Prophylaxe und Therapie der Hyperurikämie und Gicht

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1 Diplomarbeit Prophylaxe und Therapie der Hyperurikämie und Gicht Neues zu einer alten Erkrankung eingereicht von Melanie Ofensberger zur Erlangung des akademischen Grades Doktorin der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie unter der Anleitung von Univ.-Prof.i.R. Mag.pharm. Dr. Eckhard Beubler Graz, am

2 Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am Melanie Ofensberger eh. I

3 Widmung Meinen Eltern Johann und Gabriela in Dankbarkeit gewidmet II

4 Zusammenfassung Titel Prophylaxe und Therapie der Hyperurikämie und Gicht: Neues zu einer alten Erkrankung Hintergrund Die Gicht zählt mit einer steigenden Prävalenz und Inzidenz zu den häufigsten entzündlichen Gelenkserkrankungen weltweit. Obwohl neue ätiologische und pathophysiologische Erkenntnisse einen entscheidenden Wissenszuwachs gebracht haben und die Behandlungsmöglichkeiten in den vergangenen Jahren wesentlich erweitert wurden, ist die Therapie von Gichtpatienten dennoch oft unzureichend. Primärziel dieser Arbeit ist die Zusammenfassung der wichtigsten praxisrelevanten Erkenntnisse unter Berücksichtigung aktuell vorliegender Evidenz. Das besondere Interesse dieser Arbeit gilt den therapeutischen Interventionsmöglichkeiten der Gichterkrankung mit Gegenüberstellung der verschiedenen pharmakologisch-therapeutischen Ansatzpunkte. Methoden Die Arbeit versteht sich als Literaturrecherche, die auf Basis einschlägiger Literatur den aktuellen Wissens- und Forschungsstand zusammenfassend wiedergeben soll. In erster Linie diente die wissenschaftliche Datenbank PubMed bei der strukturierten Suche nach verwertbarer Literatur. Zudem erwiesen sich unter anderem das Informationsportal Cochrane Library, Veröffentlichungen von Arzneimittelzulassungsbehörden sowie nationale und internationale Leitlinien-Empfehlungen als nützliche Quellen. Ergebnisse Trotz Entwicklung und Zulassung neuer harnsäuresenkender Medikamente, ist der Xanthinoxidase-Hemmer Allopurinol aufgrund seiner Effizienz, langjähriger klinischer Erfahrung und niedriger Kosten nach wie vor das Mittel der ersten Wahl zur Harnsäuresenkung. Dennoch kann der Einsatz von Allopurinol bei manchen Patientengruppen limitiert sein. In diesen Fällen stellen der relative neue Xanthinoxidase- Hemmer Febuxostat und urikosurische Arzneimittel wertvolle Reservetherapeutika dar. Der Einsatz von Pegloticase ist für einen kleinen Teil der Gichtpatienten reserviert, bei denen III

5 trotz Höchstdosen konventioneller oraler harnsäuresenkender Arzneimittel die Harnsäurewerte hoch sind und der gewünschte Therapieerfolg ausbleibt. Bei der Akutbehandlung eines Gichtanfalls haben sich als antientzündlich wirkende Substanzen Colchicin, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und Glukokortikoide bewährt. Die Dual-Energy-Computertomographie (DECT) gewinnt als nicht-invasive Untersuchungsmethode, neben dem konventionellen Röntgen und Ultraschall, als bildgebendes Verfahren bei der Gichtdiagnostik zunehmend an Bedeutung. Der polarisationsmikroskopische Nachweis von Harnsäurekristallen aus einem Gelenkspunktat oder Tophusaspirat gilt aber nach wie vor als Goldstandard zur definitiven Diagnosesicherung der Gicht. Diskussion Es bleibt abzuwarten, ob sich erst kürzlich zugelassene und derzeit noch in Studien untersuchte Arzneimittel im praktischen Alltag als Gichttherapeutika etablieren. Jedenfalls bedarf es noch weiterer Forschungsarbeiten um den ätiopathogenetischen Mechanismus der Hyperurikämie bzw. Gicht endgültig zu verstehen. Schlagwörter Harnsäure, Gicht, Hyperurikämie, Kristallarthropathie, Arthritis IV

6 Abstract Title Prophylaxis and therapy for hyperuricemia and gout: new aspects of an old disease Background Gout is one of the most common inflammatory joint diseases with increasing prevalence and incidence. Although new aetiological and pathophysiological findings have led to a growth in knowledge and better treatment possibilities in recent years, the therapy of many gout patients, however, is insufficient. The primary goal of this thesis is to outline the most important practice-oriented findings, considering current evidence. Special interest is devoted to therapeutical intervention possibilities and the comparison of pharmacologicaltherapeutic approaches. Methods The thesis is based on extensive literature research to summarize the latest state of knowledge and most current findings. Predominantly, the database PubMed was used to systematically search for utilizable literature. In addition, the information portal Cochrane Library, publications of drug authorities and national and international therapy guidelines proofed useful. Results Despite the development and approval of new drugs, the xanthine-oxidase-inhibitor allopurinol is still the first choice for urate lowering therapy due to its efficacy, long-term clinical experience and low cost. However, the use of allopurinol only works up to a limited extent for some patient groups. In these cases, the relatively new xanthine oxidase inhibitor febuxostat and uricosuric drugs are valuable second-line therapeutic agents. The use of pegloticase is reserved for a small group of gout patients, who do not achieve suitable uric acid levels, despite receiving the highest possible dose of conventional urate lowering drugs. In the management of acute gouty arthritis colchicine, non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAID) and glucocorticoids proved themselves as anti-inflammatory agents. V

7 Apart from the conventional X-ray and ultrasound imaging, dual-energy computer tomography (DECT) is gaining in importance as a non-invasive modality for gout diagnosis. However, the best method for definitive diagnosis of gout remains the detection of uric acid crystals under polarized light microscopy. Discussion We will see, whether newly approved and currently investigated drugs will become established in everyday clinical practice or not. Whatever the outcome might be, the conclusion will confirm that further research remains necessary to come to a full understanding of the aetiopathogenesis of hyperuricemia and gout. Keywords Uric acid, gout, hyperuricemia, crystal arthropathy, arthritis VI

8 Inhaltsverzeichnis Eidesstattliche Erklärung... I Widmung... II Zusammenfassung... III Abstract... V Abkürzungsverzeichnis... XI Abbildungs- und Tabellenverzeichnis... XIV 1. Einleitung Ein Rückblick auf die Geschichte der Gicht Epidemiologie der Gicht Harnsäure und Hyperurikämie Purinstoffwechsel De-novo-Biosynthese der Purine Purinwiederverwertung (Salvage Pathway) Purinabbau Harnsäureausscheidung Renale Harnsäureausscheidung URAT GLUT ABCG NPT1 und NPT Andere Harnsäuretransporter...14 VII

9 6.2 Extrarenale Harnsäureausscheidung Ursachen der Hyperurikämie Primäre Hyperurikämie Sekundäre Hyperurikämie Exogene Einflussfaktoren Ernährung Purinreiche Lebensmittel Alkoholkonsum Milchprodukte Fruchtzucker Kaffee und Tee Vitamin C Medikamente Komorbiditäten Hyperurikämie als nützlicher Effekt? Von der Hyperurikämie zur Gicht (Pathophysiologie) Kristallinduzierte Arthritis Beendigung der Entzündungsreaktion Klinische Manifestationen Akuter Gichtanfall Bevorzugte Lokalisation eines Gichtanfalls Auslösende Faktoren eines Gichtanfalls Klinische Symptomatik und Verlauf eines Gichtanfalls Interkritische Phase der Gicht Chronisches Gichtstadium Klinische Symptomatik bei chronischer Gicht...29 VIII

10 13. Diagnostik Goldstandard und klinische Diagnosestellung Serumharnsäure Bildgebung Klassifikationskriterien der Gicht Therapeutische Interventionen Therapie des akuten Gichtanfalles Nicht-medikamentöse Therapie Medikamentöse Therapie Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) Colchicin Glukokortikoide Interleukin-1β-Inhibitoren Langzeittherapie zur Harnsäuresenkung Patientenschulung und lebensstilmodifizierende Maßnahmen Indikationen zur medikamentösen Harnsäuresenkung Beginn der harnsäuresenkenden medikamentösen Therapie Therapiedauer und Langzeitmanagement Anfallsprophylaxe Medikamentöse Harnsäuresenkung Therapie mit Urikostatika Allopurinol Febuxostat Therapie mit Urikosurika Probenecid Benzbromaron Lesinurad Therapie mit Urikolytika IX

11 Rasburicase Pegloticase Ein Vergleich internationaler Leitlinien Empfehlungen für den akuten Gichtanfall Empfehlungen für die harnsäuresenkende Therapie Therapiestandard in Österreich Ausblick Arhalofenat Topiroxostat Ulodesine (BCX4208) RDEA Levotofisopam KUX RLBN Material und Methoden Diskussion Literaturverzeichnis X

12 Abkürzungsverzeichnis ABC ACR AGREE AMP APEX APRT ATP BCRP bzw. CONFIRMS COX CT CYP DECT DNA EMA engl. et al. EULAR FACT FAST ATP-Binding-Cassette American College of Rheumatology Acute Gout Flare Receiving Colchicine Evaluation Adenosin-Monophosphat Allopurinol- and Placebo-Controlled Efficacy Study of Febuxostat Adenin-Phosphoribosyl-Transferase Adenosin-Triphosphat breast cancer resistance protein beziehungsweise Confirmation of Febuxostat in Reducing and Maintaining Serum Urate Cyclooxygenase Computertomographie Cytochrom P Dual-Energy-Computertomographie Desoxyribonukleinsäure European Medicines Agency englisch et alii European League Against Rheumatism Febuxostat versus Allopurinol Controlled Trial Febuxostat versus Allopurinol Streamlined Trial XI

13 FDA g Food and Drug Administration Gramm GLUT9 Glukose-Transporter 9 GMP GWAS HGPRT HIV HLA IL-1β IMP lat. mg mg/dl min ml MRP MSU NET NHANES NSAR OAT PEG ph PNP Guanosin-Monophosphat Genomweite Assoziationsstudien Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyl-Transferase Human Immunodeficiency Virus Human Leukocyte Antigen Interleukin-1-Beta Inosin-Monophosphat lateinisch Milligramm Milligramm pro Deziliter Minute Milliliter multidrug resistance protein Monosodiumurat neutrophil extracellular traps National Health and Nutrition Examination Survey nicht steroidale Antirheumatika organische Anionentransporter Polyethylenglykol potentia Hydrogenii Purinnukleosid-Phosphorylase XII

14 PPI PRPP RNA SJS sog. TEN Protonenpumpeninhibitor Phosphoribosyl-Pyrophosphat Ribonukleinsäure Stevens-Johnson-Syndrom sogenannte Toxisch epidermale Nekrolyse URAT1 Urat-Anionen-Transporter 1 USA XMP XO z.b. United States of America Xanthosin-Monophosphat Xanthinoxidase zum Beispiel % Prozent < kleiner > größer C Grad Celsius α β alpha beta XIII

15 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildung 1: Purinstoffwechsel, modifiziert nach Torralba et al. (31) 7 Abbildung 2: Rückkopplungshemmungen im Purin-Biosyntheseweg, modifiziert nach Horton et al. (20) 9 Abbildung 3: Vierkomponenten-Modell, modifiziert nach McLean et al. (16) 11 Abbildung 4: Harnsäure-Transportosom, modifiziert nach McLean et al. (16) 12 Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Entzündungsreaktion beim Gichtanfall, modifiziert nach Ludwig et al. (27) 25 Harnsäurekristall unter dem Lichtmikroskop (A) bzw. Polarisationsmikroskop (B), übernommen aus Richette et al. (13) 31 EULAR-Empfehlungen zum Management des Gichtanfalls, modifiziert nach Richette et al. (47) 38 Medikamentöse Harnsäuresenkung, modifiziert nach Sattui et al. (98) 50 Ergebnisse primärer Endpunkte der CLEAR1-Studie, übernommen aus Saag et al. (104) 62 EULAR-Empfehlungen zum Management der medikamentösen Harnsäuresenkung, modifiziert nach Richette et al. (47) 67 Medikamente in klinischen Studien, modifiziert nach Sattui et al. (98) 74 Inzidenz von Gichtanfällen über 12 Wochen, übernommen aus Poiley et al. (117) 76 Tabelle 1: Prävalenz der Komorbiditäten, modifiziert nach Zhu et al. (34) 23 Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Klassifikationskriterien der Gicht, modifiziert nach Dalbeth et al. (45) 35 Dosisreduktion von Allopurinol bei Niereninsuffizienz, modifiziert nach Stamp et al. (88) 52 Leitlinien-Empfehlungen zur Therapie des akuten Gichtanfalls, modifiziert nach Khanna et al. (7, 48), Kiltz et al. (35), Richette et al. (47), Zhang et al. (59), Jordan et al. (82) und Sivera et al. (114) 71 Leitlinien-Empfehlungen zur harnsäuresenkenden Therapie, modifiziert nach Khanna et al. (7, 48), Kiltz et al. (35), Richette et al. (47), Zhang et al. (59), Jordan et al. (82) und Sivera et al. (114) 72 XIV

16 1. Einleitung Die Gicht ist eine der ältesten uns bekannten Erkrankungen. Auf dem Boden eines erhöhten Harnsäurespiegels (Hyperurikämie) lagern sich Harnsäurekristalle in Gelenken und anderen Geweben ab, die in der Folge zu rezidivierenden, entzündlichen Gichtanfällen und einer chronisch destruierenden Gelenkserkrankung führen können. (1) Fortschritte der letzten Jahre haben viele neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten eröffnet. Dennoch zählt die Gicht bis dato immer noch zu den häufigsten entzündlichen Gelenkserkrankungen weltweit. Damit verursacht sie, neben einer großen subjektiven Krankheitslast, hohe sozioökonomische Kosten durch die Therapie und Arbeitsunfähigkeit betroffener Patienten. (2) Die folgende Arbeit soll praxisrelevante Erkenntnisse der Gichterkrankung zusammenfassen. Nach einer kurzen Einführung über geschichtliche Ereignisse und physiologische Grundlagen des Purinstoffwechsels sollen ätiologische und pathophysiologische Zusammenhänge Aufschluss über den Entstehungsmechanismus und klinische Manifestationsformen der Erkrankung bringen. In einem weiteren Kapitel werden diagnostische Möglichkeiten und unter anderem der Stellenwert moderner bildgebender Verfahren bei der Gichtdiagnostik diskutiert. Das besondere Interesse dieser Arbeit gilt den therapeutischen Interventionsmöglichkeiten der Gichterkrankung. Diese stützen sich zum einen auf eine antientzündliche Akutbehandlung eines Gichtanfalls und zum anderen auf eine langfristige Harnsäuresenkung als kausalen Therapieansatz. Publizierte Leitlinien großer rheumatologischer Fachgesellschaften liefern wertvolle praxisrelevante und evidenzbasierte Empfehlungen zum Management der Gicht. Abschließend werden innovative und teils vielversprechende Arzneimittel dargestellt, die derzeit in klinischen Studien untersucht werden. 1

17 2. Ein Rückblick auf die Geschichte der Gicht Die Gicht ist eine der am längsten bekannten Krankheiten. (1) Offenbar waren schon Dinosaurier von Gicht geplagt. Hinweise dafür hat Bruce Rothschild vom Arthritis Center in Youngstown geliefert. Er entdeckte an Mittelhandknochen eines Tyrannosaurus rex im Naturkundemuseum in Denver Knochenläsionen, die denen von Gichtpatienten ähneln. Einer von weiteren untersuchten 83 Tyrannosaurus rex wies ähnliche Spuren auf. (3) Erste Hinweise, dass die Gicht wohl bereits einige tausend Jahre vor Christi Geburt die Menschen befallen hat, liefern Funde aus dem alten Ägypten. In einer 7000 Jahre alten Mumie wurde ein Nierenstein mit Harnsäurebestandteilen entdeckt. Wissenschaftler beschrieben außerdem Harnsäureablagerungen in der Großzehe des Skelettes einer männlichen Leiche, die auf einem ägyptischen Friedhof begraben war. Hippokrates beschrieb 400 Jahre vor Christi Geburt als Erster das Leiden der Gicht als eine Krankheit, bei der selbst das normale Gehen schwerfällt. Er verwendete bereits die Begriffe Podagra, Chiagra oder Gonagra, je nachdem, ob Fuß, Hand oder Knie befallen waren. Darüber hinaus assoziierte Hippokrates dieses Leiden schon damals mit einem ausschweifenden, übermäßigen Lebensstil und bezeichnete die Gichterkrankung als Arthritis der Reichen und Wohlhabenden. Ferner beschrieb er, dass die Gicht vor allem bei erwachsenen Männern auftrete und bei Frauen vor der Menopause selten sei. Sechs Jahrhunderte später beschrieb Galen, ein griechischer Mediziner und Philosoph, das erste Mal Tophi. Bekannt ist uns Galen durch seine Vier-Säfte-Lehre oder Humoralpathologie, die damals und lange Zeit später allgemeine Gültigkeit besaß, um das Entstehen von Krankheiten zu erklären. (4) So wurde aus den Grundsätzen der damals herrschenden Humoralpathologie ein Ungleichgewicht der vier Säfte als ursächlich für die Gicht angenommen. Aus diesen Zeiten stammt auch der Begriff der Gicht aus dem Wort gutta (lat. Tropfen) mit der Annahme, dass ein Gift tropfenweise in die Gelenke eindringe und die Schmerzen und Entzündung hervorrufe. (1) Eine exakte Beschreibung der Symptomatik eines Gichtanfalls verdanken wir dem gichtkranken Arzt und Wissenschaftler Thomas Sydenham aus dem Jahre Er schilderte sehr eindrucksvoll die Klinik einer Arthritis-urica-Attacke folgendermaßen: Das Opfer geht zu Bett und schläft in voller Gesundheit ein. Gegen 2 Uhr morgens wird es durch einen heftigen Schmerz im großen Zehen geweckt, seltener ist dieser Schmerz in der Ferse, im Sprunggelenk oder an der Innenseite des Mittelfußes. Der Schmerz gleicht dem 2

18 einer Verstauchung, und dazu hat man an der betreffenden Stelle das Gefühl, als würde kaltes Wasser darüber gegossen. Dann folgen Frösteln und Zittern und geringes Fieber. Der Schmerz, der zuerst mäßig ist, wird stärker. Mit seiner Intensität verstärken sich auch das Frösteln und Zittern. Nach einer gewissen Zeit ist der Höhepunkt erreicht, der Schmerz setzt sich in den Knochen und Bändern des Mittelfußes fest. Bald ist ein heftiges Ziehen und Reißen der Bänder, bald ein nagender Schmerz, bald ein Drücken und Spannen. Die Empfindlichkeit der befallenen Stellen ist so ausgeprägt und stark, daß dort weder das Gewicht des Bettzeugs noch die Erschütterung, die eine Person durch das Gehen im Zimmer verursacht, ertragen werden kann. Die Nacht wird verbracht in Folterqualen und Schlaflosigkeit (5) Nachdem Carl Scheele ( ) die Harnsäure im Urin entdeckt hatte, isolierte W.H. Wollaston 1797 Harnsäure aus einen Gichttophus. Schließlich war es Alfred Baring Garrod, der hohe Harnsäurewerte bei Gichtkranken im Blut nachwies. Mit seinem berühmten Faden-Test demonstrierte er das Vorhandensein der Harnsäure im Blut. Die Vorstellung, dass eine Hyperurikämie die Ursache der Gicht ist, war somit entstanden. (4) Freudweiler konnte später die Entdeckungen Garrods experimentell bestätigen, indem er durch intraartikuläre Injektion von Uratkristallen Gichtanfälle provozierte. Seegmiller und seine Mitarbeiter beschrieben schließlich eine Überproduktion bzw. eine eingeschränkte Ausscheidung der Harnsäure als Ursache der Hyperurikämie. (1) Auch die Therapie der Gicht zeigt eine interessante Entwicklung von Hippokrates bis heute in das 21. Jahrhundert. Hippokrates, der bereits seinerzeit den Einfluss des ausschweifenden Lebensstils auf die Gichterkrankung erkannte, hat schon damals auf die Mäßigung der Lebensführung bei Gichtkranken hingewiesen und empfahl unter anderem die Weiße Nieswurz als prophylaktische und therapeutische Maßnahme. Zu Zeiten von Galen und lange Zeit danach waren Aderlässe schließlich eine beliebte Therapie. (4) Colchicin, ein altes Heilmittel, das aus der Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale) gewonnen wird, soll offenbar schon bei den Griechen als abführendes Mittel bekannt gewesen sein. Alexander von Tralles, ein Arzt des sechsten Jahrhunderts, erkannte als Erster die nützliche Wirkung des Colchicins als Gichttherapeutikum. Schon damals waren die oft schweren gastrointestinalen Nebenwirkungen dieses Mittels bekannt. Nicht zuletzt deswegen geriet Colchicin danach lange Zeit in Vergessenheit. (1) Erst mit Anton Störck, dem Arzt von Maria Theresia, erlebte Colchicin schließlich wieder seinen Aufschwung und wird bis heute als Gichttherapeutikum genutzt. (4) 3

19 Nachdem schließlich urikosurisch wirkende Mittel im 20. Jahrhundert Einzug gehalten haben, kam es zur wohl bedeutendsten Entwicklung in der Geschichte der Gichtbehandlung: Allopurinol, der erste Xanthinoxidase-Inhibitor, wurde von George Hitchings und Gertrude Elion entwickelt, wofür sie 1988 den Nobelpreis für Medizin erhielten. Bis heute ist Allopurinol das Mittel der ersten Wahl zur Senkung des Harnsäurespiegels geblieben. (1) 3. Epidemiologie der Gicht War Gicht ehemals eine Krankheit der Reichen, so ist sie heute nicht mehr nur dem ausschweifenden Lebensstil der Wohlhabenden vorbehalten. Die Gicht ist zu einer der häufigsten entzündlichen Gelenkserkrankungen mit weltweit steigender Prävalenz und Inzidenz geworden. Bei Männern ist sie sogar die häufigste entzündliche Gelenkserkrankung überhaupt. (6) Dieser Anstieg wird von Wissenschaftlern durch die steigende Lebenserwartung der Gesellschaft, veränderte Ernährungsgewohnheiten und durch die Zunahme von Komorbiditäten und die damit verbundene Vielfachmedikation, erklärt. (7) Die Angaben zur Prävalenz sind in den einzelnen Ländern teilweise sehr verschieden, was auf genetische Besonderheiten der untersuchten Bevölkerungsgruppen und deren oft unterschiedliche Ernährungs- und Lebensstilgewohnheiten zurückzuführen ist. Sie reichen von 0,03 % bei nigerianischen Männern bis hin zu 15,2 % bei männlichen taiwanesischen Ureinwohnern. In unseren westlichen Breiten kann man davon ausgehen, dass die Prävalenz bei erwachsenen Männern in etwa 1 bis 2 % beträgt. (6) So ergab beispielsweise eine epidemiologische Studie eine Prävalenz von 1,4 % in Großbritannien und Deutschland. (8) Aus Untersuchungen in den USA, Großbritannien, China und Neuseeland geht hervor, dass die Gichtprävalenz in den letzten Jahrzehnten einer stetigen Zunahme unterliegt. So betrug diese bei epidemiologischen Studien aus Großbritannien in den Siebzigerjahren 0,26 %, in den frühen Neunzigerjahren dagegen 0,95 %. In den USA verdoppelte sich die Prävalenz der Gicht bei den über 75-Jährigen zwischen 1990 und (9) Zudem zeigte die National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES)-Studie, dass die Prävalenz der Gicht in den Jahren im Vergleich zu Untersuchungen aus den Jahren signifikant höher war. (10) 4

20 Dass auch die Inzidenz der primären Gicht im Steigen begriffen ist, konnte durch eine Studie in der amerikanischen Stadt Rochester im Bundesstaat Minnesota gezeigt werden, bei der in den Jahren und alle Fälle von akuter Gicht registriert wurden. Im 2-Jahres-Intervall von wurde eine jährliche Inzidenz von 45 pro , in den Jahren von 62,3 pro registriert. Die Inzidenz der sekundären, durch Diuretika bedingten Gicht, hat sich über die Zeit nicht verändert. (11) Bei der Gicht zeigen sich zudem geschlechts- und altersabhängige Unterschiede. So sind Männer in etwa drei bis viermal häufiger betroffen als Frauen, was auf die bis zur Menopause urikosurisch wirkenden Östrogene zurückzuführen ist. Erst mit zunehmenden Alter wird dieser Geschlechtsunterschied geringer. (12) Generell zeigt sich, ungeachtet um welches Geschlecht es sich handelt, eine steigende Inzidenz der Gichterkrankung im höheren Lebensalter. (9) 4. Harnsäure und Hyperurikämie Harnsäure ist eine schwache Säure, die bei einem physiologischen ph-wert von 7,4 zu 98 % in ihrer ionisierten Form als Urat vorliegt. Wegen der hohen Natriumkonzentration in der extrazellulären Flüssigkeit, handelt es sich dabei vor allem um Natriumurat (monosodium urate, abgekürzt MSU), dessen Löslichkeitsgrenze bei 37 C und einem ph- Wert von 7,4 in etwa bei 6,4 mg/dl liegt. (13) Urat als ionisierte Form ist etwas besser wasserlöslich als die Harnsäure selbst. (14) Die Aktivität des Enzyms Uricase, welches die schlecht wasserlösliche Harnsäure in das wesentlich besser wasserlösliche Allantoin überführt, ging im Laufe der Evolution vor zehn bis 20 Millionen Jahren durch Mutationen verloren. Dies brachte bis zu zehnfach höhere Harnsäurekonzentrationen verglichen mit anderen Säugetieren mit sich. (15) Wird die durch physikochemische Gesetzmäßigkeiten festgelegte Löslichkeitsgrenze von 6,4 mg/dl überschritten, spricht man definitionsgemäß von Hyperurikämie, also einer erhöhten Harnsäurekonzentration im Blut. Dies führt bei entsprechenden physikalischen Bedingungen zur Ausfällung von Harnsäure in Form von Natriumuratkristallen ins Gewebe. (13) Ein bei Frauen in der Regel gegenüber Männern niedrigerer Serumharnsäurespiegel resultiert aus dem urikosurischen Effekt der Östrogene, der durch Interaktionen an renalen Harnsäuretransportern mit verminderter Harnsäure-Reabsorption zustande kommt. Mit 5

