Vorbemerkungen. Produktion von Versicherungsschutz
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- Thomas Scholz
- vor 8 Jahren
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1 Vorbemerkungen Da das vorliegende Buch zeitlich den Abschluss, aber inhaltlich den Beginn einer Themenreihe zur finanziellen Steuerung in (Schaden-) Versicherungsunternehmen bildet, soll an dieser Stelle vorab eine grundlegende Einordnung der Thematik an sich sowie dieses Buches als Teil dieser Reihe erfolgen. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich dabei speziell auf die Schadenversicherung, auch wenn einige Aspekte für Versicherungen im Allgemeinen gelten. Produktion von Versicherungsschutz Die Produktion von Versicherungsschutz unterscheidet sich in einigen Aspekten deutlich von der Produktion eines klassischen Konsumgutes, wobei in der nachfolgenden Tabelle die wichtigsten Eigenschaften gegenübergestellt sind: 1 Klassisches Konsumgut Produktion Vor dem Absatz; Produktionskosten stehen fest. Eher geringes Risiko Produkttransparenz Versicherungs- Schutz Nach dem Absatz; Produktionskosten stehen nicht fest. Relativ hohes Risiko Produktintransparenz Absatz Nach der Produktion; Umsatzvolumen steht nicht fest. Relativ hohes Risiko Vor der Produktion; Umsatzvolumen steht fest (ggf. Mindestbedarf). Eher geringes Risiko 1 Vgl. Heep-Altiner et al. 2014, Wertorientierte Steuerung in der Schadenversicherung, S. 5. 1
2 Die Herausforderung bei der Produktion von Versicherungsschutz besteht daher in der Schätzung der Schadenzahlungen und den weiteren anfallenden Kosten, da die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge gewährleistet werden muss. Zur Absicherung der dauernden Erfüllbarkeit der Verträge wird Eigenkapital benötigt, das somit einen zentralen Produktionsfaktor für die Produktion von Versicherungsschutz darstellt (neben dem zweiten wichtigen Produktionsfaktor Arbeit). Aufgrund der Vorfinanzierung von Versicherungsschutz durch sofortige Prämieneinnahmen und erst später anfallenden Kosten in Form von Schadenzahlungen und sonstigen Verwaltungs- oder Schadenregulierungskosten ergeben sich freie liquide Salden, für die zusätzlich Kapitalerträge (z. B. in Form von Zinsen auf die freien liquiden Salden) generiert werden können, siehe dazu die nachfolgende vereinfachte Illustration für die Cash Flows eines einzelnen Anfalljahres über die gesamte Abwicklungsdauer: Prämien & Zinsen Zinsen Zinsen t = 0 t = 1 t = 2 t = 3 Schäden & Kosten Schäden & Kosten Schäden & Kosten Versicherung ist also ein Kuppelprodukt, so dass ein Versicherungsunternehmen sich immer zusammensetzt aus den zwei Geschäftsbereichen Risikozeichnung (reflektiert in der Passivseite der Bilanz) und Kapitalanlage (reflektiert in der Aktivseite der Bilanz). 2
3 Jedes Unternehmen muss sich im Rahmen seiner Finanzierung ganz allgemein mit den Fragen des Kapitalbedarfs und der Kapitalbereitstellung auseinandersetzen, wobei man hier zwischen einmaligem Kapitalbedarf bei Gründung oder Erweiterung und laufendem Kapitalbedarf zur Entlohnung der Produktionsfaktoren unterscheiden kann, wobei bei Versicherungen das Kapital bereits selbst der Produktionsfaktor ist. Die Frage nach dem Kapitalbedarf ist bei einem Versicherungsunternehmen somit besonders kritisch, wobei durch die Kollektivierung von Risiken allerdings hohe Synergieeffekte generiert werden können, d. h. der Kapitalbedarf bei einer Kollektivierung ist deutlich geringer als der Kapitalbedarf ohne Kollektivierung. Die wichtigsten Eigenkapitalsynergien ergeben sich hierbei durch Kollektivierung der versicherungstechnischen (Einzel-) Risiken innerhalb einer Sparte, Kollektivierung der versicherungstechnischen (Sparten-) Risiken über mehrere Sparten innerhalb des gesamten Unternehmens, Kollektivierung der versicherungstechnischen (Spitzen-) Risiken über mehrere Versicherer bei einem Rückversicherer sowie Kollektivierung der versicherungstechnischen Risiken über die beiden Geschäftsbereiche Risikozeichnung und Kapitalanlage mit den Kapitalanlagerisiken innerhalb des gesamten Unternehmens. Aufgrund der Entwicklung des neuen Solvenzregimes Solvency II (wodurch die Solvency I Regelungen ersetzt werden) fällt der Ermittlung des Eigenkapitalbedarfs in der Versicherungsbranche eine besondere Rolle zu, wobei in diesem Zusammenhang auch eine Einbeziehung in die betrieblichen Steuerungssysteme gefordert wird. 3
