VERHALTENSÖKONOMIE & MOBILITÄT: Was bedeuten die Erkenntnisse aus der verhaltensökonomischen Forschung für die Mobilitätsthematik?
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- Uwe Dunkle
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1 VERHALTENSÖKONOMIE & MOBILITÄT: Was bedeuten die Erkenntnisse aus der verhaltensökonomischen Forschung für die Mobilitätsthematik? Prof. Dr. Matthias Sutter Max Planck Institut Bonn und Universität zu Köln Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 19
2 Unter welchen Umständen es diesen Vortrag nicht bräuchte Die traditionelle Sicht der Wirtschaftswissenschaft ging davon aus, dass der Mensch rational ist, perfekt plant, geduldig ist, Kosten und Nutzen korrekt abwägt, Wahrscheinlichkeiten richtig einschätzt, seine Pläne einhält, Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 20
3 Moderne Wirtschaftswissenschaft sieht das anders Der Mensch macht Fehler, teilweise schwere, folgt Entscheidungsheuristiken, ist ungeduldig, lässt sich leicht verlocken, hält sich nicht an Pläne, berücksichtigt nicht alle Kosten und Nutzen, ist dem Status quo verhaftet, Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 21
4 Was zeigt die Verhaltensökonomie? Marktlösungen können kontraproduktiv wirken Ein Beispiel SITUATION Eine Kinderkrippe hat das Problem, dass einige Eltern ihre Kinder oft zu spät abholen. Die «Marktlösung» Wer zu spät kommt, muss zahlen die Kinderkrippe führt Strafzahlungen (umgerechnet ca. CHF 25,-) für Eltern ein, die ihre Kinder zu spät abholen. Was passiert? Löst dies das Problem der Unpünktlichkeit der Eltern? Gneezy, U.; Rustichini, A. (2000): A Fine is a Price. Journal of Legal Studies, Vol. 29, No. 1, pp Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 22
5 Was zeigt die Verhaltensökonomie? Gebühren können kontraproduktiv wirken Löst dies das Problem? Im Gegenteil! Selbst Eltern, die vormals pünktlich kamen, kommen jetzt zu spät. Was zeigt die Verhaltensökonomie? Pünktlichkeit ist eine soziale Norm: «man darf nicht zu spät kommen, weil die BetreuerInnen sonst warten müssen» Die Strafe transformiert diese soziale Norm in eine Marktnorm: «man kann zu spät kommen, wenn man dafür bezahlt» Hier war die gegebene soziale Norm stärker und wirkmächtiger sie zu «bepreisen» war kontraproduktiv. Gneezy, U.; Rustichini, A. (2000): A Fine is a Price. Journal of Legal Studies, Vol. 29, No. 1, pp Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 23
6 Was zeigt die Verhaltensökonomie? Wir entscheiden oft nicht rational Ein Beispiel zur Preissetzung bei Abonnements Der britische Economist bietet seinen Lesern zwei Möglichkeiten an, die Zeitschrift im Abonnement zu beziehen: Wählen Sie aus den folgenden Angeboten ihr passendes Abonnement aus. Was hat das mit Verhaltensökonomie zu tun? Ariely, D. (2009): Predictably irrational, New York: HarperCollins. Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 24
7 Was zeigt die Verhaltensökonomie? Wir entscheiden oft nicht rational Die Verhaltensökonomie und der «Ugly Brother» Fügt man jetzt eine zweite, klar schlechtere Option hinzu, entscheiden sich viel mehr Abonnenten für die teurere Variante. Wählen Sie aus den folgenden Angeboten ihr passendes Abonnement aus. Wählen Sie aus den folgenden Angeboten ihr passendes Abonnement aus. Wie Menschen entscheiden, hängt stark von der Gestaltung der Optionen («Choice Architecture») ab nicht nur von rationalen Überlegungen. Ariely, D. (2009): Predictably irrational, New York: HarperCollins. Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 25