21 Beginn der Menopause erreichen Frauen dann aber den Männern vergleichbare Werte. (16) Der Harnsäurespiegel ist bei Kindern niedriger als bei Erwachsenen. Während bei Männern die Harnsäurekonzentration mit der Pubertät ansteigt und anschließend konstant bleibt, zeigen Frauen zunächst einen mäßigen Anstieg mit nachfolgender Plateauphase bis zur Menopause und danach einen erneutem Anstieg der Harnsäurewerte. (17) Die Prävalenz der Hyperurikämie lag in einer deutschen Studie bei weiblichen Blutspendern bei 2,6 % und bei männlichen bei 28,6 %. Laut der Framingham-Studie betrifft die Hyperurikämie 9,2 % der Männer und 0,4 % der Frauen, wovon nur knapp 20 % der Hyperurikämiker tatsächlich eine Gicht entwickeln. (17) In einer weiteren Untersuchung konnte gezeigt werden, dass bei Harnsäurespiegeln von 9,0 mg/dl oder mehr die kumulative Inzidenz der Gichtarthritis 22 % nach fünf Jahren beträgt. (18) Nicht alle Patienten mit Hyperurikämie entwickeln also eine Gicht und ein Großteil der Betroffenen bleibt klinisch asymptomatisch. Mit steigendem Harnsäurespiegel nimmt jedoch das Risiko, an einer Gicht zu erkranken, zu. So konnte in einer Studie gezeigt werden, dass die jährliche Gichtinzidenz 0,1 % bei Harnsäurespiegeln unter 7,0 mg/dl beträgt, 0,5 % bei Werten zwischen 7,0 und 8,9 mg/dl und 4,9 % wenn die Harnsäure im Serum 9,0 mg/dl oder mehr beträgt. (18) Die Gesamtmenge der im Körper vorhandenen Harnsäure wird als Harnsäurepool bezeichnet. Dieser beträgt normalerweise in etwa 1 g beim Erwachsenen. Die Menge der Harnsäure in diesem Pool ist sowohl von der Purinzufuhr aus der Nahrung (mehr als 300 mg pro Tag), von der endogenen Harnsäuresynthese (etwa 350 mg pro Tag) und von der Harnsäureausscheidung abhängig. Eine Hyperurikämie ist Zeichen eines vergrößerten Harnsäurepools. Dieser kann Werte bis zu 30 g annehmen. (17) An dieser Stelle soll auf die oft synonyme Verwendung der Begriffe Harnsäure und Urat hingewiesen werden, womit meist der Gesamtpool der Harnsäure in ihrer sowohl ionisierten als auch nicht-ionisierten Form gemeint ist. (19) 5. Purinstoffwechsel Harnsäure entsteht beim Menschen als Endprodukt des Purinstoffwechsels. Purine sind neben den Pyrimidinen Bausteine der Nukleotide, die uns vor allem durch ihre Rolle als Bestandteile der Nukleinsäuren (DNA und RNA) bekannt sind. 6

22 Der Purinstoffwechsel beinhaltet die vollständige Neubildung von Purinnukleotiden (Denovo-Biosynthese), die wirkungsvolle Wiederverwertung von anfallenden Purinbasen (Salvage Pathway) und den Purinabbau mit dem Entstehen der Harnsäure. (20) Wenngleich die Synthese und Verstoffwechselung von Purinen in allen Geweben stattfindet, läuft die Harnsäuresynthese nur in Geweben ab, die das Enzym Xanthinoxidase beherbergen. Dieses ist vorwiegend in Leber und Dünndarm anzufinden. (17) Die einzelnen Reaktionsschritte des Purinstoffwechsels sind in Abbildung 1 dargestellt. Abbildung 1: Purinstoffwechsel, modifiziert nach Torralba et al. (31) 7

23 5.1 De-novo-Biosynthese der Purine Ausgangssubstanz für die De-novo-Synthese der Purine ist Ribose-5-Phosphat (entstammt hauptsächlich aus dem Pentosephosphatweg), das zunächst in einer ATP-verbrauchenden Reaktion durch die Phosphoribosyl-Pyrophosphat-Synthetase in seine aktivierte Form, das Phosphoribosyl-Pyrophosphat (PRPP) überführt wird. Anschließend folgt ein Reaktionsweg, der schließlich zur Bildung eines Purinringsystems mit Inosin- Monophosphat (IMP) als Endprodukt führt. 5-Phosphoribosylamin ist das erste Reaktionsprodukt dieses Weges und entsteht indem die Pyrophosphatgruppe des PRPP durch eine Amidgruppe eines Glutamins ersetzt wird. Diese Reaktion wird durch das Enzym Amido-Phosphoribosyl-Transferase katalysiert, welches die Geschwindigkeit des Stoffwechselweges bestimmt (Schrittmacherenzym). (21) Die Synthese von IMP benötigt erhebliche Mengen an Energie. (20) Nach der Bildung von IMP, das als Ausgangsprodukt für alle weiteren Purine fungiert, verzweigen sich die Wege der Purinbiosynthese. Adenosin-Monophosphat (AMP) und Guanosin-Monophosphat (GMP) werden beide in jeweils zwei Schritten aus IMP als gemeinsame Vorstufe gebildet. Für jede dieser Umwandlungen sind zwei enzymatisch katalysierte Reaktionen erforderlich. So wird bei der Herstellung des AMP zunächst das Zwischenprodukt Adenylosuccinat gebildet, während bei der Herstellung des GMP zunächst Xanthosin-Monophosphat (XMP) entsteht. Die so entstandenen Monophosphate können schließlich noch durch Phosphorylierung zu ihren Triphosphaten werden. (21) Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, wird die Biosynthese der Purine durch verschiedene Rückkopplungsmechanismen reguliert (Abbildung 2). So hemmen sowohl IMP, AMP als auch GMP die beiden Reaktionen vom Ribose-5-Phosphat zum PRPP und jene vom PRPP zum 5-Phosphoribosylamin. Die Wege zu AMP und GMP, die von IMP abzweigen, werden ebenfalls durch einen Rückkopplungsmechanismus beeinflusst, indem AMP und GMP jeweils ihren eigenen Biosyntheseweg hemmen. (21) 8

24 Abbildung 2: Rückkopplungshemmungen im Purin-Biosyntheseweg, modifiziert nach Horton et al. (20) 5.2 Purinwiederverwertung (Salvage Pathway) Durch den Abbau von Nukleotiden bzw. durch Zufuhr von Basen über die Nahrung entstehen in den Zellen unseres Organismus ständig freie Purinbasen, die im sog. Salvage Pathway (engl. Bergungsweg) wieder zu vollständigen Nukleotiden wiederverwertet werden können. Dieser Recyclingprozess ist viel weniger aufwändig für unsere Zellen als eine Denovo-Synthese von Nukleotiden, weshalb dieser Vorgang auch bis zu 90 % der Purinnukleotid-Biosynthese in unseren Zellen ausmacht. Freie Purinbasen, die in unseren Zellen anfallen, sind Adenin aus AMP, Guanin aus GMP und Hypoxanthin aus IMP. Bei der Recycling-Reaktion des Salvage Pathway werden mithilfe von Phosphoribosylphosphat (PRPP) die freien Purinbasen zu Nukleotiden verknüpft. Für die Synthese von AMP ist das Enzym Adenin-Phosphoribosyl-Transferase (APRT) notwendig, die Synthese der beiden Nukleotide GMP und IMP katalysiert die Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyl-Transferase (HGPRT). (21) 9

25 5.3 Purinabbau Obwohl die meisten freien Purinbasen der Wiederverwertung zugeführt werden, findet wenn auch nur zu einem geringen Teil ein Abbau der Purinbasen zur Harnsäure statt. Der Weg vom AMP zum vorläufigen Inosin kann entweder mithilfe der AMP-Desaminase über IMP mit anschließender Umwandlung zu Inosin laufen oder eine hydrolytische Abspaltung von Phosphat aus AMP liefert Adenosin, das durch die Adenosin-Desaminase zu Inosin wird. Inosin wird schließlich in Hypoxanthin überführt. Als abschließender Schritt wird die Xanthinoxidase aktiv, die Hypoxanthin zu Xanthin oxidiert. GMP wird über Guanosin zu Guanin, das anschließend zu Xanthin umgewandelt wird. Letzteres wird durch die Guanin-Desaminase katalysiert. Im letzten Schritt vereinigen sich die Abbauwege von AMP und GMP. Die Xanthinoxidase wandelt schließlich Xanthin in das Endprodukt des Purinabbaus, die Harnsäure, um. (20) Im Gegensatz zu fast allen anderen Säugetieren besitzt der Mensch das Enzym Uricase nicht, mit dem eine Ringöffnung der Harnsäure zum Allantoin möglich wäre. (21) 6. Harnsäureausscheidung Trotz des Verlustes der Uricaseaktivität ist der menschliche Körper normalerweise in der Lage die anfallende Harnsäure in ausreichendem Ausmaß zu eliminieren. Die Harnsäureelimination erfolgt zu zwei Drittel über die Nieren und zu etwa einem Drittel über den Darm. (13, 15) Insgesamt beträgt die physiologische tägliche Harnsäureausscheidung beim Erwachsenen bis zu 800 mg unter normaler Kost und bis zu 600 mg unter purinarmer Kost. (17) 6.1 Renale Harnsäureausscheidung Schon lange ist bekannt, dass die Nieren eine große Rolle bei der Aufrechterhaltung der Harnsäure-Homöostase spielen, denn sie sind für 60 bis 70 % der gesamten Harnsäureausscheidung zuständig. (19) Da Urat im Plasma nur minimal an Proteine gebunden ist, wird es an den Glomeruli der Nieren zu nahezu 100 % frei in das Tubulussystem filtriert. Durch Rückresorptions- und Sekretionsprozesse die vor allem im proximalen Tubulus stattfinden, werden aber 10

26 schließlich nur etwa 5 bis 10 % der ursprünglich filtrierten Menge mit dem Harn ausgeschieden. (22) Die klassische Vorstellung des Harnsäuretransports in den Nieren wurde seit Jahrzehnten durch das sog. Vierkomponenten-Modell erklärt (Abbildung 3). Nach diesem Modell wird die endgültige renale Harnsäureausscheidung durch vier hintereinander geschaltene Prozesse reguliert: Zunächst wird Harnsäure bzw. seine ionisierte Form, das Urat, nahezu vollständig glomerulär filtriert. Danach wird fast die gesamte zuvor filtrierte Menge im proximalen Tubulus wieder rückresorbiert, gefolgt von einer Sekretion (50 %) und einer zuletzt stattfindenden postsekretorischen Rückresorption (40-50 %). (16) Harnsäure-Exkretion (5-10 %) Tubuluslumen Filtration 100 % Nierenkörperchen Postsekretorische Reabsorption (40-50 %) Sekretion (50 %) Präsekretorische Reabsorption (99 %) Abbildung 3: Vierkomponenten-Modell, modifiziert nach McLean et al. (16) Die Vorstellungen des Harnsäuretransports in den Nieren haben sich in den letzten Jahren durch Entdeckung und Charakterisierung von renalen Harnsäuretransportern aber stark verändert. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass Rückresorption und Sekretion im proximalen Tubulus keinesfalls nacheinander geschalten stattfinden, wie es ursprünglich im Vierkomponenten-Modell postuliert wurde. Vielmehr findet man ein Nebeneinander von Sekretions- und Rückresorptionsprozessen, die keiner strikten Anordnung entlang des renalen Tubulussystems folgen. Das Vierkomponenten-Modell gilt deshalb heute weitgehend als obsolet. (22) Dennoch kann es hilfreich sein, um eine Vorstellung über die große Menge an Reabsorptions- und Sekretionsprozesse zu gewinnen. Weil Urat bei physiologischem ph-wert als schwache Säure fungiert, kann es nicht ohne weiteres Zellmembranen passieren. Urat ist deshalb für seinen transmembranären 11

27 Durchtritt auf die Hilfe von Transporter angewiesen. (15) Molekulargenetische Untersuchen haben zahlreiche solche Transporter identifiziert, die in die renale Harnsäureausscheidung involviert sind. Unter diesen scheinen die Transporter URAT1 und GLUT9 jene mit den bisher besten Erkenntnissen und mit der höchsten Beeinflussung des Harnsäurespiegels zu sein. (19) In ihrer Gesamtheit werden die renalen Harnsäuretransporter (Abbildung 4), die in die Harnsäurehomöostase involviert sind, auch oft als Harnsäure-Transportosom (engl. uric acid transportasome bzw. urate transportasome) bezeichnet. (22, 23) apikale Membran proximale Tubuluszelle Na + Anionen URAT1 GLUT9 ABCG2 NPT1 NPT4 andere Transporter basolaterale Membran peritubuläre Kapillare GLUT9 andere Transporter Abbildung 4: Harnsäure-Transportosom, modifiziert nach McLean (16) URAT1 Der erste große Durchbruch bei der Identifizierung von wichtigen Harnsäuretransportern war die Entdeckung des Urat-Anionen-Transporters 1 (URAT-1), der durch das Gen SLC22A12 kodiert wird und zur Überfamilie der Transporter für organische Anionen (Organic Anion Transporter, abgekürzt als OAT) gehört. (19) URAT1 ist präferenziell an der apikalen (luminalen) Membran proximaler Tubuluszellen lokalisiert und vermittelt den rückresorbierenden Transport von Urat aus dem Primärharn in die Tubuluszelle im Austausch gegen eine Reihe verschiedener organischer und anorganischer Anionen, z.b. Laktat oder Acetoacetat. Die Letzteren werden anschließend hauptsächlich über einen Natrium-Anionen-Cotransporter wieder aus dem tubulären Lumen in die Tubulusepithelzellen aufgenommen. (24) 12

28 Der Urat-Anionen-Austauscher ist hochspezifisch für Harnsäure und stellt den derzeit bedeutendsten Weg der tubulären Harnsäurerrückresorption beim Menschen dar. Diese Schlüsselrolle des URAT1-Transporters bei der Regulation des Serumharnsäurespiegels wird durch den Nachweis von Mutationen im URAT1 mit Funktionsverlust (Loss-of-function- Mutationen) bei Patienten mit idiopathischer renaler Hypourikämie unterstrichen. (24) Selbst bei Patienten mit kompletter Loss-of-function-Mutation des URAT1-Transporters konnte aber eine noch wenn auch nur geringe stattfindende Urat-Rückresorption gezeigt werden. Diese Beobachtungen lassen vermuten, dass neben dem URAT1 noch andere Transporter an der Reabsorption des Urats im renalen Tubulussystem beteiligt sind. (19) GLUT9 Der Glukose-Transporter vom Typ 9 (GLUT9) ist das Produkt des SLC2A9 Gens und ist ebenfalls an der Rückresorption von Urat beteiligt. War GLUT9 ursprünglich nur durch seine Funktion als Glukose- bzw. Fruktosetransporter bekannt, konnte später zusätzlich ein starker Zusammenhang des Serumharnsäurespiegels mit der Aktivität von GLUT9 gezeigt werden. Ähnlich wie beim URAT1-Transporter führt der Verlust der GLUT9- Transportfunktion durch Loss-of-function-Mutationen zu verminderten Harnsäurespiegeln im Blut (Hypourikämie). In den menschlichen Nieren existiert GLUT9 in zwei Isoformen: Einerseits als GLUT9a (längere Isoform mit 540 Aminosäuren) an der basolateralen Membran der Tubulusepithelzellen, andererseits als GLUT9b (kürzere Isoform mit 511 Aminosäuren) an der apikalen (luminalen) Seite. GLUT9b transportiert Urat vom Tubuluslumen über die apikale Membran in die Tubulusepithelzelle, GLUT9a anschließend über die basolaterale Membran aus der Zelle raus in das Blut. GLUT9 ist neben den Nieren auch noch in anderen Geweben exprimiert, so beispielsweise in den Hepatozyten der Leber, artikulären Chondrozyten, in Zellen des Intestinaltraktes und auch in Leukozyten. Das Vorkommen von GLUT9 in den Chondrozyten lässt eine mögliche wichtige Rolle bei der Entwicklung einer kristallinduzierten Arthritis im Rahmen der Gicht vermuten. Weitere Untersuchungen und deren Ergebnisse diesbezüglich bleiben abzuwarten. (23) ABCG2 Der ABCG2-Transporter wird vom Gen ABCG2 kodiert und gehört zur Superfamilie der ATP-Binding-Cassette (ABC)-Transporter. Das ABCG2-Protein ist auch unter dem Namen 13

29 breast cancer resistance protein (BCRP) bekannt, da es erstmals aus Brustkrebszellen isoliert wurde. (14) Beim ABCG2 handelt es sich um einen an der apikalen Membran lokalisierten Effluxtransporter, der unter Verwendung von Energie aus ATP Urat von der Tubulusepithelzelle in das Tubuluslumen sekretiert. Daneben ist ABCG2 im Dünndarm exprimiert, wodurch dieser Transporter eine zusätzliche Rolle bei der extrarenalen Harnsäureausscheidung über den Darm einnimmt. (23) Es wird vermutet, dass ABCG2 im Dünndarm sogar eine größere Rolle spielen könnte als seine Expression in den Nieren. (19) NPT1 und NPT4 Die Natrium-Phosphat Transporter NPT1 und NPT4 sind durch die Gene SLC17A1 bzw. SLC17A3 kodiert. Beide sind an der apikalen Membran der proximalen Tubuluszellen lokalisiert und in die Sekretion von Urat in das tubuläre Lumen involviert. (22) Andere Harnsäuretransporter Neben den oben genannten, scheinen noch weitere Transporter an der Regulierung der Harnsäurehomöostase im menschlichen Körper beteiligt zu sein, wobei die bisherigen Untersuchungen dahingehend weniger evident sind als bei den vorher genannten Transportern. Die Familie der organischen Anionen-Transporter (OAT) mit ihren Mitgliedern stellt nur eine von vielen ebenfalls entdeckten Transportmechanismen dar. So vermitteln beispielsweise die organischen Anionen-Transporter OAT1 und OAT 3 die basolaterale Aufnahme der Harnsäure aus dem Blut in die proximale Tubuluszelle, wohingegen OAT4 an der Rückresorption von Urat an der apikalen Membran beteiligt ist. (22) OAT4 wird zudem durch den Transporter OAT10 bei der Rückresorption unterstützt. (14) Der Vollständigkeit halber soll noch MRP4 (multidrug resistance protein 4) als ein weiterer tubulärer Sekretionstransporter erwähnt werden. (23) Die verschiedensten Harnsäuretransporter sind sowohl in die Sekretion, als auch in die Rückresorption an den proximalen Tubuluszellen involviert. Das Zusammenspiel zwischen diesen Prozessen bestimmt schlussendlich die Netto-Ausscheidung von Harnsäure über den Urin. Ein gestörtes Gleichgewicht zwischen den beiden Mechanismen kann zum Krankheitsbild der Gicht führen. (23) 14

30 6.2 Extrarenale Harnsäureausscheidung Der extrarenalen Harnsäureausscheidung wurde im Vergleich zur renalen Ausscheidung bei Untersuchungen bisher vergleichsweise wenig Interesse entgegengebracht. Dies mag vermutlich an der Tatsache liegen, dass der Großteil der anfallenden Harnsäure über die Nieren ausgeschieden wird, und nur etwa ein Drittel extrarenal über den Verdauungstrakt aus dem Körper entfernt wird. Abgegeben wird die Harnsäure in den Darm größtenteils über Speichel und Galle. (25) Der in Kapitel beschriebene ABCG2-Transporter stellt einen zentralen Transportmechanismus der intestinalen Harnsäureausscheidung dar. (16) Der in den Darm gelangte Teil der Harnsäure wird dort durch ortsansässige Darmbakterien weiter metabolisiert. Dieser Prozess wird intestinale Urikolyse genannt. (19) Durch den bakteriellen Abbau im Darm ist die Harnsäure in Stuhlproben teilweise gar nicht bzw. nur in geringen Mengen anzufinden. (25) Interessant erscheint, dass eine verminderte renale Harnsäureausscheidung durch eine vermehrte enterale Harnsäureausscheidung teilweise kompensiert werden kann. Selbiges gilt auch für den umgekehrten Fall. (16) 7. Ursachen der Hyperurikämie Eine Hyperurikämie resultiert aus einer verminderten Harnsäureausscheidung (90 % der Fälle), einer vermehrten Bildung (10 % der Fälle) oder aus einer Kombination beider Faktoren. (26) Pathophysiologisch unterscheidet man zudem eine genetisch bedingte, primäre (familiäre) Hyperurikämie, von einer erworbenen, sekundären Hyperurikämie. (27) 7.1 Primäre Hyperurikämie In 99 % der Fälle liegt der primären (familiären) Hyperurikämie eine renale Ausscheidungsschwäche für Harnsäure zugrunde. (27) Lange Zeit waren die der eingeschränkten Harnsäureexkretion zugrunde liegenden genetischen Defekte unbekannt. Durch moderne Analyseverfahren konnten aber in den letzten Jahren die genetischen Grundlagen dafür teilweise aufgeklärt werden. Durch die 15

31 Identifizierung und Charakterisierung verschiedener Harnsäuretransporter an der apikalen und basolateralen Membran proximaler Tubuluszellen war der erste Schritt dahingehend getan. URAT1, GLUT9, ABCG2, NPT1, NPT4 und Mitglieder der Familie für organische Anionen-Transporter (OAT) sind als nur einige der bedeutenden Bestandteile des Harnsäure-Transportosoms zu nennen, welches ein funktionelles Netzwerk für Rückresorptions- und Sekretionsvorgänge der Harnsäure darstellt. Mithilfe von genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) konnten schließlich zahlreiche Polymorphismen in den für diese Harnsäuretransporter kodierenden Genen gefunden werden, die mit Serumharnsäurespiegel und einem erhöhten Risiko für Hyperurikämie in Verbindung gebracht werden. (28) Lediglich bei 1 % der primären Hyperurikämien findet sich eine Überproduktion von Harnsäure als Ursache. Dies ist beispielsweise auf einen Mangel an Aktivität des Enzyms Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase (HGPRT) oder auf eine vermehrte Aktivität der Phosphoribosyl-Pyrophosphat (PRPP)-Synthethase zurückzuführen. (27) Der Mangel des Enzyms HGPRT kann sich entweder als Lesch-Nyhan-Syndrom oder als Kelley-Seegmiller-Syndrom präsentieren, je nachdem wie stark die normale Aktivität des Enzyms vermindert ist. (29) Beim Lesch-Nyhan-Syndrom, das 1964 erstmals durch Michael Lesch und William Nyhan beschrieben wurde, findet man bedingt durch den hereditären Enzymdefekt weniger als ein Prozent der normalen Aktivität der HGPRT vor. Oft fehlt die Aktivität des Enzyms sogar vollständig. Diese Stoffwechselstörung wird X-chromosomal rezessiv vererbt, wodurch nur männliche Individuen von den Folgen betroffen sind. Durch das Fehlen des Wiederverwertungsenzyms HGPRT ist die Umwandlung von Guanin bzw. Hypoxanthin zu Guanosin-Monophosphat (GMP) bzw. Inosin-Monophosphat (IMP) im Rahmen des Salvage Pathway gestört. Guanin und Hypoxanthin reichern sich an und werden deshalb vermehrt zu Harnsäure abgebaut. (20) Zusätzlich entfällt durch die geringen Konzentrationen der Endprodukte GMP und IMP die Rückkopplungshemmung auf das die De-Novo-Biosynthese katalysierende Schrittmacherenzym Amido-Phosphoribosyl- Transferase. Dadurch wird die Neusynthese von Purinen stimuliert, was die Folgen des Defekts weiter verschlimmert. (17) Das Krankheitsbild geht mit Hyperurikämie, gefolgt von Ausscheidung großer Harnsäuremengen, progressiver Nierenschädigung und neurologischen Störungen mit Tendenz zur Selbstverstümmelung einher. Der Zusammenhang zwischen dem Fehlen der Transferase und den verheerenden neurologischen Störungen ist bis heute unbekannt. Die schweren Auswirkungen dieses Enzymdefekts zeigen jedoch, dass die Wiederverwertung 16

