Vorlesung Portfoliomanagement
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- Ingelore Bösch
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1 Vorlesung Portfoliomanagement Priv.-Doz. Dr. Dr. Aurelio J. F. Vincenti Vertretungsprofessur BWL, Unternehmensfinanzierung Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Universität Kassel Wintersemester 2012/13 Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 1
2 Kapitalmarkttheoretische Einordnung des Portfoliomanagements I 4 Grundkonzepte der Kapitalmarkttheorie: Kapitalmarkttheorie für einen vollkommenen Markt unter Sicherheit Kapitalmarkttheorie für einen vollkommenen Markt unter Unsicherheit Kapitalmarkttheorie für einen unvollkommenen Markt unter Sicherheit Kapitalmarkttheorie für einen unvollkommenen Markt unter Unsicherheit Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 2
3 Kapitalmarkttheoretische Einordnung des Portfoliomanagements II 1. Vollkommenheit des Kapitalmarktes: Merkmale: Einheitlicher fester Marktzins i für Kapitalanlage und Kapitalaufnahme (Sollzins = Habenzins). Beliebige Verfügbarkeit von Kapital zum Zinssatz i (keine Anlage- und Kreditlimits bzw. Liquiditätsprobleme). Keine Steuern, Transaktionskosten, Informationsunterschiede der Akteure. Unvollkommene Märkte als Gegenteil. 2. Unsicherheit in Kapitalmarktmodellen: Zukunft wird als sicher und planbar vorausgesetzt. Zukunft ist unsicher in Form von (be)rechenbaren Risiken (Wahrscheinlichkeiten). Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 3
4 Kapitalmarkttheoretische Einordnung des Portfoliomanagements III Reale Finanz- und Kapitalmärkte: Teilweise erhebliche Marktunvollkommenheiten: Informationsdifferenzen der Marktteilnehmer. Liquiditätsprobleme und Kapitalrestriktionen. Transaktionskosten. Marktunsicherheit: Zukunft ist risikobehaftet (berechenbare Entwicklung mit Wahrscheinlichkeitsannahmen). Zukunft ist ungewiss (True Uncertainty in Form nicht berechenbarer und nicht vorhersehbarer Entwicklungen). Nutzbare portfoliotheoretische Modelle als Hilfsmittel des Portfoliomanagements können und müssen sich mit Marktunvollkommenheiten und Zukunftsrisiken befassen! Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 4
5 Ziele der Vermögensanlage I Wichtige Zielkriterien bei der Geld/Vermögensanlage: 1. Rendite / Rentabilität einer Vermögensanlage: Ergebnis: Periodenendkapital + ev. Zwischenzahlungszuflüsse. Maximierung des Vermögens bei gegebenem Einkommen (Entnahmen) oder eines Entnahmestromes (Periodenentnahmen) bei gegebenem Vermögen. Aspekt der Wiederanlage (Ausschüttung, Wertsteigerung). Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 5
6 Ziele der Vermögensanlage II Wichtige Zielkriterien (Fortsetzung): 2. Sicherheit / Unsicherheit der Anlage: Sicherheitsstreben als Grundsatzannahme Risiko als berechenbare Unsicherheitsform. Kursschwankungen. Konjunkturabhängigkeit und Währungsschwankungen. Bonität des Vertragspartners (Totalverlust). Nicht berechenbare Unsicherheitsform. 3. Liquidität der Anlage: Handelbarkeit (Kauf / Verkauf) der Vermögensanlage z.b. auf einem Sekundärmarkt (Börse). 4. ( Weitere persönliche Nutzenziele, z.b Unabhängigkeit.) Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 6
7 Formen der Vermögensanlage I Wichtige Anlageklassen (Assetklassen): Zusammenfassung von Assets zu Klassen anhand vergleichbarer Strukturen bei Rendite, Sicherheit, Liquidität: 1. Festverzinsliche Instrumente: (Anleihen bzw. Bonds und Geldmarktinstrument bzw. Cash): I.d.R. geringes Risiko / geringe Unsicherheit. Geringe Kursschwankungen. Allerdings Konjunkturabhängigkeit und ev. auch Währungsschwankungen. Allerdings Bonitätsrisiko (Teil- oder Totalverlust). Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 7
8 Formen der Vermögensanlage II Wichtige Anlageklassen (Fortsetzung): 2. Immobilien: I.d.R. höheres Risiko im Vergleich zu festverzinslichen Anlagen aufgrund von konjunktur- / zinsbedingten Preisschwankungen. Liquiditätsprobleme bei gewissen Immobilienanlagen. Direkte Anlage in Immobilien. Indirekte Anlage in Immobilien: Immobilienfonds. Immobilienaktien (Real Estate Investment Trusts REITs). Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 8