8 Was zeigt die Verhaltensökonomie? Menschen reagieren nicht rational auf monetäre Anreize Ein Beispiel aus dem Experimente-Labor Ein Spieler erhält eine Summe von CHF 100. Er kann sich entscheiden, wie viel er einem ihm nicht bekannten Spieler im anderen Raum abgeben möchte. Dies entspricht der Belohnung, die beide für ihre Teilnahme am Experiment erhalten. Was sagt der «Markt»? Für den ersten Spieler ist es irrational, etwas abzugeben. Das zeigt die Verhaltensökonomie: Nicht wenige Spieler teilen aber zumindest einen gewissen Anteil. Kann dieser Effekt noch verstärkt werden? Thaler, R. H.; Sunstein, C. (2008): Nudge. Improving decisions about health, wealth, and happiness. New Haven, CT: Yale University Press. Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 26
9 Was zeigt die Verhaltensökonomie? Menschen reagieren nicht rational auf monetäre Anreize Ein kleiner Kniff führt die Marktprognose ad absurdum Jetzt ist der zweite Spieler nicht mehr nur passiver Empfänger, sondern kann entscheiden, ob er das Angebot annimmt oder ablehnt. Die von Spieler 1 vorgeschlagene Aufteilung des Geldes wird nur dann tatsächlich ausgezahlt, wenn sie von Spieler 2 auch akzeptiert wird. Was sagt der «Markt»? Jedes Angebot über 0 ist besser als nichts der Empfangende sollte alles annehmen. Der Spieler 2 sollte also alle Angebote, die für ihn mindestens 1 CHF hoch sind, annehmen. Das zeigt die Verhaltensökonomie: Unfaire Angebote werden abgelehnt, die Angebote sind deshalb viel höher, um Kooperation zu ermöglichen. Angebote unter 30% werden i.d.r. abgelehnt, auch wenn das dazu führt, dass keiner etwas erhält (Verhaltensökonomie: «Fairness-Präferenz»). Thaler, R. H.; Sunstein, C. (2008): Nudge. Improving decisions about health, wealth, and happiness. New Haven, CT: Yale University Press. Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 27
10 Zwischenfazit: Menschen weichen systematisch vom rationalen Verhalten ab Kognitive Fähigkeiten & Biases Menschen fällt es schwer, Alternativen zu bewerten. Emotionale Fähigkeiten & Soziale Präferenzen Menschen sind von ihren sozialen Präferenzen angetrieben Willenskraft & Zeitpräferenzen Durchhaltevermögen, intrinsische Motivation oder Selbstkontrolle beeinflussen menschliches Verhalten Identität & Soziale Normen Soziale Normen und Identität haben einen grossen Effekt auf die eigenen Entscheidungen Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 28
11 Mobilität Beispiel 1: U-Bahn-System in Washington, D.C. Ausgangslage Die «Marktlösung» Löst dies das Problem? U-Bahn-Auslastung in Washington, D.C.: Potomac River wird von gelber Linie über Brücke und von blauer Linie durch einen Tunnel überquert Blaue Linie überlastet Gelbe Linie nicht ausgelastet Verkehrsbehörde erhöht Taktfrequenz der Fahrten (mehr Fahrten der gelben Linie) um die Aus-lastung zu steuern Ziel: Nachfrage soll sich entsprechend erhören Viele Passagiere bleiben trotz überfüllter Waggons auf der blauen Linie Konsequenz: WMATA (Washington Metro) braucht neue Lösung Guo, Z.; Zhao, J.; Whong, C.; Mishra, P.; Wyman, L. (2017): Redesigning Subway Map to Mitigate Bottleneck Congestion: An Experiment in Washington DC Using Mechanical Turk. Transportation Research Part A, Vol. 106, pp Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 29
12 Mobilität Beispiel 1: Experiment Auswirkung des Karten-Designs DIE VERHALTENSWISSENSCHAFT ZEIGT: Je direkter die Linie von A nach B verläuft, desto eher wird sie von Passagieren gewählt Die Länge von vertikalen Linien wird relativ zu horizontalen Linien tendenziell überschätzt EXPERIMENT: VS RESULTAT: + 9.5% Idee: Neugestaltung der U-Bahn-Karte mit grafischer Streckung der blauen Linie Teilnehmende werden gebeten, ihre Route zu planen Diese einfache und kostengünstige Anpassung führt dazu, dass 9.5% der Reisenden ihre Route über die gelbe Linie statt über die überlastete blaue Linie planen! Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 30