4 Die wertorientierte Steuerung WOS (besser noch wert- und risikoorientierte Steuerung WRS) beinhaltet die Gegenüberstellung und Steuerung des Kapitalbedarfs (Soll-Kapital) und der verfügbaren Mittel (Ist-Kapital). Das Ist-Kapital kann dabei anhand von geeigneten Bewertungsverfahren und das Soll-Kapital durch geeignete Risikomodelle ermittelt werden. Bewertungsmodelle für das Ist-Kapital Die Bewertung des Ist-Kapitals hängt von der zugrunde gelegten Rechnungslegungsnorm ab. Das Sicherheitsprinzip korrespondiert hierbei zu den Vorschriften nach dem HGB. Der Best Estimate stellt die Bewertung nach US GAAP sowie (in den meisten Fällen) den derzeitigen IFRS dar. Nach Solvency II (vermutlich auch nach den zukünftigen IFRS) ergibt sich eine Bewertung des Ist-Kapitals nach dem Fair Value, wobei man bei der Fair Value Bewertung unterscheidet zwischen dem Mark-to-Market-Ansatz, bei dem der Fail Value aus aktuellen Marktwerten mittelbar oder unmittelbar abgeleitet werden kann, und zum anderen dem Mark-to-Model-Ansatz, bei dem der Fair Value mangels liquider Märkte anhand eines Modells ermittelt wird, insbesondere hier z. B. die Modellierungsvarianten o Real-World Bewertung, o risikoneutrale Bewertung oder o Cost-of-Capital-Ansatz. In der Lebensversicherung erfolgt die Fair Value Bewertung des Ist- Kapitals derzeit mit dem Embedded Value als eine Kombination aus verschiedenen der zuvor genannten Methoden. Dieses Konzept kann auch auf die Schaden- und Unfallversicherung übertragen werden. 4
5 Risikomodelle für das Soll-Kapital Das Soll-Kapital kann anhand von externen Modellen oder mithilfe von internen Modellen ermittelt werden. Externe (Standard-) Modelle sind i. d. R. einfache Faktorensysteme, die die Risikosituation eines Unternehmens nur pauschal widerspiegeln. Interne Modelle dagegen sind üblicherweise vollstochastische Modelle, bei denen geeignete Zielfunktionen optimiert werden. Dabei wird meistens ausgehend vom deterministischen (ökonomischen) Kapital zu Jahresbeginn JB mit Simulationsverfahren das stochastische (ökonomische) Kapital zum Jahresende JE wie folgt modelliert: Stochast. Kapital JE = Determin. Kapital JB + stochast. GuV. Nachfolgend ist eine derartige stochastische Gewinn- und Verlustrechnung für fünf ausgewählte Simulationspfade illustriert: Pfad 1 Pfad 2 Pfad 3 Pfad 4 Pfad 5 2 Entnommen aus Heep-Altiner et al. 2014, Wertorientierte Steuerung in der Schadenversicherung, S
6 Diese Simulationsansätze liefern eine Eigenkapitalverteilung zum Jahresende, mit der dann der Eigenkapitalbedarf zu Jahresbeginn ermittelt werden kann. Themenreihe zur finanziellen Steuerung in (Schaden-) VU Die zuvor skizzierten Aspekte wurden in der Themenreihe zur finanziellen Steuerung in (Schaden-) Versicherungsunternehmen, die in einer langjährigen Projektarbeit mit den Masterstudenten des Instituts für Versicherungswesen an der Fachhochschule Köln entstanden ist, intensiv bearbeitet. Nachfolgend sind die einzelnen Bestandteile dieser Themenreihe und ihre Zusammenhänge zueinander illustriert. Finanzierung in der SV Anwendung Finanzierung Wertorientierte Steuerung in der SV Vertiefung Bewertung Vertiefung Modellierung Der Embedded Value in der SV Interne Modelle in der SV Erweiterung Modellierung Internes Holdingmodell Die einzelnen Teile und die Zusammenhänge untereinander sind im Folgenden kurz zusammengefasst. 6
7 Finanzierung in der (Schaden-) Versicherung Hier werden allgemeine finanzwirtschaftliche Grundsätze vermittelt, um einen allgemeinen Überblick über die Finanzierungsmöglichkeiten eines (Schaden-) Versicherungsunternehmens zu ermöglichen. Somit bildet dieser Teil den Anfang der gesamten Reihe, auf dem inhaltlich alle anderen Teile aufbauen. Wertorientierte Steuerung in der Schadenversicherung 3 Ausgehend von den vermittelten Grundlagen im ersten Teil der Reihe werden hier die Anwendungen im Rahmen der wert- und risikoorientierten Steuerung eines Schadenversicherungsunternehmens erläutert, bei der das Ist-Kapital dem Soll-Kapital gegenübergestellt wird. Konsequenterweise ergibt sich daraus ein Vertiefungsbedarf in zwei unterschiedliche Richtungen: die Bewertung des Ist-Kapitals bzw. die