9 Formen der Vermögensanlage III Wichtige Anlageklassen (Fortsetzung): 3. Aktien (handelbare Unternehmensanteile): Nicht börsennotierte Aktien ( eingeschränkte Liquidität). Börsennotierte Aktien ( i.d.r. hohe Liquidität): Direkte Anlage in bestimmten Aktien. Indirekte Anlage in Aktienfonds. I.d.R. noch höheres Risiko aufgrund von Kursschwankungen an der Börse. Abhängigkeit von: Unternehmens- und Branchenentwicklung. Konjunktur- / zinsbedingte Kursschwankungen. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 9
10 Formen der Vermögensanlage IV Wichtige Anlageklassen (Fortsetzung): 4. Rohstoffe: Industrielle Verbraucher: Direkte Nutzung. Nichtindustrielle Anleger eher als Termingeschäft: I.d.R. sehr hohes Risiko aufgrund von starken Kursschwankungen an der Börse. Abhängigkeit von: Starke konjunkturbedingte Kursschwankungen. Spekulationsobjekt. 5. Handelbare Rechte (i.d.r. Termingeschäfte): Optionen, Futures, Forwards, Swaps, derivative Finanzinstrumente sehr hohes Risiko (da zeitlich befristete Rechte). Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 10
11 Wert/Preisverhältnis Einführung I Zusammenhang zwischen dem Wert und dem Preis einer Vermögensanlage: 1. Verschiedene Wertekonzepte: Subjektiver Wert: Individueller Nutzen/Wert für ein Wirtschaftssubjekt. Objektiver Wert: Intersubjektiver allgemeiner Wert einer Anlage für alle Wirtschaftssubjekte. 2. Verschiedene Begrifflichkeiten: Fundamentaler, intrinsischer, innerer, fairer Wert als objektive Wertekonzept. Marktwert als Bezeichnung für den Marktpreis / Kurs. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 11
12 Wert/Preisverhältnis Einführung II Das Verhältnis zwischen dem Preis und dem Wert eines Assets Preisbildungsprozess: Subjektive Wertschätzungen bilden die Grundlage. Erst in einem weiteren Schritt gehen dann aus den Werten auf dem Markt Preise hervor. Werte sind daher potentielle Preise. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Wert und Preis in ihrer Höhe übereinstimmen müssen. Preis sind immer (zeitpunktabhängig) objektiv fassbar für Werte hängt dies von der jeweiligen wirtschaftstheoretischen Sicht ab. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 12
13 Wert/Preisverhältnis Einführung III Verschiedene Wert-Preis-Relationen denkbar: 1. Im Rahmen eines subjektiven Wertekonzeptes: Ausnahmefall: Preis und subjektiver Wert eines Assets stimmen überein keine Handlungsnotwendigkeit. Normalfall: Preis und subjektiver Wert weichen voneinander ab: Subjektive Bewertung eines Assets höher als der aktuelle Marktpreis Kaufanreiz. (Subjektive Bewertung eines Assets niedriger als der aktuelle Marktpreis Verkaufanreiz auf einem funktionsfähigen normalen Markt erhält der Verkäufer jedoch den Marktpreis.) Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 13
14 Wert/Preisverhältnis Einführung IV Wert-Preis-Relationen (Fortsetzung): 2. Im Rahmen eines objektiven Wertekonzeptes: Normalfall: Preis und objektiver Wert eines Assets stimmen überein keine Handlungsnotwendigkeit: Auf einem effizienten Markt. In einem Marktgleichgewicht: Preis = Wert. Ausnahmefall: Preis und objektiver Wert weichen voneinander ab: Aktueller Marktpreis höher als der fundamentale Assetwert vorübergehende Marktstörung, z.b Spekulationsblase. Aktueller Marktpreis niedriger als der fundamentale Assetwert vorübergehende Marktstörung, z.b. Liquiditätsprobleme. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 14
15 Ergebnis der Vorüberlegungen 1. Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Anlageformen aus denen bei der Bildung eines Portfolios ausgewählt werden kann. 2. Die verschiedenen Ziele einer Vermögensanlage stehen dabei zueinander im Widerspruch: Eine per se ideale Kapitalanlage mit hoher Rendite bei zugleich möglichst hoher Sicherheit und zugleich möglichst großer Liquidität findet sich nicht! 3. Aufgabe des Portfoliomanagements ist es daher nicht, ein ganz bestimmtes Einzelasset zu suchen. 4. Entsprechend dem Zielsystem der jeweiligen Anleger soll vielmehr ein diversifizierter Anlage-Mix d.h. ein Portfolio aus verschiedenen Assetklassen, gefunden werden. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 15
