Posttraumatische Belastungsstörung als Folge intensivmedizinischer Behandlung: Häufigkeit, Risikofaktoren, Behandlungsansätze Romina Gawlytta
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- Guido Franke
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1 Posttraumatische Belastungsstörung als Folge intensivmedizinischer Behandlung: Häufigkeit, Risikofaktoren, Behandlungsansätze Romina Gawlytta Universitätsklinikum Jena Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie
2 Langzeitfolgen intensivmedizinischer Behandlung: Post Intensive Care Syndrome Post Intensive Care Syndrome (PICS) Family (PICS-F) Survivor (PICS) Mental Health Anxiety /Acute Stress Disorder Post-traumatic Stress Disorder Depression Complicated grief Mental Health Anxiety /Acute Stress Disorder Post-traumatic Stress Disorder Depression Cognitive Impairments Executive Function Memory Attention Visuo-spatial Mental Processing Speed Physical Impairments Pulmonary Neuromuscular Physical Function Needham et al., Crit Care Med 2012
3 Beispiele möglicher Belastungsfaktoren auf der Intensivstation Lärmbelastung bedingt durch medizinische Geräte und Behandlung von Mitpatienten Applikation verschiedener Messinstrumente am und im Körper künstliche Beatmung mit Fremdkörpergefühl durch Tubus künstliche Ernährung über Sonden verminderte Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, Unfähigkeit zu sprechen bedingt durch Tubus, Bewegungsunfähigkeit erschwerte zeitliche Orientierung, gestörter Tag-Nacht-Rhythmus Sedierung und Sedierungslücken, Schwierigkeiten zwischen Traum und Realität zu unterscheiden Krauseneck et al., Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2007 Gawlytta et al., Trauma und Gewalt 2017
4 Posttraumatische Belastungsstörung Kriterien nach DSM 5 Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt 1. Direktes Erleben 2. Persönliches Erleben bei einer anderen Person 3. Erfahren, dass einem nahen Familienmitglied oder einem engen Freund ein traumatisches Ereignis zugestoßen ist 4. Erfahrung wiederholter oder extremer Konfrontation mit aversiven Details eines traumatischen Ereignisses (z.b. Ersthelfer bei Unfällen oder Katastrophen) Wiedererleben Vermeidung Veränderung von Kognition und Stimmung Symptome erhöhten Arousals Das Störungsbild (Kriterien b, c, d und e) dauert länger als einen Monat.
5 Posttraumatische Belastungsstörung 4 62% aller ITS-Überlebenden leiden an einer PTBS als Langzeitfolge PTBS ist assoziiert mit eingeschränkter Lebensqualität Einfluss von Alter, Geschlecht und Dauer der ITS-Behandlung unklar soziale Unterstützung und Resilienz gelten als protektive Faktoren, ebenso die Gabe von Glucocorticoiden während der ITS-Behandlung Jaenichen et al., Psychother Psych Med 2012 Davydow Wintermann et al., et al., Gen Crit Hosp Care Psychiatry Med Parker Rosendahl Schelling et al., et et al., Crit al., Ann Care Crit N Care Y Med Acad Med 2015 Sci
6 Posttraumatische Belastungsstörung 33 69% der Angehörigen weisen innerhalb der ersten 6 Monate nach ITS- Behandlung eine störungswertige PTBS-Symptomatik auf im Langzeitverlauf (bis 4 Jahre nach ITS-Behandlung) bis 80% der Angehörigen Zusammenhang zwischen PTBS- Symptomschwere von Patient und Partner häufig beide Partner von PTBS betroffen Patient Partner Rosendahl et al., Crit Care Med 2013 Gawlytta et al., Trauma und Gewalt 2017 Petrinec Jaenichen & et Daly, al. Psychother West J Nurs Psych Res 2016 Med 2012
7 Spezifische Behandlungsansätze Interventions which have substantial effects in post-icu patients are rare. Intensivtagebuch Internet-basierte Schreibtherapie Mehlhorn et al., Crit Care Med 2014
8 Intensivtagebuch während des ITS-Aufenthalts von Angehörigen und Pflegenden geführt Ereignisse und Entwicklungen während der Bewusstlosigkeit des Patienten werden niedergeschrieben Patient kann später das Tagebuch lesen und damit die Zeit während seiner Bewusstlosigkeit rekonstruieren und verstehen (auch Angehörige)
9 Intensivtagebuch Currently there is minimal evidence from RCTs of the benefits or harms of patient diaries for patients and their caregivers or family members. Ullman et al., Cochrane Database Syst Rev 2014
