Im Boot übers Mittelmeer- Schicksale und Rechtslage von Flüchtlingen in Hamburg. Rechtsanwältin Insa Graefe
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- Kerstin Rosenberg
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1 Im Boot übers Mittelmeer- Schicksale und Rechtslage von Flüchtlingen in Hamburg Rechtsanwältin Insa Graefe
2 Was Sie erwartet 1. Wer kommt und wie? 2. Wer kann bleiben? 3. Informationen zum Asylverfahren sehr viele Informationen!
3 Wer kommt? Asylantragszahlen seit 1953 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Aktuelle Zahlen zu Asyl, Stand 09/15
4 Wer kommt? Hauptherkunftsländer Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Aktuelle Zahlen zu Asyl, Stand 09/2015
5 Wer kommt? Der Großteil der Flüchtlinge verbleibt in der Herkunftsregion. Beispiel Syrien: Von syrische Asylsuchende in der EU In den Nachbarstaaten 2,9 Millionen Flüchtlinge In Syrien selbst 6,5 Millionen Binnenvertriebene Im Libanon 1 Millionen, in der Türkei ebenfalls (nach eigenen Angaben), Jordanien , Irak
6 Wer kommt nach Hamburg? Jahr Schutzsuchende (vor Verteilung) davon Verbleib in Hamburg darunter mit Unterbringungsbedarf 2015 Jan-Sep Quelle: Pressemitteilungen der FHH vom und
7 Aktuelle Probleme in Hamburg - Die Menschen kommen nicht aus den Erstaufnahmeeinrichtungen heraus, da eine Folgeunterbringung nicht gewährleistet ist. - Lange Wartezeiten zwischen Registrierung und Antragstellung - Lange Wartezeiten für Krankenversorgung - Zu wenig oder keine Sozialarbeiter in den Unterkünften - Kein System zur Übernahme von Dolmetscherkosten etc. fluchtpunkt Hamburg 7
8 Flucht braucht Wege! Bis Sommer 2012 war der Hauptfluchtweg nach Europa für Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Eritrea u.a.: über die Türkei nach Griechenland. Die Landgrenze wurde systematisch abgeriegelt Flüchtlinge müssen daraufhin den gefährlichen Seeweg über die Ägäis wagen (Östliche Mittelmeerroute, 2014: ) Quellen: Flucht braucht Wege!, Pro Asyl, September 2014 Europas offene Flanke, Die Wege der Flüchtlinge nach Europa SZ vom
9 Flucht über das Mittelmeer Eine der Hauptrouten ist seitdem über das Mittelmeer nach Malta und Italien In 2014 sind bei Unglücken mit Flüchtlingsbooten im Mittelmeer mehr als 3500 Menschen gestorben (SZ, ), 2015 bereits bis August 2000 Tote (Tagesschau, ) 2014 sind mehr als Menschen über das Mittelmeer nach Europa gekommen - mehr als doppelt so viele wie In der ersten Jahreshälfte 2015 schon mehr als
10 Flucht über die Balkanroute
11 Balkanroute aktuell Über Mazedonien und Serbien gelangen die Flüchtlinge zu den Außengrenzen der Europäischen Union (EU). Nachdem Ungarn seine Grenze zu Serbien geschlossen hatte, brachte Serbien zahlreiche Flüchtlinge nach Kroatien. Kroatien beklagte sich über die enorme Belastung und brachte die Flüchtlinge weiter nach Ungarn. Nun schloss Budapest auch diese Grenze, die Flüchtlinge ziehen über Slowenien Richtung Norden. Damit ist das kleine Land zum neuen Brennpunkt in der Flüchtlingskrise geworden.
12 Debattenfrage Soll die EU Kriegsflüchtlingen die Einreise nach Europa erleichtern?
13 Wer kann bleiben? Einstiegsfall Ein junger Mann aus Somalia beantragt in Deutschland Asyl. Er berichtet, dass er zunächst in Italien war. Papiere hat er keine. In der Beratung erzählt er, dass er viel Schlimmes erlebt hat und schlecht schlafe.
14 Problemsammlung Zuständigkeit für das Asylverfahren in Deutschland? Behandlungsbedarf? Dolmetscher? Rechtliche Vertretung? Umverteilung in Deutschland? Asylgründe? Nachweisbarkeit?
