EVANGELISCH-LUTHERISCHE DOM-GEMEINDE Vikarin Carolin Lilienthal. Predigt am 17. Sonntag nach Trinitatis

Transkript

1 EVANGELISCH-LUTHERISCHE DOM-GEMEINDE Vikarin Carolin Lilienthal Predigt am 17. Sonntag nach Trinitatis Römer 10, 9-17 Liebe Gemeinde. Kennen Sie das, wenn es mal so ganz still ist? Wenn weder Radio noch Fernseher läuft, und wirklich niemand etwas sagt? Oft erlebe ich das nicht. So viel um uns herum ist laut. Der Alltag ist gefüllt mit Stimmen und Geräuschen - ein reges und lautes Treiben um uns herum. Wir sind abgelenkt. Die stillen Momente sind selten und kostbar. Stille aber gibt Raum und Zeit für die eigene Spiritualität und die Auseinandersetzung mit sich selbst. So erlebe ich es z.b. in den Meditationsgottesdiensten hier im Dom. Dann, wenn wir gemeinsam schweigen, bin ich ganz bei mir selbst. Im Alltag gelingt mir das sehr selten. Immer wieder höre ich, dass es auch anderen so geht. Einfach mal nichts sagen. Keine Worte sprechen. Das tut gut. Ich habe eine Studie gelesen, da heißt es, dass wir zwischen Worte am Tag sprechen. Wie viele Worte hören wir denn dann jeden Tag? Wie viel kommt da wohl zusammen? Einiges davon überhören wir, oder wir nehmen es gar nicht richtig wahr. Mal absichtlich und mal ganz ungewollt. Wie also werden meine Worte gehört? Ist das, was ich sagen möchte, wirklich wichtig? Was macht Worte gar nur zu Füllwörtern und leeren Worthülsen, so dass man lieber gar nichts sagen sollte. Wir wissen auch, dass der Hörer das gesprochene Wort meist anders hört, als es der Redner beabsichtigt hatte. Was also macht meine Worte echt und bedeutungsvoll? Und wodurch wirken sie? Wir haben gehört, wie Paulus für die Gemeinde in Rom geschrieben hat Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet. Denn die Schrift spricht:»wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.«

2 Liebe Gemeinde. Mund und Herz, bekennen und glauben, für Paulus gehört das zusammen. So ist das gesprochene Wort, das den Glauben bekennt ein Wort, das vom Herzen kommt. Es ist nicht leer. Es sind vielmehr reich gefüllte Worte, die mit allen Sinnen den Glauben bekennen. Gott überhört diese Worte nicht. Denn der Mund sagt, was das Herz fühlt. Oder: der Mund bekennt, was das Herz glaubt. Ich verstehe den Glauben als etwas ganz persönliches, ich möchte gar sagen, unverfügbares. Persönlicher Glaube entsteht im Innersten. Mit dem Mund kann ich schließlich viele Worte bilden und auch solche Worte sagen, die nicht immer ganz dem Herzen entsprechen. Aber wenn ein Wort von Herzen kommt, ist es wahrhaftig. Oft spüren wir das. Paulus denkt Glaube vom Herzen her. Der Mund und das Herz verbinden sich. Und Gott, er sieht unsere Herzen an und hört unsere Worte, die vom Herzen kommen. Vor einer Woche war ich zwei Kurswochen lang im Predigerseminar in Ratzeburg. Viele von ihnen wissen, dort findet die theoretische Ausbildung aller Vikarinnen und Vikare der Nordkirche statt. Gemeinsam mit einer anderen Vikarin las ich den heutigen Predigttext und wir fragten uns, wie ist es mit den Menschen, die nicht oder nicht mehr sprechen können. Die das Glaubensbekenntnis im Geiste sprechen oder letztlich weder mit Mund noch im Geiste mit Worten bekennen können? Dann, wenn Worte fehlen, vergessen worden sind, oder nicht gesprochen werden können. So sind Worte doch letztlich nur ein Mittel für uns, die das auszudrücken versuchen, was oft so schwer zu begreifen ist. Liebe Gemeinde. Erzählt mir von Eurem Glauben! Und ich, ich möchte von meinem Glauben erzählen! Dafür brauchen wir Worte und unsere Sprache, um unseren Glauben miteinander teilen zu können und uns davon zu erzählen. Sicher werden wir uns immer wieder ganz anders von unserem Glauben erzählen. Manchmal werden wir keine Worte finden und dann wieder nicht aufhören können davon zu sprechen. Ich habe es schon mit Menschen erlebt, auch in meinem Umfeld, die an Demenz erkrankt sind. Dann, wenn so vieles vergessen wird. Jemand sagte mal, bei dementen Menschen gehen immer mehr Türen zu. Es gibt dann kein zurück mehr in einst so bekannte Zimmer. Die Tür ist zu. Ich habe es selbst erlebt und von Pastorinnen und Pastoren immer wieder gehört, mögen auch noch so viele Türen schon verschlossen sein, oft sind es gerade die Lieder, Gedichte, oder das, woran das Herz so sehr gehangen hat,

3 was noch da ist und wie selbstverständlich klar und deutlich mitgesungen oder gesprochen wird. Da denke ich an das Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren. Ist das ist nicht eine ganz wunderbare Art seinen Glauben zu bekennen? Ich glaube, letztendlich geht es nicht darum, wie wir bekennen. Wir tun das auf so unterschiedliche Weise. Mit Worten, seien es die eigenen, oder schon oft gesprochene Worte. Sei es im Gesang, im Gebet, oder im Stillen. Gemeinsam oder alleine. Gott kann auch ohne Worte hören und er erkennt die Wahrhaftigkeit in unseren Herzen. Sag es laut! Sag es leise! Sag es irgendwie! Denn Es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. Weiter schreibt Paulus: Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht:»wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!«aber nicht alle sind dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht:»herr, wer glaubt unserm Predigen?«So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.

4 Wenn ich an Paulus denke und die Gemeinde in Rom, habe ich eine Idee davon, wie dieser Text in der Situation wohl gewirkt hat. Die Gemeinden waren noch jung und befanden sich im Aufbau. Es gab viel Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage, wie funktioniert christliche Gemeinschaft ganz konkret? Die Menschen waren auf der Suche nach ihrer christlichen Identität und auf die Verkündigung der Prediger angewiesen. Sie hörten ihnen zu, um von Jesus und seiner frohen Botschaft zu erfahren. Die Worte des Predigers übernahmen eine orientierende Funktion für die Gemeinde. Und auch Paulus Briefe, die wir heute so wunderbar und jederzeit zur Hand haben, sind vervielfältigt und weitergereicht worden, damit möglichst viele Christinnen und Christen Paulus Nachricht erhielten. Nichts desto trotz blieb die frohe Botschaft auch ungehört. Und mit dem heutigen Predigttext lesen wir einen ganz persönlichen Brief von Paulus. Er befasst sich damit, dass eben nicht alle dem Evangelium gehorsam sind um mit seinen Worten zu sprechen. Paulus ist enttäuscht, dass nicht alle an Jesus Christus glauben. An den, der ihm das Wertvollste geworden ist. Wir sind heute nicht die ursprünglich gemeinten Adressaten des Textes. Und trotzdem ist er in unsere Lebenswelt hinein zu übertragen und zu deuten. Denn wenn ich die Situation in vielen Gemeinden betrachte, muss ich mich doch fragen, wie kann ich diesen Text heutzutage verstehen, wo doch die Mitgliederzahlen in der Kirche geringer werden und viele Kirchen am Sonntagmorgen nicht so gut besucht sind wie der Dom. Paulus fragt: Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Aber es gibt ja eine Vielzahl von Gelegenheiten Predigerinnen und Prediger zu hören. Die Verkündigung ist doch gut organisiert in unserer Kirche. Jeden Sonntag wird in den evangelischen Kirchen das Wort Gottes verkündigt. Aber viele Menschen glauben einfach nicht. Sie bezeichnen sich als unreligiös. So ist die Situation. Das ist in unserer Gesellschaft zu einer Normalität geworden. Und ich wehre mich auch dagegen, ihnen doch eine nicht bewusste Religiosität zu unterstellen oder aufzudrängen. Ich möchte von meinem Glauben und der frohen Botschaft erzählen und ich weiß, dass wir alle Geschöpfe Gottes sind. Das ein oder andere Mal denke ich auch, Mach Dich doch frei und lass Gott in Dein Herz, aber ich akzeptiere, wenn Menschen sich anders entscheiden. Auf den Punkt gebracht: Fehlt ihnen dann eigentlich nur eine