10 Internet-basierte Schreibtherapie kognitiv-behaviorales Behandlungsmanual asynchrone Kommunikation zwischen Therapeut und Patient Vorteile: Versorgung mobilitätseingeschränkter Patienten geographische und zeitliche Unabhängigkeit vom Therapeuten visuelle Anonymität Reduktion von Scham und krankheitsbedingten Barrieren vergleichbare Wirksamkeit wie face-to-face Psychotherapie Küster et al., Clin Psychol Rev 2016
11 Internet-basierte Schreibtherapie Behandlungsportal zwei leben mit Wirksamkeitsstudie Behandlung von Patienten nach ITS-Behandlung und/oder deren Partnern bei vorliegender behandlungsbedürftiger PTBS- Symptomatik paartherapeutische Komponente: Partner wird aktiv in die Behandlung einbezogen 10 Schreibaufgaben (2x wöchentlich à 45 min) individuelle Rückmeldung des Therapeuten innerhalb eines Werktags Gawlytta et al., BMJ open 2017
12 Struktur der Internet-basierten Schreibtherapie Ressourcen-orientierte biographische Rekonstruktion (3 Schreibaufgaben) Exposition (4 Schreibaufgaben) Kognitive Umstrukturierung (3 Schreibaufgaben) Gawlytta et al., BMJ open 2017
13 Struktur der Internet-basierten Schreibtherapie Ressourcen-orientierte biographische Rekonstruktion (3 Schreibaufgaben) Exposition (4 Schreibaufgaben) Kognitive Umstrukturierung (3 Schreibaufgaben) Auszug aus der Instruktion: In dem ersten Teil der Therapie (Schreibaufgaben 1 bis 3) geht es darum, Ihre Biographie entlang der einzelnen Lebensphasen zu rekonstruieren. Das Ziel hierbei ist es, Ihre traumatischen Erfahrungen und auch teilweise bruchstückhaften Erinnerungen zu verarbeiten, um Geschehene in Ihre Biographie einbetten zu können. In Ihrem heutigen, ersten Text sollen Sie sich auf Ihr Leben von Ihrer Geburt bis zu Ihrem zwölften Lebensjahr konzentrieren und versuchen genau aufzuschreiben, was Sie in dieser Zeit erlebt haben. Ihre Erinnerungen können Worte und Bilder umfassen, aber auch Gerüche, Gefühle oder Körperwahrnehmungen.
14 Struktur der Internet-basierten Schreibtherapie Ressourcen-orientierte biographische Rekonstruktion (3 Schreibaufgaben) Exposition (4 Schreibaufgaben) Kognitive Umstrukturierung (3 Schreibaufgaben) Auszug aus der Instruktion: In Ihrem heutigen vierten Text möchte ich Sie daher bitten, Ihre traumatische Erfahrung zu beschreiben. Versuchen Sie sich intensiv auf die damalige Situation zu konzentrieren. Ziel ist es, das traumatische Ereignis so detailliert wie möglich zu beschreiben, mit allen dazugehörigen Wahrnehmungen. Es kann sein, dass sich Ihr belastendstes Ereignis auf eine Zeit im Krankenhaus bezieht, die Sie selbst streckenweise nur aus Erzählungen von anderen kennen und gar nicht selbst erinnern können. Wenn dies so ist, machen Sie sich keine Gedanken darüber, sondern beschreiben Sie dieses Erlebnis genau so, wie Sie es im Hier und Jetzt erinnern. Es ist an dieser Stelle nicht wichtig, ob es Ihre ureigenen Erinnerungen sind. Vielmehr sind es die jetzigen Bilder, Gedanken und vor allem Gefühle, die Sie dazu haben und die diese belastende Situation immer wieder auftauchen lassen.
15 Struktur der Internet-basierten Schreibtherapie Ressourcen-orientierte biographische Rekonstruktion (3 Schreibaufgaben) Exposition (4 Schreibaufgaben) Kognitive Umstrukturierung (3 Schreibaufgaben) Auszug aus der Instruktion: Heute beginnt der dritte und abschließende Teil (Schreibaufträge 8 bis 10) der Onlinebehandlung. In dieser Phase geht es darum, einen würdigen Abschluss für die letzten Wochen zu finden. In den drei abschließenden Texten werden Sie Ihre Erlebnisse aus einer anderen Perspektive betrachten sowie einen Blick in die Zukunft werfen. [ ] Lesen Sie dazu zuerst Ihre letzten vier Texte nochmals durch. Stellen Sie sich vor, ein erdachter Freund oder eine erdachte Freundin hätte die Texte geschrieben, nachdem er/sie das Gleiche durchgemacht hat wie Sie. Er/sie hat die gleichen Erfahrungen, die gleichen Gefühle und die gleichen Erinnerungen und muss damit weiterleben. Wenn Sie die Texte gelesen haben, schreiben Sie ihm/ihr einen unterstützenden Brief. Geben Sie ihm/ihr in diesem Brief Rat, wie er/ sie das Geschehnis anders betrachten könnte. Was würden Sie ihm/ihr empfehlen? Welche Ideen sind für ihn/sie wichtig?
