Demografischer Wandel und gesundes Arbeiten in der Pflege geht das?
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- Wilhelm Bachmeier
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1 Demografischer Wandel und gesundes Arbeiten in der Pflege geht das? Tag der Pflege, 26. Juni 2018 Freiburg Dr. Karin Töpsch Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
2 Demografischer Wandel und gesundes Arbeiten in der Pflege geht das? 1. Ausgangssituation warum ist die Pflege vom demografischen Wandel besonders betroffen? 2. Herausforderungen für die Gestaltung gesunder Arbeit 3. Was können Betriebe tun? 4. Was können Mitarbeitende tun?
3 Demografischer Wandel ein vielschichtiger Prozess l Seit den 1960er Jahren werden weniger Kinder geboren l Wandel in den Familien- und Lebensformen l Anstieg der Lebenserwartung l veränderte Generationenbeziehungen l Mobilität und Migration l regional sehr unterschiedliche Entwicklungen
4 Mitarbeitende in der Pflege Alter, Geschlecht, Arbeitszeit ambulant stationär Quelle: > Gesundheitsversorgung > Beschäftigte und Einrichtungen der Gesundheitsversorgung > Personal im Gesundheitswesen, Gesundheitspersonalrechnung
5 AU-Fälle und Dauer: Pflegepersonal ,0 19,7 20, ,7 15,0 12,4 13, ,7 10,6 6,3 5, ,8 130,8 104,8 104,7 101,8 105,5 104,9 114,7 133,4 130, AU-Fälle pro 100 Versichertenjahre Falldauer (Tage) Quelle: DAK-Gesundheitsreport ,0 15,0 10,0 5,0 0,0
6 Veränderungen menschlicher Leistungsvoraussetzungen im Altersverlauf zunehmend Lebens- und Berufserfahrung, betriebsspezifisches Wissen, Expertenwissen Urteilsfähigkeit Zuverlässigkeit Besonnenheit Qualitätsbewusstsein Kooperationsfähigkeit Konfliktfähigkeit Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein Positive Arbeitseinstellung Ausgeglichenheit und Beständigkeit Angst vor Veränderungen gleichbleibend Leistungs- und Zielorientierung Systemdenken Kreativität Entscheidungsfähigkeit Kommunikationsfähigkeit Psychisches Durchhaltevermögen Konzentrationsfähigkeit abnehmend Körperliche Leistungsfähigkeit Geistige Beweglichkeit Geschwindigkeit der Informationsaufnahme und -verarbeitung Kurzzeitgedächtnis Risikobereitschaft Aufstiegsorientierung Lern- und Weiterbildungsbereitschaft Quelle: Ueberschär/Heipertz Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed. 37, 10/2002
7 Herausforderungen in der Pflegebranche l steigende Anforderungen an die Kompetenzen und die Leistungskraft des Pflegepersonals l zunehmende Arbeitsverdichtung und Stressbelastung l Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit der Pflegenden l Fluktuationsambitionen und Ausstieg aus dem Beruf l Nachwuchsprobleme auf dem Pflegearbeitsmarkt
8 Herausforderungen in der Pflegebranche l Wie können neue Fachkräfte gewonnen werden? l Wie können die vorhandenen Fachkräfte gesund und motiviert im Beruf gehalten werden? l Wie müssen Arbeitsbedingungen und Personalarbeit gestaltet werden?
