeschoß in den ersten Stock. Er ist stets von der Familie bewohnt. Das Hofer Adressbuch verzeichnet kon nuierlich Mieter im Haus: eine Wagenwärters-Witwe, eine geschiedene Färberei- Arbeitersfrau, ein Weichenwärter, ein Betriebswerkstä engehilfe sind darunter. Nach dem Zweiten Weltkrieg werden im zweiten Stock Flüchtlinge untergebracht. Dort lebt bis 1960 auch Frieda, die älteste Schwester von Ludwig Käferstein. Planzeichnung der Architekten für das Haus Königstraße, ursprünglich Nr. 25, im Jahr 1900 In der ausgebauten Mansarde befinden sich die Kammern für die Handlungsgehilfen der Metzgerei. Alle Bewohner genießen einen besonderen Komfort: Im Haus sind von Anfang Toile en eingebaut. Nach dem Tod von Karl Käferstein im Jahr 1950 geht das Haus, das inzwischen die Nummer 40 erhalten hat, in den Besitz seiner Frau Lise e über. Im Hinterhof steht das Waschhaus, aus dem später ein Kühlhaus wird, und bis Anfang der 1950er Jahre ein Stall. Danach werden dort Lagerkammern für Vorräte und Gewürze eingerichtet.

2 Mit den wechselnden Genera onen verändert sich auch das Gebäude wird der dri e Stock zu einer Wohnung ausgebaut. Die Fassade wird erneuert und beschert der Familie im Dezember 1984 einen Preis im Fassadenwe bewerb der Stadt Hof. Die Hofgebäude samt dem hochaufragenden Schlot machen 1999 Platz für Terrasse und Spielwiese. An der Rückfront wird ein Balkon angebaut. Zeugnisse der Vergangenheit sind heute noch Stuckdecken in zwei Wohnungen und ein Kachelofen im zweiten Stock. Über hundert Jahre ist das Haus im Besitz der Käfersteins geblieben. In ihm leben neben Marga Käferstein ihr Sohn Klaus mit seiner Frau Claudia und den vier Kindern Peter, Felix, Lukas und Maria. Der Handwerkstradi on ist Klaus ebenfalls treu geblieben hat er die Meisterprüfung als Metzger abgelegt. Blick durch das Schaufenster: Hildegard Käferstein (links) mit ihrem Enkel und Firmennachfolger Manfred im Jahr 1954 Sein Vater Manfred, der 2007 s rbt, ist jedoch der letzte Inhaber des Familienbetriebs. Seit 1991 hat die Metzgerei Krafft den Laden gepachtet. Die Tradi on des Wurst- und Fleischverkaufs wird so im Haus weitergeführt. Als Spezialitäten produziert die Metzgerei warme Gö nger aus dem Kessel, Weißwürste, Knacker, Wiener, Rindfleischwurst, Leberkäse und Pressack. Wert gelegt wird auf naturreines Gewürz, das im Hinterhof gelagert wird. Alles war gut, erinnert sich Manfreds jüngere Schwester Inge an ihre Kindheit. Als Ausgleich gab es für uns,süße Tage mit Omele e oder Apfelstrudel. Das Personal und die Metzgereilehrlinge sitzen immer mit am Tisch. Inge: Wir waren eine große Familie. Da läu einem das Wasser im Mund zusammen: Angebot der Metzgerei Käferstein im Jahr 1973 (oben) Klaus Käferstein 1973 im Laden mit seiner Mu er Marga (links) Autorin: Beate Franck

3 A N N O D A Z U M A L Die Anfänge der Metzgerei Käferstein: Das Haus Königstraße 25 mit dem Firmengründer Karl Käferstein in der Toreinfahrt um 1910

4 1984 erhält das Haus den Fassadenpreis der Stadt Hof. Die Begründung der Jury lautet so: Die harmonische Farbgebung, unterteilt in die dominante Farbe des Putzes, sowie der subdominanten Farben der Gewänder und Gesimse mit dem hellen Akzen arbton und der Aufmalung der Fenstereinfassungen im Mansardenau au nach den in den Obergeschossen vorhandenen Profilierungen und der Fensteranstrich ergeben ein sorgfäl g abgerundetes Aussehen. Einziger Minuspunkt: Die helle Eichentür neben der mi elbraunen Hauseingangstür. Fotos: Zuhal Durkan und Sevde Gür Münster Mi elschule Hof 2011