16 Portfolio-Begriff I Definition: Ein Portfolio (Portefeuille) ist die Zusammenfassung aller Vermögensbestandteile (Assets) eines Wirtschaftssubjektes mit dem Zweck der Beschreibung und Überprüfung dieses Portfolios in Hinblick auf seine finanzwirtschaftlichen Eigenschaften. Dies betrifft vor allem die Aspekte Rendite, Sicherheit, Liquidität, bezüglich derer das Portfolio als ganzes den Präferenzen des Wirtschaftssubjektes entspricht. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 16
17 Portfolio-Begriff II Ergänzungen: 1. Die einzelnen Assets in einem Portfolio unterscheiden sich untereinander sowie vom (Gesamt-)Portfolio bezüglich ihrer Rendite, Sicherheit, Liquidität. 2. Maßgeblich in Hinblick auf die finanzwirtschaftlichen Eigenschaften ist stets das komplette Portfolio im Sinn einer Simultan- und Gesamtbetrachtung aller Vermögensbestandteile. 3. Eine Veränderung (Investition) bei einem einzelnen Assets ist daher nicht isoliert, sondern immer in Hinblick auf die Veränderung des Gesamtportfolios zu beurteilen. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 17
18 Portfolio-Begriff III Ergänzungen (Fortsetzung): 4. Aufgabe des Portfoliomanagements ist es folglich, die Zusammenstellung bzw. den Mix der verschiedenen Vermögensanlagen (Assetallokation) im Portfolio eines Wirtschaftssubjektes entsprechend den o.g. Grundsätzen zu gestalten. 5. Hilfestellung (vor allem bei der Rendite-Risiko- Gestaltung) leistet dabei die Portfoliotheorie als Teil der Kapitalmarkttheorie. Wichtige Grundprinzipien sind: Prinzipielle Risikoaversion der Wirtschaftssubjekte. Diversifikation der Vermögensanlage. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 18
19 Assetallokation I Assetallokation sowohl als Prozess als auch als Ergebnis der Portfoliobildung. Top: Assetallokation auf Ebene der Assetklassen. Bottom: Assetallokation auf Ebene der einzelnen Assets. Zwei grundsätzliche Methoden bei der Asset-Auswahl: 1. Top-Down: Zusammenstellung des Portfolios zunächst auf der Top-Ebene, anschließend Auswahl der Einzelanlagen (professionelle Vermögensverwaltung). 2. Bottom-Up: Ausgangspunkt ist die Selektion einzelner Assets (z.b. Empfehlungen von Anlegern bevorzugt). Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 19
20 Assetallokation II Beispiel einer vereinfachten Assetallokation mit (nur) 3 (2) Assetklassen: 1. Cash bzw. Liquidität (Geldmarktinstrumente). 2. Aktien (an der Börse gehandelt). 3. Bonds (Festverzinsliche Anleihen). Assetselektion (Top-Down) nach folgenden Prinzipien: 1. Cashquote wird bestimmt durch Flexibilitätsbedarf (geplanter und ungeplanter Bedarf an Geld). 2. Aktienquote wird bestimmt durch objektive Unsicherheitstragfähigkeit und subjektive Unsicherheitspräferenz des Anlegers. 3. Rest des Vermögens in Bonds. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 20
21 Assetallokation III Unterscheidung Unsicherheits- bzw. Risikotragfähigkeit (1) vs. Unsicherheits- bzw. Risikopräferenz (2). Zu (1): Die Tragfähigkeit beschreibt die finanzielle Situation des Wirtschaftssubjektes (Privatperson, aber auch institutioneller Anleger) und ist insofern objektiv. Sie hängt ab von: Finanzielle Einkünfte und vorhandenes Vermögen. Finanzielle Verpflichtungen und Schulden. Finanzplanung für die Zukunft. Zu (2): Die Präferenz beschreibt die jeweilige Einstellung des Wirtschaftssubjektes zur Unsicherheit und zum (Verlust-)Risiko und ist insofern stets subjektiv. Das Ausmaß der internen Risikotoleranz ist persönlichkeitsabhängig. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 21
22 Assetallokation IV Weitere Unterteilung in zusätzliche Unterklassen möglich (Fortsetzung des Beispiels mit 3 (2) Assetklassen): Generelle Unterscheidung zwischen Inlandsanlage vs. Auslandsanlage (Währungsschwankungen). Bei Bonds: Differenzierung nach Laufzeiten: Kurz vs. mittel vs. lang vs. sehr lang. (Je länger die Laufzeit, desto größere Zinsempfindlichkeit.) Nominalausschüttung (Zero Coupon Bond). Bonität des Emittenten: Staatsanleihe vs. Unternehmensanleihe. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 22
