Beitrag: Die getriebene Union AfD-Konkurrenz von rechts

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1 Manuskript Beitrag: Die getriebene Union AfD-Konkurrenz von rechts Sendung vom 26. September 2017 von Jörg Göbel, Andreas Halbach, Michael Haselrieder, Anne Herzlieb und Reinhard Laska Anmoderation: Ich kann nicht erkennen, sagte die Kanzlerin gestern bei ihrer Wahlkampfanalyse, was wir jetzt anders machen müssten. Na ja. In den Ohren jener einer Million Wähler, die von der Union zur AfD abgewandert sind, wird das reichlich abgehoben klingen. Und der Konflikt mit der CSU, wie die verlorenen Stimmen zurückzuholen sind, rechts oder mittig oder gar nicht, lässt sich so einfach nicht zukleistern. Unsere Reporter haben die getriebene Union in zwei Städten untersucht. Görlitz in Sachsen und Münster in Nordrhein-Westfalen sind traditionell CDU-Hochburgen. In Görlitz holte der Kandidat der AfD jetzt das Direktmandat, in Münster erfuhr die AfD das niedrigste Ergebnis bundesweit. Ein Städtevergleich über die Konkurrenz von rechts. Text: Görlitz im östlichen Sachsen. Die Fassaden der Innenstadt renoviert. Auf den ersten Blick alles in Ordnung. Doch die Region ist strukturschwach. Die Einkommen sind niedrig. Seit der Wende haben Tausende ihren Arbeitsplatz verloren. Die CDU war hier immer stärkste Kraft. Jetzt hat ihr Tino Chrupalla das Direktmandat abgejagt. Der Malermeister wird den Wahlkreis Görlitz künftig im Bundestag vertreten für die AfD. Die Leute haben einfach von diesen Phrasen, von diesen Politiker-Phrasen, wir hören den Leuten zu und wir müssen auf die Sorgen eingehen, genug. Das wird sicherlich zum Teil getan, aber es passiert ja nichts. Es ist einfach die Endkonsequenz nicht mehr. Es passiert auch politisch in der Form nichts, dass niemand mehr für irgendwelche Fehlentscheidungen Konsequenzen trägt.

2 Die AfD hat in Görlitz die Wahl gewonnen, eines ihrer besten Ergebnisse bundesweit erreicht: 32,4 Prozent. Die Bürger wissen warum: O-Ton Lothar Franke: Weil unsere Region wirklich abgehangen ist. Also, die ist in der Politik völlig vergessen worden. O-Ton Hans-Joachim Graf: Es ist grotesk, was gewählt wird. Ich halte die heutigen Politiker für fast ein bisschen zu arrogant, überheblich. Sie sind nicht mehr am Volk dran. O-Ton Thomas Zimmer: Die hohe Arbeitslosigkeit, die in Görlitz ist. Das ist sicherlich ein Grund, ja. Und ich denke das ganze Problem, diese Grenznähe, Kriminalität, das spielt eine Rolle, dass die AfD einen großen Zuspruch hatte. Viele Görlitzer fühlen sich unsicher. Die Kriminalität an der Grenze ist hoch, doch laut Polizei auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Die Zahl der Flüchtlinge sinkt. Trotzdem hat die AfD mit der Angst punkten können. O-Ton Prof. Oskar Niedermayer, Parteienforscher Freie Universität Berlin: Die Leute wählen die AfD aus sozusagen kulturellen Gründen, weil sie Angst haben vor Überfremdung, weil sie Angst haben, Fremde im eigenen Land zu werden, dass der Islam zu großen Einfluss bekommt, dass die Flüchtlinge eben auch kulturell sie überfordern. Gut 500 Kilometer westlich. Auch hier schmucke Fassaden. Münster in Westfalen. Die Stadt katholisch, bürgerlich, konservativ wenig Arbeitslose. Außerdem ist hier jeder Fünfte ein Student. In Münster hat die AfD bundesweit ihr schlechtestes Ergebnis eingefahren: gerade einmal 4,9 Prozent. O-Ton Frederike Pogoda: Man ist auf jeden Fall stolz. Also, ich fand es ganz gut, als ich es heute Morgen gelesen habe. O-Ton René Prior: Münster, so Fahrradstadt, weltoffene Stadt. Vielleicht liegt es daran. O-Ton Paul Erne: Ich vermute, das liegt an der Unistadt. Das ist hier ein breites, selbstbewusstes Bürgertum in Münster, das sich von solchen Parolen von Populismus - glaube ich - nicht so einfach beeindrucken lässt.