32 von Purinbasen über den Salvage Pathway nicht nur aus energiesparenden Gründen sinnvoll ist, sondern dass das einwandfreie Funktionieren des zentralen Nervensystems in besonderem Maße auf die Purinwiederverwertung angewiesen zu sein scheint. (20) Ist die Aktivität des HGPRT-Enzyms nur auf etwa 1 bis 20 % der normalen Aktivität beschränkt, spricht man vom Kelley-Seegmiller-Syndrom. Dieses zeigt sich bei Betroffenen ebenfalls mit Hyperurikämie, aber mit keinen oder milder ausgeprägten neurologischen Symptomen ohne Neigung zur Selbstverstümmelung. (29) Sehr selten wird als Ursache einer primären Hyperurikämie eine erhöhte Aktivität der PRPP-Synthetase mit konsekutiver Harnsäureüberproduktion beobachtet. (29) 7.2 Sekundäre Hyperurikämie Von der primären Hyperurikämie ist die erworbene sekundäre Hyperurikämie als Folge von Vorerkrankungen oder anderen begünstigenden Faktoren abzugrenzen. Auch der sekundären Hyperurikämie können einerseits eine vermehrte Harnsäurebildung und andererseits eine verminderte renale Harnsäureausscheidung zugrunde liegen. (27) Eine gesteigerte Bildung von Harnsäure wird nicht nur durch purinreiche Ernährungs- und Trinkgewohnheiten begünstigt, sondern auch gehäuft aufgrund des erhöhten Zellumsatzes bei myeloproliferativen Erkrankungen wie beispielsweise Polyzythämie sowie unter der zytostatischen Therapie von Tumoren beobachtet. (27) Letzteres ist unter dem Begriff des Tumorlysesyndroms bekannt. Dieses tritt bevorzugt bei der Therapie hämatologischer Erkrankungen auf, kann aber auch solide Tumoren betreffen und stellt einen onkologischen Notfall dar. Durch den Tumorzellzerfall kommt es zur massiven Freisetzung von intrazellulären Bestandteilen, unter anderem von Kalium, Phosphat und Nukleinsäuren die schlussendlich zu Harnsäure abgebaut werden. Die resultierende massive Hyperurikämie kann innerhalb kürzester Zeit zu einer obstruktiven Uratnephropathie führen. Begünstigende Faktoren dieser Komplikationen sind unter anderem vorbestehende Nierenfunktionseinschränkungen, eine Dehydrierung des Patienten, ein saurer Urin und tumorspezifische Faktoren. Eine entsprechende Präventionstherapie (z.b. durch eine Allopurinol- oder Rasburicase-Prophylaxe, reichlich Flüssigkeitszufuhr und eine Harnalkalisierung) und ein schnelles Reagieren bei Eintreten eines Tumorlysesyndroms sind von entscheidender Bedeutung für das Outcome der Betroffenen. (30) 17

33 Eine ineffektive Harnsäureausscheidung kann sekundär beispielsweise durch eine eingeschränkte Nierenfunktion bedingt sein oder aufgrund von Medikamenten (z.b. durch Diuretika), welche die renale Harnsäureausscheidung beeinflussen. (27) Außerdem gehen jegliche Stoffwechselstörungen die zu einer Azidose (z.b. Laktatazidose oder Ketoazidose) führen mit einer reduzierten renalen Harnsäureausscheidung einher. So kann z.b. Fasten mit einer dadurch entstehenden Ketoazidose Einfluss auf die Ausscheidung von Harnsäure nehmen. (17) Eine eindeutige Zuordnung zu primär oder sekundär entstandener Hyperurikämie ist nicht immer möglich, denn oft wird eine genetische Prädisposition erst durch andere Faktoren wie beispielsweise eine hohe Belastung mit Purinen oder durch entstehende Erkrankungen manifest. (17) 8. Exogene Einflussfaktoren Neben demografischen Risikofaktoren, wie hohes Alter, männliches Geschlecht, Ethnizität (Kapitel 3) und endogenen Ursachen, wie genetische Prädisposition oder Vorerkrankungen der Betroffenen (Kapitel 7.1 und 7.2), gibt es noch eine Reihe von exogenen Faktoren, die auf die Entwicklung einer Hyperurikämie bzw. Gicht Einfluss nehmen können. Als solche kommen vor allem Faktoren, die den Lebensstil betreffen, wie beispielsweise Ernährungsgewohnheiten und Alkoholkonsum in Frage, aber auch einige Medikamente, die den Serumharnsäurespiegel beeinflussen können. Exogene Faktoren sind auch deshalb von besonderem Interesse, da sie im Gegensatz zu anderen Faktoren wie Alter, Geschlecht oder genetischer Veranlagung modifizierbar sind, und so der Patient selbst Einfluss auf den Verlauf seines Krankheitsgeschehens nehmen kann. (2) 8.1 Ernährung Die Gicht ist eine Erkrankung, die mit der Lebensweise und der Ernährung in engem Zusammenhang steht. Früher war sie vorwiegend eine Erkrankung der Reichen und Wohlhabenden. Die bessere Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln und deren Erreichbarkeit für jedermann brachte eine Zunahme der Gichterkrankung mit sich. (1) 18

34 8.1.1 Purinreiche Lebensmittel Sämtliche purinreiche Lebensmittel wie Fleisch, Meeresfrüchte, einige Gemüsesorten und tierisches Eiweiß wurden zunächst generell mit einem erhöhten Risiko für Hyperurikämie und Gicht in Verbindung gebracht. Das mag wohl an der logischen Schlussfolgerung liegen, dass Harnsäure das Endprodukt des Purinstoffwechsels darstellt. Ergebnisse aus Studien konnten diese Assoziationen aber nur teilweise bestätigen. Während bekanntes Wissen über den harnsäuresteigernden Effekt von hohem Fleisch- und Meeresfrüchtekonsum bestätigt wurde, konnte keine Assoziation zwischen einem erhöhten Gichtrisiko und dem Konsum von purinreichem Gemüse festgestellt werden. (2) Gemüse mit hohem Puringehalt wie beispielsweise Karotten, Pilze, Hülsenfrüchte, Spinat und Karfiol können deshalb von Gichtpatienten unbedenklich konsumiert werden, während Zurückhaltung bei purinreichem Fleisch und Meeresfrüchten geboten ist. (31) Als besonders purinreich gelten Innereien und rotes Fleisch, wie z.b. Rind, Schwein und Lamm. Unter den Meerestieren steigern vor allem Krustentiere und Muscheln den Harnsäurespiegel. Auf Fisch muss prinzipiell nicht verzichtet werden, solange nicht besonders fettreiche Fische wie z.b. Sardinen und Makrelen und die Haut von Fischen übermäßig konsumiert werden. (32) Alkoholkonsum Der Alkoholkonsum steht dosisabhängig in direktem Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Hyperurikämie und Gicht. Zudem kann durch Alkohol ein akuter Gichtanfall getriggert werden. Pathophysiologisch trägt Alkohol auf zwei verschiedene Wege zu erhöhten Harnsäurespiegeln bei: Einerseits erhöht er die Harnsäureproduktion, indem er Adenosin-Triphosphat vermehrt zu der Harnsäure-Vorstufe Adenosin-Monophosphat abbaut. Andererseits kommt es durch den Alkoholgenuss zu einem erhöhten Laktatspiegel, was wiederum die Harnsäureausscheidung im proximalen Tubulus hemmt. (31) Nicht nur die Dosis scheint eine entscheidende Rolle zu spielen, sondern auch die Art des Alkoholgetränkes. Bier erhöht das Gichtrisiko am stärksten, gefolgt von Spirituosen. Hingegen scheint der moderate Konsum von Wein nicht mit Gicht assoziiert zu sein. Polyphenole im Wein könnten dafür verantwortlich sein. Warum Bier im Vergleich zu anderen alkoholischen Getränken das höchste Risiko aufweist, hängt mit seinem hohen Gehalt an Purinen zusammen. Dabei handelt es sich vor allem um das gut resorbierbare und damit stark Harnsäure-erhöhende Nukleosid Guanosin. (31) Alkoholfreies Bier ist von diesem Purinreichtum nicht ausgenommen. (32) 19

35 8.1.3 Milchprodukte Der regelmäßige Konsum von Milchprodukten kann den Serumharnsäurespiegel senken, die Uratausscheidung steigern und somit zu einem verminderten Risiko für Gicht führen. (2) In einer Studie konnte gezeigt werden, dass bei Männern der Konsum von 250 ml Milch pro Tag das Gichtrisiko auf die Hälfte reduziert. Zudem führte ein regelmäßiger Konsum von fettarmen Milchprodukten zu einer Senkung des Harnsäurespiegels um 10 %. Zurückzuführen ist dieser günstige Effekt auf die Milchproteine Casein und Lactalbumin. Vorranging sollten Betroffene fettreduzierte Milch und Milchprodukte bevorzugen. (32) Weitere Untersuchungen konnten zeigen, dass eine mit Glykomakropeptid und Milchfettextrakt G600 angereicherte Magermilch durch antiinflammatorische Effekte möglicherweise Gichtanfälle verhindern kann. Es wird dahinter eine Verminderung der Interleukin-1β-Expression vermutet, die eine wesentliche Rolle beim Entzündungsprozess eines Gichtanfalls spielt. (2) Fruchtzucker Auch zu viel Fruchtzucker (Fruktose) erhöht das Risiko für Hyperurikämie und Gicht und sollte deswegen von Gichtpatienten gemieden werden. Fruktose wird gerne als Süßungsmittel in den heutzutage so häufig konsumierten Softdrinks verwendet. Während mit Fruchtzucker gesüßte Getränke ein erhöhtes Risiko darstellen, sind Diätgetränke ohne Fruchtzucker unbedenklich hinsichtlich eines möglichen Gichtrisikos. Fruktose führt, ähnlich wie Alkohol, zu einem erhöhten Abbau von ATP zu AMP und damit zu Vorläufern der Harnsäure. Außerdem scheint Fruktose die tubuläre Urat-Rückresorption über den Glukose-Fruktose-Transporter GLUT 9 (SLC2A9) zu fördern. (31) Schließlich wird noch angenommen, dass Fruktose die Insulinresistenz erhöht. Erhöhte Insulinspiegel im Blut sind bekannt dafür, die renale Uratausscheidung zu vermindern. (2) Kaffee und Tee Kaffee gilt als ein weiteres potenziell protektives Getränk für Gichtpatienten. Es konnte ein inverser Zusammenhang zwischen Harnsäure und Kaffeekonsum gezeigt werden. Jene die mehrerer Tassen Kaffee pro Tag tranken, zeigten in einer Untersuchung niedrigere Harnsäurespiegel im Vergleich zu jenen, die keinen Kaffee tranken. Koffein soll, ähnlich wie der Xanthinoxidase-Hemmer Allopurinol, eine Hemmung der Xanthinoxidase bewirken und so gegen einen hohen Serumharnsäurespiegel vorbeugen. Zudem wird postuliert, dass die im Kaffee enthaltene Chlorogensäure als starkes Antioxidans wirken soll, indem die 20

36 Insulinsensitivität erhöht wird. Der Genuss von Tee scheint hingegen keinen speziellen Vorteil für Gichtpatienten zu bringen. (2) Vitamin C Die Zufuhr höherer Dosen Vitamin C (Ascorbinsäure) kann den Harnsäurespiegel senken. Der wesentliche Mechanismus dahinter dürfte ein urikosurischer Effekt sein, indem Vitamin C mit Urat hinsichtlich einer Rückresorption über den URAT1-Transporter im proximalen Tubulus konkurriert. Zudem scheint Vitamin C als Antioxidans Entzündungsreaktionen zu minimieren. (2) In den österreichischen Ernährungs- und Lebensstilempfehlungen für Hyperurikämie und Gicht wird aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine längerfristige Zufuhr höherer Dosen Vitamin C (über ein Gramm pro Tag) sich auch negativ auf die Gesundheit auswirken kann. Als Beispiel wird dafür eine Nierensteinbildung angeführt, die durch Oxalsäure, einem Hauptabbauprodukt von Ascorbinsäure, gefördert wird. Die Autoren empfehlen daher eine Tagesdosis von 100 mg Vitamin C. (32) Oft werden besonders Kirschen bzw. ihre Säfte aufgrund ihres hohen Vitamin-C-Gehalts als therapeutischer Ansatzpunkt bei Gichtpatienten diskutiert. Eine Studie mit geringer Teilnehmerzahl zeigte, dass der Konsum von 280 g Kirschen pro Tag mit einer Reduktion des Harnsäurespiegels bzw. von Entzündungszeichen einhergeht. Eine retrospektive Studie an 24 Patienten lässt eine Reduktion von Gichtanfällen bei längerfristigem Konsum von Kirschsaftkonzentrat vermuten. (31) Möglicherweise können Kirschen und ihre Säfte also positive Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf haben. Ergebnisse weiterer Studien diesbezüglich bleiben abzuwarten. 8.2 Medikamente Eine Reihe von Arzneimitteln kann das Gleichgewicht von Zurückhaltung und Ausscheidung von Harnsäure im Körper empfindlich stören. Zu den harnsäuresteigernden Medikamenten (antiurikosurische Wirkung) zählen unter anderem Diuretika, niedrig dosierte Salicylate, immunsuppressive Medikamente wie Cyclosporin und Tacrolimus, Ethambutol und das Tuberkulostatikum Pyrazinamid. Im Gegensatz dazu haben Substanzen wie beispielsweise hoch dosierte Salicylsäure, Fenofibrat und der Angiotensin- Rezeptorblocker Losartan eine harnsäuresenkende Wirkung (urikosurische Wirkung). (13) 21

37 Speziell der URAT1-Transporter im proximalen Tubulussystem fungiert als Angriffspunkt für diverse Medikamente. Während manche urikosurische Mittel den URAT1-Transporter direkt von der apikalen Seite her hemmen ( cis-inhibition ), stimulieren einige Antiurikosurika die Aktivität des Transporters, indem sie als Anionen vermehrt in die Tubulusepithelzelle aufgenommen werden und danach dem Harnsäuretransporter URAT1 im Austausch gegen Urat dienen ( trans-stimulation ). So wird die renale Harnsäureausscheidung durch antiurikosurische Mittel reduziert. (26) Auch die Aktivität anderer Transporter, wie beispielsweise GLUT9 scheint durch einige Medikamente regulierbar zu sein. (19) Bei manchen Medikamenten ist abhängig von der Dosierung ein biphasischer Effekt der Harnsäureausscheidung zu beobachten. Bekanntestes Beispiel dafür ist die in unseren Breiten sehr oft verschriebene Acetylsalicylsäure: In hohen Dosen (> 3 g pro Tag) wirkt sie urikosurisch, bei geringerer Dosierung (< 1 g pro Tag) resultiert eine Harnsäureretention im Körper. (13) Die harnsäureerhöhende Wirkung von Diuretika beruht auf einer Kombination aus Volumenverlust der extrazellulären Flüssigkeit und damit einer Konzentrationserhöhung der Harnsäure im Blut und der oben beschriebenen verminderten Harnsäureausscheidung durch Interaktion mit Harnsäuretransportern. (13) Eine Chemotherapie kann die Harnsäure-Balance noch extremer beeinträchtigen, da durch einen massiven Tumorzellzerfall vermehrt Purine freigesetzt werden, die durch die Nieren häufig nicht mehr in vollem Umfang und schnell genug ausgeschieden werden können. (30) 9. Komorbiditäten Neben den klassischen Hyperurikämie-getriggerten, schmerzhaften Gelenksbeschwerden spielen Komorbiditäten und systemische Auswirkungen einer Hyperurikämie bei Patienten mit Gicht eine große Rolle. Gichterkrankte sind im Vergleich zur Normalbevölkerung ohne Gicht signifikant häufiger von Komorbiditäten betroffen: Rund ein Drittel der Gichtpatienten weist bereits in einem frühen Stadium der Erkrankung Begleiterkrankungen auf. Relevante Komorbiditäten bei Gicht sind in erster Linie kardiovaskulärer, renaler und metabolischer Art. (33) Daten der in den USA durchgeführten NHANES-Studie mit 5707 Probanden geben Aufschluss über die Prävalenz der wichtigsten Komorbiditäten bei Gichtpatienten im 22

38 Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Gicht. (34) Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse. An dieser Stelle soll auf einschlägige Literatur (33, 35) verwiesen werden, in der ausführlich auf die einzelnen Komorbiditäten eingegangen wird. Komorbidität Prävalenz bei Patienten mit Gicht Prävalenz bei Patienten ohne Gicht Hypertonie 74 % 29 % Chronische Niereninsuffizienz (GFR < 60 ml/min) 71 % 42 % Chronische Niereninsuffizienz (GFR < 30 ml/min) 20 % 5 % Adipositas 53 % 33 % Diabetes Mellitus 26 % 8 % Myokardinfarkt 14 % 3 % Herzinsuffizienz 11 % 2 % Schlaganfall 10 % 3 % Tabelle 1: Prävalenz der Komorbiditäten, modifiziert nach Zhu et al. (34) Immer wieder wird diskutiert, ob erhöhte Harnsäurewerte nur zusammen mit Risikofaktoren für Begleiterkrankungen auftreten, oder, ob sie selbst pathophysiologisch relevant für die Entstehung einzelner Begleiterkrankungen sind. Letzteres würde für die Praxis bedeuten, dass bereits eine asymptomatische Hyperurikämie als eigenständiger Risikofaktor für Begleiterkrankungen medikamentös harnsäuresenkend behandelt werden sollte. Derzeit können aber noch keine sicheren Empfehlungen gegeben werden, ob eine harnsäuresenkende Therapie bei asymptomatischer Hyperurikämie tatsächlich auch zu einer Progressionsminderung oder sogar Vermeidung von Begleiterkrankungen führt. (36) 10. Hyperurikämie als nützlicher Effekt? Harnsäure ist beim Menschen als Folge einer Mutation im Uricase-Gen das Endprodukt des Purinstoffwechsels und kann nicht in das besser wasserlösliche Allantoin überführt werden. Es gibt Hypothesen, dass der Verlust der Uricase evolutionäre Vorteile aufgrund antioxidativer Eigenschaften der Harnsäure beim Menschen erbrachte. (19) Demnach würden hohe Harnsäurespiegel nicht nur die Gefahr an einer Gicht zu erkranken bergen, sondern könnten sich auch vorteilhaft auf den Menschen auswirken. Besonderes Aufsehen erregten in den letzten Jahren Untersuchungen, die der Harnsäure als Antioxidans eine 23

39 protektive Wirkung im Hinblick auf neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Alzheimer zuschreiben. Neuere Untersuchungen konnten diese Mutmaßungen zum Teil nicht mehr bestätigen. Somit bleibt ein neuroprotektiver Effekt der Hyperurikämie bzw. Gicht nach wie vor umstritten. (33) 11. Von der Hyperurikämie zur Gicht (Pathophysiologie) Von einer Gichterkrankung spricht man, wenn eine dauerhaft erhöhte Harnsäure im Organismus (Hyperurikämie) zur Ausfällung von Harnsäurekristallen (MSU) in Gelenke und verschiedene andere Gewebe führt. Die Folge können Gichtanfälle und chronische Ablagerungen von Urat (Tophusbildung) in Knorpel, Knochen und anderen Organen sein. Ein erhöhter Harnsäurespiegel alleine ist aber noch keine ausreichende Voraussetzung um eine Kristallbildung und Gichtanfälle zu induzieren. Auch bestimmte physikalische Bedingungen wie ph-wert, Temperatur (bevorzugt bei niedrigem ph-wert und niedrigen Temperaturen), lokale Harnsäurekonzentrationen und individuelle Konstitutionen der Betroffenen scheinen dabei eine Rolle zu spielen. Hinzu kommen kristalleigene Faktoren, wie deren Größe oder Proteinummantelung. Durch diese additiven Faktoren lässt sich erklären, dass viele von Hyperurikämie Betroffene oft lange Zeit asymptomatisch sind, und es Monate bis Jahre dauern kann, ehe einer Hyperurikämie Gichtanfälle folgen. Zudem führt nicht jede Ausfällung eines Uratkristalls zwangsweise zu klinisch fassbaren Symptomen. (16) Die Bevorzugung von mesenchymalem Gewebe wie Gelenken und gelenksnahen Strukturen bei der Harnsäureausfällung ist durch deren schlechte Durchblutung und niedrige Temperatur im Vergleich zum Körperinnen begründet. Außerdem begünstigen lokale Besonderheiten an Gelenksstrukturen, wie deren mechanisch starke Beanspruchung und die zum Teil vorbestehenden Strukturschäden (z.b. durch ein Trauma oder eine degenerative Verschleißerscheinung im Rahmen einer Arthrose) eine Auskristallisierung von Harnsäure eben dort. (36) 11.1 Kristallinduzierte Arthritis Der Mechanismus, der zur Ausfällung von Uratkristallen in Gewebe mit anschließender potenzieller Entzündungsreaktion führt, ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt. In den letzten Jahrzehnten konnten aber entscheidende pathophysiologische Erkenntnisse 24

40 gewonnen werden, die auch im Hinblick auf therapeutische Maßnahmen von großer Bedeutung zu sein scheinen. Man geht heute davon aus, dass eine Gichtarthritis in der Regel durch freie Harnsäurekristalle, welche aus bereits bestehenden tophösen Ablagerungen in der Synovialis freigesetzt werden, gestartet wird. Dieses plötzliche Vorhandensein von freien Mikrokristallen im Synovialraum eines Gelenkes stellt einen außerordentlich starken Entzündungsreiz dar, der zur massiven Aktivierung des Immunsystems mit konsekutiver Freisetzung verschiedener Immunzellen und entzündlicher Mediatoren führt. In der frühen inflammatorischen Phase einer Gichtarthritis werden die Uratkristalle von speziellen Leukozyten, den Makrophagen, durch Endozytose aufgenommen (Phagozytose) und aktivieren intrazellulär das sog. NALP3-Inflammasom, einen zytoplasmatischen Multiproteinkomplex. Folge der NALP3-Aktivierung ist die Überführung der Vorläufersubstanz Interleukin-1β in aktives Interleukin-1β durch das Enzym Caspase-1. Nach dessen Freisetzung bindet Interleukin-1β an Interleukin-1-Rezeptoren auf Endothelund Synovialzellen. Diese Zellen werden somit zur Produktion und Sekretion zahlreicher proinflammatorischer Zytokine und Chemokine stimuliert. Diese locken wiederum weitere neutrophile Granulozyten und Entzündungsmediatoren an den Ort des entzündlichen Geschehens. Unter anderem wird auch die Synthese von Cyclooxygenase 2 (COX-2) induziert, die die Bildung von Prostaglandin E 2 bewirkt. Prostaglandin E 2 ist unter anderem für die Vasodilatation im Rahmen eines Entzündungsprozesses und eine weitere Förderung der Leukozytenimmigration bekannt. So entsteht ein Circulus vitiosus, welcher zunächst ungehindert eine hochakute Entzündung mit Schmerzen, lokalen und systemischen Erscheinungen entstehen lässt. (16, 27) Makrophage Harnsäurekristalle pro-il-1β Granulozyten IL-1β Entzündungsmediatoren (z.b. PGE2) IL-1β Chemokine proinflammatorische Zytokine Endothel, Synovia Abbildung 5: Entzündungsreaktion beim Gichtanfall, modifiziert nach Ludwig et al. (27) 25

41 11.2 Beendigung der Entzündungsreaktion Selbst ohne spezifisch medikamentöse Interventionen kommt es in der Regel zur spontanen Selbstlimitierung der akuten Gichtsymptomatik innerhalb von wenigen Tagen bis maximal zwei Wochen. Das Abklingen der Entzündung beruht vermutlich, ebenso wie ihre Entstehung, auf einer Vielzahl von Mechanismen. Zum einen kommt es neben der Freisetzung von zahlreichen antiinflammatorischen Substanzen auch zur vermehrten Sekretion von Kortikosteroiden aus den Nebennieren, die die Fortsetzung des Entzündungsprozesses unterdrücken. (16) Zum anderen führt eine verstärkte Durchblutung mit konsekutivem Temperaturanstieg im entzündlich betroffenen Gelenk zu einer erhöhten Löslichkeit und einem besseren Abtransport der Harnsäure. (5) Interessant erscheint außerdem, dass Apolipoprotein B (ein Bestandteil von Lipoproteinen) durch die entzündlich bedingte erhöhte vaskuläre Permeabilität an den Ort des Geschehens gelangen kann, um dort die Aktivierung von neutrophilen Granulozyten zu hemmen. (5, 16) Der Schlüsselmechanismus zur selbständigen Terminierung der Entzündungsreaktion scheint nach neuen Erkenntnissen eine Reaktion neutrophiler Granulozyten, die als NET- Aggregation oder NETose bezeichnet wird, zu sein. Durch das Absterben neutrophiler Granulozyten werden Teile ihres Zellinneren frei, die als neutrophil extracelluar traps (NET) mit Harnsäurekristallen ein dichtes Aggregat bilden. Diese NET-Aggregation fängt proinflammatorische Mediatoren ab und baut sie proteolytisch ab. (37) 12. Klinische Manifestationen Der Gichtprozess beginnt in der Regel als asymptomatische Hyperurikämie Jahre oder Jahrzehnte bevor ein Patient die ersten Gichtsymptome entwickelt. (38) Früher oder später kann (muss aber nicht zwangsweise) diese asymptomatische Phase in eine manifeste Gicht übergehen. Letztere lässt sich weiter in den akuten Gichtanfall mit dazwischen liegenden symptomfreien Intervallen (interkritische Phase) und in das chronische Stadium einteilen. (36, 38) Die Dauer der einzelnen Stadien der Gichterkrankung variiert, abhängig von zahlreichen endogenen und exogenen Faktoren, von Person zu Person. Der Grad der Hyperurikämie stellt den wichtigsten Risikofaktor dar. So können Betroffene mit stark erhöhten Harnsäurewerten schon frühzeitig, innerhalb von wenigen Jahren den Übergang von der 26