16 Internet-basierte Schreibtherapie
17 Fallbeispiel Herr B.: 38 Jahre, Ingenieur, Frau B.: 38 Jahre, Hausfrau verheiratet seit 18 Jahren, 2 Kinder (6 und 9 Jahre) Herr B. entwickelt eine Sepsis nach operativer Entfernung eines Abszesses, ca. 6 Wochen intensivmedizinische Behandlung, 25 Tage Koma mit künstlicher Beatmung, seine Frau besucht ihn täglich auf ITS beide berichten Symptome einer Trauatisierung durch ihre Erfahrungen Symptome Intrusionen, getriggert durch visuelle Stimuli (z.b. Narben, Krankenhausgebäude) und akustische Stimuli (z.b. Sirenen, Pieptöne) körperliche Reaktionen (Herzrasen, Schwitzen) negative Gefühle (Angstzustände) Hyperarousal (Reizbarkeit, Hypervigilanz, Schreckhaftigkeit)
18 Fallbeispiel Herr B. Es ist der 20. September. Der Tag, an dem ich sterben sollte. [ ] Ich sehe sie um mein Bett herum sitzen und stehen. Stefanie, die meine Hand hält. Das werden die letzten Minuten gemeinsam sein. Wieviel will ich doch noch mit ihr erleben. Ich will mit ihr unsere Kinder aufwachsen lassen, sehen wie sie ausziehen und ein eigenes Leben beginnen. Ich will sie in ihrer eigenen Wohnung besuchen. Ich will mit Stefanie die Zeit wieder alleine genießen. Reisen, schöne Orte sehen. Einfach Dinge gemeinsam erleben. Es ist doch noch viel zu früh, um zu sterben. [ ] Jetzt zu sterben darf nicht passieren. Das war überhaupt nicht geplant. Es gibt noch so viel Wundervolles, was ich erleben wollte. Stattdessen liege ich hier. Bewegungsunfähig und kann kein Zeichen nach außen geben. Ich will nicht sterben. Ich habe so ein tolles Leben. Das darf nicht passieren. Wenn ich Stefanie nur die Hand drücken könnte, dass sie weiß, dass ich sie niemals alleine lassen will. Wenn ich ihr nur irgendwie Hoffnung geben könnte, ich habe nicht aufgegeben
19 Fallbeispiel Frau B. Ich fasse einfach nicht, dass mir das passiert. All die Wochen in denen Michael nur "der Patient" ist, enden heute... Einfach so... Dieser wirklich tolle, wunderbare Mensch stirbt - einfach so... wegen eigentlich einer Lappalie... Ich bin fassungslos. Einfach nur fassungslos. Wie sag ich es meinen Kindern? Bloß nicht darüber nachdenken. Dann breche ich zusammen oder bin ich das schon? Was mache ich nur? Wie kann die Sonne nur scheinen... wenn so etwas passiert... das macht sie halt - treu wie sie ist... [ ] Was für eine Welt... Er war doch gerade noch so fit und dynamisch... Die Kinder... ich will nicht alleinerziehend sein... wie konnten die im Krankenhaus so wegsehen... das passiert einfach nicht. Das ist gar nicht mein Leben. Es fühlt sich überhaupt nicht so an. Das kann gar nicht mein Leben sein... Witwe- das ist einfach zu früh... Und... so derart unnötig... Nur nicht rumheulen. Jetzt reiss Dich gefälligst wieder zusammen
20 Fallbeispiel Herr B. 35 Hyperarousal Frau B negative Gefühle Vermeidung Wiedererleben Prä nach 3. Session nach 7. Session Post Katamnese 0 Prä Post Prä Post Herr B. Frau B. Schweregrad der posttraumatischen Stresssymptome (Selbstbeurteilung: PTSD Checklist for DSM-5; PCL-5) Schweregrad der posttraumatischen Stresssymptome nach Symptomclustern (Fremdbeurteilung: Clinician- Administered PTSD Scale for DSM-5; CAPS-5)
21 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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25 Partnerbrief Heute geht es darum, dass Sie mit Ihrem Partner in vielleicht unüblicher Weise in persönlichen Kontakt treten, indem Sie ihm/ihr einen Brief schreiben. [ ] Ich möchte Sie nun bitten, einen persönlichen Brief an Ihren Partner zu verfassen. Dieser Brief muss nicht lang sein, er kann einfach eine liebevolle Nachricht an Ihren Partner darstellen. Das können auf der einen Seite tröstende und verständnisvolle Worte für die erlebten und aktuellen Belastungen Ihres Partners sein, Sie können aber auch Ihren Glauben an seine Fähigkeiten und Kompetenzen zum Ausdruck zu bringen. Neben den negativen Erfahrungen aus der Zeit auf der ITS gibt es möglicherweise sogar positive Aspekte, die Ihr Partner selbst häufig nicht ausreichend sieht. Machen Sie ihm Mut und geben Sie kleine Hilfestellungen, sich nicht unterkriegen zu lassen und neue Sichtweisen auf seine Situation sowie Ziele für die Zukunft entwickeln zu können.
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