13 Mobilität Beispiel 2: Anreizgestaltung in der Parkraumbewirtschaftung Ausgangslage Experiment: Welche Anreize bringen angesprochene VerkehrsteilnehmerInnen dazu, für eine Woche auf ihren Parkplatz zu verzichten? ZUFÄLLIGE ZUTEILUNG AUF: Eine finanzielle Entschädigung, $5 («Marktlösung») Angespannte Parkplatzsituation in Städten Der Campus der CalPoly University in San Luis, Kalifornien teilt das Problem vieler urbaner Räume: Zu viele Autos für zu wenig Parkraum Der «Markt» sagt: Ein gratis Getränk als Geschenk («soziale Norm») Ein gratis Getränk mit deklariertem Geldwert von $2 («sozial-finanziell») Ein Appell an das Gewissen und Umweltbewusstsein («altruistische Lösung») Menschen haben ein klares Verständnis von Wert, das sich finanziell ausdrücken lässt. Riggs, W. (2017): Painting the fence. Social norms as economic incentives to non automotive travel behavior. Travel Behavior and Society, Vol. 7, pp Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 31
14 Mobilität Beispiel 2: Anreizgestaltung in der Parkraumbewirtschaftung «Wie häufig wird das jeweilige Angebot angenommen?» Marktlösung Sozial 30.1% 34.5% Sozial + finanziell 13.3% Altruismus 42.5% 0% 10% 20% 30% 40% 50% Auch im Kontext von Mobilität erreicht die Marktlösung mitnichten die beste Wirkung. Riggs, W. (2017): Painting the fence. Social norms as economic incentives to non automotive travel behavior. Travel Behavior and Society, Vol. 7, pp Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 32
15 Mobilität Beispiel 3: Pendlerverhalten beeinflussen Ausgangslage Staus, Verschmutzung, Abgase, Wie können Pendlerinnen und Pendler stärker dazu gebracht werden, andere Verkehrsmittel als ihr eigenes Auto zu nutzen, um zur Arbeit zu gelangen? Ansatz: Soziale Normen: Beeinflussen die Einstellungen, Einschätzungen und Verhaltensweisen anderer Menschen das eigene Pendlerverhalten? Experiment: Teilnehmende werden gebeten, ihre Autonutzung über vier Wochen um 25% zu reduzieren. ZUFÄLLIGE ZUTEILUNG AUF: Starke soziale Norm: Teilnehmende erhalten die Information, dass vorherige Teilnehmende 26% einsparten. Schwache soziale Norm: Teilnehmende erhalten die Information, dass vorherige Teilnehmende nur rund 4% einsparen konnten. Keine soziale Norm: Teilnehmende erhalten überhaupt keine Information über das Verhalten bzw. die Erfolge anderer. Der «Markt» sagt: zum Thema soziale Normen nicht sehr viel. Diese sollten für die Entscheidungsfindung nicht bedeutsam sein. Kormos, C.; Gifford, R.; Brown, E. (2015): The influence of descriptive social norm information on sustainable transportation behavior. A field experiment. environment and behavior, Vol. 47 (5), pp Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 33
16 Mobilität Beispiel 3: Pendler als Herdentiere Zweite Norm-Setzung nach der Hälfte des Experiments: Starke soziale Norm: «Andere sparten 19% ein». Schwache soziale Norm: «Andere sparten 5% ein». Keine soziale Norm: Keine Information über die Erfolge anderer Woche 1 Woche 4 Starke soziale Norm Schwache soziale Norm Menschen orientieren sich in ihrem Verhalten sehr stark am Handeln anderer auch bezüglich der Mobilität. Kormos, C.; Gifford, R.; Brown, E. (2015): The influence of descriptive social norm information on sustainable transportation behavior. A field experiment. environment and behavior, Vol. 47 (5), pp Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 34
17 Zusammenfassung Der Mensch weicht systematisch vom rationalen Verhalten ab. Menschliches Verhalten ist von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt, die klassische Modelle von Angebot und Nachfrage nicht vorhersehen. Dies gilt insbesondere auch in Mobilitätsfragen. Auch in Fragen der Mobilität, etwa der Wahl des Verkehrsmittels, spielen Werte, soziale Normen oder andere Faktoren eine wesentliche Rolle für die Entscheidungen von Individuen. Monetäre Massnahmen sind oft nicht wirksam oder gar kontraproduktiv. Wer die wesentlichen Treiber des Entscheidungsverhaltens nicht versteht, richtet mit einer monetären Massnahmen kontraproduktive Wirkungen an. Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 35
