Beitrag: Frankreichs Hoffnungsträger Kritik an Macrons Reformplänen

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1 Manuskript Beitrag: Frankreichs Hoffnungsträger Kritik an Macrons Reformplänen Sendung vom 13. Juni 2017 von Reinhard Laska Anmoderation: Mehr Europa. Mit dieser Forderung hätte sich die Kanzlerin noch vor einiger Zeit unbeliebt gemacht. Jetzt aber, nach Brexit und Trump-Wahl finden die meisten Deutschen Europa wieder wichtig, und Angela Merkel kann mit proeuropäischen Tönen punkten. Der französische Präsident Emmanuel Macron soll mit ihr die EU vereinen und verändern. Doch erstmal muss der Hoffnungsträger im eigenen Land dauerhaft erfolgreich sein. Und dafür braucht er Geld auch deutsches Geld. Reinhard Laska mit der Frage, ob Macron Merkel nicht nur lieb, sondern auch teuer ist. Text: Das Lächeln des Siegers. Emmanuel Macron hat es wieder geschafft. Bei den Parlamentswahlen gelingt seiner République en Marche der Durchbruch. Bereits nach dem ersten Wahlgang liegt die Partei des Präsidenten weit vorn. Die Sozialisten am Boden, die Konservativen stark geschwächt. Macron will das Land jetzt grundlegend reformieren. Ob ihm das gelingt, wird sich beispielsweise hier zeigen - beim Automobilzulieferer GM&S, 150 Kilometer von Bordeaux. Das Unternehmen steht kurz vor der Pleite. Fünf Monate schon protestieren die Beschäftigten gegen die drohende Schließung. Seit Peugeot und Renault die Aufträge runtergefahren haben, sieht es schlecht aus für die 280 Arbeiter. Der lange Arbeitskampf hat sie verbittert, sie drohen ihre Fabrik in die Luft zu sprengen: On va tout peter. O-Ton Vincent Labrousse, Betriebsrat CGT: Hier unten drunter gibt es Abwasserleitungen und Fallrohre, alles vermint. Benzinkanister, die muss man nur anzünden, das ist voller Öl, das wird nicht aufzuhalten sein. Der große

2 weiße Gastank - da sind Gasflaschen mit Zündvorrichtungen, es ist alles bereit. Die Regierung soll das Unternehmen retten, fordert der Betriebsrat, die Automobilkonzerne zwingen, Aufträge zu erteilen und einen neuen Eigentümer finden. Am vergangenen Donnerstag stellt sich Macron den Arbeitern. Buhrufe ist er nicht gewöhnt. Er wird bedrängt, verliert kurz die Contenance. O-Ton Emmanuel Macron, Staatspräsident Frankreich: Hören Sie, Madame, ich bin nicht der Weihnachtsmann. Ich bin nicht der Weihnachtsmann. Doch er verspricht nur: Seine Regierung will prüfen, ob das Unternehmen zu retten ist - mehr nicht. Das ist neu in Frankreich. Claire Demesmay, Politikwissenschaftlerin, sagt, Macron kann die Reformen nicht alleine schaffen. O-Ton Claire Demesmay, Politikwissenschaftlerin, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik: Er will Reformen durchführen, das ist schmerzhaft. Es muss auch von der Bevölkerung akzeptiert werden. Aber um diese Reformen und auch gleichzeitig um einen ausgeglichen Haushalt zu haben, dann braucht er Geld, damit die wirtschaftliche Maschine weiter funktioniert. Da hilft es natürlich, wenn EU-Gelder kommen. Macron sucht Unterstützung in Berlin. Er wirbt für die Idee eines europäischen Finanzministers - mit eigenem Budget, eigenen Steuereinnahmen. Frisches Geld, auf das auch Frankreich zugreifen kann. Das will auch die SPD, erklärt Staatsminister Roth. O-Ton Michael Roth, SPD, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Emmanuel Macron hat uns die Hand zur Zusammenarbeit ausgestreckt und wir sollten sie nutzen. Es hilft nichts, jetzt am Wegesrand zu stehen und die Politik des französischen Präsidenten zu kommentieren. Es ist jetzt wichtig, dass wir anpacken. Wir stehen in der Pflicht, alles in unserem Möglichkeiten Stehende zu tun, dass Emmanuel Macrons Präsidentschaft eine erfolgreiche wird. Sonst obsiegen Nationalisten und Populisten und das kann niemals im Deutschen oder gesamteuropäischen Interesse sein. Anders Merkel, hatte sie den französischen Drachentöter noch wegen seines Sieges über Le Pen gefeiert, hört für ihren Finanzminister beim Geld die deutsch-französische Freundschaft auf.