9 Handlungsfelder Alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung Interventionsebene Personalführung und Rekrutierung Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung Qualifizierung und Kompetenzentwicklung Führung und Unternehmenskultur Gesundheit und Arbeitsschutz Demografie-Check Analyseebene
10 Ansatz: lebensphasenorientierte Arbeitsgestaltung in der Pflege Voraussetzungen, Fähigkeiten und Erwartungen der Mitarbeiter/innen Betriebliche Ressourcen- und Belastungssituation: Arbeitsanforderungen und Anreize
11 Analyseinstrumente: Wo steht der Betrieb in Bezug auf demografische Anforderungen? n Altersstrukturanalyse n Demografie-Check n Krankenstände auswerten n Ergebnisse aus BEM n Mitarbeiterbefragung n Gefährdungsbeurteilung n Asita (Arbeitssituationsanalyse) n WAI (Arbeitsbewältigungsindex) individuell und Gruppen bezogen
12 Beispiele für die Praxis: Maßnahmen zu den Handlungsfeldern alter(n)sgerechter Arbeitsgestaltung
13 Handlungsfeld Gesundheit und Arbeitsschutz l l l l l l l Gefährdungsbeurteilung auf Praxisnähe und Wirksamkeit überprüfen Gefährdungsbeurteilung für bestimmte Personen/Gruppen erstellen Attraktive, leicht zu handhabende Hilfsmittel einsetzen Mitarbeiter/innen am Beschaffen von Arbeits- und Hilfsmitteln beteiligen Arbeitsmittel in Testphasen auf Praxistauglichkeit überprüfen Auf Einhaltung wirksamer Pausen achten Teamfähigkeit und Teamarbeit stärken
14 Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung l Reduzierung von physischen und psychischen Belastungen/ Gefährdungen in der Arbeit l Alter(n)sgerechte Arbeitsumgebung l Arbeitsplatz-/Tätigkeitswechsel innerhalb der Einrichtung ermöglichen l Flexible Arbeitszeitmodelle (Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, Teilzeit etc...) l Altersgerechte Pausenregelungen (z.b. kürzer, aber häufiger)
15 ...am Beispiel der Arbeitszeitgestaltung Beanspruchungsfolgen bei Mitarbeitenden: l Schichtarbeiter/innen müssen gegen ihre innere Uhr und ihre Leistungsbereitschaft arbeiten und schlafen l bereits der Zweischichtbetrieb führt zu chronobiologischen und sozialen Beanspruchungen l unregelmäßige Schlafdauer führt zum chronischen Schlafdefizit l die physiologische Arbeitsbelastung im Spätdienst liegt 13% über der im Frühdienst, im Nachtdienst sogar 56% Arbeitsanforderungen l Personenbezogene Dienstleistungen können von den Mitarbeitern nur direkt an Ort und Stelle erbracht werden. l Pflegeeinrichtungen müssen deshalb 24 Stunden am Tag an 365 Tagen Pflegekräfte vorhalten (vollkontinuierliche Schichtarbeit). l Es gibt keine Alternative zur Schichtarbeit, die immer mit gesundheitlichen Risiken einhergeht.
16 Empfehlungen für eine gesundheitsförderliche, auch alter(n)sgerechte Arbeitszeitgestaltung l l l l Nicht mehr als 4 Nachtdienste hintereinander Möglichst lange Ruhephase nach einer Nachtdienstphase, mindestens 24 Stunden Geblockte freie Wochenenden sind besser als einzelne Tage Mehrbelastung durch mehr an Freizeit ausgleichen l l Vorwärts rotierende Schichtsysteme, d. h. Früh-Spät-Nacht Schnell rotierende Systeme bspw. 2 mal hintereinander den gleichen Schichttyp sind günstiger als langsam rotierende Systeme bspw. 4 mal hintereinander den gleichen Schichttyp aber: ohne Abgleich mit den lebensphasenabhängigen Anforderungen/ Erwartungen der Mitarbeitenden funktioniert es nicht...
17 Umsetzung l Dienstplangestaltung an den Bedürfnissen und der Lebenssituation der Mitarbeitenden orientiert, z.b. Entwicklung selbst gewählter Arbeitszeitmodelle l Erhöhung der Akzeptanz von gesundheitsförderlichen Arbeitszeitmodellen durch Orientierung an den Arbeitszeitwünschen der Mitarbeitenden l Zufriedenheit der Mitarbeiter/innen und Zufriedenheit der Patienten/ Bewohner/innen bedingen sich è bessere Pflegequalität durch zufriedene Mitarbeitende è è Arbeitszeitgestaltung ist dann gesundheitsförderlich, wenn sie die Bedürfnisse der Mitarbeiter/innen berücksichtigt. Einbeziehung der Mitarbeiter/innen als Expert/innen ihrer Arbeitssituation ist eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Implementierung