18 Was muss getan werden? Forderungen der Verhaltensökonomie an die Politik und Praxis I Hören Sie auf zu glauben, dass der Mensch rational funktioniert. Menschen handeln systematisch irrational. II Misstrauen Sie Studien und daraus abgeleiteten Empfehlungen, die dies nicht berücksichtigen. Studien, die diese verhaltensökonomische Evidenz ignorieren, blenden wesentliche Aspekte menschlicher Entscheidungsfindung aus und kommen zu falschen Schlüssen. III Es muss ein Paradigmenwechsel stattfinden. Diese Erkenntnisse sind in der Mobilitätsforschung, Mobilitätspraxis und Mobilitätspolitik zwingend zu berücksichtigen. Alte Pfade sind zu verlassen. Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 36
19 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 37
20 Referenzen Gneezy, U.; Rustichini, A. (2000): A Fine is a Price. Journal of Legal Studies, Vol. 29, No. 1, pp Thaler, R. H.; Sunstein, C. (2008): Nudge. Improving decisions about health, wealth, and happiness. New Haven, CT: Yale University Press. Ariely, D. (2009): Predictably irrational, New York: HarperCollins. Guo, Z.; Zhao, J.; Whong, C.; Mishra, P.; Wyman, L. (2017): Redesigning Subway Map to Mitigate Bottleneck Congestion: An Experiment in Washington DC Using Mechanical Turk. Transportation Research Part A, Vol. 106, pp Avineri, E.; Waygood, O. (2013) Applying valence framing to enhance the effect of information on transport-related carbon dioxide emissions. Transportation Research Part A: Policy and Practice, Vol. 48, pp Riggs, W. (2017): Painting the fence. Social norms as economic incentives to non automotive travel behavior. Travel Behavior and Society, Vol. 7, pp Kormos, C.; Giffort, R.; Brown, E. (2015): The Influence of Descriptive Social Norm Information on Sustainable Transportation Behavior. A Field Experiment. Environment and Behavior, Vol. 47 (5), pp Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Verhaltensökonomie & Mobilität 27. Juni 2018 Bern 38
21 Die relevanten Treiber unseres Mobilitätsverhaltens Warum bewegen wir uns so fort, wie wir es tun? Gerhard Fehr Avenir Mobilité Zukunft Mobilität: Forumsanlass «Verhaltensökonomie & Mobilität: Was kann die Verhaltensökonomie zur Lösung der Mobilitätsprobleme beitragen?» Bern, 27. Juni 2018 #Experimentability
22 Ziele dieses Referats 1 Evidenzbasierter Überblick: Was sind die tatsächlichen Treiber des Mobilitätsverhaltens? Diskussion des Einfluss der Erkenntnisse über die Identifikation mit 2 der Was SRG passiert, SSR auf wenn strategische man diese und operative nicht berücksichtigt? Herausforderungen 3 Welcher Handlungsbedarf ergibt sich daraus? FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
23 Die «Standard-Ökonomie» glaubt zu wissen «Die Entscheidung, welches Verkehrsmittel wir wählen machen wir hauptsächlich von zwei Faktoren abhängig»: dass wir möglichst schnell ans Ziel kommen (Dauer) dass wir möglichst wenig Geld dafür zahlen müssen (Kosten) FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
24 Folgen für die Thematisierung von Mobilität (1/3) In der Forschung, «Breit angelegte Studien» unter Pendlerinnen und Pendlern fokussieren vor allem den Preis und Zeitfaktoren wie Staus Blick, über die «Mobilitätsstudie Sophia 2018», M.I.S. Trends / Le Temps, 23. Mai 2018 und wissenschaftliche Publikationen untersuchen vor allem die Effekte von Preissteigerungen und Auswirkungen der Reisedauer (Sensitivitätsanalysen). % derer, die das Auto wählen ETH Zürich, Vorlesung zu Forschungsdesigns im Mobilitätskontext, 2016 Die klassische wissenschaftliche Forschung fokussiert methodisch im Wesentlichen darauf, wie Änderungen an Preis oder Zeit sich auf das Mobilitätsverhalten auswirken. FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