15 Wer sitzt vor mir? Häufig Menschen mit traumatischen Erlebnissen im Herkunftsland, auf der Flucht, in der EU, die sich in einem völlig neuen kulturellen und sprachlichen Kontext zurecht finden müssen und sich in einem für die undurchschaubaren Verfahren befinden.
16 Wer kann bleiben? Zwei Prüfungen Wird das Verfahren überhaupt in Deutschland durchgeführt? Hat der Antragsteller eine Chance, als Flüchtling anerkannt zu werden und einen Aufenthaltstitel zu bekommen?
17 Durchführung des Verfahrens in Deutschland: Zuständigkeit (Dublin III) Prinzipien: No refugees in orbit ein Mitgliedsstaat ist zuständig One chance only ein Asylantrag wird nur in einem Mitgliedstaat geprüft Der Flüchtling hat kein subjektives Recht darauf, welcher Staat die Zuständigkeit übernimmt.
18 Zuständigkeit (Dublin III) Staat, in dem sich ein Familienmitglied mit internationalem Schutz befindet Staat, in dem ein Familienmitglied ein Asylverfahren betreibt Staat, der einen Aufenthaltstitel oder ein Visum erteilt hat Staat, in den er nachweislich illegal eingereist ist (i.d.r. Staat des ersten Fingerabdrucks)
19 Zuständigkeit (Dublin III) Wann muss eine Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat unterbleiben? systemische Mängel (Griechenland, manche Gerichte sagen auch: Italien, Ungarn, Bulgarien) Fristablauf: Überstellungsfrist 6 Monate ab Zustimmung des MS, bei Untertauchen 18 Monate
20 Übernahmeersuchen an andere Mitgliedstaaten Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Aktuelle Zahlen zu Asyl, Stand 09/15
21 Auf der Basis welcher gesetzlichen Grundlage können Flüchtlinge bleiben? Nur aus den gesetzlich normierten Gründe kann ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Unterschied zwischen Wirklichkeit und Gesetz Wer die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt, hat grundsätzlich auch kein Recht, zu bleiben.
22 Wer kann bleiben? ART. 16 a GRUNDGESETZ : Politisch Verfolgte genießen Asylrecht Durch Asylkompromiss von 1993 stark eingeschränkt. Auf die Vorschrift kann sich nicht berufen, wer 1. aus einem EU-Staat oder einem sicheren Drittstaat einreist ( 26 a AsylVfG: EU-Staaten, Norwegen, Schweiz) 2. aus einem sicheren Herkunftsstaat einreist Verminderter Rechtsschutz und kaum anwendbar durch europäische Zuständigkeitsregelungen! Anerkennungsquote 2014: 1, 8 % fluchtpunkt Hamburg 22
23 Wer kann bleiben? Flüchtlingsstatus gemäß Genfer Flüchtlingskonvention begründete Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bedeutsamste Schutzkategorie (25 %)
24 Asylverfahren Subsidiärer Schutz 4 AsylVfG Gefahr, dass im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht: Todesstrafe Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ziviles Opfer willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts 2014 etwa 5 % der Entscheidungen
25 Wer kann bleiben? Nationale Abschiebungsverbote 60 Abs. 5 und 7 AufenthG 60 Abs. 5: drohende Verletzung der EMRK 60 Abs. 7: konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit, z.b. Traumatisierungen, schwere Erkrankungen
26 Schutzquote
27 Wie läuft das Verfahren ab? 1. Antragsstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: ED-Behandlung, in der Regel Umverteilung, Unterbringung, Erteilung Aufenthaltsgestattung, Leistungen 2. Ggf. Dublin-Anhörung und Verfahren 3. Anhörung ( Herz des Verfahrens) 4. Entscheidung 5. Stark verkürzter Rechtsweg fluchtpunkt Hamburg 27