18 Handlungsfeld Führung l Vorurteile und negative Klischees aktiv bekämpfen und positive Aspekte des Alter(n)s kommunizieren l Führungskräfte sensibilisieren und ggf. zu alter(n)s- und gesundheitsgerechtem Arbeiten schulen l Lebensphasenrechte Personalentwicklungskonzepte und - gespräche mit allen Mitarbeitern zu ihrer beruflichen Entwicklungsplanung l Patensystem für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter l Altersgemischte Teams (wenn sinnvoll)
19 Handlungsfeld (gesundheitsförderliche) Führung Kommunikation Entscheidungs- und Handlungsspielräume Konfliktlösung Soziale Unterstützung Effektive Arbeitsorganisation Wertschätzung 19
20 Handlungsfeld Personalführung und -akquise l Gezieltes Marketing (Tag der offenen Tür, Veranstaltungen, Job- Messen, Sponsoring, Pressearbeit) l Nutzung aller vorhandenen Medien, auch der social media l Kooperation mit Schulen, Hochschulen, Ausbildungsstätten l Vergabe von Praktika, Bachelor-/Masterarbeiten l Ausbildung und Übernahme von Azubis
21
22 Risikofaktoren & Stressoren in der Pflege l Hoher Zeitdruck l Häufige Arbeitsunterbrechungen l Emotionale Belastungen (Konflikte, moralische Probleme) l Arbeitsplatzunsicherheit l Geringe Gestaltungsmöglichkeiten (Dienstplanung) l Wenig Anerkennung / Wertschätzung / Unterstützung Risikoprofil: eher psychische als körperliche Beanspruchungen
23 Wann werden (psychische) Belastungen gesundheitsgefährdend? Das Modell der Gratifikationskrisen Arbeitsengagement Belohnung persönliche Faktoren hoch gering ungünstig Hohe Wahrscheinlichkeit einer negativen Beanspruchungsreaktion (negative Wirkung auf die Gesundheit) Nach Siegrist 1996, 2001, 2015
24 Das Qualitätsdilemma l Hoher Anspruch/ hohe Erwartungen an die Qualität der eigenen Arbeit auch bei entgegengesetzter Entwicklung der Rahmenbedingungen è Kompensation l Wege aus der Problemtrance è Blick auf die Ressourcen
25 Lösungen lauern überall!
26 Gesundheitsförderliche Haltungen in der Arbeit l Den eigenen Handlungsspielraum in den Blick nehmen l Sich klar machen, dass es zu jedem Problem verschiedene Lösungen gibt, die Sie vielleicht noch nicht alle kennen l Klare Erfolgskriterien für die eigene Arbeit finden (wann habe ich meine Arbeit gut gemacht?) è prüfen, ob diese Erfolgskriterien auch mit den äußeren Erwartungen übereinstimmen l Immer wieder überprüfen, wie Sie bei chronischer Arbeitsüberlastung gegensteuern können l Immer wieder überprüfen, wofür Sie eigentlich verantwortlich sind, Überverantwortlichkeit zurücknehmen
27 Belastungen reduzieren - Ressourcen in der Arbeitssituation erkennen Arbeits-inhalt Welche Handlungs- und Gestaltungsspielräume habe ich/ haben wir als Team? Wofür habe ich Verantwortung und wo endet diese? Habe ich alle Informationen, die ich brauche, um meine Arbeit gut zu machen? Bin ich gut qualifiziert für meine Arbeit? Gelingt es mir, ein gesundes Maß an emotionaler Inanspruchnahme zu halten? Ist die Arbeitszeit klar geregelt? Gelingt es, die Pausen einzuhalten? Sind es echte Pausen? Wie gehe ich/ wie gehen wir als Team mit Zeitdruck um? Sind Zuständigkeiten klar geregelt? Wann funktioniert Arbeit gut? Arbeitsorganisation Zusammenarbeit im Team Führung Was sind hier fördernde Faktoren? Wann gelingt die Zusammenarbeit? Was hält uns zusammen? Wann gelingt der fachliche Austausch, wann der persönliche? Welche Bedeutung hat die Zusammenarbeit im Team für uns? Wann erlebe ich/ wann erleben wir Führung als unterstützend? Welches sind die wichtigsten Ressourcen, die Führung für mich/ für uns bereitstellt? Welchen Führungsstil erleben wir als förderlich?
28 Was bietet die BGW zum Thema alter(n)sgerechte Beschäftigung in der Pflege? l BGW Demografie-Quickcheck, BGW Demo-Check und BGW Altersstrukturanalyse auf l Seminar Älter werden in der Pflege Ansätze der Personal- und Organisationsentwicklung l Handlungshilfe für Unternehmen Älter werden im Pflegeberuf Fit und motiviert bis zur Rente l Beratung zur Organisationsentwicklung Älter werden im Beruf
29 Ansprechpartner und Links Weitere Informationen unter: in der Rubrik Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz Thema: Demografischer Wandel
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