25 Folgen für die Thematisierung von Mobilität (2/3) in der politischen Diskussion Städtische Mobilitätskonzepte sehen die Steuerung über Preismechanismen zum Teil ebenso für das geeignetste Mittel an swr.de, 17. Mai 2018 wie andere politische Akteure wie etwa die intensive Diskussion um den Pendlerabzug zeigt. Tagesanzeiger.ch, 4. Januar 2014 Die Politik sieht vor allem das Drehen an der Preis- und Kostenschraube als wirksames Mittel, Herausforderungen im Bereich der Mobilität zu begegnen. FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
26 Folgen für die Thematisierung von Mobilität (3/3) und in der Praxis Die naheliegendste Intervention für Veränderungen im Mobilitätsverhalten wird vor allem in Anpassungen des Preises gesehen dies gilt für Akteure in der Mobilität Aargauer Zeitung, 18. November 2017 wie für grosse Player in der Privatwirtschaft. Auch hier dominieren marktwirtschaftliche Preismechanismen. So wollen Zuger Firmen Staus verhindern Wer nicht mehr mit dem Auto kommen darf oder von sich aus auf einen Parkplatz verzichtet, bekommt automatisch monatlich einen Mobilitätsbonus von 40 Franken mit dem Salär überwiesen. zentralplus.ch, 11. Juli 2017 Und auch Praktiker der Mobilität argumentieren vor allem über den Preis als zentrales Instrument, das Mobilitätsverhalten der Menschen zu beeinflussen. FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
27 Deckt sich das mit unseren Lebenserfahrungen? Die verhaltensökonomische Forschung zeigt: Menschen werden von einer Vielzahl weiterer Faktoren beeinflusst, wenn sie ihr Verkehrsmittel wählen Zusätzlich zu Preis, Kosten und Zeit wird unsere Entscheidung von vielen anderen Faktoren beeinflusst: Kontextuelle Faktoren Besonders häufig werden Wetterinformationen vor der Verkehrsmittelwahl eingeholt und diese beeinflussen die getroffene Wahl erwiesenermassen stark Weitere mögliche Faktoren: Uhrzeit oder Wochentag, an denen die Entscheidung getroffen wird Verplanken et al. 1997; Stover & McCormack 2012 FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
28 Individuelle Faktoren spielen eine grosse Rolle Die verhaltensökonomische Forschung zeigt: Menschen werden von einer Vielzahl weiterer Faktoren beeinflusst, wenn sie ihr Verkehrsmittel wählen Zusätzlich zu Preis, Kosten und Zeit wird unsere Entscheidung von vielen anderen Faktoren beeinflusst: Individuelle Faktoren Die Art der Aktivität (z.b. Arbeitsweg) oder auch die Einkaufsmenge können Einfluss auf die Verkehrsmittelwahl nehmen Einkaufsfahrten sind oft mit anderen Zielen verknüpft komplexe Wegketten werden häufiger mit dem Auto ausgeführt als «Single-Trips» Credit Suisse Economic Research 2013; Ye et al., 2007 FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
29 Freude am Fahren: Nutzen ist nicht nur monetär Die verhaltensökonomische Forschung zeigt: Menschen werden von einer Vielzahl weiterer Faktoren beeinflusst, wenn sie ihr Verkehrsmittel wählen Zusätzlich zu Preis, Kosten und Zeit wird unsere Entscheidung von vielen anderen Faktoren beeinflusst: Psychologische Faktoren Wahrgenommene Nutzenbzw. Kostenfaktoren jenseits der zeitlichen und monetären Dimension Aspekte wie Status und Fahrvergnügen spielen ebenso eine Rolle für die Verkehrsmittelwahl wie gefühlte Unabhängigkeit und Privacy Steg, 2003; Stradling et al., 2001 FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
30 Der Mensch ist im Verkehr ein Gewohnheitstier Die verhaltensökonomische Forschung zeigt: Menschen werden von einer Vielzahl weiterer Faktoren beeinflusst, wenn sie ihr Verkehrsmittel wählen Zusätzlich zu Preis, Kosten und Zeit wird unsere Entscheidung von vielen anderen Faktoren beeinflusst: Gewohnheiten Im Zuge sich wiederholender Abläufe (etwa dem Weg zur Arbeit), greifen Menschen besonders häufig auf vereinfachte, automatisierte Entscheidungsmuster zurück Habitualisierung spielt bei der Verkehrsmittelwahl eine sehr grosse Rolle es wird nicht systematisch abgewogen Moller & Thogersen, 2008; Bamberg et al., 2003; Chen & Chao, 2011 FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
