Was kommt nach der Pflege?
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- Karin Berg
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1 Was kommt nach der Pflege? Dr. Wolfgang Keck Deutsche Rentenversicherung Bund Bereich: Statistische Analysen Tagung: Soziale Lage und soziale Absicherung von nicht erwerbsmäßig Pflegenden Berlin, 27. Februar
2 Berufliche Entwicklungschancen? Überhaupt nicht, man ist voll ausgebrannt, und das ist natürlich gerade für Frauen mit Mitte 40 extrem frustrierend, denn in 5 Jahren nimmt mich auch keiner mehr. Dann ist man als Frau draußen, als Mann vielleicht anders. Und es ist extrem. Es nagt an den Nerven. (Auszug aus einem Interview mit einer Pflegeperson) 2
3 Fragestellungen Wie sind die Beschäftigungschancen von vormaligen Pflegepersonen nach der Pflege? Welche Faktoren erhöhen die Risiken eines Ausstiegs aus der Beschäftigung? Haben vormalige Pflegepersonen ein erhöhtes Erwerbsminderungsrisiko? Welche Faktoren erhöhen das Risiko einer Erwerbsminderung? 3
4 Forschungsstand Erhöhtes Risiko beruflicher Einschnitte während der Pflege bei Pflegenden mit hohem Pflegeaufwand (Keck 2012). Britischen und amerikanischen Studien zufolge sind die beruflichen Einschnitte häufig nur vorübergehend. Wenn ein stabiles Pflegearrangement aufgebaut oder die Pflege beendet ist, dann kehren Pflegende zu ihrer Arbeitszeit vor der Pflege zurück (Arber und Ginn 1995, Henz 2004). Pflege (und Berufstätigkeit) führt zu teils chronischen physischen und psychischen Belastungen (Techniker Krankenkasse und F.A.Z. Institut 2009, Müller et al. 2009). Es gibt kaum Studien, die die Zeit nach der Pflege in Augenschein nehmen. Der Zusammenhang zwischen Pflege und Erwerbsminderung ist kaum untersucht. 4
5 Daten Versichertenkontenstichprobe (VSKT) 2012 der Deutschen Rentenversicherung. Beschränkung auf Pflegepersonen (SGB XI), die zum Pflegebeginn mindestens 35 Jahre und am Ende der Pflege höchsten 59 Jahre alt waren. Mindestens 6 aufeinanderfolgende Monate mit Versicherung als Pflegeperson. Es müssen mindestens 12 Monate nach Beendigung der Pflege noch im Beobachtungszeitfenster liegen. Bei mehreren Pflegeepisoden im Lebenslauf wird das zuerst aufgetretene Pflegeereignis zur Analyse herangezogen. Insgesamt wurden Pflegepersonen in die Auswertung einbezogen. 5
6 Ergebnisse deskriptiv Versicherungsverlauf, alle Pflegepersonen (N=4.467) 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 4,8% 5,1% 0,7% 1,0% 7,1% 7,7% 1,3% 2,9% 1,6% 2,8% 8,1% 8,9% 16,7% 15,8% 26,2% 26,1% Sonstige Erwerbsgemindert nach der Pflege Inaktiv, arbeitslos nach der Pflege Übergang in geringf. Beschäftigung Unterbrechung der Beschäftigung Einstieg in den Beruf Wiederholt beschäftigt 20% 10% 32,2% 30,8% Ohne "normale" Beschäftigung Kein Arbeitsmarktbezug 0% 6 Monate nach Pflegeende 12 Monate nach Pflegeende 6
7 Ergebnisse deskriptiv Versicherungsverlauf, nur zuvor beschäftige Pflegepersonen (ohne geringfügige Beschäftigung) N= % 90% 80% 3,4% 3,1% 0,6% 0,8% 24,4% 26,5% Sonstige 70% 60% 50% 4,5% 9,8% 5,5% 9,8% Erwerbsgemindert nach der Pflege Inaktiv, arbeitslos nach der Pflege 40% Übergang in geringf. Beschäftigung 30% 20% 57,3% 54,4% Unterbrechung der Beschäftigung 10% Wiederholt beschäftigt 0% 6 Monate nach Pflegeende 12 Monate nach Pflegeende 7
