Bauen in Stahl. Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz 01/11. steeldoc. Wohnen im Stahlhaus

Transkript

1 Bauen in Stahl Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz 01/11 steeldoc Wohnen im Stahlhaus

2 Wohnhaus in Grimisuat, Schweiz Wohnhalle mit industriellem Charme Bauherrschaft Privat Architekt Anako'architecture, Olivier Cheseaux, Grimisuat Ingenieure Réaltec Sàrl, Conthey Baujahr 2005 Situation, M 1:1500 Eine nach einfachsten Prinzipien erstellte Stahlbauhalle zeigt sich von aussen undurchdringlich und verschlossen. Im Innern entdeckt man einen eleganten, offenen Wohnraum mit grosszügigen Ausblicken in die Natur. «Eine Blackbox, eine kleine Industriehalle», denkt man beim Anblick dieses Gebäudes in Grimisuat, einem Dorf an den Hängen oberhalb von Sion im Kanton Wallis. Es steht ja auch in einer gemischten Wohn- Gewerbezone, so dass ein kleiner Industriebetrieb hier nichts Überraschendes wäre. Aber nein, es handelt sich um ein gewöhnliches Einfamilienhaus, zumindest, was die Funktion betrifft. Ganz falsch ist aber der erste Eindruck nicht, denn das Konstruktionsprinzip ist sehr wohl ein industrielles. Ein offenes, flexibel nutzbares Volumen in einfachster, standardisierter Bauweise dies war die Vorstellung des Architekten für sein Wohnhaus. So ist die Konstruktion tatsächlich denkbar einfach und grösstenteils sichtbar belassen. Fünf Stahlrahmen in Abständen von etwa sechs Metern bilden die Tragstruktur der Wohnhalle mit Massen von 23 auf 10 Metern im Grundriss und sechs Metern in der Höhe. Die Stützen aus rechteckigen Hohlprofilen sind in die Fundamente eingespannt, so dass ein biegesteifer Rahmen entsteht. HEA-Profile bilden die Deckenträger. Diese sind mit den Stützen verschraubt und nachträglich noch verschweisst. Dies zur Aussteifung und aus Gründen der Erdbebensicherheit. Vor dem Aufspritzen des endgültigen Farbtons wurde die Stahlkonstruktion sandgestrahlt und mit einem Rostschutzanstrich behandelt. Ein Brandschutzanstrich war nicht notwendig. Über den Deckenträgern liegen 25 Zentimeter hohe vorfabrizierte Deckenplatten aus Porenbeton. Diese 32 steeldoc 01/11

3 Fertigelemente bestimmten das Mass der Gebäudebreite. Gewählt wurde dieses poröse Material unter anderem auch, weil es schallabsorbierend wirkt. In einem Innenraum, in dem ganz bewusst alle Oberflächen möglichst glatt gehalten sind, ist dies ein willkommener Effekt. Die Fassade besteht aus einer Holzrahmenkonstruktion, in der in unterschiedlicher Höhe Fenster und Öffnungen eingelassen sind. Die Fassade trägt auch zur Aussteifung des Gebäudes bei. Auch hier galt das Prinzip: einfachste Montage und sichtbare Befestigungen. Die äusserste Hülle, die eine Art Blick- und Witterungsschutz ist, spricht wieder eine klare Metallsprache sie besteht aus einem Stahlrahmen der mit einer schwarzen, mikroperforierten Kunststofffolie überspannt ist. Grundrisse, Schnitt M 1:200 Erdgeschoss 1 Wohnen 2 Kochen 3 Essen 4 Jacuzzi 5 Garage 6 Technik 7 WC / Dusche Obergeschoss Zimmer 9 Bad 10 Luftraum Die Aussenhülle aus der mikroperforierten Folie lässt sich teilweise grosszügig öffnen. Minimalistischer Ausbau Der grosszügige Wohnraum wurde möglichst offen belassen. Das Obergeschoss mit drei minimalen Schlafund einem Badezimmer nimmt nur einen kleinen Teil der Gesamtfläche ein. Darunter befinden sich die Garage, die vollständig ins Haus integriert ist, und die Nassräume des Erdgeschosses. So bleibt im offenen Wohnraum mit Küche der Hallencharakter erhalten. Der offene Raum ist gegliedert von zwei skulpturalen Treppen und einer langen roten Schrankwand, in der die Küche integriert ist. Diese auf Normelementen basierenden Schreinereinbauten waren bestimmend für das Mass der Gebäudelänge Von der geschlossenen, introvertierten Wirkung, die das Haus von aussen hat, ist im Innern nichts zu spüren. Die perforierte Folie schützt zwar tatsächlich vor neugierigen Blicken ins Innere, trübt jedoch umgekehrt den Blick nach aussen kaum. Grosszügige Fensterflächen schaffen im Wohnraum einen direkten Bezug 10 33