28 WIE LÄUFT DAS VERFAHREN AB? Situation der Asylsuchenden während des Verfahrens : -Leistungen nach dem AsylbewerberlG - Beschäftigungssituation - Krankenversorgung - Residenzpflicht fluchtpunkt Hamburg 28
29 Schwierigkeiten für die AntragsstellerInnen Beweiserbringung (insbesondere: Ärztliche Behandlung und Vorlage von Attesten) Kommunikation Finanzierung fluchtpunkt Hamburg 29
30 Asylverfahren - Dauer Gegenwärtig dauern die Asylverfahren deutlich länger als sechs Monate, oft Anhörung erst nach 1, 5 Jahren. Ausnahmen: Syrien und Antragsteller aus dem ehemaligen Jugoslawien (sichere Herkunftsstaaten)
31 Rechtsstaatliches Verfahren? Sichere Herkunftsstaaten Mitgliedstaaten EU, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Senegal, Ghana Neu seit 10/2015: Kosovo, Albanien, Montenegro (Anlage II AsylG; Berichtspflicht 29a Abs. 2a AsylG)
32 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom Verschärfungen Durchgängige Pflicht zum Wohnen in Erstaufnahmeeinrichtung ggf. bis zur Abschiebung ( 47 Abs. 1a AsylG) Fortdauer der Residenzpflicht während EAE-Unterbringung ( 59a Abs. 1 S. 2 AsylG) Dauerhaftes Arbeitsverbot ( 61 Abs. 1 [unveränd.], Abs. 2 S. 4 AsylG; 60a Abs. 6 AufenthG) Schon seit der letzten Gesetzesänderung vom : Einreisesperren Weitere Änderungen in Planung (Transitzonen, Hotspots, Inhaftierung von Schutzsuchenden)
33 Aufenthaltspapiere - Überblick Aufenthaltsgestattung Person befindet sich im Asylverfahren. Keine Abschiebung möglich. (Achtung: Erlöschen!) Duldung Person ist ausreisepflichtig. Abschiebung möglich, ggf. auch vor Ablauf der Duldung. Fiktionsbescheinigung Verlängerung eines Aufenthaltstitels wurde beantragt, über den Antrag wurde noch nicht abschließend entschieden Keine Abschiebung vor Entscheidung über den Antrag möglich.
34 Aufenthaltspapiere - Überblick Grenzübertrittsbescheinigung (GÜB) Person ist ausreispflichtig, Frist zur freiwilligen Ausreise läuft. Keine Abschiebung vor Fristablauf möglich. Meldeauflage o.ä. Person soll vorsprechen (und müsste eigentlich eine Duldung o.ä. erhalten). Abschiebungsgefahr abhängig vom Zweck der Vorsprache. Aufenthaltserlaubnis (AE) gemäß 25 Abs. 2 Satz 1, erste Alternative AufenthG Person ist als Flüchtling anerkannt und hat Anspruch auf einen blauen Pass. Erlaubter Aufenthalt. AE für drei Jahre, danach ggf. Niederlassungserlaubni s (NE)
35 Aufenthaltspapiere - Überblick AE gemäß 25 Abs. 2 Satz 1, zweite Alternative AufenthG AE gemäß 25 Abs. 3 AufenthG AE gemäß 25 Abs. 4 oder 5, gemäß 25 a, gemäß 23 oder 23 a Person ist subsidiär schutzberechtigt. Für die Person wurde ein nationales, zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot festgestellt. Aufenthaltsrecht aus humanitären, inlandsbezogenen Gründen. Erlaubter Aufenthalt. AE für ein bis zwei Jahre. Nach 5-7 Jahren NE möglich Erlaubter Aufenthalt. AE zunächst für ein Jahr, nach 5-7 Jahren NE möglich. Erlaubter Aufenthalt. AE zwischen sechs Monaten und zwei Jahren.Nach 5-7 Jahren NE möglich.
36 Wer helfen möchte Entscheidend ist es, zu reagieren, Fristen zu beachten und sich Hilfe zu holen. Erstberatung Im Zweifel frühzeitig Kontakt zu Beratungsstellen oder Rechtsanwälten aufnehmen. Das bestehende Netzwerk in Hamburg nutzen! Insbesondere auch Stadtteilinitiativen : mburg-hilft/
37 Zum Weiterlesen: Wie viele Flüchtlinge haben Sie schon aufgenommen, Herr Prantl?, persoenliche-betroffenheit-diegretchenfrage Tillmann Löhr, Schutz statt Abwehr, Wagenbach 2010
38 Vielen Dank!
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