3 AfD-Direktkandidat Martin Schiller hat es nicht in den Bundestag geschafft. O-Ton Martin Schiller, AfD-Direktkandidat Münster: Münster ist eine Studentenstadt und eine Beamtenstadt und es ist klar, die Studenten wählen uns nicht. Die sind ja von Natur aus natürlich auf der Weltverbesserungsschiene und die Beamten, die tun sich mit uns auch schwer, denn die wählen natürlich nicht die Partei, die am eigenen Ast dann eventuell sägen könnte, insofern ist das hier in Münster für uns ein schwieriges Umfeld. Gewonnen hat sie: Sybille Benning zieht als Direktkandidatin in den Bundestag ein. In der Stadt regiert ihre CDU mit den Grünen. O-Ton Sybille Benning, CDU, gewählte Bundestagsabgeordnete Münster: Wir haben über 180 Nationen, die hier leben, wir haben viele Minderheiten. Und ich glaube, es ist sehr wichtig, wir haben auch viele internationale Unternehmen, die hier tätig sind. Wir hatten zwei sehr große Demonstrationen Anfang 2016 und im letzten Jahr nochmal. Also, der gesamte Domplatz war voll mit über Menschen. Die Menschen in dieser Stadt wollen die AfD nicht. Auf dem Marktplatz in Görlitz betreibt Walter Hahn seine Imbissbude. Er hat aus Protest gegen Angela Merkel und die CDU am Sonntag AfD gewählt. Mit seinem Imbiss komme er gerade so über die Runden, sagt er. Zu DDR-Zeiten sei es ihm besser gegangen: O-Ton Walter Hahn, Hahns Imbiss Görlitz: Entschieden besser, ja. Ich hatte meine Arbeit, ich hatte mein Sozialwesen, ich konnte auch in Urlaub fahren, trotzdem, zwar nie dorthin, wo ich hin wollte immer, aber ich konnte meinen Urlaub auch machen. Das war die eine Seite, was will man noch mehr. Ich bin nach Feierabend arbeiten gegangen, konnte meine Familie ernähren. Und heute, was ist denn heute? Muss man jedes Mal bangen, wird man den Job los. Für alles sei Geld da: Griechenland-Kredite, Banken-Rettung, Flüchtlingskrise nur bei den Ost-Deutschen komme nichts an. Viele empfinden so wie Walter Hahn, sagen Experten: O-Ton Prof. Raj Kollmorgen, Sozialwissenschaftler, Hochschule Zittau/Görlitz: Diese vermeintlich anstrengungslose Aneignung von Reichtum und Anerkennung bringt Ostdeutsche in diesen Milieus gerade auf die Palme. Also, es gibt eine Enttäuschung mit dem Eigenen und dann diese Differenzerfahrung, die anderen kriegen aber, was wir nicht kriegen, obwohl wir uns jetzt seit 20 Jahren anstrengen und

4 strampeln, wie immer wir wollen, ja, uns wird es nicht zugebilligt und die müssen nur den Finger heben. Auf das Gefühl des Zu-Kurz-Kommens hat die CDU nicht die richtigen Antworten gefunden. Das hat Michael Kretschmer sein Bundestagsmandat gekostet. In Görlitz nur Platz zwei - hinter der AfD: O-Ton Michael Kretschmer, CDU, bisheriger Also, das ist ein ordentlicher Magenschwinger, den ich bekommen habe, aber auch die sächsische Union. Wenn ich mal anfangen kann bei mir selbst, ist das etwas, was ich so nicht erwartet habe. Die überwiegende Anzahl der Menschen haben die AfD gewählt aus Protest und nicht, weil sie sich eine Lösung erwarten. Und die Lösung müssen wir aber liefern. Seit der Wende hatte die CDU Zeit zu liefern. Am Tag nach der Wahl Erklärungsversuche: O-Ton Stanislaw Tillich, CDU, Ministerpräsident Sachsen: Ich will nicht sagen, dass es nur Protestwähler waren, sondern dass sie auch unzufrieden waren, mit dem, was wir ihnen angeboten haben, als Lösungen, und sie deswegen für die AfD oder für die FDP entschieden haben. Wenn man will, dass es rechts von der Union keine etablierte Partei gibt, dann muss man auch sich mit diesen Themen auseinandersetzen und letztendlich nicht nach rechts rücken, sondern man muss ganz einfach die Themen ansprechen, die die Menschen bewegen. Heute Morgen: AfD-Politiker Tino Chrupalla auf dem Weg zu seiner ersten Fraktionssitzung im Deutschen Bundestag. Die etablierten Parteien werden an uns nicht mehr vorbeikommen und solange sie natürlich genau diesen Pol jetzt bewegt, weiterhin dort restriktiv uns zu meiden und uns auch zu verleumden, wird im Prinzip genau das Gegenteil passieren. Solange man diese Art weiter fortsetzt der politischen Auseinandersetzung, stärkt uns das eher. O-Ton Prof. Oskar Niedermayer, Parteienforscher Freie Universität Berlin: Ich würde den anderen Parteien raten, die AfD inhaltlich zu stellen. Das kann man auch, weil sie in den meisten Politikbereichen keine wirklich gangbaren Konzepte hat. Was man nicht sollte, ist pauschal vor allen Dingen ihre Wähler als Nazis zu verunglimpfen. Das erzeugt nur Wagenburgmentalität. Also, das funktioniert nicht.

5 Die AfD gegen alle anderen Parteien. Darauf hat sich Chrupalla eingestellt. Heute trifft er zum ersten Mal seinen neuen Fraktionschef: Morgen, Herr Gauland! Herr Chrupalla, aus Sachsen. O-Ton Alexander Gauland, AfD, Sitzenkandidat: Aus Sachsen! Sind alle Sachsen noch dabei? Ja, natürlich. O-Ton Alexander Gauland, AfD, Sitzenkandidat: Okay. Wie umgehen mit der AfD? Eine Herausforderung für alle Parteien, insbesondere für die CDU, wenn sie Wähler zurückgewinnen will. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.