23 Assetallokation V Weitere Unterteilung (Fortsetzung) (Beispiel mit 3 (2) Assetklassen): Bei Aktien (an der Börse gehandelt): Differenzierung nach Branchen (ev. Währungsräumen). Differenzierung nach Growth vs. Value Stock. a) Growth Stock: Niedrigere Dividende Stärkeres Wachstum Niedrigeres Book-to-Market Ratio. b) Value Stock: Höhere Dividende Geringeres Wachstum Höheres Book-to-Market Ratio. Book-to-Market Ratio: des Unternehmens: I.d.R. < 1. mit Buchwert: Bilanzielles Eigenkapital. mit Marktwert (Marktkapitalisierung): Börsenpreis x Aktienzahl. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 23
24 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Anlagestil I Nach der anfänglichen Assetallokation und den ersten Transaktionen fallen im Zeitablauf (ständig) weitere Anlageentscheidungen an: Dieser Sachverhalt betont den Aspekt der Prozesshaftigkeit im Portfoliomanagement! Unterscheidung verschiedener Anlagestile: Begriff: Der Anlagestil beschreibt das Verfahren, durch das ein vorhandenes Portfolio im Zeitverlauf und/oder aufgrund neuer Informationen den sich ändernden Gegebenheiten angepasst wird. Im Ergebnis kommt es dadurch zu einer veränderten Assetallokation. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 24
25 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Anlagestil II Strategische vs. taktische Assetallokation Strategische Assetallokation: Längerfristige Strukturierung des Portfolios aufgrund längerfristiger d.h. fundamentaler Charakteristika der ausgewählten Asset(sklassen). Keine Anpassung an kurzfristige Entwicklungen des Kapitalmarktes. Geringe Änderungen des Portfolios im Zeitverlauf. Taktische Assetallokation: Anpassung des Portfolios an kurzfristige Entwicklungen wie z.b. neue Informationen, Trends, Marktstimmung. Häufige Änderungen des Portfolios im Zeitverlauf. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 25
26 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Anlagestil III 1. Buy-and-Hold als passiver Anlagestil: Anwendung einer strategischen Assetallokation, d.h. keine kurzfristigen Käufe und Verkäufe von Assets. Beispiele sind naive (oder ad-hoc) Diversifikation (Diversifikation anhand von Daumenregeln der Praxis) oder Marktkapitalisierungs-Methode (z.b. Anteile der Assets im Portfolio entsprechend einem Index). Vorteile von Buy-and-Hold: Geringe (Transaktions)kosten: Informationsbeschaffungsund Durchführungskosten. Alles in allem gute Resultate derartiger Portfolios (gerade auch im Vergleich mit anderen Anlagestilen). Auch bei passivem Anlagestil werden die Portfolios im Zeitverlauf angepasst Re-Balancing. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 26
27 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Anlagestil IV 1. Buy-and-Hold (Fortsetzung): Buy-and-Hold bezieht sich auf das Management von Assets nach der erstmaligen Assetallokation. Empirisches zum Erfolg dieser Strategie: Es gibt immer (einige) Portfolios mit einem aktiven Management, die bessere Ergebnisse als der Markt bzw. passiv geführte Portfolios zeigen. Aber: Im Durchschnitt sind die Ergebnisse aktiv geführter Portfolios schlechter als ein Index / passiver Anlagestil. (Kleinere) Privatanleger haben im Gegensatz zu professionellen Akteuren i.d.r. stets einen Informations- und Kostennachteil. Gerade auf nicht informationseffizienten Märkten können aktive Anlagestile daher für solche Privatinvestoren problematisch sein. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 27
28 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Anlagestil V 2. Timing als aktiver Anlagestil: Der Zeitpunkt des Kaufs bzw. Verkaufs von Assets bzw. Assetklassen wird festgelegt: verschiedene Assets bzw. Assetklassen werden anhand einer Kennzahl miteinander verglichen. Sobald ein gewisser Wert dieser Kennzahl über- bzw. unterschritten wird, führt dies zu Kaufs- und Verkaufshandlungen, zum Wechsel von Assets bzw. Assetklassen. Beispiel: Fed-Modell (Auswahl zwischen Aktien und Bonds): Wechsel von Aktien zu Bonds. Wechsel von Bonds zu Aktien. (Mit dem KGV als dem Kursgewinnverhältnis eines Aktienindexes und dem Zins z.b. 10-jähriger Staatsanleihen.) Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 28