42 asymptomatischen Hyperurikämie in die manifeste Gicht vollziehen, während es bei anderen Jahrzehnte dauern kann, ehe sie eine klinische Symptomatik präsentieren. (38) Vorab soll darauf hingewiesen werden, dass die nachfolgende Stadieneinteilung die klassische Präsentation einer Gichterkrankung beschreibt, die aber keineswegs einen fixen Ablauf für jedes betroffene Individuum darstellt. Auch atypische oder mildere Verläufe sind in der Literatur beschrieben. (38) 12.1 Akuter Gichtanfall Nach dem asymptomatischen Stadium, in dem die Betroffenen über keine Art von Beschwerden berichten, können nach einer individuellen Latenzzeit schließlich die ersten klinischen Symptome auftreten. Typische Erstmanifestation einer Gichterkrankung ist die akute Gelenksentzündung Bevorzugte Lokalisation eines Gichtanfalls In der Regel präsentiert sich die erste Gichtattacke als monoartikuläre Entzündung, wobei in über 80 % der Fälle Gelenke der unteren Extremität betroffen sind. Selten ist die initiale Gichtattacke polyartikulär (in etwa 10 % der Fälle) oder betrifft die oberen Extremitäten. (13) Sowohl zu Beginn, als auch im weiteren Verlauf der Gicht, ist das Grundgelenk der Großzehen (Metatarsophalangealgelenk) am häufigsten von Gichtanfällen betroffen. Danach folgen die Mittelfußgelenke, das Sprunggelenk und das Kniegelenk. (5, 13, 38) Gründe für die Bevorzugung vor allem des Großzehengrundgelenks scheinen die verminderte Durchblutung (mit damit einhergehender niedrigen lokalen Temperatur) und eine erhöhte mechanische Beanspruchung mit entsprechenden strukturellen Schäden, wie z.b. Mikrotraumen oder arthrotischen Veränderungen, zu sein. (36) Im weiteren Verlauf der Erkrankung können sich atypischere Erscheinungsformen entwickeln. So können andere Gelenke wie z.b. Ellbogen-, Finger- oder Handgelenke betroffen sein und sich zunehmend oligo- bzw. polyartikuläre Arthritiden entwickeln. (38) Auslösende Faktoren eines Gichtanfalls Sämtliche Faktoren können zum Freiwerden von Harnsäure aus den Randzonen von abgelagerten Kristallen mit anschließender Entzündungsreaktion beitragen. Trigger für diese Gichtanfälle sind zumeist ein plötzlicher Anstieg der Serumharnsäure (z.b. durch 27

43 vermehrte Purinzufuhr oder bestimmte Medikamente) bzw. eine zu rasche Absenkung derselben (beispielsweise bei Einleitung einer medikamentösen harnsäuresenkenden Therapie). Aber auch Faktoren wie intraartikuläre Veränderungen des ph-wertes bei Trauma oder Operationen, sowie körperliche und seelische Belastungen können einen akuten Anfall begünstigen. (36, 38) Klinische Symptomatik und Verlauf eines Gichtanfalls Gichtanfälle können prinzipiell zu jeder Tageszeit auftreten, werden aber gehäuft während der Nacht bzw. in den frühen Morgenstunden beobachtet, wenn Kreislauf, Körpertemperatur und körpereigene Kortisolspiegel sich auf dem Minimum des zirkadianen Rhythmus bewegen. (36) Charakteristisch für die Gichtarthritis ist der hoch akute Beginn, meist ohne erkennbare Vorzeichen, mit starken Gelenksschmerzen und intensiver Entzündungsreaktion. Neben Schwellung, Rötung, Überwärmung und Schmerzen der betroffenen Region besteht häufig eine ausgeprägte Berührungsempfindlichkeit und Bewegungseinschränkung bzw. Schonhaltung der betroffenen Extremität. Auch periartikuläres Gewebe kann vom sich über die Gelenksgrenzen hinaus ausbreitenden Entzündungsprozess betroffen sein. (5, 36, 38) Neben lokalen Symptomen können zusätzlich systemische Auswirkungen wie Fieber, Schüttelfrost, Tachykardie oder Unwohlsein auftreten. (5, 38) Der Höhepunkt der Entzündungsreaktion und Schmerzsymptomatik ist innerhalb von vier bis zwölf Stunden erreicht und die Beschwerden klingen innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen bis zur völligen Beschwerdefreiheit wieder ab. (38) Nach Schwinden der entzündlichen Symptomatik erinnert meist nur noch eine leicht schuppende Haut über dem betroffenen Gelenk an den zuvor abgelaufenen Entzündungsprozess. (13) Trotz vollständigen Abklingens der Symptome und einer Wiederherstellung der normalen Gelenksfunktion mit unbeeinträchtigtem Wohlbefinden, besteht die Ursache für den Gichtanfall, die Hyperurikämie, weiterhin und der Betroffene tritt in die interkritische Phase der Gicht ein. 28

44 12.2 Interkritische Phase der Gicht Das interkritische Stadium der Gichterkrankung ist dadurch gekennzeichnet, dass zwischen zwei akuten Gichtanfällen keine subjektiven Beschwerden bestehen. Diese Zeitspanne kann mehrere Monate oder sogar Jahre dauern. Im Durchschnitt liegen elf Monate dazwischen. Je länger die Gicht unbehandelt fortbesteht und je mehr Gichtanfälle sich wiederholen, desto eher verkürzt sich diese symptomfreie Zeit. Zudem fallen die dann auftretenden Gichtanfälle oft schwerwiegender und länger aus und betreffen häufiger mehrere Gelenke (oligo- bzw. polyartikulärer Befall). (38) 12.3 Chronisches Gichtstadium Die Gicht kann bei später Diagnose oder unzureichender Behandlung in einen chronischen Verlauf übergehen. Dies geschieht, dank Einführung harnsäuresenkender Medikamente, aber heute selten. Von chronischer Gichterkrankung spricht man, wenn die interkritische Periode zwischen Gichtattacken nicht mehr symptomfrei verläuft. Bei unbehandelter Gicht kann man davon ausgehen, dass dieser Zustand etwa zehn Jahre nach Beginn einer akut intermittierenden Gichterkrankung erreicht wird. Angaben zu dieser Zeitspanne sind aber mit Vorsicht zu betrachten, da das Fortschreiten der Erkrankung maßgeblich von der Ursache und dem Grad der Hyperurikämie abhängt und so die Zeitspanne mitunter sehr variabel sein kann. (38) Klinische Symptomatik bei chronischer Gicht Die chronische Gicht ist charakterisiert durch zunehmend schlimmer werdende Gelenksbeschwerden zwischen den einzelnen Gichtanfällen, die schließlich in irreversible Gelenksdestruktionen mit Dysfunktion münden können. Zudem ist die chronische Ablagerung von Urat in Form von makroskopisch sichtbaren Gichtknoten (Gichttophi) pathognomonisch für das chronische Stadium der Gicht. Dabei handelt es sich um größere zusammenhängende Harnsäurekristallformationen, die prinzipiell überall im Körper, bevorzugt aber im subkutanen Gewebe auftreten. Diese subkutanen Tophi sind am häufigsten an Fingern, Handgelenken, der Ohrhelix oder mechanisch belasteten Strukturen wie Schleimbeuteln, Knochenvorsprüngen oder im Bereich der Achillessehnen zu beobachten. (13, 38) Neben diesen subkutanen Harnsäureansammlungen sind auch besonders seltene, als Rarität empfundene Organmanifestationen, beispielsweise am Auge, Larynx, an Herzklappen oder anderen viszeralen Strukturen beschrieben worden. 29

45 (36) Gelegentlich sind Uratablagerungen durch Verdrängung der Nachbarstrukturen sogar für ein Karpaltunnelsyndrom oder Nerven- bzw. Rückenmarkskompressionen im Bereich der Wirbelsäule verantwortlich. (13) Tophi selbst sind schmerzlos und können deshalb für den Betroffenen oft lange Zeit unbemerkt bzw. als wenig störend empfunden werden. Oberflächlich gelegene Tophi können gelegentlich perforieren und eine weißlich-kreidige Masse entleeren oder sich sekundär infizieren. (13) 13. Diagnostik 13.1 Goldstandard und klinische Diagnosestellung Der Nachweis von Harnsäurekristallen im Gelenkspunktat oder falls vorhanden im Tophusaspirat, gilt als Goldstandard zur definitiven Diagnosesicherung der Gicht. (12, 13, 39) Zumeist wird Gelenksflüssigkeit aus einem aktuell entzündeten Gelenk gewonnen, aber auch aus asymptomatischen Gelenken bzw. während einer klinisch inapparenten Phase der Gicht, kann der Nachweis von Harnsäurekristallen gelingen. Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse ist allerdings geboten, wenn beim Betroffenen seit längerem eine suffiziente harnsäuresenkende Therapie durchgeführt wird, da in diesem Fall Uratkristalle im Gelenkspunktat möglicherweise nicht mehr nachweisbar sind, eine Gichterkrankung aber trotzdem besteht. (39) Im akuten Gichtanfall erscheint die punktierte Flüssigkeit meist makroskopisch milchig-trüb und viskös, was auf die hohe Leukozytenzahl im entzündeten Gelenk zurückzuführen ist. Differentialdiagnostisch entscheidend ist aber der Nachweis von Uratkristallen bevorzugt mittels Polarisationsmikroskop. (5) Nach Aspiration aus Tophusmaterial bzw. Gelenksflüssigkeit soll die native Untersuchung des Materials möglichst rasch und bei Raumtemperatur stattfinden, da der Erhalt der Kristallformationen entscheidend von Temperatur und ph-wert abhängig ist. (13) Bereits unter dem Lichtmikroskop können die Kristalle als intra- oder extrazellulär gelegene feine, nadelförmige Strukturen identifiziert werden. Bei der Betrachtung durch die Polarisationsoptik wird aber schließlich das typische negativ doppelbrechende Verhalten der Harnsäurekristalle erkennbar, wodurch diese zweifelsfrei von Kristallen anderer Art unterschieden werden können. (5, 13) Weil eine Gichtarthritis und eine septische Arthritis (mit potenziell gefährlichem Verlauf) gleichzeitig im Gelenk bestehen können, ist trotz eines gesicherten Nachweises von 30

46 Mononatriumuratkristallen eine zusätzliche bakterielle Analyse der Synovialflüssigkeit zu empfehlen. (12, 13, 39) Abbildung 6: Harnsäurekristall unter dem Lichtmikroskop (A) bzw. Polarisationsmikroskop (B), übernommen aus Richette et al. (13) Trotz des hohen diagnostischen Stellenwerts der Gelenkspunktion kommt diese oft nicht routinemäßig im klinischen Alltag zur Anwendung. Das liegt zum einen daran, dass die Gelenkspunktion für den ungeübten Anwender möglicherweise schwierig durchzuführen ist, vor allem wenn es sich um kleine Gelenke wie beispielsweise das Großzehengrundgelenk handelt, die generell schwerer zugänglich sind als große Gelenke. Andererseits sind Hausarztpraxen und andere Primärversorgungseinrichtungen, bei denen gichtbetroffene Patienten in der Regel erstmalig und auch im weiteren Verlauf vorstellig werden, nur selten mit einem diagnosesichernden Polarisationsmikroskop ausgestattet. (40) Nicht zuletzt ist die Schilderung der Symptomatik bei akuten Gichtanfällen oft so eindeutig, dass eine alleinige klinische Diagnose gerechtfertigt ist. So kann bei typischer Präsentation mit rascher Symptomentwicklung innerhalb von wenigen Stunden, starken Schmerzen, Rötung und Schwellung und der Lokalisation an gehäuft vorkommenden Stellen wie dem Großzehengrundgelenk die Verdachtsdiagnose einer Gichtarthritis in vielen Fällen mit ausreichender Sicherheit gestellt werden. Bei unklaren Fällen bzw. atypischem Erscheinungsbild sollte dennoch eine Gelenkspunktion zur definitiven Diagnosesicherung angestrebt werden. Dieser Nachweis wird umso wichtiger, je deutlicher die Symptomatik von der klassischen Präsentation der Gicht abweicht. (12, 39) 31

47 Früher wurde das Ansprechen des Gichtanfalls auf Colchicin (Colchicintest) als pathognomonisches Zeichen für eine Gichtarthritis angesehen. Heute weiß man, dass Colchicin nicht nur bei der Gicht, sondern auch bei anderen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, wie beispielsweise bei der Chondrokalzinose (Pseudogicht) oder der Psoriasisarthritis, wirksam ist. (41) 13.2 Serumharnsäure Die Serumharnsäure gilt zwar als wichtigster Risikofaktor für die Entwicklung einer Gichterkrankung, bei der Diagnosefindung im akuten Anfall kann dieser Wert aber dennoch oft wenig hilfreich sein. Viele Menschen entwickeln trotz Hyperurikämie nie ein manifestes Stadium der Gicht, umgekehrt können die Harnsäurespiegel im Serum bei einem akuten Gichtanfall zum Teil gar nicht oder nur geringfügig erhöht sein. (39) Grund für diese zum Teil normourikämischen Werte ist eine verstärkte renale Harnsäureausscheidung während des akuten Entzündungsprozesses. (42) Die in Akutsituationen oft wenig aussagekräftige Messung und die Tatsache, dass ein einzelner Harnsäurewert generell meist diagnostisch unzureichend ist, soll dazu veranlassen, dass die Messung der Harnsäure nach Abklingen der Entzündung und einem optimalen Zeitpunkt von etwa zwei bis drei Wochen nach dem akuten Anfall wiederholt wird. Wichtig bis zur Messung der Harnsäurewerte ist, dass der Betroffene die in den letzten Wochen und Monaten üblichen Medikamenteneinnahmen und Ess- und Alkoholgewohnheiten beibehält, um Ergebnisse nicht fälschlicherweise zu beeinflussen. (17) 13.3 Bildgebung Unterstützend bei der Diagnosefindung können zusätzlich bildgebende Verfahren sein, wobei vor allem neuere Methoden in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Das konventionelle Röntgen ist in frühen Gichtstadien bzw. bei akuten Gichtattacken meist wenig hilfreich bei der Diagnosestellung, da in der Regel lediglich ein vergrößerter Weichteilschatten auf den aktuell stattfindenden, stark entzündlichen artikulären Prozess hinweist. Dagegen scheint es als bildgebendes Verfahren zur Visualisierung von chronischen Gichtschäden nach wie vor seine Daseinsberechtigung zu haben. Nach 32

48 Jahren oder Jahrzehnten der intermittierenden bzw. chronischen Gichterkrankung können Harnsäureablagerungen zu röntgenologisch sichtbaren, irreversiblen Gelenks- und Knochendestruktionen führen. Knochenerosionen imponieren oft als ausgestanzte Läsionen mit typischen überhängenden, sklerotischen Rändern. Destruktive Gelenkszerstörungen mit konsekutiver Gelenksspaltverschmälerung treten erst in sehr späten Stadien auf. Knochendestruktionen und tophöse Ablagerungen können zudem mit der klassischen Computertomographie (CT) dargestellt werden. (13) Während das konventionelle Röntgen und die Computertomographie besonders geeignet zur Darstellung von meist spät auftretenden, ossären Destruktionen sind, kann die Gelenkssonographie schon früher im Verlauf der Erkrankung pathologische Veränderungen festmachen. Harnsäureablagerungen in Form von Tophi werden im Röntgen erst nach Kalkeinlagerung sichtbar, erscheinen in der Sonographie aber schon früh als echoreiche Strukturen. Zudem lassen sich ultrasonographisch Ablagerungen von Harnsäurekristallen an der Knorpeloberfläche in Form des sog. Doppelkonturzeichens erkennen. Es entsteht, indem sich die als echoreich erscheinenden Harnsäurekristalle auf dem echoarmen oder echofreien hyalinen Gelenkknorpel ablagern. (43) Als neue bildgebende Untersuchungsmethode hat sich die Dual-Energy- Computertomographie (DECT) etabliert. Das ursprünglich für die kardiale Bildgebung entwickelte Verfahren gewinnt als nicht-invasive Bildgebung in der Gichtdiagnostik zunehmend an Bedeutung. Die DECT macht mithilfe von Röntgenstrahlen unterschiedlicher Energien Harnsäureablagerungen im Gewebe aufgrund ihres spezifischen Absorptionsverhaltens zuverlässig sichtbar. Da sie auch eine exakte Quantifizierung des Tophusvolumens erlaubt, kann diese Methode im Verlauf über das Fortschreiten oder eine Remission der Gichterkrankung informieren. Der hohe Stellenwert der DECT scheint durch ihre gute Sensitivität und Spezifität, ihre Nicht-Invasivität und die effektive Abgrenzung von anderen Differentialdiagnosen begründet zu sein. (44) Die Sensitivität ist aber in Frühstadien der Gicht eingeschränkt, da Harnsäureablagerungen erst mit einer gewissen Dichte und einem Volumen über einem Kubikmillimeter zuverlässig erkannt werden. (35) In diesen frühen Phasen mit sehr kleinen Harnsäureablagerungen ist die Gelenkssonographie als diagnostisches Mittel überlegen. Limitationen der DECT sind zudem die noch nicht flächendeckende Verfügbarkeit und die Strahlenbelastung. Da es sich meist aber um Untersuchungen peripherer, wenig strahlensensitiver Körperregionen handelt, fällt die Strahlenexposition im Vergleich mit anderen, deutlich strahlensensitiveren Körperstellen aber eher gering aus. (44) 33

49 Vergleichend kann schließlich festgehalten werden, dass die Sonographie sensitiver für die Detektion von frühen, kleinen Harnsäureablagerungen ist, die DECT kann aber zwischen Gicht und Kristallblagerungen anderer Genese besser differenzieren. (44) Ist die Diagnose einer Gicht schließlich gestellt, sollten potenziell modifizierbare Risikofaktoren (Kapitel 8) und assoziierte Komorbiditäten (Kapitel 9) des Patienten evaluiert werden. (12, 39) 13.4 Klassifikationskriterien der Gicht Abschließend soll auf speziell publizierte Klassifikationskriterien der Gicht hingewiesen werden (Tabelle 2). Klassifikationskriterien wurden erstmalig 1963 in Rom beschrieben, danach auch in New York und schließlich durch das ACR im Jahre Später folgten Empfehlungen aus Mexiko und den Niederlanden. (45) Die neuesten dieser Art mit höherer Sensitivität und Spezifität stammen gemeinsam vom American College of Rheumatology (ACR) und der European League Against Rheumatism (EULAR) aus dem Jahr Obwohl letztere zwar nicht für die klinische Diagnosestellung, sondern zur Etablierung von standardisierten Eintrittskriterien in klinische Studien entwickelt wurden, liefern sie dennoch einen guten Überblick über die wichtigsten diagnostischen Aspekte. Die Kriterien aus 2015 sind die ersten, die auch Befunde der Gelenkssonographie und DECT als nicht-invasive, vielversprechende bildgebende Verfahren mitberücksichtigen. Anhand eines schrittweisen Klassifizierungssystems kann die Diagnose einer Gicht mit einer Sensitivität von 92 % und einer Spezifität von 89 % gestellt werden. Das Eingangskriterium für die neu veröffentlichten Kriterien ist zumindest eine Episode mit Schmerzen und/oder Schwellung eines peripheren Gelenks oder Schleimbeutels. Ist zusätzlich der Nachweis von Harnsäurekristallen in einem betroffenen Gelenk oder Tophus möglich, ist die Diagnose einer Gicht gesichert. Sollte der Kristallnachweis nicht gelingen, können weitere klinische Merkmale, labordiagnostische Ergebnisse und bildgebende Verfahren helfen, die Diagnose zu erhärten. Bei Erreichen einer Punktezahl von acht bei maximal 23 Punkten, ist auch ohne den mikroskopischen Nachweis von Harnsäurekristallen von einer Gicht auszugehen. (40) Der Summen-Score kann im Internet unter errechnet werden. 34

50 Rom 1963 Gichtdiagnose bei 2 erfüllten Kriterien wahrscheinlich 1. Harnsäurespiegel > 7 mg/dl bei Männern und > 6 mg/dl bei Frauen 2. Tophusbildung 3. Harnsäurekristalle in der Synovialflüssigkeit oder im Gewebe 4. Anamnese von Attacken schmerzhafter Gelenksschwellung mit abrupten Beginn und Ende innerhalb von zwei Wochen New York 1966 Gichtdiagnose bei 2 erfüllten Kriterien wahrscheinlich bzw. bei einem Nachweis von Harnsäurekristallen gesichert 1. Mindestens zwei Attacken mit schmerzhafter Gelenksschwellung mit kompletter Remission innerhalb von 2 Wochen 2. Anamnese eines zurückliegenden Gichtanfalls des Großzehengrundgelenks 3. Tophusbildung 4. Rasches Ansprechen auf eine Colchicin-Therapie (innerhalb von 48 h) ACR 1977 Gichtdiagnose bei 6 erfüllten Kriterien wahrscheinlich bzw. bei einem Nachweis von Harnsäurekristallen gesichert 1. Mindestens ein akuter Gichtanfall 2. Maximale Entzündungsreaktion innerhalb von 24 Stunden 3. Oligoartikulärer Befall 4. Gelenksrötung 5. Großzehen-Metatarsophalangealgelenk schmerzhaft geschwollen 6. Unilateraler Gichtanfall des Großzehen-Metatarsophalangealgelenks 7. Unilateraler Befall am Fuß 8. Tophusbildung (vermutet oder bewiesen) 9. Hyperurikämie 10. Asymmetrische Schwellung eines Gelenks im Röntgen 11. Subkortikale Zystenbildung ohne Erosionen im Röntgen 12. Vollständige Remission der Entzündungsreaktion Mexiko 2010 Gichtdiagnose bei 4 erfüllten Kriterien wahrscheinlich bzw. bei einem Nachweis von Harnsäurekristallen gesichert 1. Aktuell oder zurückliegende Anamnese mehr als eines Gichtanfalls 2. Schneller Beginn der Schmerzen und Schwellung (innerhalb von 24 h) 3. Mono- oder oligoartikulärer Befall 4. Metatarsophalangealgelenk betroffen 5. Gelenksrötung 6. Unilateraler Befall am Fuß 7. Tophusbildung (vermutet oder bewiesen) 8. Hyperurikämie Niederlande 2010 Bei einem Summenscore von 4 Gichtdiagnose unwahrscheinlich, bei 8 Gicht wahrscheinlich 2 Männliches Geschlecht 2 Zurückliegender Gichtanfall 0,5 Beginn innerhalb von 24 h 1 Gelenksrötung 2,5 Metatarsophalangealgelenk betroffen 1,5 Hypertonie oder mehr als ein kardiovaskulärer Risikofaktor 3,5 Harnsäurespiegel > 5,88 mg/dl 13 Tophusbildung Tabelle 2: Klassifikationskriterien der Gicht, modifiziert nach Dalbeth et al. (45) 35

51 14. Therapeutische Interventionen Die Therapie der Gicht verfolgt zwei Ziele: Einerseits die Akutbehandlung der Gichtarthritis, die sich auf eine symptomatische, antiinflammatorische Therapie stützt und andererseits die konsequente und langfristige Harnsäuresenkung, um chronische, potenziell destruktive Uratablagerungen und rezidivierende Gichtanfälle zu verhindern. (46) An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass die folgenden praktischen Empfehlungen zur Gichttherapie sich Großteils auf die neuesten Leitlinien des europäischen Fachverbandes für Rheumatologie (EULAR) stützen. (47) Zusätzlich werden diese unter anderem durch Therapieleitlinien des US-amerikanischen Fachverbandes für Rheumatologie (ACR) (7, 48) und andere einschlägige Literatur ergänzt. An anderer Stelle (Kapitel 15) werden schließlich weitere, zum Teil schon früher publizierte internationale Leitlinien angeführt und wenn möglich bezüglich ihrer Empfehlungen miteinander verglichen. Jegliche Dosierungsempfehlungen und Kontraindikationen, die in dieser Arbeit vorkommen, sind immer auch in den Fachinformationen der verabreichten Medikamente zu prüfen bzw. sind weitere Informationen diesen zu entnehmen Therapie des akuten Gichtanfalles Kaum ein anderes Ereignis ist so schmerzhaft wie die Gichtarthritis. Primäre Ziele der Behandlung des akuten Gichtanfalls sind daher eine rasche und effektive Schmerzlinderung und Entzündungshemmung. Hierfür stehen sowohl nichtmedikamentöse als auch medikamentöse Therapieoptionen zur Verfügung. (49) Nicht-medikamentöse Therapie Als unspezifische, nicht-medikamentöse Maßnahmen können die Kühlung bzw. eine Ruhigstellung der betroffenen Extremität Linderung bringen. (41) Für die Wirksamkeit von Kirschsaftkonzentrat, Leinsamen, Weidenrindenextrakt, Erdbeeren und anderen Hilfsmitteln im akuten Gichtanfall werden von der Arbeitsgruppe des ACR bislang keine expliziten Empfehlungen ausgesprochen. (48) 36