Risikomodellierung des Soll-Kapitals. Der Embedded Value in der Schadenversicherung 4 In diesem Teil wird der Embedded Value als etabliertes Konzept aus der Lebensversicherung auf die Schadenversicherung übertragen und in seinen Auswirkungen diskutiert. Dies ist derzeit der modernste Ansatz einer Fair Value Bewertung des verfügbaren Kapitals eines Schadenversicherungsunternehmens. Interne Modelle nach Solvency II 5 In diesem Teil wird die Ermittlung des Eigenkapitalbedarfs eines Schadenversicherungsunternehmens mit Hilfe eines internen (sto Heep-Altiner et al. 2014, Wertorientierte Versicherung in der Schadenversicherung. Schritt für Schritt zur wert- und risikoorientierten Unternehmenssteuerung. Heep-Altiner et al. 2012, Der Embedded Value in der Schadenversicherung. Da dieser Teil in einer Kooperation mit der Arbeitsgruppe Embedded Value Sach der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) entstanden ist, erfolgte die Veröffentlichung in der Schriftenreihe Versicherungs- und Finanzmathematik der Deutschen Gesellschaft für Versicherungs- und Finanzmathematik e. V. (DGVFM). Heep-Altiner et al. 2010, Interne Modelle nach Solvency II. Schritt für Schritt zum internen Modell in der Schadenversicherung. 7
8 chastischen) Modells intensiver erläutert, um auch Nicht-Mathematikern ein vertieftes Verständnis der Vorgehensweise zu ermöglichen. Internes Holdingmodell nach Solvency II 6 Abschließend wird als Erweiterung des Themengebietes die Modellierung des Eigenkapitalbedarfs für ein Holdingunternehmen mit Hilfe eines internen Modells erläutert, wobei in diesem Fall ein Schadenversicherungsunternehmen nur noch eine einzige Beteiligungsposition in der Holdingbilanz darstellt. Bei einem internen Modell eines Holdingunternehmens spielen also nicht mehr nur die Risiken eines einzelnen Unternehmens, sondern vielmehr die gemeinsamen Risiken und Interaktionen über alle Unternehmen eine Rolle. Finanzierung in der (Schaden-) Versicherung Im vorliegenden Buch als Beginn der Themenreihe werden nicht nur die allgemeinen Grundlagen für alle weiteren Teile zur Verfügung gestellt, sondern es wird auch das Themengebiet durchgängig anhand des Beispiels der so genannten IVW Privat AG diskutiert. Insgesamt gliedert sich die Ausarbeitung dabei in Einleitung und Grundbegriffe, Assets, Liabilities sowie Solvency II und ALM / wertorientierte Steuerung. In der Einleitung werden, da das Thema der Finanzierung für Versicherungsunternehmen eine besondere Rolle einnimmt, die wichtigsten Grundbegriffe und Zusammenhänge erläutert. Dabei spielen die 6 Heep-Altiner et al. 2011, Internes Holdingmodell nach Solvency II. Schritt für Schritt zu einem internen Holdingmodell. 8
9 Möglichkeiten einer Versicherungsgesellschaft, sich finanzielle Mittel zu beschaffen, sowie deren Bewertung, eine wesentliche Rolle. In den Teilbereichen zu den Assets und Liabilities werden die den Kapitalbedarf der Versicherungsunternehmen beeinflussenden Risiken sowohl auf der Aktivseite als auch auf der Passivseite näher betrachtet. Im Hinblick auf die Risiken der Assets (Aktivseite einer Bilanz) werden dabei einerseits die rechtlichen Rahmenbedingungen und andererseits die Eigenschaften wichtiger Assetklassen wie festverzinsliche Wertpapiere, Aktien und Optionen dargestellt. Bei den Liabilities (Passivseite einer Bilanz) stehen die Verpflichtungen eines Versicherungsunternehmens im Vordergrund, zum einen aus dem bereits vorhandenen Altbestand (bewertet durch Reserveanalysen) und zum anderen für zukünftiges Neugeschäft (bewertet durch Tarifanalysen). Im letzten Teil zu Solvency II und ALM / wertorientierte Steuerung werden für ein vertieftes Verständnis zunächst einmal die Solvency I- und Solvency II-Regelungen näher beleuchtet insbesondere auch in einer Abgrenzung zueinander. Für das durchgängige Beispiel der IVW Privat AG wird dabei die Standardformel nach Solvency II gerechnet und mit einem sehr vereinfachten internen Modell für dieses Unternehmen verglichen. Das Themengebiet ALM / wertorientierte Steuerung wird an dieser Stelle nur kurz skizziert, da es in einem weiteren Teil vertieft wird. Insofern stellen die Ausführungen in diesem Teil nur eine verkürzte Überleitung zum nächsten Teil der Themenreihe dar. 9
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