29 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Anlagestil VI 3. (Stock-)Picking als aktiver Anlagestil: Selektion einzelner Assets (i.d.r. Aktien) oder ganzer Assetklassen nach gewissen Kriterien: Entweder im Portfolio stärker gewichtet (Bezugspunkt strategische Allokation) oder ausschließlich gekauft. Nicht selektierte Assets untergewichtet oder nicht im Portfolio vertreten. Mögliche Kriterien für das Stock-Picking: Branchen Länder Growth vs. Value. Einzelne Kennzahlen wie etwa das KGV (Price-Earnings-Ratio): ö. ä öß Komplexe Modelle mit verschiedenen Kriterien. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 29
30 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Anlagestil VII 4. Zyklisches Investment als aktiver Anlagestil: Prozyklisches Investment: Selektion von Assets (i.d.r. Aktien) gemäß der Kursentwicklung der jüngeren Vergangenheit: Entscheidungen z.b. anhand von Durchschnittslinien der Kursverläufe (Marktentwicklung): Sinkende Kurse Verkaufen Steigende Kurse Kaufen. Prozyklisches Investment als Art von Portfolio-Versicherung. Probleme: Zeitverzögerung, Erkennen der Marktentwicklung. Ergebnisse dieses Anlagestils: Zugleich Chancen- und Schutzfunktion auf Kosten einer niedrigeren Rendite. Momentum-Strategie (ähnlich): Nutzung von Trends und des ihnen innewohnenden Schwungs. Antizyklisches Investment (konträr): Sinkende Kurse Kaufen Steigende Kurse Verkaufen. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 30
31 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Anlagestil VIII 5. Long-Short-Investment als aktiver Anlagestil: Grundstil von Hedge-Fonds (Funds): Gleichzeitiges Eingehen von Long- und Short-Positionen auf Wertpapiermärkten. Long-Position: Erwartung steigender Kurse Kauf eines Wertpapieres. Short-Position: Erwartung fallender Kurse Verkauf eines Wertpapieres. Ein Aktienkauf auf Kredit (Leverage-Effekt) ist eine Long-Short- Position (Long bei der Aktie, Short auf dem Geldmarkt). Short-Positionen in Wertpapieren durch: Gedeckter Leerverkauf (Regel): Verkauf eines geliehenen Wertpapiers (gegen Leihgebühren und Sicherheiten) später Deckungskauf. Ungedeckter Leerverkauf (i.d.r. verboten): Verkauf ohne Besitz. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 31
32 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Anlagestil Überblick Strategische Assetallokation (passive Anlagestile) Taktische Assetallokation (aktive Anlagestile) Timing Buy-and-Hold naive Diversifikation Marktkapitalisierungs- Methode (Stock-)Picking Zyklisches Investment Antizyklisches Investment Momentum-Strategie Prozyklisches Investment Long-Short-Investment Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 32
33 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Technische Analyse Markttechnik bzw. technische Aktienanalyse: Bekanntes Hilfsmittel im Rahmen eines aktiven Anlagestils, vor allem im Rahmen zyklischer Anlagestrategien. Grundidee: Marktteilnehmer reagieren auf Veränderungen ihrer Informationen zumeist in ähnlichen (kollektiv vorhandenen) Verhaltensmustern. Dies führt zu psychologisch begründbaren Kollektiv-Phänomenen des Verhaltens wie Herdentrieb, Marktstimmungen (z.b. Hot oder Cold Markets). Aggregiert betrachtet lässt sich dieses Kollektiv-Verhalten der Marktteilnehmer anhand von Kursmustern an den Börsen erkennen und in gewisser Weise vorhersagen: Prognose von Trends! Markttechnik differenziert nicht zwischen rationalen und irrationalen Marktteilnehmern! Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 33
34 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Fundamentalanalyse I Fundamentalanalyse im Rahmen von Value Investing (nach Benjamin Graham): Bekanntes Hilfsmittel im Rahmen eines aktiven Anlagestils, vor allem bei einer Stock-Picking-Strategie. Grundidee: Mittels einer Unternehmensbewertung wird zunächst ein fundamental gerechtfertigter Wert für ein börsennotiertes Unternehmen ermittelt. Diese Größe wird mit dem aktuellen Börsenkurs als Marktwert verglichen. Wenn der fundamentale Wert höher als der Marktwert ist, bedeutet dies eine Kaufempfehlung! Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 34