52 Eine bereits etablierte harnsäuresenkende Therapie soll während eines Gichtanfalls nicht unterbrochen, sondern unverändert fortgeführt werden, da Schwankungen des Harnsäurespiegels weitere Attacken provozieren können. (12) Medikamentöse Therapie Neben den nicht-medikamentösen Maßnahmen haben sich bei der Behandlung des akuten Gichtanfalls nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Colchicin und Glukokortikoide (oral oder intraartikulär) etabliert. Zudem gewinnen neue pharmakologische Ansätze, insbesondere Interleukin-1β-Inhibitoren, als Reservetherapeutika zunehmend an Bedeutung. Eine insgesamt schwache Evidenz hinsichtlich eines direkten Vergleichs von NSAR, Colchicin und Glukokortikoiden führt in der Literatur oft zu uneinheitlichen Empfehlungen bezüglich des Mittels der ersten Wahl bei Gichtanfällen. Welche Medikation zum Zuge kommt, liegt laut EULAR daher schlussendlich beim behandelnden Arzt und dem betroffenen Patienten. Mögliche Kontraindikationen, bisherige Therapieerfahrungen des Patienten und die Anzahl und Art der betroffenen Gelenke sollten schließlich zu einer individuellen Therapieentscheidung führen. Unabhängig davon, welches Medikament vom praktizierenden Arzt gewählt wird, ist ein möglichst frühzeitiger Therapiebeginn für die Terminierung des Entzündungsprozesses entscheidend. Idealerweise starten gut aufgeklärte und geschulte Gichtpatienten bereits bei ersten Anzeichen umgehend eine Selbstmedikation. Insbesondere bei Colchicin scheint die Initiierung des Mittels innerhalb von zwölf Stunden nach Symptombeginn entscheidend zu sein. Bei späterem Einsatz sind die Erfolgsaussichten geringer. (47) Eine initiale Kombinationstherapie (Kombination von NSAR oder oralen Glukokortikoiden mit Colchicin bzw. Kombination von intraartikulären Glukokortikoiden mit allen anderen Therapiemodalitäten) kann bei schweren Gichtattacken bzw. polyartikulärem Befall sinnvoll sein. (47) Eine Kombination aus NSAR und systemischen Kortikosteroiden ist aufgrund von synergistischen toxischen Effekten auf den Gastrointestinaltrakt nicht empfehlenswert. (48) Für Patienten, denen eine orale Einnahme der oben genannten Medikamente aufgrund von verschiedenen Umständen verwehrt bleibt, hat das ACR Empfehlungen in ihren Leitlinien übersichtlich zusammengefasst. Auf diese wird an dieser Stelle verwiesen. (48) Die Abbildung 7 gibt einen Überblick über das von der EULAR empfohlene praktische Therapiemanagement des akuten Gichtanfalls. 37

53 Möglichst frühzeitiger Therapiebeginn Aufklärung über die Erkrankung, individuelle Lebensstilempfehlungen, Screening von Komorbiditäten und der aktuellen Medikation Schwere Niereninsuffizienz Einnahme starker CYP3A4- oder P- Glykoprotein- Inhibitoren Therapeutische Optionen Colchicin und NSAR vermeiden abhängig vom Schweregrad, der Zahl der betroffenen Gelenke und der Dauer des Anfalls Colchicin vermeiden Colchicin 1 mg gefolgt von 0,5 mg 1 h später NSAR klassische NSAR oder Coxibe + evtl. PPI Prednisolon mg/d für 5 Tage Glukokortikoide intraartikulär Kombinationstherapie z.b. Colchicin + NSAR oder Glukokortikoide Kontraindikationen für Colchicin, NSAR und Glukokortikoide (oral und injizierbar) Interleukin-1-Inhibitor erwägen Beendigung des Gichtanfalls Harnsäuresenkende Therapie (gemeinsam mit einer Anfallsprophylaxe) Abbildung 7: EULAR-Empfehlungen zum Management des Gichtanfalls, modifiziert nach Richette et al. (47) 38

54 Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) Nicht-Opioid-Analgetika und darunter vor allem NSAR sind bekannt für ihre schmerzstillenden, fiebersenkenden und entzündungshemmenden Eigenschaften. Ihre Vertreter gehören zu den weltweit verbreiteten und am häufigsten verordneten Arzneimitteln. Ihre Wirkung beruht auf einer Hemmung von Enzymen, den sog. Cyclooxygenasen (COX), die für die Prostaglandinsynthese verantwortlich sind. Prostaglandine spielen bei der Induktion von Entzündungsprozessen, bei der Schmerzsensibilisierung an Nozizeptoren und im thermoregulatorischen Zentrum des Gehirns eine zentrale Rolle. Neben nichtselektiven NSAR, die sowohl die COX-1 als auch die COX-2 hemmen, existieren seit einiger Zeit selektive COX-2-Hemmer, auch Coxibe genannt. (50) Durch ihre analgetischen und antiphlogistischen Eigenschaften fanden NSAR schließlich auch als wirksame orale Therapeutika Einzug in die Akutbehandlung der Gicht. Ein Cochrane Review kommt bei moderater Evidenzlage zu dem Schluss, dass konventionelle NSAR und selektive COX-2-Hemmer bei der akuten Gichtarthritis in etwa gleich gut wirksam sind. (51) So konnten beispielsweise zwei randomisierte kontrollierte Studien zeigen, dass Etoricoxib (ein COX-2-Hemmer) und Indometacin (ein konventionelles NSAR) in der Behandlung des akuten Gichtanfalls vergleichbar effektiv waren. (52, 53) Ein erst kürzlich veröffentlichtes systematisches Review kam zu denselben Ergebnissen. (54) Außerdem sprechen die Empfehlungen der EULAR für diese Beobachtungen, da diese sowohl nicht-selektive als auch selektive NSAR neben Colchicin und Glukokortikoiden als Mittel der Wahl gleichermaßen anführen. (47) Zudem konnte in mehreren randomisierten, kontrollierten Studien gezeigt werden, dass die verschiedenen Vertreter der NSAR in etwa vergleichbar stark wirken. (35) Auch diese Tatsache spiegelt sich in den Leitlinien der EULAR wieder, die NSAR ohne Bevorzugung eines bestimmten Präparates als Gichttherapeutika empfehlen. (47) Eine individuelle Therapieentscheidung diesbezüglich scheint also wünschenswert. Bei bestimmten Patientengruppen kann die Verwendung von NSAR aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils bzw. aufgrund von Vorerkrankungen des Betroffenen insbesondere gastrointestinaler, renaler oder kardiovaskulärer Art, limitiert oder sogar kontraindiziert sein. (46) Auch wenn selektive COX-2-Hemmer im Vergleich mit weniger gastrointestinalen Nebenwirkungen assoziiert sind, ist ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko und deren potenziell nierentoxische Wirkung bei bestimmten Patienten ein limitierender Faktor. (49, 50) Sämtliche Kontraindikationen sind daher beim Einsatz dieser Medikamente stets zu 39

55 beachten. Der kurz dauernde Einsatz von NSAR im akuten Gichtanfall scheint das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen zu minimieren. (27) Bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für gastrointestinale Komplikationen kann zudem die zusätzliche Gabe eines Protonenpumpeninhibitors (PPI) sinnvoll sein. (47) Bestehen keine Kontraindikationen, so sollten konventionelle NSAR und Coxibe generell in ihrer maximal möglichen Tageshöchstdosis verabreicht werden, um der äußert schmerzhaften Arthritis effektiv entgegenzuwirken. (46, 48) Colchicin Colchicin ist ein Alkaloid der Herbstzeitlose (Colchicum autumnale), das schon früh in der Geschichte zur Therapie akuter Gichtanfälle eingesetzt wurde. (46) Der Name Herbstzeitlose ist auf das lange Blühen der Pflanze bis in den Oktober hinein zurückzuführen. (55) Die Gattungsbezeichnung Colchicum leitet sich von Colchis, einer antiken Landschaft am Schwarzen Meer, mit Vorkommen der Herbstzeitlosen ab. Die Wirkung der Herbstzeitlosen bzw. des in ihr enthaltenen Colchicins kannten schon die Menschen der Antike. Sie setzten es damals zum Teil als Mord- bzw. Selbstmordgift ein. Auch heute kommt es noch zu potenziell lebensbedrohlichen Vergiftungen bei Verzehr der Herbstzeitlosen, vor allem weil ihre Blätter leicht mit jenen des Bärlauchs verwechselt werden können. (56) Die geringe therapeutische Breite von Colchicin mit zahlreichen Nebenwirkungen bei zu hoher Dosierung, wurde schon früh in der Geschichte beschrieben. (4) Nicht zuletzt deswegen ist Colchicin unter Autoren oft ein umstrittenes Erstlinienmedikament bei akuten Gichtanfällen. Dabei ist das Medikament bei entsprechend angemessener Dosierung und frühzeitigem Einsatz ein sehr wirksames und zuverlässiges Gichttherapeutikum. Sowohl die EULAR als auch das ACR sprechen sich daher für Colchicin (neben NSAR und Glukokortikoiden) als ein Gichttherapeutikum der ersten Wahl aus. (47, 48) Der Wirkmechanismus von Colchicin im akuten Gichtanfall ist multimodal. Zahlreiche proinflammatorische Prozesse werden herunterreguliert und gleichzeitig antientzündliche Aktivitäten gefördert. Es wird angenommen, dass Colchicin über die Bindung an Tubulin (Tubulin-Colchicin-Komplex) den Aufbau von Mikrotubuli im Zellinneren hemmt. Dadurch kommt es, neben Störungen der Zellteilung, unter anderem zur Hemmung der Produktion und Freisetzung chemotaktischer Faktoren und zum Ausbleiben der weiteren Leukozyteneinwanderung ins betroffene Gewebe. Zusätzlich hemmt Colchicin die Generierung von Interleukin-1β durch das NALP3-Inflammasom. (57) 40

56 Für Colchicin konnte die randomisierte, kontrollierte AGREE-Studie (Acute Gout Flare Receiving Colchicine Evaluation) belegen, dass niedrig dosiertes Colchicin (1,8 mg in der Studie) ähnlich effektiv ist wie hoch dosiertes (4,8 mg in der Studie). Letzteres ist aber mit signifikant mehr Nebenwirkungen vor allem gastrointestinaler Herkunft (z.b. Durchfall, Übelkeit und Erbrechen) assoziiert. Diarrhoe, als häufigste unerwünschte Nebenwirkung, entwickelten unter hohen Colchicindosen 76,9 % der Patienten, jedoch nur 23 % bei niedriger Dosis und 13,6 % unter Placebo. (58) Ein Niedrigdosisregime wird (nach Ausschluss von möglichen Kontraindikationen) daher sowohl von der Arbeitsgruppe des europäischen Rheumatologen-Fachverbandes (EULAR) als auch des amerikanischen (ACR) empfohlen. (47, 48) Auf länderspezifische Verfügbarkeiten von Colchicin und die praktische Umsetzung der Empfehlungen internationaler Fachgesellschaften soll in dieser Arbeit nicht gesondert eingegangen werden. Nach oraler Aufnahme und enteraler Resorption wird Colchicin primär in der Leber metabolisiert und sowohl enteral (80-90 %) als auch renal (10-20 %) eliminiert. (49) Bei Vorliegen einer Leber- bzw. Niereninsuffizienz ist daher besondere Vorsicht geboten. Die Halbwertszeit von oralem Colchicin liegt bei Patienten mit normaler Nieren- und Leberfunktion in etwa bei neun Stunden, wohingegen sie bei Patienten mit Nierensuffizienz in etwa 24 Stunden beträgt. Bei einem Nebeneinander von Leberzirrhose und eingeschränkter Nierenfunktion kann sich die Eliminationshalbwertszeit auf das bis zu zehnfache der normalen Halbwertszeit (in etwa 4 Tage) verlängern. (41) Colchicin wird unter anderem durch das Cytochrom P450 Enzym CYP3A4 metabolisiert und stellt ein Substrat für den Effluxtransporter P-Glykoprotein dar. Daher müssen bei einer Therapie mit Colchicin zahlreiche relevante Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln berücksichtigt werden. So kann eine parallele Therapie mit Cytochrom-P450-3A4- Hemmern und P-Glykoprotein-Inhibitoren (z.b. Cyclosporin, Tacrolimus, Ketoconazol, Imidazole, Protease-Inhibitoren und Clarithromycin) zu ernsthaften Nebenwirkungen durch konsekutive Colchicin-Akkumulation führen. Solche können unter anderem von schweren gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Erbrechen oder Durchfall bis hin zu Myopathien, Rhabdomyolyse oder Multiorganversagen bei hohen toxischen Dosen des Colchicins führen. Da Patienten mit Leber- oder Niereninsuffizienz bezüglich dieser Wechselwirkungen besonders gefährdet sind, dürfen diese nicht gleichzeitig mit P- Glykoprotein- oder starken CYP3A4-Inhibitoren und Colchicin behandelt werden. (57) Colchicin ist durch eine geringe therapeutische Breite gekennzeichnet. Eine Einzeldosis von etwa 20 Milligramm kann bereits letale Folgen haben, wobei solche toxischen Dosen immer individuell unterschiedlich sein können. Der Gastrointestinaltrakt ist hinsichtlich 41

57 unerwünschter Wirkungen besonders gerne betroffen, da er über sich rasch teilende Zellen verfügt und die enterohepatische Zirkulation des Colchicins führt zu hohen Konzentrationen des Mittels eben dort. Die wichtigsten und häufigsten Nebenwirkungen unter Colchicin sind daher Übelkeit, Bauchschmerzen und Durchfälle. (27) Das Niedrigdosisregime im akuten Gichtanfall kann diese Nebenwirkungen minimieren. (58) Intravenös verabreichtes Colchicin gilt heute aufgrund des Auftretens ernster Nebenwirkungen weitgehend als obsolet. (48, 59) Glukokortikoide Die Geschichte der Cortisontherapie beginnt mit der Entdeckung der Nebennieren im Jahre 1564 durch Eustachius. Es dauerte aber noch Jahrhunderte, ehe die Nebennieren und speziell die Nebennierenrinde (als Produktionsort des körpereigenen Cortisols) größere Aufmerksamkeit fanden. Im Jahr 1936 isolierten drei voneinander unabhängige Forschergruppen um Kendall in Rochester, Wintersteiner in New York und Reichstein in Zürich 17-Hydroxy-11-Dehydrocorticosteron, also jene Substanz, die uns heute unter dem Namen Cortison bekannt ist. Der Rheumatologe Philip Hench injizierte schließlich 1948 erstmals einer Patientin mit schwerer chronischer Polyarthritis Cortison, die daraufhin schmerzfrei war. Zwei Jahre später (1950) wurden Hench, Kendall und Reichstein für ihre Entdeckungen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Seither sind Glukokortikoide als wirksame Therapeutika in der Medizin und besonders in der Rheumatologie nicht mehr wegzudenken. (60) Glukokortikoide entfalten ihre Wirkung als antiphlogistische Substanzen durch vielerlei Mechanismen. Sie beeinflussen intrazellulär die Synthese und Regulation verschiedenster Proteine, die den Entzündungsprozess unterhalten. So werden die Ausschüttung zahlreicher proinflammatorischer Zytokine (z.b. Interleukin oder Tumornekrosefaktor α) und unter anderem auch die Induktion der Cyclooxygenase-2 (COX-2) unterdrückt. (50) Vor allem wenn NSAR und/oder Colchicin versagen, oder Kontraindikationen, wie beispielsweise eine schwere Niereninsuffizienz gegen deren Einsatz vorliegen, können Glukokortikoide als weitere First-Line-Therapieoption helfen, die Beschwerden im akuten Anfall zu lindern. Diese können sowohl oral als auch intraartikulär verabreicht werden. Bei der Auswahl der am besten geeigneten Applikationsform scheint vor allem die Eruierung der Anzahl und Art der betroffenen Gelenke entscheidend zu sein. Die intraartikuläre Steroidapplikation kommt primär dann infrage, wenn der Gichtanfall ein bis zwei, für eine Injektion gut zugängliche Gelenke betrifft. (47) Bei polyartikulärem Befall, schwer 42

58 zugänglichen Gelenken bzw. einem ungeübten Anwender für die intraartikuläre Steroidinjektion und bei Präferenz des betroffenen Patienten für eine alternative Applikationsform, ist die orale Verabreichung von Kortikosteroiden sinnvoll. (48) Es existieren keine kontrollierten Studien, welche die intraartikuläre Gabe von Glukokortikoiden mit Placebo oder anderen Medikamenten in der Behandlung der akuten Gichtarthritis vergleichen. (61) Lediglich in einer kleinen offenen, prospektiven Studie erwies sich die Injektion von intraartikulären Steroiden als wirksam. Dabei wurden insgesamt 20 mittels Polarisationsmikroskop gesicherte Gichtarthritiden mit 10 mg (Kniegelenk) bzw. 8 mg (kleine Gelenke) Triamcinolon therapiert. Bei elf betroffenen Gelenken (55 %) wurde innerhalb von 24 Stunden und bei neun Gelenken (45 %) innerhalb von 48 Stunden eine komplette Remission der Symptomatik erreicht. (62) Wenngleich für intraartikuläre Glukokortikoidgaben in der Gichttherapie eine schwache Evidenz vorliegt, hat sich diese dennoch in der Praxis etabliert. Ein Grund dafür scheint unter anderem auch deren effektiver, sicherer und evidenzbasierter Einsatz bei anderen Erkrankungen wie der Arthrose oder der rheumatoiden Arthritis zu sein. (61) Die Dosierung des Glukokortikoids bei intraartikulärer Applikation soll sich nach der Größe des involvierten Gelenks richten. Eine Kombination der intraartikulären Steroidinjektion mit allen anderen Therapiemodalitäten des akuten Gichtanfalls (oralen Glukokortikoiden, NSAR oder Colchicin) ist möglich. (48) Vor einer intraartikulären Steroidinjektion hat jedenfalls immer der sichere Ausschluss einer septischen Arthritis zu erfolgen. (41) Eine erst kürzlich veröffentlichte multizentrische, doppelt-verblindete, randomisierte Studie untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von oralem Prednisolon im akuten Gichtanfall verglichen mit dem NSAR Indometacin. Insgesamt erfüllten 416 Personen über 18 Jahre die Einschlusskriterien der Studie. Primärer Endpunkt waren Gelenksschmerzen in Ruhe und bei Aktivität auf einer Visual Analog Skala von 0 bis 100. Es zeigte sich, dass orales Prednisolon ähnlich wirksam war wie Indometacin in beiden Gruppen nahmen die Schmerzen sowohl in Ruhe als auch bei Aktivität in vergleichbarem Maße ab. Schwere Nebenwirkungen traten in keiner der beiden Gruppen auf. (63) Zwei weitere kleinere randomisierte, kontrollierte Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Zum einen konnten Janssens und seine Kollegen beim Vergleich von oralem Prednisolon (35 mg täglich) mit Naproxen (500 mg zweimal täglich) keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich Effizienz und Nebenwirkungsrate festmachen. (64) Zum anderen verglichen Man und seine Arbeitsgruppe eine orale Prednisolon-Paracetamol-Kombinationstherapie mit einer Kombination aus Indometacin und Paracetamol. Auch hier zeigte sich eine ähnliche Effektivität der beiden Therapiemodalitäten. (65) 43

59 So wundert es also nicht, dass auch orale Glukokortikoide als First-Line-Therapieoption Einzug in die neuesten Therapieleitlinien gefunden haben. Die EULAR empfiehlt bei akuten Gichtanfällen orales Prednisolon in einer Dosis von mg täglich für eine Therapiedauer von fünf Tagen. (47) Interleukin-1β-Inhibitoren Interleukin-1β nimmt, wie bereits im Kapitel 11.1 beschrieben, bei der Initiierung eines akuten Gichtanfalls eine entscheidende proinflammatorische Rolle ein. Die therapeutische Blockierung von Interleukin-1 scheint daher ein sinnvolles und vielversprechendes Therapieprinzip zu sein. In den letzten Jahren sind mehrere Untersuchungen zur Wertigkeit von Interleukin-1-Blockern wie Canakinumab, Anakinra und Rilonacept bei Patienten mit einer Gichtarthritis durchgeführt worden. Von diesen ist bislang von der Europäischen Arzneimittelbehörde lediglich Canakinumab für die Behandlung des akuten Gichtanfalls zugelassen. Aufgrund der exorbitant hohen Therapiekosten ist der routinemäßige Einsatz von Interleukin-1-Hemmern aber stark limitiert und spielt in der klinischen Praxis nahezu keine Rolle. (46) Canakinumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper gegen Interleukin-1β mit einer relativ langen Plasmahalbwertszeit von etwa vier Wochen. (41) Zwei randomisierte, kontrollierte Studien verglichen die Wirkung und Sicherheit von Canakinumab (150 mg subkutan) mit dem Glukokortikoid Triamcinolonacetonid (40 mg intramuskulär) über zwölf Wochen (mit anschließend weiteren zwölf Wochen unter Beobachtung). Es zeigte sich eine signifikante Überlegenheit von Canakinumab hinsichtlich der Schmerzreduktion, Gelenksschwellung und dem Rezidivrisiko. Einzig bezüglich unerwünschter Wirkungen war Canakinumab dem Triamcinolonacetonid unterlegen. Nebenwirkungen wurden für Canakinumab in 66,2 % vermerkt, für Triamcinolonacetonid in 52,8 % der Fälle (schwerwiegende Nebenwirkungen unter Canakinumab in 8 % der Fälle, gegenüber 3,5 % bei Triamcinolonacetonid). (66) Diese beiden Hauptstudien führten schließlich 2013 zur Zulassung von Canakinumab als Gichttherapeutikum durch die europäische Arzneimittel-Agentur EMA (European Medicines Agency). Allerdings ist Canakinumab sozusagen das Mittel der letzten Wahl und nur für ausgewählte Patienten reserviert. Voraussetzung für den Einsatz ist, dass mindestens drei Gichtanfälle in den vorausgehenden zwölf Monaten aufgetreten sind, bei denen NSAR und Colchicin kontraindiziert sind oder nicht ausreichend wirken, und wenn eine wiederholte Glucocorticoid-Gabe zur Behandlung ungeeignet ist. Canakinumab ist als Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung erhältlich. Die empfohlene Dosis (150 mg) wird als 44

60 Einzeldosis von einem Facharzt, der in der Anwendung biologischer Arzneimittel erfahren sein sollte, subkutan gespritzt. Die Injektion soll so bald wie möglich nach Beginn der akuten Gichtsymptomatik erfolgen. Eine erneute Einzeldosis kann frühestens nach einem Intervall von zwölf Wochen erfolgen. Häufige Nebenwirkungen unter Canakinumab sind unter anderem leichte bis mäßige Infektionen vor allem der oberen Atemwege. Auch schwerwiegende Infektionen wurden beobachtet. Eine aktuelle Infektion des Patienten stellt eine Kontraindikation für den Einsatz von Canakinumab dar. (67) In den USA gibt es für Canakinumab im akuten Gichtanfall bislang keine Zulassung durch die Arzneimittelzulassungsbehörde FDA (Food and Drug Admninistration). Obwohl die Effektivität der Substanz bestätigt wurde, führten Sicherheitsbedenken unter Nutzen- Risiko-Abwägung zu dieser Entscheidung. (68) Anakinra ist ein Interleukin-1-Rezeptorantagonist mit einer Plasmahalbwertszeit von etwa vier bis sechs Stunden. Durch Bindung an den Rezeptor wird dessen Interaktion mit dem Botenstoff Interleukin-1 verhindert. Eine tägliche subkutane Anwendung ist wegen der kurzen Halbwertszeit notwendig. (41) Anakinra ist in Europa zur Therapie der rheumatoiden Arthritis und des sog. Cryopyrin-assoziierten periodischen Syndroms (CAPS) zugelassen. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen ein Gendefekt zur vermehrten Produktion von Interleukin-1β führt. Die Folge sind Entzündungen in sämtlichen Körperregionen. Als Gichttherapeutikum im akuten Anfall hat Anakinra bisher keine Zulassung. (69) Sämtliche Fallserien lassen aber vermuten, dass es sich um ein wirksames Gichtmittel handelt. (70 73) Kontrollierte Studien zum Einsatz von Anakinra bei der Gichtarthritis fehlen bislang. Rilonacept bindet mit hoher Affinität an Interleukin-1α und Interleukin-1β, wodurch die Wirkung dieser Botenstoffe an endogenen Interleukin-Rezeptoren gehemmt wird. (41) In einer randomisiert kontrollierten Studie bei Patienten mit akuter Gichtarthritis brachte Rilonacept (320 mg) gegenüber dem oral verabreichten NSAR Indometacin (50 mg dreimal täglich für 3 Tage) keinen wesentlichen Benefit hinsichtlich einer Schmerzreduktion über 72 Stunden. (74) Rilonacept hat derzeit keine Zulassung als Gichttherapeutikum. 45

61 14.2 Langzeittherapie zur Harnsäuresenkung Die zuvor beschriebene Behandlung eines akuten Gichtanfalls stellt eine kurzfristige, rein symptomatische Therapie dar und korrigiert weder die Ursache der Gicht, noch die chronische Ablagerung von Uratkristallen in Geweben. Eine konsequente und langfristige Senkung des Serumharnsäurespiegels durch medikamentöse und unterstützende lebensstilmodifizierende Maßnahmen stellt hingegen den kausalen Therapieansatz dar. Ziel der harnsäuresenkenden Dauertherapie ist es, neue Gichtanfälle und Kristallneubildungen mit möglichen Folgeschäden zu verhindern und eine Auflösung von bereits bestehenden Uratablagerungen zu fördern. Dies kann erreicht werden, indem die Harnsäure im Serum dauerhaft auf einen Zielwert von < 6 mg/dl gehalten wird. In schweren Fällen, beispielsweise bei chronisch tophöser Gicht oder häufigen Gichtanfällen, soll sogar ein Serumharnsäurewert von < 5 mg/dl angestrebt werden. (47) Dies ist durch eine lineare Beziehung zwischen Harnsäurespiegel und Tophusreduktion begründet, das heißt Harnsäuredepots leeren sich umso schneller, je tiefer der Serumharnsäurespiegel gesenkt wird. (75) Von langfristigen Harnsäurewerten < 3 mg/dl wird dennoch abgeraten, weil es Hinweise für eine potenziell protektive Wirkung der Harnsäure bei neurodegenerativen Erkrankungen, wie beispielsweise der Parkinson- oder Alzheimererkrankung gibt (Kapitel 10). (47) Das Erreichen des Harnsäure-Zielwerts als Marker für den Therapieerfolg und die Therapieadhärenz des Patienten soll zu Therapiebeginn häufiger (alle zwei bis fünf Wochen), nach Erreichen des Serumharnsäure-Zielwertes zumindest alle sechs Monate kontrolliert werden. (7) Patientenschulung und lebensstilmodifizierende Maßnahmen Ein ausführliches Aufklärungsgespräch bzw. eine Schulung zu Therapiebeginn soll dem Patienten vermitteln, wie er durch Änderung seiner Lebensgewohnheiten dazu beitragen kann, weitere Gichtanfälle und mögliche Folgeschäden durch Harnsäureablagerungen zu minimieren. Eine bewusste Ernährung und körperliche Aktivität als Basis ist nicht nur Teil der Gichttherapie, sondern soll auch im Hinblick auf mögliche Begleiterkrankungen vor allem kardiovaskulärer Art jedem Patienten uneingeschränkt empfohlen werden. (47) Spezielle Ernährungs- und Lebensstilempfehlungen bei Hyperurikämie und Gicht umfassen die Reduktion von purinreichem Fleisch (beispielsweise Rind, Schwein, Lamm und Innereien), Meeresfrüchten (vor allem Krustentiere und Muscheln), fruktosehaltigen Getränken (sog. Softdrinks) und Alkohol (in erster Linie Bier). Der Speiseplan sollte reich 46