5 Langweilig wird es im Hause nie. Vom Erdgeschoss bis zum Dach ist es auf 370 Quadratmetern vollständig im Besitz der Familie Käferstein. Metzgermeister Klaus Käferstein lebt hier zusammen mit seiner Frau Claudia, den vier Kindern Peter, Felix, Lukas, Maria und seiner Mu er Marga. Im ersten Stock wohnen der 16 Jahre alte Felix, Azubi zum Landscha sgärtner, und sein 14-jähriger Bruder Lukas. Außerdem befinden sich dort das Wäschezimmer von Mu er Claudia, die kleine Werksta des Vaters und ein Gruppenraum, den die Kinder mit ihren Freunden nutzen können. Einen Stock höher lebt Oma Käferstein. Sie kann einen schönen neuen Balkon und einen alten Kachelofen aus der Gründerzeit genießen. Unterm Dach wohnt der Rest der Familie: Claudia Käferstein (47), ihr zwei Jahre jüngerer Mann, Sohn Peter (17), der gerade eine Ausbildung zum Erzieher beginnt und die neunjährige Maria, die noch zur Schule geht. In der Familie Käferstein wird gerne gelacht. Unser Foto zeigt von links Peter, Felix, Lukas, Claudia, Klaus und Marga Käferstein. Oben auf dem Kachelofen liegt das Nesthäkchen Maria. Eine schrecklich ne e Familie: Bei Käfersteins ist immer was los Das Haus hat in den 110 Jahren seines Bestehens schon etliche Dinge hinter sich. Klaus Käferstein erinnert an einige kuriose Begebenheiten. Beim Bombenanschlag am 8. April 1945 auf den Hofer Bahnhof wurde es Opfer eines Querschlägers : Ein Bordstein, der durch die Explosion herausgerissen wurde und nach oben schnellte, traf das jetzige Schlafzimmer. In ihm stand auch damals schon ein Be. Der Randstein landete genau darauf. Durch die große Wucht durchschlug er das Be. Darunter lag eine Wärmflasche aus Metall. Sie wurde völlig pla gedrückt. Auch einen Einbruch hat das Haus überstanden. Im Jahre 1971 stahl ein Einbrecher den wertvollen Schmuck von Klaus Käfersteins Großmu er. Klaus Schwester Pia sah den Einbrecher sogar aus dem Haus rennen. Dieser wurde jedoch nie gefasst. Und schließlich musste sogar die Feuerwehr in die ausrücken. Im Februar 2006 gab es wegen eines durchgeschmorten Backautomaten einen Küchenbrand im dri en Stock, der eine komple e Renovierung nö g macht.

6 Maria hat wie ihre Brüder im Innenhof viel Platz zum Spielen. Die alten Rückgebäude wurden abgerissen. Nun findet man dort eine große Terrasse und Wiese. Auch das Trampolin der kleinen Maria hat genügend Platz. Trotz etlicher Aufregung dann und wann ist sich die Familie einig. Sie lebt gerne im Bahnhofsviertel.,,Es ist prak sch hier zu wohnen, meint Claudia Käferstein.,,Man erreicht alles schnell zu Fuß. Die Kinder können mit dem Fahrrad zur Schule fahren oder auf den Spielplätzen spielen. Auch die Eisdiele in der Nachbarscha, der nahe Bahnhof und Busbahnhof haben ihre Vorteile. Allerdings fallen der Familie auch einige nega ve Punkte ins Auge. Der Müll, der sich in Form von umherfliegenden Prospekten auf der Straße oder verbeulten Getränkedosen bemerkbar macht, ist für Claudia Käferstein ein kleiner Minuspunkt. Die neunjährige Maria wiederum findet nur wenige Kinder, mit denen sie spielen kann, da diese meistens aus anderen Ländern stammen und nur gebrochen Deutsch sprechen. Auch in der näheren Nachbarscha entwickelten sich tolle Bekanntscha en. Die Käfersteins haben selbst dazu einen Beitrag geleistet: Zum 100-jährigen Bestehen des Gebäudes feierten sie ein kleines Hausfest, zu dem die Nachbarn eingeladen waren. Es wurde eine Hausrallye veranstaltet und die damals noch kleinen Jungs Felix, Peter und Lukas buken Muffins, die sie in ihrem Kaufladen vor dem Haus feil boten. Vater Klaus verweist jedoch auf die vielen schönen Feste. Der Weltkindertag findet jedes Jahr direkt vor unserer Haustür sta, nennt er als Beispiel. Nun hoffen die Käfersteins auf weitere hundert Jahre, in denen das Haus im Besitz von Familie und Tradi on ist. Autorin: Julia Preiß, Münster Mi elschule 2011 Fotos: Kamila Özdabak, Münster Mi elschule 2011 Hausgeschichten ist ein Projekt aus: Gefördert von: