Rundschreiben Nr. 146/2006. Beschwerdeverfahren der Europäischen Kommission wegen Beihilfen an öffentliche Krankenhäuser
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- Hannelore Stieber
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1 VERBAND DER BAYER. BEZIRKE Körperschaft des öffentlichen Rechts Postfach G e s c h ä f t s s t e l l e München Juni 2006 Rundschreiben Nr. 146/2006 a) Bezirkstagspräsidenten b) Mitglieder der Bezirkstage c) Bezirksverwaltungen d) Sozialverwaltungen Beschwerdeverfahren der Europäischen Kommission wegen Beihilfen an öffentliche Krankenhäuser Sehr geehrte Damen und Herren, veranlasst durch eine Beschwerde der Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte und Psychotherapeuten, hat die EU-Kommission Anfang Februar 2006 ein Informationsersuchen zu ambulanten Leistungen in öffentlichen Krankenhäusern an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Darin geht die Kommission der Frage nach, ob der Betriebskostenausgleich für öffentliche Krankenhäuser eine Wettbewerbs verzerrende Beihilfe bei ambulanten Leistungen gegenüber niedergelassenen Ärzten darstellen kann. Die Beschwerdeführer hatten nämlich gerügt, dass öffentliche Krankenhäuser durch die Übernahme von Betriebsverlusten durch kommunale Träger wie seitens der Länder ein Wettbewerbsvorteil gegenüber niedergelassenen Ärzten hätten. Daher war insbesondere die Bayerische Staatsregierung berufen, den Fragen der Europäischen Kommission nach zu gehen. Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen richtete daraufhin Mitte Februar 2006 an alle Krankenhäuser in Bayern die Frage, in welcher Höhe in den Jahren 2001 bis einschließlich 2005 Verluste im Betriebskostenbereich durch Zuschüsse aus öffentlichen Haushalten abgedeckt wurden. Unabhängig von den zurückgemeldeten Antworten, meinen sowohl alle kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene wie auf bayerischer Ebene, dass das Vorhanden sein eines Marktes und das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit als Vorfrage für eine Beihilfe angesichts der weitgehenden staatlichen Ausgestaltung und Reglementierung des Knöbelstraße 10 Telefon Telefax München (0 89) (0 89) info@bay-bezirke.de
2 Gesundheitswesens zu verneinen sind. Ein Wettbewerb mit marktlichem Geschehen liegt dem Krankenhausbereich deshalb nicht vor, weil die Vergütungen verbindlich für alle Benutzer der Krankenhäuser jährlich vereinbart und staatlich genehmigt werden. Dies gilt im Ergebnis gleichermaßen für die Preisversetzung im ambulanten Bereich. In fast allen Fällen sind gleiche Preise gesetzlich vorgeschrieben. Ebenso gibt es auch bei der Erbringung von ambulanten Leistungen im Krankenhaus ein Investitionskostenabschlag für öffentlich geförderte Krankenhäuser. Weiter stehen die kommunalen Spitzenverbände wie auch der Freistaat Bayern auf dem Standpunkt, dass es im Gesundheitswesen auf der Nachfrageseite bei der großen Mehrheit der Patienten an Wahlfreiheit fehle, die für einen Markt Voraussetzung wäre. Tatsächlich bestimmt der Arzt, ob und in welches Krankenhaus eine Einweisung erfolgt, typischerweise auch bei den Selbstzahlern und Privatversicherten. Aber auch die behauptete Wettbewerbsverzerrung kann nicht gesehen werden: die duale Krankenhausfinanzierung bringt deswegen gegenüber der monistischen Finanzierung des ambulanten Bereichs niedergelassene Ärzte keinen Wettbewerbsvorteil, weil in beiden Finanzierungsformen Investitionskosten und Behandlungskosten finanziert werden nur aus jeweils unterschiedlichen Quellen. Weiter zeigt die gesetzlich vorgeschriebene Subsidiarität für stationäre Behandlungen auch bei eingewiesenen gesetzlich Versicherten, dass weder Wettbewerb noch Konkurrenz zwischen den Bereichen im System vorgesehen ist. Ein ganz entscheidendes Argument aber gegen die behauptete Wettbewerbsverzerrung liegt darin, dass die, für die Abrechnung ambulanter Leistungen durch das Krankenhaus erforderliche Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss nur in soweit und solange gewährt wird, wie die Versorgung mit niedergelassenen Ärzten nicht sichergestellt werden kann. Erklären sich niedergelassene Ärzte bereit, die entsprechende Leistung zu erbringen, ist die Ermächtigung des Krankenhauses zu wiederrufen. Ein Verdrängungsprozess wäre hier allenfalls zulasten der Krankenhäuser denkbar. Im Übrigen können auch bei ambulanten Leistungen weder die Krankenhäuser noch die niedergelassenen Ärzte die Preise frei vereinbaren. 2
3 Im Einzelnen sind bei den verschiedenen Möglichkeiten ambulanter Versorgung durch Krankenhäuser aus folgenden Gründen Konkurrenzsituationen mit niedergelassenen Ärzten ausgeschlossen: - Ein medizinisches Versorgungszentrum - MVZ ( 95 SGB V) nimmt wie ein niedergelassener Arzt an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung teil und wird nach den gleichen Kriterien (EBM) vergütet. Ein MVZ muss ebenso wie ein niedergelassener Arzt erst durch die Kassenärztliche Vereinigung zugelassen werden. Es unterliegt den gleichen Zulassungsbeschränkungen. - Die vor- oder nachstationäre Behandlung ist nach 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V gerade keine ambulante Behandlung. Sie setzt voraus, dass gerade die spezifischen Mittel des Krankenhauses (z.b. Linearbeschleuniger für Strahlentherapie) für die Behandlung erforderlich sind. Eine Konkurrenz zu niedergelassenen Ärzten besteht dabei nicht. - Für das ambulante Operieren nach 115b SGB V gibt es nach 115b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V ausdrücklich einheitliche Vergütungen für Krankenhäuser und Vertragsärzte. Das ambulante Operieren soll seiner Zielsetzung nach eine bisher stationäre Behandlung ersetzen. - Die ambulante Behandlung durch spezialisierte Krankenhausärzte unterliegt der Zulassung, die nur zu erteilen ist, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt wird. ( 116 Satz 2 SGB V). Sobald ein niedergelassener Arzt die Versorgung sicherstellt, ist die Ermächtigung des Krankenhauses zu widerrufen. - Das Gleiche gilt bei der ambulanten Behandlung bei Unterversorgung ( 116a SGB V). - Für ambulante Leistungen im Bereich der Verträge über strukturierte Behandlungsprogramme ( 116b Abs. 1 SGB V) gilt Ähnliches. Auch hier ist die Leistung des Krankenhauses nachrangig und auf das beschränkt, was niedergelassene Ärzte (noch) nicht erbringen können (oder wollen). Im Übrigen sind auch hier die ambulanten Leistungen nach 120 Abs. 1 SGB V nach den für Vertragsärzte geltenden Kriterien zu vergüten und nach 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V, um einen Investitionskostenabschlag von 10 Prozent zu vermindern. 3
4 - Für ambulante hoch spezialisierte Leistungen im Sinne des 116b Abs. 2 SGB V muss nach 116b Abs. 5 Satz 2 SGB V die Vergütung ausdrücklich der Vergütung vergleichbarer vertragsärztlicher Leistungen entsprechen. - Hochschulambulanzen stehen nicht im Wettbewerb mit niedergelassenen Ärzten, da sie nur in dem Umfang zugelassen sind, der für Zwecke der Forschung und Lehre erforderlich ist. Ihre Vergütung wird mit den Krankenkassen vereinbart und soll mit vergleichbaren Leistungen abgestimmt sein. - Psychiatrische Institutsambulanzen stehen nicht in Konkurrenz zu niedergelassenen Therapeuten, da ihre Tätigkeit auf diejenigen Patienten auszurichten ist, die wegen Art und Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung oder wegen zu großer Entfernung zu geeigneten Ärzten auf die Behandlung in diesen Krankenhäusern angewiesen sind. ( 118 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Das Gleiche gilt für Krankenhäuser, die eine Versorgung nach 118 Abs. 2 SGB V anbieten. - Sozialpädiatrische Zentren können zur ambulanten Versorgung nur ermächtigt werden, soweit und solange dies notwendig ist, um eine ausreichende sozialpädiatrische Behandlung sicherzustellen. ( 119 Abs. 1 Satz 2 SGB V) Mit Blick auf die von der EU-Kommission anvisierte Zuordnung gewährter Verlustausgleiche zu einem konkreten, gesetzlich bestimmten öffentlichen Auftrag führt der Freistaat Bayern in seiner Stellungnahme an die Bundesregierung Folgendes grundlegend aus: - Die Erfüllung des Versorgungsauftrages stellt letztlich den öffentlichen Auftrag dar. Der Versorgungsauftrag ergibt sich aufgrund der gesetzlichen Vorgaben aus den Feststellungen des Krankenhausplans, den zu seiner Durchführung erlassenen Bescheide sowie gegebenenfalls den ergänzenden Festlegungen im Versorgungsvertrag. Der Verlustausgleich kann nicht als Wettbewerbsverzerrung innerhalb Deutschlands zwischen privaten und kommunalen Krankenhausträgern angesehen werden, sondern ist vielmehr die Folge des gesetzlichen Sicherstellungsauftrages, soweit dies für die Versorgung der Bevölkerung vor Ort erforderlich ist. Für die privaten Träger besteht schließlich keine Verpflichtung, auch nicht kostendeckende Leistungsbereiche vorzuhalten, während diese Verpflichtung für die kommunale Ebene sehr wohl besteht. Insoweit besteht auch eine grundlegende Asymmetrie zwischen den Träger, die sich bei ansonsten gleicher Ausgangslage bei Krankenhausplanung, -förderung sowie im Vergütungsbereich letztlich im Institut des Verlustausgleichs widerspiegelt. 4
5 Es ist damit zu rechnen, dass diese Beschwerdeverfahren gerade im Hinblick auf das so genannte Monti-Paket, das unter anderem Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser jeweils unabhängig von der Höhe der Zuwendungen unter bestimmten Voraussetzungen wie zum Beispiel den Betrauungsakt von einer Notifizierung freistellt, zu inhaltlichen Auseinandersetzungen mit der EU-Kommission führen wird. Es ist daher erforderlich, durch die Beschreibung des deutschen Gesundheitswesens Hintergrundinformationen zu vermitteln und eine gemeinsame fachliche Einschätzung bei den Entscheidenden in Europa zu schaffen. Auch deswegen war es gut und richtig, dass der Freistaat Bayern in seiner Stellungnahme in erster Linie nicht eine Verteidigungs- und Rechtfertigungsposition eingenommen hat, sondern vielmehr den Tatbestand eines wettbewerbsrelevanten Vorgangs von vornherein verneint hat. Mit freundlichen Grüßen Wenk-Wolff 5
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