62 an fettreduzierten Milchprodukten und Gemüse sein. Eine regelmäßige körperliche Aktivität (mindestens zwei bis dreimal pro Woche für 20 bis 30 Minuten) sowie eine langsame Reduktion des Körpergewichts (wenn erforderlich) sind anzustreben. (32) Zu rasche Gewichtsabnahmen bzw. strenge Fastenkuren können über eine auftretende Azidose und eine rasche Mobilisierung sämtlicher Harnsäureablagerungen Gichtanfälle provozieren. (17) Wesentliches Ziel der Patientenschulung soll in erster Linie die Vermeidung von Nahrungsexzessen sein. Die erwähnten, weniger optimalen Nahrungs- und Genussmittel sind für einen Gichtpatienten daher nicht kategorisch verboten, sondern können auch weiterhin aber in kleineren Mengen genossen werden. Das kann die Compliance des Betroffenen fördern. (32) Anzumerken ist, dass derartige Lebensstilmaßnahmen nur begrenzt zu einer Harnsäuresenkung beitragen (in etwa %ige Senkung der Serumharnsäure möglich), wodurch schließlich zusätzlich pharmakologische Therapiemaßnahmen notwendig werden. (7) Generell sind Krankheitsbewusstsein und Compliance bei Gichtpatienten oft mangelhaft. Einer systematischen Übersichtsarbeit zufolge ist weniger als die Hälfte der Gichtpatienten therapieadhärent. Auch im Vergleich mit anderen chronischen Erkrankungen, wie beispielsweise arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus oder Osteoporose zeigen Gichtpatienten eine geringere Therapietreue. (76) Dies scheint in erster Linie durch eine schlechte Patientenschulung und Aufklärung durch den behandelnden Arzt bedingt zu sein. (49) Eine von Beginn an gute Einbindung des Patienten in sein Krankheitsgeschehen und eine Schulung über pathophysiologische Entstehungsmechanismen der Erkrankung, den Zweck und das Ziel der Behandlung, sind der Grundstein am Behandlungsbeginn um die Compliance des Betroffenen für eine harnsäuresenkende Therapie zu stärken. (47) Indikationen zur medikamentösen Harnsäuresenkung In der Literatur finden sich teils sehr unterschiedliche Angaben, ab wann eine harnsäuresenkende medikamentöse Therapie begonnen werden sollte. Während sich in älteren Empfehlungen ein mehr zurückhaltender, etwas späterer Einsatz der Medikation zeigt, zeichnet sich in den letzten Jahren zunehmend ein Trend zur frühzeitigen Einleitung einer harnsäuresenkenden Therapie ab. Gemäß den aktuellen Leitlinien der EULAR soll eine harnsäuresenkende Therapie bei jedem Gichtpatienten bereits ab der ersten klinischen Präsentation (symptomatische Hyperurikämie meist in Form des ersten akuten Gichtanfalls) in Betracht gezogen werden. Bei Patienten mit rezidivierenden Gichtattacken 47

63 (zwei oder mehr Gichtanfälle pro Jahr), Harnsäureablagerungen in Form von Tophi, einer Gichtarthropathie und/oder einer Uratnephrolithiasis muss eine konsequente harnsäuresenkende Therapie in jedem Fall erfolgen. Ein möglichst frühzeitiger Therapiebeginn ist besonders bei Gichtpatienten jungen Alters (< 40 Jahre), jenen mit Begleiterkrankungen (beispielsweise einer Niereninsuffizienz oder kardiovaskulären Erkrankungen) und bei hohen Serumharnsäurewerten (> 8 mg/dl) von Bedeutung, da diese Faktoren Ausdruck meist schwerer Verlaufsformen sind. Die medikamentöse Therapie einer asymptomatischen Hyperurikämie wird derzeit nicht empfohlen. (47) In Anbetracht möglicherweise auftretender Wechselwirkungen und unerwünschter Effekte muss eine Entscheidung zur medikamentösen Langzeitbehandlung in jedem Fall immer sorgfältig und individuell abgewogen werden Beginn der harnsäuresenkenden medikamentösen Therapie Bislang galt die Empfehlung, dass mit einer harnsäuresenkenden medikamentösen Therapie immer erst nach dem vollständigen Abklingen eines akuten Gichtanfalls begonnen werden sollte, um durch die starke Harnsäuremobilisation Gichtanfälle nicht zu verlängern oder polyartikuläre Anfälle zu provozieren. (49) Zunehmend mehren sich aber Hinweise, dass ein Beginn der harnsäuresenkenden Medikation auch schon während eines akuten Gichtanfalls möglich ist. In einer placebokontrollierten, randomisierten Studie wurden insgesamt 57 Männer während eines akuten Gichtanfalls eingeschlossen. Diese erhielten neben einer symptomatischen, antiinflammatorischen Therapie mit Indometacin (50 mg dreimal pro Tag für zehn Tage) und einer prophylaktischen Colchicindosis (0,6 mg zweimal täglich für 90 Tage) entweder 300 mg Allopurinol oder ein Placebo für zehn Tage. Ab Tag 11 startete auch die Placebo-Gruppe mit der harnsäuresenkenden Allopurinol-Therapie. Primäre Endpunkte waren die Schmerzstärke, gemessen an einer visuellen Analogskala (VAS) zwischen Tag 1 und Tag 10 und das Auftreten neuer Gichtanfälle über einen Zeitraum von 30 Tagen. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied der beiden Gruppen hinsichtlich der VAS-Schmerzstärke oder der Rate an wiederkehrenden Gichtanfällen. (77) In einer zweiten placebokontrollierten, randomisierten Studie mit 31 Studienteilnehmern hat der frühzeitige Beginn einer Allopurinoltherapie den Zeitraum bis zum Abklingen der Gichtanfälle nicht signifikant verlängert. (78) In die ACR-Leitlinien aus dem Jahre 2012 haben diese Erkenntnisse bereits Einzug genommen. Eine harnsäuresenkende medikamentöse Therapie kann bei gegebener Indikation laut ACR somit bereits während eines akuten Gichtanfalls begonnen werden, vorausgesetzt, dass bereits eine adäquate antientzündliche Therapie eingeleitet wurde. (7) 48

64 Dennoch scheint es oft sinnvoll zu sein, das Abklingen der akuten Entzündungssymptomatik abzuwarten, um mit einem nun schmerzbefreiten Patienten den Zweck, das Ziel und Langzeitmanagement einer harnsäuresenkenden Therapie in Ruhe zu diskutieren. (49) Therapiedauer und Langzeitmanagement Mindestens genauso wichtig wie das Erreichen eines bestimmten Harnsäure-Zielwertes ist es, die Serumharnsäure dauerhaft in diesem Zielbereich zu halten. Die harnsäuresenkende medikamentöse Behandlung ist daher grundsätzlich eine langfristige, in der Regel lebenslange Therapie, um ein Wiederauftreten der Erkrankung zu verhindern. (47) Der spanische Rheumatologe Perez-Ruiz und seine Kollegen stellten sich aber berechtigterweise die Frage, ob nach Auflösen aller Harnsäureablagerungen durch eine effiziente, langjährige harnsäuresenkende Medikation weiterhin ein Zielwert von < 6 mg/dl angestrebt werden soll oder ob auch ein Wert gerade unter dem physikochemischen Sättigungspunkt ausreichend ist, um zukünftig Harnsäurekristallformationen zu verhindern. Für den Patienten und den behandelnden Arzt würde das bedeuten, dass die Dosis der harnsäuresenkenden Medikation gesenkt werden könnte. Die Arbeitsgruppe kam zu dem Schluss, dass ein zweiphasiger Therapieansatz bei Gichtpatienten sinnvoll sein kann. Zunächst soll in einer ersten, therapeutischen Phase der Serumharnsäure-Zielwert dauerhaft < 6 mg/dl gehalten werden, so dass sämtliche Harnsäuredepots möglichst vollständig entleert sind. In der zweiten, präventiven Phase kann dann bei klinischer Beschwerdefreiheit der Harnsäure-Zielwert höher, aber immer noch unter dem physiologischen Sättigungspunkt liegen. Die Dauer der ersten, therapeutischen Periode richtet sich individuell nach dem Schweregrad der Erkrankung des jeweiligen Patienten und beträgt laut Perez-Ruiz und seinem Team bei Patienten ohne Tophi in etwa fünf Jahre. (79) Anfallsprophylaxe Vor allem am Beginn einer harnsäuresenkenden Therapie kann es, aufgrund der Mobilisation der Harnsäureablagerungen, gehäuft zu neuen Gichtanfällen kommen. Dies kann (vor allem bei fehlender Aufklärung durch den behandelnden Arzt) zu schlechter Therapieadhärenz führen, da der betroffene Patient annimmt, seine neu begonnene harnsäuresenkende Therapie zeige keine Wirkung. (49) Um diesen weiteren Gichtattacken entgegenzuwirken, kann in der Einleitungsphase der harnsäuresenkenden Therapie eine medikamentöse Anfallsprophylaxe mit niedrig dosiertem Colchicin (0,5 bis 1 mg einmal 49

65 täglich) oder (bei Kontraindikationen oder schlechter Verträglichkeit) alternativ mit oralen NSAR erfolgen. Während in den früheren Therapieleitlinien der EULAR aus dem Jahr 2006 eine Prophylaxe in den ersten Monaten der harnsäuresenkenden Therapie empfohlen wird, sprechen sich die aktualisierten Leitlinien aus dem Jahr 2016 für eine Dauer der Anfallsprophylaxe für zumindest sechs Monate aus. (47) Diese Empfehlungen für eine längere Dauer der Schubprophylaxe ergeben sich aus einer zwischenzeitlich erschienenen Analyse von Zulassungsstudien für das harnsäuresenkende Medikament Febuxostat. In dieser zeigte sich, dass die Rate an neu auftretenden Gichtanfällen nach einer kurz dauernden Anfallsprophylaxe von acht Wochen stark zunahm (bis zu 40 %), wohingegen Anfälle nach einer medikamentösen Gichtprophylaxe von sechs Monaten nur noch selten auftraten (3-5 %). (80) Generell muss der Bedarf einer Anfallsprophylaxe zu Beginn einer harnsäuresenkenden Therapie aber immer individuell diskutiert und abgewogen werden. Manche Patienten nehmen möglicherweise lieber weitere Gichtanfälle in Kauf, anstatt noch zusätzlich mehr Medikamente einnehmen zu müssen. Außerdem muss es ohne Prophylaxe nicht zwingend zu weiteren Gichtanfällen kommen. Das langsame Auftitrieren einer neu eingeführten harnsäuresenkenden Medikation ( start low, go slow ) kann das Risiko des Auftretens neuer Gichtanfälle ebenfalls minimieren und sollte, wann immer möglich, vom behandelnden Arzt bevorzugt werden. (47) Medikamentöse Harnsäuresenkung Drei verschiedene Therapieoptionen stehen zur medikamentösen Harnsäuresenkung zur Verfügung: Urikostatika hemmen die Bildung der Harnsäure (Xanthinoxidase-Hemmer), Urikosurika fördern die Ausscheidung der Harnsäure über die Nieren und Urikolytika können Harnsäure in das besser wasserlösliche Allantoin überführen. (46) Urikostatika Urikolytika XO Purine Hypoxanthin Xanthin Harnsäure Allantoin XO Urikosurika renale Ausscheidung Abbildung 8: Medikamentöse Harnsäuresenkung, modifiziert nach Sattui et al. (98) 50

66 Therapie mit Urikostatika Als Urikostatika kommen Allopurinol und das neuwertigere Arzneimittel Febuxostat zum Einsatz. Beide sind Inhibitoren des Enzyms Xanthinoxidase, welches im Purinstoffwechsel die terminale Reaktion von Hypoxanthin über Xanthin zu Harnsäure katalysiert. (46) Durch die Hemmung der Xanthinoxidase kommt es zum vermehrten Anfall von Hypoxanthin und Xanthin, die beide wesentlich besser wasserlöslich sind als die Harnsäure und daher vermehrt ausgeschieden werden. (21) Allopurinol Seit Jahrzehnten ist der erste entwickelte Xanthinoxidase-Hemmer Allopurinol nun bekannt und als weltweit am häufigsten verordnetes harnsäuresenkendes Arzneimittel nicht mehr aus der Gichttherapie wegzudenken. (1) Als effektives, relativ sicheres und kostengünstiges Medikament stellt Allopurinol in Leitlinien-Empfehlungen nach wie vor das Mittel der ersten Wahl zur Harnsäuresenkung dar. Dennoch kann der Einsatz von Allopurinol bei manchen Patientengruppen limitiert sein. (47) Allopurinol ist ein Analogon des Hypoxanthin, das heißt die chemische Struktur des Wirkstoffs Allopurinol ähnelt stark der von Hypoxanthin. Allopurinol ist daher zunächst selbst Substrat der Xanthinoxidase, die es in seinen aktiven Metaboliten Oxypurinol umwandelt. Dieser wirkt schließlich als Inhibitor des Schlüsselenzyms Xanthinoxidase. Als Folge wird die Konzentration der Harnsäure im Plasma gesenkt, während jene der Vorstufen Hypoxanthin und Xanthin zunimmt. Hyoxanthin und Xanthin, die nun Endprodukte des Purinstoffwechsels darstellen, sind besser wasserlöslich als Harnsäure und können somit über die Nieren problemlos ausgeschieden werden. (20) Allopurinol hat eine orale Bioverfügbarkeit von circa 80 % und eine kurze Eliminationshalbwertszeit von etwa einer Stunde. Jedoch erreicht der aktive Hauptmetabolit von Allopurinol (Oxypurinol) eine Halbwertszeit von ungefähr 23 Stunden, weshalb eine einmal tägliche Einnahme des Arzneimittels ausreichend ist. Oxypurinol wird primär über den Urin ausgeschieden, wodurch der limitierende pharmakologische Faktor von Allopurinol bei eingeschränkter Nierenfunktion verständlich wird. (81) Allopurinol sollte stets unter Kontrolle der Serumharnsäure einschleichend dosiert werden, um das Risiko für schwere unerwünschte Wirkungen zu minimieren und die Häufigkeit von Gichtanfällen am Beginn einer harnsäuresenkenden Therapie zu vermindern. Begonnen wird mit einer Startdosis von täglich 100 mg. Danach kann die Dosis alle zwei bis vier Wochen um weitere 100 mg gesteigert werden, bis der gewünschte Harnsäure-Zielwert 51

67 erreicht ist. (47) Die maximal mögliche Dosis beträgt 900 mg täglich. (82) In der Praxis wird jedoch traditionellerweise meist nur bis zu einer Standarddosis von 300 mg täglich auftitriert. (47) Dabei hat sich aber gezeigt, dass diese Dosis sehr oft unzureichend ist. So erreichten beispielsweise in drei randomisierten Therapiestudien nur 42 % (83), 56 % (84) bzw. 41 % (85) den Harnsäure-Zielwert von < 6 mg/dl bei einer fixen täglichen Dosis von 300 mg Allopurinol. In einer anderen Untersuchung erreichten acht von 31 Patienten (26 %) das Behandlungsziel von < 5 mg/dl bei einer täglichen Dosis von 300 mg Allopurinol. Nach einer Dosissteigerung auf 600 mg erreichten 21 von 27 Patienten (78 %) den Zielwert. (86) Zudem konnten > 90 % der Teilnehmer einer Beobachtungsstudie aus Großbritannien bei einer mittleren Dosis von 400 mg Allopurinol den Zielwert von < 6 mg/dl realisieren. (87) Zusammengefasst sollten diese Erkenntnisse auf die Wichtigkeit der individuellen Dosisanpassung und der Möglichkeit einer Dosissteigerung (bei Nichterreichen des Harnsäure-Zielwertes) über die Standarddosis von 300 mg hinaus hinweisen. (47) Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist die Ausscheidung von Oxypurinol reduziert. Die größten Bedenken bei Kumulation dieses Metaboliten sind schwere unerwünschte Wirkungen im Rahmen einer Allopurinol-Hypersensitivitätsreaktion (siehe weiter unten). Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist das Risiko solcher Überempfindlichkeitsreaktionen erhöht. Daher hat sich über Jahrzehnte hinweg die Anpassung der Allopurinol-Dosis an die Nierenfunktion bestimmt durch die Kreatinin-Clearance im klinischen Alltag vieler behandelnder Ärzte etabliert (Tabelle 3). (88) Kreatinin-Clearance (ml/min) Dosis mg alle drei Tage mg alle zwei Tage mg pro Tag mg pro Tag mg pro Tag mg pro Tag mg pro Tag mg pro Tag mg pro Tag Tabelle 3: Dosisreduktion von Allopurinol bei Niereninsuffizienz, modifiziert nach Stamp et al. (88) 52

68 Strikte Dosisreduktionen bei eingeschränkter Nierenfunktion führen aber oft dazu, dass die erwünschten Harnsäure-Zielwerte nicht erreicht werden und so weiterhin eine Hyperurikämie besteht. (88) Eine neuseeländische Studie lieferte Hinweise, dass eine über die Empfehlungen hinaus gehende Dosis von Allopurinol bei niereninsuffizienten Patienten zu keinem gehäuften Auftreten schwerer Nebenwirkungen führe. (89) Seither werden die maximal mögliche Dosis von Allopurinol und die langjährig etablierte Dosisreduktion, in Abhängigkeit von der Kreatinin-Clearance, bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion kontrovers diskutiert. Einerseits besteht keine Evidenz dafür, dass eine herabgesetzte Erhaltungsdosis bei Niereninsuffizienz tatsächlich das Risiko von schweren Überempfindlichkeitsreaktionen senkt. (90) Andererseits konnte die neuseeländische Studie möglicherweise durch zu geringe Studienteilnehmerzahlen die insgesamt selten auftretenden, schweren Allopurinol-Hypersensitivitätsreaktionen quantitativ nicht genügend erfassen. Letzteres ist auch der Grund, warum die aktuellen Leitlinienempfehlungen der EULAR nach wie vor das konservative Vorgehen mit einer Dosisreduktion von Allopurinol bei eingeschränkter Nierenfunktion anhand der Kreatinin-Clearance empfehlen. Wird der Serumharnsäure-Zielwert bei diesen Dosierungen schließlich nicht erreicht, soll laut EULAR alternativ auf andere Behandlungsmöglichkeiten, beispielsweise auf den neuen Xanthinoxidase-Inhibitor Febuxostat, umgestiegen werden. (47) Hingegen sprechen sich ACR-Leitlinien bei eingeschränkter Nierenfunktion für eine mögliche Dosissteigerung über die maximal empfohlene Dosis hinaus aus, vorausgesetzt, dass engmaschige Kontrollen und eine gute Schulung des Patienten stattfinden. (7) Endgültige einheitliche Empfehlungen der großen Fachverbände für Rheumatologie und Ergebnisse größerer Studien bleiben also abzuwarten. Bis dahin müssen Risiken, die eine lang anhaltende Hyperurikämie und wiederholte Gichtanfälle bergen, gegen schwerwiegende, aber doch sehr seltene Nebenwirkungen gründlich abgewogen werden. Im Allgemeinen wird Allopurinol von der Mehrheit der Patienten recht gut vertragen. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen umfassen gastrointestinale Störungen und Überempfindlichkeitsreaktionen. (49) Bei letzteren handelt es sich oft um Hauterscheinungen, die von milderen Formen mit Juckreiz und makulopapulösen Exanthemen bis hin zu seltenen, aber schweren und potenziell lebensbedrohlichen Allopurinol-Hypersensitivitätsreaktionen reichen. Diese entwickeln sich typischerweise in den ersten acht bis neun Wochen der Allopurinoltherapie. Zur Gruppe der ernsten Überempfindlichkeitsreaktionen gehören unter anderem das Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und die toxisch epidermale Nekrolyse (TEN), die mit einer hohen Mortalität von etwa 20 % vergesellschaftet sind. In Europa stellt Allopurinol die häufigste medikamentöse Ursache des SJS und der TEN dar. Nicht zuletzt deswegen sollte Allopurinol nicht unkritisch 53

69 bei asymptomatischer Hyperurikämie angewandt werden. Außerdem soll jeder Patient über Risiken und mögliche Warnsymptome (beispielsweise Juckreiz, Fieber oder Hautläsionen) aufgeklärt werden. Faktoren die zu einem erhöhten Risiko beitragen, sind hohe Allopurinol- Startdosen, eine renale Insuffizienz und die Komedikation mit Diuretika. Außerdem sind vor allem Menschen mit dem HLA- (Human Leukocyte Antigen) Subtypen HLA-B*5801 gefährdet, schwere Hypersensitivitätsreaktionen zu erleiden. Dieser HLA-Subtyp wird insbesondere bei Patienten asiatischer Herkunft, beispielsweise bei Thailändern, Han- Chinesen oder Koreanern angetroffen. Bei Kaukasiern scheint er von weniger großer Bedeutung zu sein. (88) Derzeit wird eine routinemäßige HLA-Typisierung vor Therapiebeginn mit Allopurinol nicht empfohlen lediglich bei Risikopopulationen kann eine Bestimmung des HLA-Subtypen sinnvoll sein. (7, 47) Als wichtigstes Interaktionspotential von Allopurinol sind Wechselwirkungen mit Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin zu nennen. Der zugrunde liegende Mechanismus beruht darauf, dass Azathioprin zunächst in 6-Mercaptopurin umgewandelt wird und weiter über die Xanthinoxidase zu Thioharnsäure inaktiviert wird. Bei einer Hemmung der Xanthinoxidase durch Allopurinol ist dieser Abbauweg geblockt, und es drohen durch eine Akkumulation schwere unerwünschte Wirkungen, insbesondere eine toxische Knochenmarksschädigung. Bei gleichzeitiger Allopurinolgabe muss daher eine Dosisreduktion von Azathioprin bzw. Mercaptopurin auf 25 % der sonst üblichen Dosis erfolgen. (91) Febuxostat Febuxostat wurde im Jahr 2008 von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA europaweit zur Behandlung der chronischen Gicht zugelassen. (91) Seit Juli 2011 ist das Arzneimittel in Österreich erhältlich (gelber Bereich des Erstattungskodex) und damit nach Jahrzehnten des Stillstandes ein neues und vielversprechendes harnsäuresenkendes Medikament. (92) Der Wirkmechanismus von Febuxostat beruht, ähnlich wie bei Allopurinol, auf einer Hemmung der Xanthinoxidase. Im Unterschied zu Allopurinol weist Febuxostat aber keine Purinstruktur auf. Es hemmt selektiv und wirkstark sowohl die oxidierte als auch die reduzierte Form der Xanthinoxidase, indem es den Kanal, der zum aktiven Zentrum des Enzyms dem Molybdän führt, besetzt. (91) Nach oraler Einnahme wird Febuxostat gut resorbiert (Absorptionsrate in etwa 85 %) und liegt im Plasma zu 99 % an Albumin gebunden vor. Febuxostat wird weitgehend in der Leber durch Glucuronidierung und durch Enzyme der Cytochrom-Familie verstoffwechselt und im Anschluss sowohl hepatisch als auch renal eliminiert. Lediglich etwa 3 % des Arzneimittels werden unverändert über die Nieren ausgeschieden. Die 54