3 O-Ton Wolfgang Schäuble, CDU, Bundesfinanzminister: Ich habe immer eine Neigung dafür, allerdings ich sage, ich brauche dafür eine Vertragsänderung und eine Vertragsänderung ist nicht realistisch. Also keinen EU-Finanzminister, keine europäische Steuer - erst recht nicht mit der CSU. O-Ton Markus Ferber, CSU-Europaabgeordneter : Wir müssen uns ja ganz nüchtern die Frage stellen, woher soll denn das Geld am Ende des Tages kommen? Und wer der Meinung ist, er würde die Menschen in Deutschland, in Frankreich oder sonst wo in Europa damit für Europa begeistern, indem er eine europäische Steuer einführen will, ich glaub, der täuscht sich gewaltig. Doch Macron fordert noch mehr. Er wirft dem deutschen Exportweltmeister vor, seine Nachbarn zu erdrücken. Er will mehr Ausgleich in Europa: Zitat: Deutschland profitiert von dem Ungleichgewicht in der Eurozone und erzielt sehr hohe Handelsüberschüsse. Die sind weder für seine eigene Wirtschaft gut noch für die Wirtschaft der Eurozone. Wir sind im Elsass, besuchen Anne Vetter, Chefin eines mittelständischen Unternehmens. Ihre LED-Lampen liefert sie in sieben europäische Länder. Die gelernte Ingenieurin unterstützt Macron, aber seine Kritik an den deutschen Handelsüberschüssen teilt sie nicht. O-Ton Anne Vetter-Tifrit, Firma Velum: Ich gehe von dem Grundsatz aus, dass man nie genug exportieren kann, und dass ganz allgemein Deutschland viel exportieren sollte und Frankreich auch. Es ist wichtig, dass die französische Industrie Fortschritte macht und ihre Produkte eine gute Qualität haben und exportiert werden können. Die Franzosen meint sie, müssten sich einfach mehr anstrengen. O-Ton Anne Vetter-Tifrit, Firma Velum: Heute wissen alle, dass gerade die jungen Franzosen ein echtes Problem mit Fremdsprachen und der Internationalisierung haben, und genau auf so eine Veränderung warten wir hier. Den Beschäftigten will Macron einiges zumuten. Die Macht der Gewerkschaften beschneiden, Entlassungen erleichtern, befristete Beschäftigung ausweiten - Schröders Agenda 2010 à la française. Das wiederum gefällt den deutschen Konservativen.

4 O-Ton Jens Spahn, CDU, Staatssekretär Bundesfinanzministerium, am : Schauen Sie, wie es bei uns vor zehn, zwölf Jahren war, mit fünf Millionen Arbeitslosen. Dann gab es mit der Agenda 2010, mit anderen Dingen, wichtige Impulse. Und ich finde, das ist einfach die Erfahrung, die wir anzubieten haben. Selbst der Chef der gemäßigten Gewerkschaft CFDT hält nicht viel von solchen Ratschlägen. O-Ton Laurent Berger, Generalsekretär CFDT: In Deutschland hat die Reform unter Schröder zum wirtschaftlichen Aufschwung beigetragen, sogar zu einer Stärkung des sozialen Dialoges in einigen Unternehmen. Aber sie hat Tausende von Beschäftigten links liegen gelassen, vor allem viele junge Leute. Wir akzeptieren keinen gespaltenen Arbeitsmarkt. Einerseits die, die sozial abgesichert sind und auf der anderen Seite die, die man ihrem Schicksal überlässt. Macron hat versprochen, die Menschen nicht ihrem Schicksal zu überlassen. Mit diesem Versprechen haben die beiden en Marche -Kandidaten Christel Kohler und Sylvain Waserman die etablierten Parteien besiegt. Wir sind in einem Straßburger quartier populaire, einem Viertel mit vielen Einwanderern und hoher Arbeitslosigkeit. O-Ton Sylvain Waserman, Kandidat La République en Wir kommen aus der Arbeitswelt, Madame. Wir sind nicht schon seit dreißig Jahren in der Politik. Und was soll Macron tun? O-Ton Wählerin: Er soll machen, was er versprochen hat, das wäre gut für Frankreich, gut für uns alle. O-Ton Sylvain Waserman, Kandidat La République en Ich glaube, der Präsident braucht jetzt eine Mehrheit im Parlament. Dafür werben wir. O-Ton Wählerin: Also, ich werde ihn am nächsten Sonntag unterstützen! Beide sind bei den Wahlen eine Runde weitergekommen. Sie hoffen für Frankreich und Macron auf Unterstützung aus Deutschland.

5 O-Ton Sylvain Waserman, Kandidat La République en Ich bin sicher, dass Frau Merkel - oder wer auch immer - künftig an der Spitze der deutschen Regierung stehen wird, die Bewegung von Macron, diese Reform, diesen Wandel anerkennen wird. Doch diese Hoffnung könnte enttäuscht werden. O-Ton Demesmay, Politikwissenschaftlerin, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik: In Deutschland kommt bald der Wahlkampf. Und jeder weiß, man gewinnt keinen Wahlkampf mit Europa, mit dem Thema Europa. Und man gewinnt noch weniger eine Wahl, wenn man sagt: Da muss man mehr Geld ausgeben für die EU oder für andere Länder. So muss der bejubelte Retter Europas alleine zurechtkommen - zumindest vorerst. Ohne deutsche Hilfe könnte er scheitern. Le Pen und alle Populisten warten nur darauf. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.