8 Methode: Schätzung des Kausaleffekts Bildung einer Kontrollgruppe mit ähnlichen Fällen (Coarsened Exact Matching) Gleiches Geschlecht Ähnliches Geburtsjahr ± 2 Jahre Gleiche Kinderzahl (0,1,2,3+) Gleiche Versicherungsstatus 6 Monate vor dem Pflegezeitpunkt Angleichung über Staatsangehörigkeit (deutsch / ausländisch) Ähnlicher Beschäftigungsverlauf vor dem Pflegezeitpunkt(80 120% der Beschäftigungsmonate) Ähnliche Arbeitslosigkeitsphasen vor dem Pflegezeitpunkt(50 150% der Monate mit Arbeitslosigkeit) Ähnliche durchschnittliche Entgeltpunkte vor dem Pflegezeitpunkt (80 120% der durchschnittlichen Entgeltpunkte) Ergebnis: Pflegepersonen mit Vergleichsfällen (Common Support) 675 (15,1 %) Pflegepersonen ohne Vergleichsfälle Auswertung über eine Difference in Difference Estimation 8
9 Beschäftigungschancen Differenz der Erwerbsquote nach der Pflege zwischen Pflegepersonen zur Vergleichsgruppe 0,0-2,0-5,8-7,9 (-9,5) -5,2-9,5 (-9,2) -4,0-6,0-8,0-10,0-12,0-14,0-16,0 Effekt unteres Konfidenzintv. (0,05) -18,0-20,0 9 Zuvor nicht beschäftigte Personen Zuvor Beschäftigte Nicht gematchte Fälle Zuvor nicht beschäftigte Personen Zuvor Beschäftigte Nicht gematchte Fälle Effektstärke (in Prozentpunkten) oberes Konfidenzintv. (0,05) Nach 6 Monaten Nach 12 Monaten
10 Von welchen Faktoren ist die Beschäftigung abhängig? Hypothesen: 1) Frauen sind eher bereit, aufgrund von Familienaufgaben (Pflege) aus dem Beruf auszuscheiden, weil sie in der Regel ihre Biografie weniger stark an Beruf und Karriere orientieren. Die Beschäftigungschancen von Frauen sinken stärker als die der Männer. 2) Je älter eine Pflegeperson ist, desto schwerer ist es für sie auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen, wenn sie wegen der Pflege den Beruf aufgeben musste. Deshalb sollten die Beschäftigungschancen mit zunehmenden Alter sinken. 3) Je länger die Pflegephase andauert, desto länger besteht entweder die Doppelbelastung, sodass ein Ausscheiden aus dem Beruf wahrscheinlicher wird oder wenn der Beruf bereits frühzeitig aufgegeben wurde, desto länger ist die Phase ohne Berufserfahrung, die einen Berufseinstieg erschwert. Die Beschäftigungschancen sinken mit der Pflegedauer vor allem bei vormals Beschäftigten. 4) Hohe durchschnittliche Entgeltpunkte pro Beschäftigungsjahr zeigen ein höheres individuelles Einkommen an und sind ein Indiz für die berufliche Stellung. Je höher die durchschnittlichen Entgeltpunkte pro Beschäftigungsjahr vor Pflegebeginn, desto eher ist zu erwarten, dass Pflegepersonen in ihrem Beruf verbleiben. 5) Lange Beschäftigungsphasen vor Pflegebeginn deuten auf eine feste und kontinuierliche Einbindung im Erwerbsleben hin. Ein hoher Beschäftigungsanteil sollte dazu führen, dass Personen während und nach der Pflege beschäftigt bleiben. 10
11 Beschäftigung ist abhängig von Referenz: Person ist 6 Monate nach der Pflege beschäftigt. Pflegedauer / vorher Beschäftigt Alter Geschlecht Ist Frau 1 Jahr älter 1 Jahr länger 0,94 0,89 1,17 Entgeltpunkte 0,1 EGPT pro Beschäftigungsjahr mehr 1.00 Beschäftigungsanteil 10 Prozentpunkte höher 1,12 Unteres Konfidenzintervall (0,05) Oberes Konfidenzintervall (0,05) Odds Ratio: 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6 1,8 2 2,2 2,4 2,6 2,8 3 11