70 Eliminationshalbwertszeit des Arzneimittels wird mit fünf bis acht Stunden angegeben. (91) Die empfohlene Dosis beträgt 80 mg einmal täglich. Wird der Serumharnsäure-Zielwert von < 6 mg/dl nicht erreicht, kann nach zwei bis vier Wochen eine Dosissteigerung auf täglich 120 mg in Betracht gezogen werden. Eine Dosisanpassung ist bei leichter bis moderater Leber- bzw. Niereninsuffizienz nicht notwendig. Die Datenlage zur Wirksamkeit und Sicherheit bei schwerer Leberinsuffizienz bzw. schwerer Niereninsuffizienz (Kreatinin- Clearance < 30 ml/min) ist derzeit unzureichend. (93) Die europäische Zulassung von Febuxostat beruht im Wesentlich auf zwei doppelblinden, randomisierten Phase-III-Studien, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Febuxostat über 52 Wochen (FACT-Studie) bzw. 28 Wochen (APEX-Studie) mit insgesamt 1834 Patienten untersuchten. (85, 94) In der Febuxostat/Allopurinol-kontrollierten Studie (FACT, Febuxostat versus Allopurinol Controlled Trial) wurden zwei Dosen von Febuxostat (einmal täglich 80 mg und 120 mg) ein Jahr lang bei 762 Gichtpatienten jeweils mit Allopurinol (einmal täglich 300 mg) verglichen. Primärer Studienendpunkt war der Anteil der Patienten, die den Zielharnsäurewert von < 6 mg/dl in den drei letzten monatlichen Messungen vor Studienabschluss erreichten. Dieser wurde unter beiden zugelassenen Dosierungen von Febuxostat signifikant häufiger (53 % bei 80 mg bzw. 62 % bei 120 mg) erreicht als unter Allopurinol (21 %). (94) In der APEX-Studie (Allopurinol- and Placebo-Controlled Efficacy Study of Febuxostat) wurden drei Febuxostat-Dosen (einmal täglich 80 mg, 120 mg und 240 mg) mit einem Placebo und Allopurinol (einmal täglich 300 mg) an 1072 Patienten über sechs Monate verglichen. Zudem wurde in einer kleinen Subgruppe der Patienten (4 % der Probanden) mit milder Niereninsuffizienz (Serumkreatinin von 1,5 bis 2 mg/dl) die tägliche Dosis von Allopurinol auf 100 mg reduziert. Primäre Zielgröße war wiederum der Anteil der Patienten mit Harnsäurespiegeln < 6 mg/dl bei den letzten drei monatlichen Messungen. Auch in dieser Studie zeigte sich eine statistisch signifikante Überlegenheit von Febuxostat (48 %, 65 % und 69 %) gegenüber der Behandlung mit Allopurinol (22 %) bzw. Placebo (0 %). Auch erreichte die Gruppe der Probanden mit eingeschränkter Nierenfunktion den Harnsäure-Zielwert von unter 6 mg/dl nach Behandlung mit Febuxostat signifikant häufiger (44 %, 45 % und 60 %) als unter Allopurinol (0 %). (85) Die Ergebnisse einer weiteren randomisierten, kontrollierten Studie, der CONFIRMS-Studie (Confirmation of Febuxostat in Reducing and Maintaining Serum Urate), waren erst im Jahr 2010 (nach der bereits erfolgten europäischen Marktzulassung) verfügbar. Hier wurden insgesamt 2269 Patienten mit Febuxostat (40 mg oder 80 mg) oder Allopurinol (300 mg bzw. 200 mg bei eingeschränkter Nierenfunktion) über sechs Monate behandelt. In der 55

71 niedrigen Dosis von 40 mg war die Ansprechrate von Febuxostat in etwa äquivalent zur Gabe von 300 mg Allopurinol (45 % versus 42 %). Hingegen waren 80 mg Febuxostat signifikant (67 %) überlegen. 65 % der Studienteilnehmer hatten eine milde bzw. moderate Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance von ml/min) als Begleiterkrankung. Für dieses Patientenkollektiv konnte ebenfalls ein medizinischer Mehrnutzen von Febuxostat gezeigt werden: Es erreichten deutlich mehr Patienten den Zielharnsäurewert von < 6 mg/dl unter 80 mg Febuxostat (72 %) als unter 40 mg (50 %) bzw. Allopurinol (42 %). (83) Bei den drei oben genannten randomisierten, kontrollierten Studien FACT, APEX und CONFIRMS ist kritisch anzumerken, dass die Überlegenheit von Febuxostat im Vergleich zu Allopurinol nur gegenüber einer fixen Dosierung von Allopurinol (300 mg) gezeigt wurde. Allopurinol kann aber, bei nicht ausreichendem Ansprechen, individuell auch deutlich höher dosiert werden, um jedenfalls den empfohlenen Serumharnsäure-Zielwert zu erreichen (siehe Kapitel ). Eine eindeutige Überlegenheit von Febuxostat gegenüber einer optimalen Dosierung von Allopurinol kann daher nach derzeitiger Datenlage noch nicht sicher gestellt werden. (91) Die am häufigsten berichteten unerwünschten Wirkungen unter Febuxostat sind unter anderem Kopfschmerzen, gastrointestinale Störungen (vor allem Durchfall und Übelkeit), Leberfunktionsstörungen und Hautreaktionen. Der Schweregrad dieser Nebenwirkungen war meist leicht bis mittelschwer. Selten traten schwere Überempfindlichkeitsreaktionen, darunter das lebensbedrohliche Stevens-Johnson-Syndrom oder die toxisch epidermale Nekrolyse auf. (93) In den Zulassungstudien kam es unter hohen Dosen von Febuxostat zu einer initialen Zunahme der behandlungsbedürftigen Gichtanfälle in der achtwöchigen Prophylaxephase. Während die Gichtanfallshäufigkeit unter Febuxostat 80 mg mit 22 % (FACT) bzw. 28 % (APEX) und unter Allopurinol mit 21 % (FACT) bzw. 23 % (APEX) mit der Rate unter Placebo (20 %) vergleichbar war, stieg sie unter Febuxostat 120 mg auf 36 % (beide Studien) und unter Febuxostat 240 mg auf 46 %. Die Häufung der Gichtanfälle am Beginn der Therapie ist allerdings angesichts der raschen und aggressiven Mobilisierung der Harnsäure bei hohen Febuxostat-Dosierungen (120 bzw. 240 mg täglich) nicht verwunderlich. Vielmehr schien die Erkenntnis, dass eine achtwöchige Anfallsprophylaxe offenbar zu kurz griff, von großer Bedeutung zu sein (siehe auch Kapitel ). Zum Studienende hin war die Inzidenz akuter Gichtanfälle bei allen Patientengruppen dann deutlich rückläufig, ein Vorteil von Febuxostat bezüglich der längerfristigen Reduktion von Gichtanfällen als klinischer Parameter zeichnete sich in der sechsmonatigen bzw. zwölfmonatigen Studienzeit aber nicht ab. Außerdem zeigte sich bei keiner der 56

72 zugelassenen Dosierungen von Febuxostat eine statistisch signifikante Überlegenheit gegenüber Allopurinol hinsichtlich der Auflösung von Tophi. (85, 94) Die EXCEL-Studie war eine Langzeit-Verlängerungsstudie über drei Jahre mit 1086 Patienten, welche die Phase-III-Studien APEX bzw. FACT abgeschlossen hatten. Auch hier war die Inzidenz akuter Gichtanfälle im Verlauf der Behandlung deutlich rückläufig. 46 % bzw. 36 % der Patienten mit 80 bzw. 120 mg Febuxostat zeigten am Studienende eine komplette Auflösung ihrer zu Studienbeginn vorhandenen Tophi. In der Gruppe, die 300 mg Allopurinol täglich erhielten, waren es 29 %. (95) Besonders erwähnenswert ist, dass in den Zulassungsstudien FACT und APEX eine (allerdings nicht signifikante) Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse beobachtet wurde. In der CONFIRMS-Studie bestätigte sich dieses Risikopotenzial nicht. Trotzdem gab diese unklare Situation Anlass dazu, dass in den Fachinformationen bei bestehender koronarer Herzkrankheit oder dekompensierter Herzinsuffizienz von Febuxostat abgeraten wird, bis weitere Daten Klarheit schaffen. (93) In der CARES-Studie wird derzeit bei etwa 7500 Gichtpatienten die Wirkung und Sicherheit von Febuxostat (40 mg oder 80 mg pro Tag) und Allopurinol (200 bis 600 mg pro Tag) hinsichtlich relevanter kardiovaskulärer Ereignisse untersucht. Das Studienende wird für das Jahr 2018 erwartet. (96) Eine ähnliche Fragestellung verfolgt die Studie FAST (Febuxostat versus Allopurinol Streamlined Trial). Ergebnisse werden voraussichtlich im Dezember 2017 verfügbar sein. (97) Erwartungsgemäß soll auch Febuxostat gleich wie Allopurinol aufgrund seines Wirkmechanismus nicht gleichzeitig mit Azathioprin bzw. Mercaptopurin angewendet werden. Kann die Kombination nicht vermieden werden, muss eine Dosisreduktion von Azathioprin bzw. Mercaptopurin erfolgen und der betroffene Patient engmaschig überwacht werden. (93) Die Tagestherapiekosten für Febuxostat sind etwa zehnmal so hoch wie jene für Allopurinol. (91) Zusammengefasst ist Febuxostat wirksam, um dauerhaft erhöhte Harnsäurespiegel bei Gichtpatienten zu reduzieren. Im Vergleich zu fixen Standarddosen von 300 mg Allopurinol konnte eine deutliche Überlegenheit gezeigt werden. Im Vergleich mit höheren Allopurinoldosen liegen noch keine hinreichenden Ergebnisse vor. Bei Behandlungsbeginn führen hohe Dosen von Febuxostat häufiger als Allopurinol zu Gichtanfällen. Langfristig deutet aber vieles auf eine vergleichbar gute Reduktion von Gichtanfällen unter beiden Wirkstoffen hin. Auch wenn kein kausaler Zusammenhang gezeigt werden konnte, ist die Situation bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse im Rahmen einer Febuxostat-Therapie 57

73 derzeit noch unklar. Ergebnisse von Langzeituntersuchungen sind abzuwarten. Bis dahin sind die Warnhinweise für Patienten mit koronarer Herzkrankheit und dekompensierter Herzinsuffizienz ernst zu nehmen. Besonders von Vorteil ist, dass Febuxostat bei Patienten mit milder bis moderater Nierendysfunktion ohne Anpassung der Dosis verabreicht werden kann. Als nachteilig sind die hohen Therapiekosten von Febuxostat zu nennen. In den EULAR-Leitlinien stellt Febuxostat das Mittel der zweiten Wahl dar, wenn Allopurinol als Erstlinientherapeutikum versagt oder Kontraindikationen bestehen. Dies ergab sich einerseits aus Langzeiterfahrungen, auf die man bei Allopurinol zurückblicken kann. Andererseits spielen Kostengründe und die Tatsache der bestätigten Effektivität beider Substanzen bei ausreichender Dosierung eine entscheidende Rolle. (47) Therapie mit Urikosurika In der Mehrzahl der Fälle (90 %) ist eine Hyperurikämie durch eine verminderte renale Harnsäureausscheidung bedingt. (26) Es ist daher naheliegend, dass speziell die Niere schon früh therapeutischer Angriffspunkt harnsäuresenkender medikamentöser Interventionen wurde. Im Jahr 1947 noch bevor der Xanthinoxidase-Inhibitor Allopurinol entdeckt war wurde Probenicid als erstes Urikosurikum synthetisiert. Initial war diese Substanz zwar zunächst zur Hemmung der Ausscheidung von Penicillin gedacht, seine positive Wirkung auf den Harnsäurestoffwechsel wurde aber schließlich schnell erkannt. (4) Urikosurika steigern die renale Harnsäureausscheidung, indem sie in proximalen Tubuluszellen der Niere die Rückresorption der Harnsäure hemmen. Sie konkurrieren dabei mit dem Urat um den Transportmechanismus und führen so zur gesteigerten renalen Ausscheidung von Harnsäure. (98) Allen Urikosurika ist gemeinsam, dass es infolge der Hemmung der tubulären Rückresorption zu einer erhöhten Harnsäurekonzentration im gesamten Verlauf der Nierentubuli und der ableitenden Harnwege kommt. Dieser Konzentrationsanstieg birgt die Gefahr der Ausfällung von Harnsäure und der Formation von Harnsäuresteinen. Prophylaktisch sind daher eine möglichst einschleichende Dosierung, eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr (angestrebtes Urinvolumen > 1,5 pro Tag) und gegebenenfalls eine Neutralisation des Urins auf ph-werte von 6,4 bis 6,8 zu empfehlen. (27) Kontraindiziert sind Urikosurika bei Patienten mit Anamnese einer Uro- bzw. Nephrolithiasis oder vermehrter Harnsäureproduktion. Letzteres betrifft beispielsweise Patienten mit einer zytostatischen Tumortherapie oder jene, die unter einer erblich bedingten Stoffwechselstörung, wie dem Lesch-Nyhan-Syndrom, leiden (Kapitel 7.1). Da Urikosurika 58

74 mit zunehmender Niereninsuffizienz an Wirksamkeit einbüßen, sind sie bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion nur bedingt anwendbar. (27) Urikosurika gelten heute als Mittel der Reserve bei der Harnsäuresenkung. Sie sollten eingesetzt werden, wenn herkömmliche Xanthinoxidase-Hemmer nicht vertragen werden oder Kontraindikationen gegen deren Einsatz bestehen und es unter Allopurinol zu keiner ausreichenden Harnsäuresenkung kommt. Um die Effektivität der Harnsäuresenkung zu steigern, können Urikostatika (Allopurinol bzw. Febuxostat) mit Urikosurika aufgrund ihres unterschiedlichen Wirkungsmechanismus auch miteinander kombiniert werden. (47) Durch die Kombinationstherapie wird durch den Xanthinoxidase-Hemmer die Menge der auszuscheidenden Harnsäure reduziert und somit das Risiko für renale Nebenwirkungen von Urikosurika verringert. (99) In Deutschland wird praktisch ausschließlich das Urikosurikum Benzbromaron verwendet, während in anderen Ländern wie z.b. den USA vorwiegend Probenecid zum Einsatz kommt. (27) In Österreich sind diese Medikamente vor Jahren vom Markt genommen worden und können nur mehr aus dem europäischen Ausland bezogen werden. (100) Mit der aktuellen Einführung von Lesinurad steht nun ein neues, vielsprechendes Urikosurikum zur Verfügung. Sulfinpyrazon, als ein weiteres urikosurisch wirkendes Arzneimittel, hat weitgehend an Bedeutung verloren. (98) Probenecid Probenecid fördert die renale Harnsäureausscheidung, indem es die URAT1- und GLUT9- Harnsäuretransporter in proximalen Tubuluszellen hemmt. Diese vermitteln den rückresorbierenden Transport von Urat aus dem Primärharn ins Blut. (98) Die Plasmahalbwertszeit von Probenecid ist dosisabhängig und beträgt zwischen zwei und zwölf Stunden. Aufgrund dieser kurzen Eliminationshalbwertszeit muss die üblicherweise eingesetzte Tagesdosis von 1000 mg auf zwei Einzeldosen (500 mg) verteilt werden, um größere Schwankungen der Harnsäureausscheidung zu vermeiden. Um einschleichend zu dosieren, wird in der ersten Wochen zunächst mit 250 mg zweimal täglich begonnen und erst ab der zweiten Woche auf zweimal täglich 500 mg auftitriert. Probenecid scheint ab einer mittelschweren Nierenfunktionseinschränkung (Kreatinin-Clearance < 50 ml/min) wirkungslos zu sein. (27) Sämtliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln, wie beispielsweise NSAR, Beta- Lactam-Antibiotika oder Heparin sind bei der Einnahme von Probenecid zu beachten. (98) 59

75 In einer retrospektiven Beobachtungsstudie mit geringer Teilnehmerzahl erreichten 33 % unter einer Probenecid-Monotherapie und 37 % mit einer Kombinationstherapie aus Probenecid und Allopurinol einen Serumharnsäurewert von < 6 mg/dl. (101) In einer prospektiven, offenen Studie sprachen nur 25 % der Teilnehmer auf eine Monotherapie mit Allopurinol (200 bis 300 mg täglich) adäquat an (Endpunkt war ein Harnsäure-Zielwert von < 5 mg/dl). Die Zugabe von Probenecid zu Allopurinol führte schließlich in 86 % der Fälle zu einer effektiven Harnsäuresenkung < 5 mg/dl. (102) Randomisiert kontrollierte Studien, die Probenecid mit anderen harnsäuresenkenden Medikamenten oder Placebo vergleichen, fehlen. Probenecid ist als Urikosurikum in den USA zugelassen, wird in den Empfehlungen des American College of Rheumatology (ACR) aber auch nur als ein mögliches Mittel der Reserve zur Harnsäuresenkung angeführt. (7) Gründe für diesen oft zurückhaltenden Einsatz scheinen zum einen die Notwendigkeit einer zweimal täglichen Einnahme des Medikaments, das Nebenwirkungs- und Interaktionspotenzial und der limitierende Einsatz bei bestehender eingeschränkter Nierenfunktion zu sein. (101) Im deutschsprachigen Raum hat Probenecid als Urikosurikum wenig Bedeutung. (27) Benzbromaron Benzbromaron wurde in den frühen 1970er Jahren eingeführt. (102) Es ist das bisher am häufigsten verwendete Urikosurikum in Europa. In Amerika ist es als harnsäuresenkendes Arzneimittel nicht zugelassen. (99) Benzbromaron hemmt ebenso wie Probenecid URAT1- und GLUT9-Transporter im proximalen Tubulus. (98) Die tägliche Einzeldosis beträgt 50 bis 100 mg. Bei einer Kreatinin-Clearance unterhalb von 20 ml/min ist Benzbromaron unwirksam. (27) Im Jahr 2003 wurde Benzbromaron in vielen europäischen Ländern vom Markt genommen, nachdem fulminante Fälle von Lebertoxizität mit teilweise letalem Ausgang bekannt wurden. Seither wird es vielerorts nur mehr zurückhaltend eingesetzt. (99) Ein Cochrane-Review von 2014 kommt bei moderater Evidenzlage zu dem Schluss, dass Benzbromaron und Allopurinol hinsichtlich der harnsäuresenkenden Potenz als gleichwertig anzusehen sind. Hingegen soll Benzbromaron den Harnsäurespiegel effektiver senken als Probenecid. Interessanterweise hat dasselbe Review außerdem ergeben, dass es unter Benzbromaron weniger Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen und insgesamt eine geringere Rate an unerwünschten Wirkungen als unter Probenecid gibt. (103) 60

76 Lesinurad Lesinurad ist ein neuer urikosurischer Wirkstoff aus der Gruppe der URAT1- und OAT4- Inhibitoren. Die Entdeckung von Lesinurad begann mithilfe von Studien für HIV- Therapeutika, in denen der urikosurische Effekt des nicht-nukleosidischen Reverse- Transkriptase-Inhibitors RDEA806 beobachtet wurde. Lesinurad stellt den aktiven Metaboliten von RDEA806 dar. (98) Die Wirksamkeit und Sicherheit von Lesinurad in Kombination mit dem Xanthinoxidase- Inhibitor Allopurinol wurde in zwei randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studien (CLEAR1 und CLEAR 2) über jeweils zwölf Monate untersucht. Eingeschlossen wurden insgesamt mehr als 1200 erwachsene Studienteilnehmer (18 bis 85 Jahre), die trotz einer bestehenden Allopurinol-Therapie (Reichweite: 200 bis 900 mg täglich) Serumharnsäurewerte von 6,5 mg/dl hatten und von mindestens zwei Gichtanfällen in den letzten zwölf Monaten berichteten. Verglichen wurde die Wirkung und Sicherheit des Hinzufügens von Lesinurad (200 mg oder 400 mg täglich) oder Placebo zur bestehenden Allopurinol-Behandlung. Primärer Endpunkt sowohl in CLEAR1 als auch in CLEAR2 war die Anzahl der Patienten, deren Harnsäurespiegel im Blut nach sechs Monaten Behandlung auf < 6 mg/dl fiel. Sekundär wurde in den Studien die Anzahl der behandlungsbedürftigen Gichtanfälle in den letzten sechs Monaten der Studiendauer (nach dem Absetzen der Prophylaxe gegen Gichtanfälle) und die Anzahl der Patienten mit mindestens einer vollständigen Tophus-Auflösung nach zwölf Monaten untersucht. (104, 105) Mit der Kombination aus Lesinurad und Allopurinol (200 mg bzw. 400 mg) erreichten in der CLEAR1-Studie signifikant mehr Patienten (in etwa doppelt so viele) den Serumharnsäure- Zielwert von < 6 mg/dl als Patienten, die Placebo in Kombination mit Allopurinol erhielten. Ein Harnsäurespiegel von < 5 mg/dl wurde in der 200 mg Lesinurad-Allopurinol-Gruppe in etwa doppelt so häufig wie in der Allopurinol-Placebo-Gruppe beobachtet. Unter 400 mg Lesinurad erreichten diesen Wert sogar viermal so viele Patienten. Ergebnisse primärer Endpunkte der CLEAR1-Studie sind in Abbildung 9 zusammengefasst. Hinsichtlich sekundärer Endpunkte der CLEAR1-Studie (Anzahl der Gichtanfälle und Tophusreduktion) wurden keine signifikanten Unterschiede in den verschiedenen Gruppen verzeichnet. Lesinurad wurde generell recht gut vertragen, das Nebenwirkungsprofil ähnelte vor allem unter 200 mg Lesinurad jenem der Allopurinol-Placebo-Gruppe. Eine Ausnahme stellte jedoch die höhere Inzidenz von erhöhten Kreatininspiegeln im Serum unter Lesinurad dar. Dies wurde insbesondere unter der höheren Dosis von 400 mg beobachtet (6 % der Fälle). Allerdings bildete sich dieses initial erhöhte Serumkreatinin in der 200 mg Lesinurad- 61

77 Gruppe bei allen Patienten ohne Behandlungsunterbrechung zurück, in der 400 mg Lesinurad-Gruppe bei 86 %. (104) Die CLEAR2-Studie zeigte hinsichtlich primärer und sekundärer Endpunkte und unerwünschter Wirkungen ähnliche Ergebnisse. (105) Abbildung 9: Ergebnisse primärer Endpunkte der CLEAR1-Studie, übernommen aus Saag et al. (104) In einer kombinierten Analyse von CLEAR1 und CLEAR2 wurden die Studienteilnehmer in Gruppen anhand ihrer geschätzten Kreatinin-Clearance (< 60, <90 oder 90 ml/min) eingeteilt. In allen drei Kategorien der Nierenfunktion war Lesinurad in Kombination mit Allopurinol effektiver als Allopurinol mit Placebo. Art und Anzahl der Nebenwirkungen wurden in allen drei Kreatinin-Clearance-Gruppen vergleichbar beobachtet. (106) Neben CLEAR1 und CLEAR2, hat eine weitere randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studie die CRYSTAL-Studie die Kombination aus Lesinurad mit dem Xanthinoxidase-Hemmer Febuxostat bei Patienten mit tophöser Gichterkrankung untersucht. Die Studie schloss 324 Erwachsene (18 bis 85 Jahre) ein, die mindestens einen messbaren Tophus und erhöhte Harnsäurespiegel ( 8 mg/dl bzw. 6 mg/dl bei bereits bestehender harnsäuresenkender Therapie) aufwiesen. Die Patienten wurden zuerst drei Wochen lang mit Febuxostat (80 mg täglich) alleine behandelt und danach auf einmal täglich Lesinurad (200 mg 400 mg) in Kombination mit Febuxostat oder Placebo plus Febuxostat randomisiert. Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten, mit 62

78 Serumharnsäurespiegeln < 5 mg/dl nach sechs Monaten. Durch Hinzufügen von Lesinurad 400 mg erreichten 76 % den Serumharnsäurewert von < 5 mg/dl nach sechs Monaten, bei Lesinurad 200 mg waren es 57 %. Demgegenüber war dies bei 47 % der Studienteilnehmer, deren Febuxostat-Therapie mit einem Placebo ergänzt wurde, der Fall. Sekundäre Endpunkte der CRYSTAL-Studie waren die Anzahl der Patienten, die eine komplette Auflösung mindestens eines Gichttophus zeigten und der prozentuelle Anteil der Tophus-Flächenreduktion nach zwölf Monaten Studiendauer. Zu einer vollständigen Auflösung mindestens eines Tophus kam es in 30 % (Febuxostat plus Lesinurad 400 mg), 26 % (Febuxostat plus Lesinurad 200 mg) und 21 % (Febuxostat plus Placebo) der Fälle. Die Lesinurad-Febuxostat-Kombination konnte hier keine signifikante Überlegenheit nach zwölf Monaten zeigen. Allerdings führten beide Dosierungen des Wirkstoffs (400 mg und 200 mg) insgesamt zu einer größeren Tophus-Flächenreduktion im Vergleich zu Febuxostat alleine (56 % unter 200 mg Lesinurad und 58 % unter 400 mg versus 31 % unter Febuxostat plus Placebo). Das Nebenwirkungsprofil in der CRYSTAL-Studie war im Großen und Ganzen jenem in CLEAR1 und CLEAR2 ähnlich. Auch hier war eine höhere Inzidenz von Serumkreatinin- Erhöhungen zu verzeichnen, die aber wiederum überwiegend reversibel bis zum Studienende hin waren. (107) In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie LIGHT wurde die Wirksamkeit und Sicherheit einer Lesinurad Monotherapie untersucht. In der Studie wurden insgesamt 214 Gichtpatienten (mittlere Serumharnsäurewerte von 9,3 mg/dl), die Unverträglichkeiten oder Kontraindikationen gegen Xanthinoxidase-Hemmer hatten, für sechs Monate mit Lesinurad (400 mg täglich) oder Placebo behandelt. Nach einem halben Jahr erreichte unter der Lesinurad-Monotherapie immerhin fast ein Drittel (29,9 %) der Patienten den primären Endpunkt (Serumharnsäure < 6 mg/dl). Unter Placebo waren es 1,9 %. Allerdings wurde unter Lesinurad eine doppelt so hohe Therapie-Abbruchrate verzeichnet (32,7 % versus 15,9 %). Zudem kam es zu einer erhöhten Nebenwirkungsrate vor allem renaler Art. 8,4 % der Patienten in der Lesinurad-Gruppe zeigten Serumkreatinin- Erhöhungen, die allerdings nur bei etwa der Hälfte der Patienten bis zum Studienende hin reversibel waren. (108) Schwerwiegende renale Nebenwirkungen traten bei einer Monotherapie mit Lesinurad (LIGHT-Studie) häufiger auf, als im Vergleich mit einer Kombinationstherapie aus Lesinurad und einem Xanthinoxidase-Hemmer (CLEAR1- und CLEAR2-Studie). (104, 105, 108) Aufgrund der beschriebenen Erkenntnisse hat Lesinurad als neuer urikosurischer Wirkstoff in Kombination mit einem Xanthinoxidase-Hemmer im Dezember 2015 seine Zulassung in den USA erlangt. (109) Die Arzneimittelzulassung durch EMA folgte im Februar (110) 63