5 anständige Predigt? Ich sage, dass der Glaube heute nicht nur aus der Predigt kommt. Aber wie wirkt das Wort Gottes und die christliche Botschaft? Wirkt sie immer und überall? Wenn ich in einer Amtshandlung Menschen segne, überlege ich mir vorher, was und auch welches Bibelwort ich den Menschen im Segen zusprechen möchte. Aber was, wenn ich vor lauter Aufregung vergesse, was ich sagen möchte? Mein Anleiter Pastor Klatt hat zu mir gesagt, dann sagst du das, was dir der Heilige Geist eingibt. Und ich glaube fest daran, dass Worte gehört werden und Glaube stärken und entstehen lassen, wenn Gottes guter Geist und wahres Wort wirken. Und deswegen höre ich nicht auf, davon zu erzählen. Auch wenn jemand zu mir sagt, ich glaube nicht daran. Es ist für mich unverfügbar, ob und wie Menschen die frohe Botschaft hören und von ihr berührt werden. Denn sie wirkt als Gottes Wort aus sich selbst heraus. Unabhängig davon, wer sie spricht. Daran glaube ich. Im griechischen Urtext wird für predigen das Verb άκουω verwendet - άκουω heisst hören. Im Text wird es mit predigen übersetzt. Aber die Grundbedeutung ist hören. Und das verändert für mich die Sicht der Aussage, indem der Blick vom Prediger auf den Hörer gelenkt wird. Glaube entsteht nicht aus dem Prediger heraus, sondern von der Wirkung des Gehörten her. So kommt der Glaube aus dem Hören. Und jeder hört den Text auf seine ganz eigene Art. Der biblische Text wird mit der eigenen Lebenswirklichkeit in einen Zusammenhang gebracht und gedeutet. Da gibt es kein richtig oder falsch. Wir hören das Wort Gottes als die, die wir sind. Wir fassen es auf, um unser Leben besser einordnen und verstehen zu können. Glaube verändert sich und die biblischen Texte wirken aus sich selbst heraus. Sie werden gehört und finden ihren Weg in die Gedanken und Herzen der Menschen.Ganz nach Luthers Priestertum aller Gläubigen wirkt Glaube über die Worte der Predigerin und des Predigers hinaus. Überall dort, wo von Gottes froher Botschaft die Rede ist, kann Gottes Geist wirken. Das geschieht im Gottesdienst als auch an außerkirchlichen Orten. Wenn Menschen von Gottes Geist berührt werden, geht das über unser Tun hinaus. So stimme ich damit überein, dass Glaube aus dem Hören kommt, weil Menschen in die Worte Gottes hinein hören und sich ihnen Lebenssinn erschließt.

6 Die Geschichte des Glaubens ist also eine Geschichte des Hörens. Sie wird auf Erfahrungen gegründet, die jenseits der eigenen Lebenswirklichkeit liegen. Wir werden schon beim bloßen Hören in das biblische Wort hinein genommen, und deuten uns und unser Leben im Horizont des biblischen Wortes. Glaube kommt aus der Tiefe des Herzens. Seid mal ganz still und hört in euer Herz hinein. Amen