31 Zusammengefasst: Eine Vielzahl an Faktoren beeinflusst unsere Mobilitäts-Entscheidungen Zusätzlich zu Preis, Kosten und Zeit wird unsere Entscheidung massgeblich von vielen anderen Faktoren beeinflusst: KONTEXTUELLE FAKTOREN Etwa das Wetter, die Uhrzeit oder der Wochentag INDIVIDUELLE FAKTOREN Etwa die Art des Trips oder die Einkaufsmenge PSYCHOLOGISCHE FAKTOREN Etwa Flexibilität oder das Gefühl der Unabhängigkeit GEWOHNHEITEN weil man es einfach immer schon so gemacht hat. Zusammengefasst zeigt uns das FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
32 Ein Zwischenfazit Die konventionelle Annahme ist falsch! Bei Weitem nicht nur Zeit und Preis beeinflussen unser Mobilitätsverhalten sondern viele weitere Faktoren. FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
33 Was bedeutet das? Diese Erkenntnisse müssen zwingend berücksichtigt werden Die wissenschaftliche Forschung muss zwingend alle weiteren, für Mobilitätsentscheidungen relevanten Faktoren einbeziehen. In politische Diskussionen müssen die evidenzbasierten neuen Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie berücksichtigt werden. Die Mobilitätspraxis kann nur dann wirksame Lösungen finden, wenn sie die Ursachen und Zusammenhänge des tatsächlichen Verhaltens der Menschen versteht. FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
34 Was passiert, wenn man es nicht tut, zeigt folgendes Beispiel Eine klassische «Stated Preferences»-Befragung* Teilnehmende werden in repetitiven Abfragen gefragt, ob sie jeweils das Auto oder den ÖV wählen würden. Die einzigen Unterscheidungskriterien sind die Dauer (Fahrzeit, Parkplatzsuche, Weg zur Haltestelle, ) und die Kosten (Billets, Treibstoff, Parkplatz, ) Was ist das Ergebnis, wenn allein Preis und Zeit-Dauer für die Entscheidung zur Verfügung stehen? * Stated Preferences-Befragungen (SP-Befragungen): Befragungen zu persönlichen Präferenzen und Entscheidungen in einer zukünftigen, hypothetischen Situation FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
35 Was passiert, wenn nur Zeit- und Kostenfaktoren berücksichtigt werden? % der Teilnehmenden, die das Auto wählten Eine klassische «Stated Preferences»-Befragung Es zeigt sich eine enorm hohe Preissensitivität: Befragte reagieren sehr stark auf Veränderungen in den Preisen. Ist die Preisschraube damit der belegte, evidenzbasierte Hebel, um Mobilitätsverhalten zu steuern? 1: Auto preislich deutlich attraktiver 5: ÖV preislich deutlich attraktiver Dieses experimentelle Design unterstellt zwei Dinge: Menschen rechnen perfekt und der Kontext spielt keine Rolle. Quelle: FehrAdvice & Partners (2018): Der Mensch im Verkehr: Ein Homo Oeconomicus? Eine verhaltensökonomische Studie zu den Treibern des Mobilitätsverhaltens im Besonderen beim Einkaufsverkehr. Publikation: Juli 2018 FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
36 Was passiert, wenn zusätzlich nur schon drei Kontextfaktoren berücksichtigt werden? Eine experimentelle Befragung Zusätzlich zur analogen Struktur, eine Entscheidung basierend auf Kosten und Zeitdauer zu treffen, erhalten die Befragten drei weitere Informationen: Wie ist das Wetter? Wie gross ist der Einkauf? Stehen weitere Aktivitäten an? Wie ist das Ergebnis, wenn diese drei Kontextfaktoren den Befragten zusätzlich angegeben werden? Quelle: FehrAdvice & Partners (2018): Der Mensch im Verkehr: Ein Homo Oeconomicus? Eine verhaltensökonomische Studie zu den Treibern des Mobilitätsverhaltens im Besonderen beim Einkaufsverkehr. Publikation: Juli 2018 FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