79 Lesinurad kann bei Gichtpatienten in Kombination mit einem Xanthinoxidase-Hemmer (Allopurinol oder Febuxostat) angewendet werden, wenn trotz adäquater Dosierung eines Xanthinoxidase-Hemmers der Serumharnsäure-Zielwert nicht hinreichend erreicht wird. Durch die Kombination mit einem Xanthinoxidase-Hemmer wird zum einen eine stärkere Senkung des Harnsäurespiegels erreicht, zum anderen wird durch die Kombinationstherapie die Menge der auszuscheidenden Harnsäure reduziert und somit das Risiko für renale Nebenwirkungen verringert (siehe oben). Die empfohlene tägliche Dosis beträgt 200 mg. (111) Die vollständige Auflistung der im Zusammenhang mit Lesinurad berichteten Nebenwirkungen, Vorsichtsmaßnahmen und Kontraindikationen ist der Packungsbeilage zu entnehmen Therapie mit Urikolytika Das Enzym Uricase katalysiert die Umwandlung von Harnsäure in das deutlich besser wasserlösliche und damit leicht auszuscheidende Allantoin. Dieses Enzym ging allerdings beim Menschen im Laufe der Evolution verloren. Rekombinant hergestellte Uricasen ermöglichen als intravenös zu verabreichende urikolytische Therapeutika den Abbau zum besser wasserlöslichen Allantoin und führen damit zu einer Senkung der erhöhten Serumharnsäurespiegel. Die Anwendung von rekombinanten Uricasen kommt allerdings nur in Spezialfällen in Frage. Grund dafür ist in erster Linie das hohe immunogene Potenzial dieser Substanzen. Weil das Enzym Uricase evolutionsbedingt beim Menschen nicht mehr vorhanden ist, werden von außen zugefügte, künstlich hergestellte Uricasen vom körpereigenen Immunsystem als fremd erkannt. Diese, an sich ordnungsgemäße Reaktion der Immunabwehr, führt zur Antikörperbildung gegen die urikolytische Substanz und oft damit verbunden zu einem Wirkverlust und einer Häufung von unerwünschten Infusionsreaktionen. (112) Rasburicase Das Urikoltytikum Rasburicase ist ein rekombinanter Wirkstoff, dessen Gen aus dem Schimmelpilz Aspergillus flavus isoliert wurde. Rasburicase wird zur Prophylaxe und Therapie der Hyperurikämie beim sog. Tumorlyse-Syndrom eingesetzt, bei dem es beispielsweise im Rahmen einer Zytostatikatherapie bei hämatologischen Malignomen zu einem massiven Tumorzellzerfall mit der Gefahr eines raschen und starken Anstiegs der Serumharnsäurespiegel kommt. Folge kann eine obstruktive Uratnephropathie, bis hin zum akuten Nierenversagen sein. (27) 64

80 Wegen seines hohen Immunogenitätspotenzials und seiner kurzen Halbwertszeit ist Rasburicase zwar in oben genannten Notfallsituationen, weniger aber zur Dauertherapie geeignet. Zur Senkung chronisch erhöhter Harnsäurespiegel im Rahmen einer Gichterkrankung ist Rasburicase daher nicht indiziert. (12) Pegloticase Pegloticase ist ein urikolytisches Arzneimittel, das rekombinant aus Säugetierzellen hergestellt wird. Dabei wird die Uricase an die chemische Substanz Polyethylenglycol (PEG) gebunden (Pegylierung). Die Pegylierung des Enzyms verlängert seine Plasmahalbwertszeit auf beinahe zwei Wochen und soll sein immunogenes Potenzial vermindern. (112) Der Einsatz von Pegloticase ist für einen kleinen Teil der Gichtpatienten reserviert, bei denen trotz Höchstdosen konventioneller oraler harnsäuresenkender Arzneimittel die Harnsäurewerte hoch sind und der gewünschte Therapieerfolg ausbleibt. In diesen schweren, refraktären Fällen mit hohem Leidensdruck kann eine rekombinant hergestellte Uricase als Mittel der letzten Wahl bei der Harnsäuresenkung helfen. (47) Die Wirksamkeit und Sicherheit von Pegloticase wurde in zwei identisch konzipierten randomisierten, placebokontrollierten Studien geprüft. Alle 225 eingeschlossenen Patienten litten an einer schweren Gicht, waren intolerant gegenüber einer Allopurinol-Behandlung oder hatten diese nicht vertragen, und ihre Serumharnsäurewerte lagen oberhalb von 8 mg/dl. Drei Patientengruppen erhielten zwölf intravenöse Infusionen im Abstand von jeweils zwei Wochen mit entweder immer 8 mg Pegloticase (zweiwöchige Gabe von 8 mg Pegloticase), Pegloticase im Wechsel mit Placebo (monatliche Gabe von 8 mg Pegloticase) oder immer Placebo. Primärer Endpunkt war die Anzahl der Patienten, die auf die Behandlung ein anhaltend gutes Ansprechen zeigten, definiert als Harnsäurespiegel im Blut < 6 mg/dl über mindestens 80 % der Zeit im dritten und sechsten Monat der Studie. Eine gepoolte Datenanalyse aus beiden Studien ergab, dass den primären Endpunkt insgesamt 42 % der Patienten mit zweiwöchiger Pegloticase-Infusion, 35 % mit vierwöchiger Infusion und kein Patient mit Placebo erreichten. Über 90 % aller Patienten berichteten über mindestens eine Nebenwirkung. Schwerwiegende Nebenwirkungen waren in den Gruppen mit zweiwöchiger (24%) und monatlicher (23%) Pegloticase-Therapie etwa doppelt so häufig wie in der Placebogruppe (12%). Akute Gichtanfälle (80 % der Patienten) waren trotz Anfallsprophylaxe die häufigste Nebenwirkung, gefolgt von unerwünschten Infusionsreaktionen. Im Vergleich zur Verabreichung in vierwöchigen Abständen führte die Verabreichung von Pegloticase alle 65

81 zwei Wochen zu weniger Infusionsreaktionen (42 % versus 26 %). Auch in pegylierter Form, als Pegloticase, scheint das Immunogenitätsproblem von Urikolytika nicht wirklich gelöst zu sein. Bei 89 % der mit Pegloticase behandelten Patienten bildeten sich neutralisierende Antikörper gegen das Enzym. Allerdings waren vorwiegend hohe Anti-Pegloticase-Antikörpertiter (über 1:2430) mit einem Wirkverlust der harnsäuresenkenden Substanz verbunden. Unter niedrigen Antikörpertitern konnte die Normalisierung der Harnsäurewerte (< 6 mg/dl) bei einem Großteil aufrechterhalten werden. Die Häufigkeit von Infusionsreaktionen war bei Patienten mit hohen Antikörpertitern ebenfalls erhöht: Patienten mit hohen Antikörpertitern zeigten in 60 % der Fälle Infusionsreaktionen, im Vergleich zu 19 % bei Patienten mit niedrigen Antikörpertitern. Interessanterweise hat eine Post-hoc-Analyse der beiden Studien ergeben, dass ein Wirkverlust der harnsäuresenkenden Pegloticase (Serumharnsäurespiegel > 6 mg/dl) in 91 % (zweiwöchige Gabe von 8 mg Pegloticase) bzw. in 79 % (monatliche Gabe von 8 mg Pegloticase) der Fälle den unerwünschten Infusionsreaktionen vorausging. Dies führte zu der wichtigen Erkenntnis, dass die Harnsäurespiegel vor jeder Infusion von Pegloticase zu messen und anschließend regelmäßig zu kontrollieren sind. Ein Steigen der Harnsäurewerte > 6 mg/dl (als Ausdruck eines möglichen Wirkverlustes) soll an eine mögliche Antikörperbildung mit potenziell erhöhtem Risiko für Infusionsreaktionen denken lassen. In diesen Fällen ist das Fortsetzen der Therapie nicht empfehlenswert. (113) Abschließend soll die Abbildung 10 einen Überblick über das von der EULAR empfohlene praktische Vorgehen zur medikamentösen Harnsäuresenkung geben. 66

82 Festlegung eines Harnsäurezielwertes < 5 mg/dl < 6 mg/dl oder Aufklärung über die Erkrankung individuelle Lebensstilempfehlungen Screening von Komorbiditäten Anfallsprophylaxe starten Beginn der harnsäuresenkenden Therapie bei Allopurinol-Unverträglichkeit Wechseln auf Febuxostat oder Urikosurika Allopurinol 100 mg pro Tag Dosisreduktion bei eingeschränkter Nierenfunktion, langsames Auftitrieren bis zur maximal möglichen Dosis Febuxostat oder Urikosurika Nein Zielwert erreicht? Ja Fortsetzung der Therapie Zielwert erreicht? Nein Kombinationstherapie erwägen (XOI plus Urikosurikum) Nein Zielwert erreicht? Ja Ja Zielwert nicht erreicht Fortsetzung der Therapie Pegloticase bei schwerer tophöser Gicht Abbildung 10: EULAR-Empfehlungen zum Management der medikamentösen Harnsäuresenkung, modifiziert nach Richette et al. (47) 67

83 15. Ein Vergleich internationaler Leitlinien Obwohl die Gicht eine schon seit dem Altertum bekannte Erkrankung ist und sich die pathophysiologischen Erkenntnisse und Behandlungsmöglichkeiten in den letzten Jahren wesentlich erweitert haben, ist die Therapie von Gichtpatienten dennoch oft unzureichend. Oftmals glauben betroffene Patienten, aber auch behandelnde Ärzte, dass die Gicht nur symptomatisch, das heißt im Anfall, therapiert werden muss und wird häufig nicht als chronische Erkrankung mit möglichen Folgeschäden wahrgenommen. Der Beginn einer langfristigen harnsäuresenkenden Therapie bleibt trotz bestehender Indikation bei etwa einem Drittel bis zur Hälfte der Betroffenen aus. Wird eine harnsäuresenkende Therapie begonnen, so sind die Festsetzung eines bestimmten Harnsäure-Zielwertes und dessen regelmäßige Kontrolle durch den behandelnden Arzt oft mangelhaft. Zudem ist eine vielfach verwendete fixe Allopurinol-Dosis von 300 mg für viele unzureichend, um einen adäquaten Harnsäure-Zielwert zu erreichen. Dies führt dazu, dass Patienten trotz einer harnsäuresenkenden Therapie weiterhin Gichtanfälle und negative Langzeitfolgen erleiden. Eine schlechte Therapieadhärenz kann die Folge sein. Die Gicht kann aber bei den heute verfügbaren diagnostischen und therapeutischen Methoden getrost zu den Erkrankungen mit sehr guter Prognose gezählt werden, allerdings nur, wenn alle Möglichkeiten für die Patienten auch in geeigneter Weise eingesetzt werden. (49) Um die Versorgung von Gichtpatienten zu optimieren, existieren zahlreiche internationale Leitlinien, um behandelnden Ärzten Anhaltspunkte zum Management der Gichterkrankung zu liefern. Diese stützen sich in erster Linie auf evidenzbasierte wissenschaftliche Erkenntnisse und zum Teil klinische Erfahrungen von Spezialisten. Neben den in dieser Arbeit bereits häufig erwähnten aktuellsten Leitlinien der European League Against Rheumatism (EULAR) und des American College of Rheumatology (ACR), gibt es Empfehlungen der British Society for Rheumatology (BSR) aus dem Jahr 2007 und neuerdings S2e-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh). (7, 35, 47, 48, 59, 82) Die 2011 ins Leben gerufene und 2013 erstmals publizierte Initiative 3e (Evidence, Expertise, Exchange) ist ein multinationales Projekt, das zehn praxisnahe Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie erarbeitet hat. (114) Im Folgenden soll ein grober Überblick über die wesentlichen Unterschiede der einzelnen therapeutischen Leitlinien-Empfehlungen gegeben werden, und Kernpunkte der Gichttherapie werden noch einmal erläutert. Die Tabelle 4 und die Tabelle 5 fassen die wichtigsten Erkenntnisse und Unterschiede zusammen. 68

84 15.1 Empfehlungen für den akuten Gichtanfall Die neuesten Leitlinien der EULAR (47), DGRh (35), des ACR (48) und die 3e-Initiative (114) sind sich einig, dass Colchicin, NSAR und Glukokortikoide bei der Therapie eines akuten Gichtanfalls als gleichwertige Therapeutika zu betrachten sind. Ältere Guidelines, beispielsweise jene der EULAR aus dem Jahr 2007 (59), haben NSAR oder Colchicin den Glukokortikoiden noch vorgezogen. Einig ist man sich in allen Leitlinien, dass Colchicin im akuten Anfall niedrig dosiert werden soll, um toxische Nebenwirkungen zu minimieren. Auf eine mögliche initiale Kombinationstherapie (Kombination von NSAR oder oralen Glukokortikoiden mit Colchicin bzw. Kombination von intraartikulären Glukokortikoiden mit allen anderen Therapiemodalitäten) bei schweren Gichtattacken wird in neueren Leitlinien aus dem Jahr 2016 (EULAR und DGRh) und 2012 (ACR) speziell hingewiesen. Einigkeit besteht in allen Leitlinien, dass eine Prophylaxe sinnvoll ist, um gegen weitere Gichtanfälle während der Initialphase einer harnsäuresenkenden Therapie vorzubeugen. Bezüglich der Dauer der Anfallsprophylaxe besteht aber noch Uneinigkeit. Der Trend geht aber dahin, dass eine mindestens halbjährliche Prophylaxe sinnvoll erscheint Empfehlungen für die harnsäuresenkende Therapie Es besteht breiter Konsensus, dass der Harnsäurespiegel bei Gichtpatienten idealerweise < 6 mg/dl gesenkt werden soll, bei schwerer tophöser Gicht sogar < 5 mg/dl. Einzig die BSR (82) empfiehlt ausnahmslos für alle Gichtpatienten Harnsäurewerte < 5 mg/dl. Die neu überarbeiteten Leitlinien der EULAR sind zudem bisher die ersten, die eine langfristige Senkung des Serumharnsäurespiegels < 3 mg/dl angesichts einer möglichen, aber umstrittenen neuroprotektiven Wirkung nicht empfehlen. Trotz Einführung des neuen Xanthinoxidase-Hemmers Febuxostat, stellt Allopurinol in der Mehrzahl der Guidelines nach wie vor das Mittel der ersten Wahl zur Harnsäuresenkung dar. Davon ausgenommen sind jene der DGRh und des ACR. Sie führen Allopurinol und Febuxostat gleichermaßen an erster Stelle an. Die Arbeitsgruppe des ACR hat aber explizit darauf hingewiesen, dass Kostenfragen der Medikamente nicht berücksichtigt wurde. Angesichts der noch hohen Kosten von Febuxostat, kann man daher davon ausgehen, dass Allopurinol, zumindest bis auf weiteres, Mittel der Wahl im klinischen Alltag bleibt. 69

85 Durchwegs hat sich auch das Prinzip von start low, go slow bei der Allopurinol-Dosierung durchgesetzt. Meist wird eine initiale Startdosis von 100 mg empfohlen, gefolgt von einem langsamen Auftitrieren über Wochen hinweg. Die Meinungen bleiben noch gespalten, ob eine harnsäuresenkende Therapie schon während eines Anfalls, oder erst mit einer traditionellen Verzögerung von ein bis zwei Wochen nach dem akuten Gichtanfall beginnen soll. Abschließend soll noch auf die breite Übereinstimmung hingewiesen werden, dass eine asymptomatische Hyperurikämie alleine noch keine Indikation für eine medikamentöse harnsäuresenkende Therapie darstellt. 70

86 Tabelle 4: Leitlinien-Empfehlungen zur Therapie des akuten Gichtanfalls, modifiziert nach Khanna et al. (7, 48), Kiltz et al. (35), Richette et al. (47), Zhang et al. (59), Jordan et al. (82) und Sivera et al. (114) 71

87 Tabelle 5: Leitlinien-Empfehlungen zur harnsäuresenkenden Therapie, modifiziert nach Khanna et al. (7, 48), Kiltz et al. (35), Richette et al. (47), Zhang et al. (59), Jordan et al. (82) und Sivera et al. (114) 72

88 16. Therapiestandard in Österreich Wenngleich sämtliche Empfehlungen von großen rheumatologischen Fachgesellschaften zur Diagnose und Therapie der Gicht existieren, können sich in der klinischen Praxis dennoch gewisse Trends, vor allem oft länderspezifisch abzeichnen. Eine 2014 publizierte Umfrage unter österreichischen Rheumatologen (100) gibt Hinweise, wie eine Gichterkrankung in unseren Breiten diagnostiziert wird, welche therapeutischen Maßnahmen sich im klinischen Alltag der behandelnden österreichischen Ärzte etabliert haben und wie hoch die Adhärenz zu internationalen Leitlinien-Empfehlungen ist. Insgesamt 127 kontaktierte Rheumatologen füllten den Fragebogen aus. Im Folgenden werden die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst. Die Aspiration von Gelenksflüssigkeit mit polarisationsmikroskopischem Nachweis von Harnsäurekristallen stellt den Goldstandard der Gichtdiagnostik dar. Nur etwa die Hälfte der Befragten gibt an, bei einem Gichtanfall eine solche Aspiration anzustreben. Gründe dafür scheinen zum einen die potenzielle Schmerzhaftigkeit dieser Intervention zu sein und zum anderen die Möglichkeit einer rein klinischen Diagnosesicherung, wenn die Präsentation der Symptomatik eindeutig ist. In der Umfrage zeichnete sich ab, dass österreichische Rheumatologen (75 %) nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) als erste medikamentöse Wahl zur Beherrschung eines akuten Gichtanfalls bevorzugen. 56 % der Befragten bezeichnen Colchicin als relativ sicheres und effizientes Medikament. 35 % verwenden es äußerst selten oder gar nicht. Die Zurückhaltung bei der Verschreibung von Colchicin mag wohl noch von Zeiten herrühren, in denen ein Hochdosisschema häufig zu gastrointestinalen Nebenwirkungen führte. Durch ein heute allseits etabliertes Niedrigdosisschema nehmen die Verschreibungen von Colchicin zu. Eine intraartikuläre Steroidinjektion als Therapieform bei einem Gichtanfall stellt, bei korrekter Durchführung, eine elegante und nebenwirkungsarme Methode dar. Nur 47 % der Befragten führen eine Gelenkspunktion zur Steroidinstillation regelmäßig durch. Allopurinol ist in Österreich aufgrund seiner Effizienz, einer langjährigen klinischen Erfahrung und der niedrigen Kosten das Mittel der ersten Wahl zur Harnsäuresenkung. 73 % der befragten Rheumatologen befolgen das Prinzip start low, go slow bei der Allopurinol-Dosierung und beginnen mit den empfohlenen 100 mg täglich (43 % der Befragten) oder zumindest mit nur 150 mg (30 % der Befragten). 27 % geben an, eine Allopurinoltherapie mit einer initialen Startdosis von 300 mg zu beginnen. 73

89 Als Mittel der Reserve, wenn Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten für Allopurinol bestehen, verschreiben 69 % den neuen Xanthinoxidase-Hemmer Febuxostat. 45 % der befragten Rheumatologen geben an, noch immer routinemäßig Urikosurika als Mittel der zweiten Wahl zu verschreiben, obwohl diese Medikamente in Österreich vor Jahren wegen Fällen von Lebertoxizität vom Markt genommen wurden. Urikosurika können nur mehr aus dem Ausland bezogen werden. Rekombinant hergestellte Uricasen (Rasburicase oder Pegloticase) scheinen derzeit im klinischen Alltag vor allem wegen ihrer hohen Kosten wenig Bedeutung zu haben: 91 % der befragten österreichischen Ärzte gaben an, keine Erfahrung mit Rasburicase oder Pegloticase zu haben. 17. Ausblick Nach der Entdeckung der initialen Urikosurika sowie des ersten Xanthinoxidase-Hemmers Allopurinol im 20. Jahrhundert ist die Entwicklung neuer Medikamente für die Therapie der Gicht lange Zeit stillgestanden. (4) Neuartige pathophysiologische Erkenntnisse der letzten Jahre, wie beispielsweise das Verständnis der Rolle von Interleukin-1β im Gichtanfall oder die Entdeckung zahlreicher renaler Harnsäuretransporter machten neue therapeutische Angriffspunkte möglich. Aktuell befinden sich zum Teil erfolgsversprechende Medikamente in klinischen Studien (Abbildung 11). Welche dieser Substanzen schließlich auch eine Marktreife bzw. Zulassung für die Therapie der Gicht erlangen werden, und welche potenziellen Gichttherapeutika schneller als zuvor gedacht wieder von der Bildfläche verschwinden, bleibt abzuwarten. Urikosurika: Arhalofenat, RDEA3170, Levotofisopam, KUX- 1151, RLBN1001 Purinnukleosid- Phosphoribosyl-Inhibitor: Ulodesine Xanthinoxidase-Hemmer: Topiroxostat, KUX-1151, RLBN 1001 PNP XO XO Purine Hypoxanthin Xanthin Harnsäure Allantoin renale Ausscheidung Abbildung 11: Medikamente in klinischen Studien, modifiziert nach Sattui et al. (98) 74

90 17.1 Arhalofenat Bei Beginn einer harnsäuresenkenden Therapie ist stets an eine begleitende Anfallsprophylaxe zu denken, um durch die plötzliche Harnsäuremobilisierung nicht unerwünschte Gichtanfälle zu provozieren. Mit Spannung werden daher die Erkenntnisse der urikosurisch wirkenden Substanz Arhalofenat verfolgt, die mit einem dualen Wirkmechanismus die Harnsäure senken und zugleich die Produktion von Interleukin-1β mit Reduktion der Gichtschübe ermöglichen könnte. (115) Arhalofenat wurde ursprünglich als Insulin-Sensitizer für die Behandlung eines Diabetes mellitus Typ 2 untersucht. Analysen aus Phase-II-Diabetes-Studien ließen neben Auswirkungen auf den Glukose- und Fettstoffwechsel interessanterweise einen urikosurischen Effekt der Substanz erkennen. Die harnsäuresenkende Wirkung von Arhalofenat kommt durch Inhibition renaler organischer Anionentransporter (URAT1, OAT4 sowie OAT10) zustande. Nebenbei entfaltet es antientzündliche Eigenschaften, indem es die Hochregulierung des Botenstoffes Interleukin-1β im Rahmen einer akuten Gichtattacke minimiert. (115) In einer US-amerikanische Open-label Phase-II-Studie mit 32 Gichtpatienten erwies sich die Kombination aus Arhalofenat mit dem Xanthinoxidase-Hemmer Febuxostat als sicher und gut verträglich. Bei Anwendung dieser Kombination erreichten 100 bzw. 93 % der Studienteilnehmer Serumharnsäure-Zielwerte von < 6 bzw. < 5 mg/dl. (116) Jeffrey Poiley und seine Kollegen untersuchten in einer zwölfwöchigen, randomisierten, doppelblinden, placebontrollierten Phase-IIb-Studie primär den antiinflammatorischen Effekt von Arhalofenat. Eingeschlossen wurden insgesamt 239 Gichtpatienten mit Harnsäurespiegeln von 7,5 bis 12 mg/dl und zumindest drei Gichtanfällen in den letzten zwölf Monaten. Diese wurden im Verhältnis 2:2:2:2:1 auf täglich Arhalofenat 800 mg oder 600 mg, Allopurinol 300 mg, Allopurinol 300 mg plus 0,6 mg Colchicin oder Placebo randomisiert. Primärer Endpunkt der Studie war die Inzidenz von Gichtanfällen über zwölf Wochen (Anzahl der Gichtanfälle geteilt durch die Zeit der Exposition). Der Serumharnsäurewert war ein sekundärer Endpunkt. Hinsichtlich des primären Endpunktes (Abbildung 12) zeigte sich Arhalofenat 800 mg gegenüber 300 mg Allopurinol (0,66 versus 1,24) und Placebo (0,66 versus 1,13) signifikant überlegen. Im Vergleich zu Allopurinol plus Colchicin waren 800 mg Arhalofenat allerdings nicht signifikant unterlegen (0,66 versus 0,40). Die durchschnittliche Reduktion der Serumharnsäurewerte war unter Placebo (0,9 %), Arhalofenat 600 mg (12,5 %) und 800 mg (16,5 %) klar schwächer als unter Allopurinol (28,8 %) sowie Allopurinol plus Colchicin 75

91 (24,9 %). Einen Serumharnsäurewert von < 6 mg/dl erreichten 13,2 % (Arhalofenat 600 mg), 11,8 % (Arhalofenat 800 mg), 48,1 % (Allopurinol 300 mg), 34 % (Allopurinol plus Colchicin) und 0 % (Placebo). Zwischen den einzelnen Gruppen zeigte sich kein relevanter Unterschied hinsichtlich unerwünschter Ereignisse, und es traten keine mit Arhalofenat assoziierten schweren Nebenwirkungen auf. (117) Offen sind noch Fragen unter anderem zur Sicherheit des Medikaments bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion und ob Arhalofenat auch über die 800 mg täglich hinaus auftitriert werden kann. Phase-III-Studien werden weitere Erkenntnisse bringen und Aufschluss über einen möglichen Einsatz von Arhalofenat als Gichttherapeutikum geben. (115) Abbildung 12: Inzidenz von Gichtanfällen über 12 Wochen, übernommen aus Poiley et al. (117) 17.2 Topiroxostat Topiroxostat ist ein Xanthinoxidase-Hemmer, der in Japan mit Dosierungen von 20 bis 80 mg zweimal täglich bereits zugelassen ist. Die Wirkung von Topiroxostat scheint vergleichbar mit einer Allopurinol-Dosis von 200 mg zu sein. Auch bei Patienten im Stadium drei einer Niereninsuffizienz konnte mit täglich 160 mg Topiroxostat eine Senkung der Serumharnsäurewerte um 45,38 %, im Vergleich zu 0,08 % unter Placebo erreicht werden. (98) 76

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