35 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Fundamentalanalyse II Fundamentalanalyse (Fortsetzung): Unternehmenswert: Theoretisch einfach bestimmbar: Aus moderner finanzierungstheoretischer Sicht entspricht der Wert eines Unternehmens allen zukünftigen Zahlungszuflüssen aus dem Unternehmen an den Eigner, abgezinst auf die Gegenwart: Damit ist der Unternehmenswert der Kapitalwert eines zukünftigen Zahlungsstroms auf einem unvollkommenen Markt unter Unsicherheit. Es handelt sich dabei um eine Prognose für mehrere unsichere Größen: Unsichere, zukünftige (!) Cash Flows. Unsicherer Diskontierungszins. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 35
36 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Fundamentalanalyse III Fundamentalanalyse (Fortsetzung): Unternehmenswert: Grundformel (entspricht der Kapitalwertformel): Mit: UW CF t i t n. bzw. = Unternehmenswert. = Zahlungsstrom (Cash Flow) aus dem Unternehmen an den Eigentümer in der Periode t. = Kalkulationszins. = Periodenindex = Planungszeitraum. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 36
37 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Fundamentalanalyse IV Fundamentalanalyse (Fortsetzung): Die Vorgehensweise (damit auch das Problem) bei der Unternehmensbewertung besteht aus folgenden Schritten: 1. Festlegung eines geeigneten Planungshorizontes. 2. Schätzung der (unsicheren) Cash Flows für jede Periode. 3. Bestimmung des relevanten (unsicheren) Kalkulationszinses (der periodenspezifisch unterschiedlich sein kann). Zwei Folgerungen: Jede Unternehmensbewertung (und deshalb auch jede Fundamentalanalyse von Aktien) stößt besonders bei der Prognose der Zahlungsströme, aber auch bei der Festlegung eines geeigneten Kalkulationszinses auf Schwierigkeiten! Gerade die Cash-Flow-Bestimmung hängt stark von den verfügbaren Informationen des jeweiligen Bewerters ab! Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 37
38 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Fundamentalanalyse V Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 38
39 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Fundamentalanalyse VI Fundamentalanalyse (Fortsetzung): Festlegung des Diskontierungszinses: Hier unterscheiden sich die verschiedenen (wissenschaftlich fundierten) Methoden der Unternehmensbewertung: Kapitalmarkttheoretische Unternehmensbewertung: Nutzung eines ( objektiven ) Marktzinses i (aus einer finanzierungstheoretischen Gleichgewichtsbetrachtung abgeleitet): Gesamte Zukunftsunsicherheit durch einen marktgemäßen Risikozuschlag in i berücksichtigt. Investitionstheoretische Unternehmensbewertung: Nutzung eines individuellen, subjektiven Zinses i: Unvollkommener Kapitalmarkt ohne Fisher-Separation (Dilemma der Lenkpreistheorie) erfordert eigentlich Totalmodell. Zukunftsunsicherheit häufig als subjektiver Risikozuschlag in i. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 39
40 Kapitel 02 Portfoliomanagement: Fundamentalanalyse VII Fundamentalanalyse (Fortsetzung): In der Literatur wird der im Rahmen einer individuellen Fundamentalanalyse bestimmte fundamentale Unternehmenswert, der vom aktuellen Marktwert abweicht, oft als der eigentliche wahre und damit als objektiver Unternehmenswert bezeichnet, denn er beruhe ja auf objektiven Fundamentalgrößen des Unternehmens. Aufgrund der bisherigen Ausführungen gilt jedoch: 1. Ein durch eine investitionstheoretische Bewertung ermittelter Unternehmenswert ist definitionsgemäß stets subjektiv. 2. Ein durch eine kapitalmarkttheoretische Bewertung ermittelter Unternehmenswert beruht implizit auf der Annahme eines Marktgleichgewichts. Das Value Investing begründet sich jedoch aus der Annahme eines aktuell fehlenden Gleichgewichts. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 40
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