12 Erwerbsminderungsrisiken Differenz der Erwerbsminderungsquote von Pflegepersonen zur Vergleichsgruppe Beschränkt auf Personen mit 36 Monaten Pflichtbeitragszeit in den letzten 5 Jahren 1,5 1,0 (1,2) (1,0) 0,5 0,0-0,5-1,0-1,5-2,0-2,5-0,9 0,4-1,2 1,2 Zuvor nicht beschäftigte Personen Zuvor Beschäftigte Nicht gematchte Fälle Zuvor nicht beschäftigte Personen Zuvor Beschäftigte Nicht gematchte Fälle Effektstärke (in Prozentpunkten) Effekt unteres Konfidenzintv (0,05) oberes Konfidenzintv. (0,05) Nach 6 Monaten Nach 12 Monaten 12
13 Erwerbsminderungsrisiken Hypothesen: 1) Eine lange Pflegedauer steht für lang anhaltende Belastungen. Mit steigender Pflegedauer sollte deshalb das Erwerbsminderungsrisiko steigen. 2) Arbeitslosigkeit während der Pflege stellt einen zusätzlichen belastenden Faktor dar. Je mehr Zeit der Pflegephase anteilig auch mit Zeiten der Arbeitslosigkeit belegt sind, desto höher sollte das Erwerbsminderungsrisiko sein. Kontrollvariablen Alter Geschlecht Versicherungszeiten aufgrund von Krankheit vor der Pflege Kinderzahl Anteil an Arbeitslosigkeitszeiten vor der Pflege 13
14 Erwerbsminderungsrisiken Referenz: Person ist 6 Monate nach der Pflege erwerbsgemindert. Arbeitslos während der Pflege Pflegedauer 1 Jahr länger 1 Prozentpunkt höher 0,89 0,99 Ausgewählte Kontrollvariablen Anteil Krankheit vor der Pflege Alter 1 Jahr älter 1 Prozentpunkt höher 1, Unteres Konfidenzintervall (0,05) Oberes Konfidenzintervall (0,05) Odds Ratio: 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6 1,8 2 2,2 2,4 2,6 2,8 3 14
15 Fazit Pflegepersonen haben eine höheres Risiko, nach der Pflege nicht (mehr) beschäftigt zu sein. Damit ist auch die angemessene Einkommenssicherung im Alter gefährdet. Je älter die Person und je länger die Pflegephase andauert, desto höher das Risiko aus dem Beruf auszuscheiden. Verbleib im Beruf durch Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege sichern. Wiedereinstieg in den Beruf fördern. Besonderes Augenmerk gilt Personen ab dem Alter von 45 Jahren. Das Erwerbsminderungsrisiko ist für Pflegepersonen nicht erhöht. Allerdings liegen keine direkten Angaben zur gesundheitlichen Belastung durch die Pflege (und weitere zusätzliche Aufgaben) vor. 15
16 Vielen Dank Kontaktdaten: Dr. Wolfgang Keck Bereich: Statistische Analysen (0760) Deutsche Rentenversicherung Bund Berlin Tel:
17 Literatur Arber, S. und J. Ginn (1995): Gender differences in relationship between paid employment and informal care. In: Work, Employment & Society, 9(3), S Henz, U. (2004): The effects of informal care on paid-work participation in Great Britain: A life-course perspective. In: Ageing & Society, 24(6), S Keck, W. (2012): Vereinbarkeit von häuslicher Pflege und Beruf. Verlag Hans- Huber, Bern. Müller, I. et al. (2009): Auswirkungen der häuslichen Betreuung demenzkranker Menschen auf ihre pflegenden Angehörigen. In: Psychiatrie und Psychotherapie, 5(4), S Techniker Krankenkasse und F.A.Z. Institut (2009): Kundenkompass Stress. F.A.Z. Institut für Management-, Markt und Medieninformationen GmbH, Frankfurt a.m. 17
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