37 Stated Preferences-Befragungen können zu massiven Fehleinschätzungen führen % der Teilnehmenden, die das Auto wählten Eine experimentelle Befragung 1: Auto preislich deutlich attraktiver 5: ÖV preislich deutlich attraktiver Kein Kontext Grosser Einkauf, schlechtes Wetter, komplexer Trip Durchschnitt aller Kombinationen unter den drei Kontexten* Werden von einer Vielzahl möglicher Kontextfaktoren lediglich drei genannt, ergibt sich ein völlig anderes Bild: Wer viel einzukaufen und danach noch etwas anderes zu erledigen hat, wählt mit viel höherer Wahrscheinlichkeit das Auto selbst wenn das viel teurer ist. Nur schon die Nennung einiger weniger Kontextfaktoren, verändert das Bild völlig und damit die Einschätzung über die Wirksamkeit der monetären Massnahmen. Quelle: FehrAdvice & Partners (2018): Der Mensch im Verkehr: Ein Homo Oeconomicus? Eine verhaltensökonomische Studie zu den Treibern des Mobilitätsverhaltens im Besonderen beim Einkaufsverkehr. Publikation: Juli 2018 FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
38 Fazit 1 Preise spielen für das Mobilitätsverhalten oft nur eine untergeordnete Rolle. 2 Mit Preis-Massnahmen lässt sich beim Mobilitätsverhalten der Menschen oft nicht die gewünschte Lenkungswirkung erzielen. 3 Preis-Massnahmen führen oft sogar zu kontraproduktiven Effekten. 4 Die Behörden tragen die Verantwortung dafür, dass nur Massnahmen ergriffen werden, die auch die gewünschte Wirkung zeigen. FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
39 Literatur Bamberg, S., Ajzen, I. & Schmidt, P. (2003). Choice of travel mode in the theory of planned behavior. The roles of past behavior, habit, and reasoned action. Basic and Applied Social Psychology, 25(3), Chen, C.F. & Chao, W.H. (2011). Habitual or reasoned? Using the theory of planned behavior, technology acceptance model, and habit to examine switching intentions toward public transit. Transportation Research Part F: Traffic Psychology and Behavior, 14(2), Credit Suisse Economic Research (2013). Retail Outlook Fakten und Trends FehrAdvice & Partners AG (2018). Der Mensch im Verkehr: Ein Homo Oeconomicus? Eine verhaltensökonomische Studie zu den Treibern des Mobilitätsverhaltens im Besonderen beim Einkaufsverkehr Moller, B.T. & Thorgensen, J. (2008). Car-use habits: An obstacle to the use of public transportation? In: Jensen-Butler, C., Madsen, B., Nielsen, O.A., Sloth, B. (eds.). Road Pricing. The Economy and the Environment, pp , Springer Verlag Steg, L. (2005). Car use: lust and must. Instrumental, symbolic and affective motives for car use. Transportation Research Part A: Policy and Practice, 39(2), Stover, V.W. & McCormack, E.D. (2012). The impact of weather on bus ridership in Pierce County, Washinton. Journal of Public Transportation, 15(1), 6 Stradling, S.G., Meadows, M.L. & Beatty, S. (2001). Identity and independence. Two dimensions of driver autonomy. In: Grayson, G.B. (ed.). Behavioral research and road safety (pp. 7-19), Crowthorne: Transport Research Laboratory Verplanken, B.; Aarts, H.; van Knippenberg, A. (1997). Habit, information acquisition and the process of making travel mode choices. European Journal of Social Psychology, 27, Ye, X., Pendyala, R.M. & Gottardi, G. (2007). An exploration of the relationship between mode choice and complexity of trip chaining patterns. Transportation Research B: Methodological, 41(1), FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
40 Die auf Seite 17 dargestellten Ergebnisse im Detail Ausführliche Informationen zu den auf Seite 17 dargestellten Ergebnissen, vgl. in der detaillierten Studie: Juni 2018 Der Mensch im Verkehr: Ein Homo Oeconomicus? Eine verhaltensökonomische Studie zu den Treibern des Mobilitätsverhaltens im Besonderen beim Einkaufsverkehr wird im Juni 2018 publiziert FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
41 Kontakt FehrAdvice & Partners AG Klausstrasse Zürich Tel Gerhard Fehr CEO/Managing Partner Tel FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
42 FehrAdvice & Partners AG, 27. Juni
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