4 zur umgebenden Natur. Dies erst recht, wenn die Aussenhülle geöffnet wird, was auf der Eingangs- und Gartenseite des Hauses grossflächig möglich ist Fassadenschnitt, M 1:20 1 HEA Vorfabrizierte Betondecke Ytong 250 mm 3 Dachbelag: Dachhaut zweilagig, Wärmedämmung 160 mm, Substrat, Dachbegrünung 4 Stahlprofil UNP Fassadenkonstruktion: Unterkonstruktion und Fermacell 42 mm, Dampfsperre, Holzrahmen und Wärmedämmung 200 mm, OSB-Platten 1 mm 6 Stützen Stahlprofil RHS Luftraum Metallrahmen 9 Mikroperforierte Folie 10 Betondecke = Bodenbelag 11 Wärmedämmung Konsequent durchdacht So einfach und reduziert die Aussenhülle wirkt, so anspruchsvoll ist sie doch in ihrer Technik und Konstruktion. Denn die Folie muss grosse Temperaturschwankungen aushalten, von minus 15 Grad im Winter bis zu plus 0 Grad im Sommer. Diese Dilatation wird über ein raffiniertes Montagesystem aufgenommen, das der Folie ermöglicht, sich in die Nut des Stahlprofils auszudehnen, auf das sie mit einem T-förmigen Kunststoffclip geklemmt ist. Geheizt wird das Haus mit einer Wärmepumpe über drei 90 Meter tiefe Erdsonden. Im Sommer wird im Free-Cooling-System derselbe Kreislauf für die Kühlung benutzt. Um dem Prinzip der glatten Oberflächen treu bleiben zu können, wurden die Leitungen zum Heizen und Kühlen in die Betondecken verlegt. Aus einer vom Industriebau inspirierten Stahlbauhalle entstand dank raffinierten Details ein luftiger, eleganter Wohnraum. Im Rahmen der diesjährigen Veranstaltung «art et architecture» kann das Haus auch besichtigt werden. Drei Künstler verwandeln den Raum mit ihren Installationen in einen «Kunstraum». So bekommt die beabsichtigte Flexibilität und Multifunktionalität des Entwurfes ihren ganzen Sinn. (vra) 7 9 Ort Grimisuat VS, Schweiz Bauherrschaft Olivier Cheseaux Architekten Anako'architecture, Olivier Cheseaux, Grimisuat Ingenieure Réaltec Sàrl, Conthey Stahlbau Hygin Debons, Savièse Tragwerk Stützen RHS 250/150/, Deckenträger HEA 500 Bruttogeschossfläche 360 m 2 Nutzfläche 320 m 2 Umbautes Volumen 190 m 3 Daten Fertigstellung April 2005 Bauzeit Monate steeldoc 01/11

5 Impressum steeldoc 01/11, Mai 2011 Wohnen im Stahlhaus Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz Herausgeber: SZS Stahlbau Zentrum Schweiz, Zürich Evelyn C. Frisch, Direktorin Redaktion und Layout: Virginia Rabitsch, Evelyn C. Frisch, SZS Texte: Einführungstext: siehe Artikel Projekttexte aufgrund der Projektinformationen der Planer von Evelyn C. Frisch (ef), Virginia Rabitsch (vra), Frank P. Jäger (fpj), Claudia Wilke (cw), Myrtha Köhler (mk) Fotos: Titel: Villa in Ede: Powerhaus Company / Bas Princen, Rotterdam Editorial: Wohn- und Atelierhaus im Spiegel: Sacha Geiser, Liebefeld BE Einführung: siehe Artikel Wohn- und Atelierhaus im Spiegel: Sacha Geiser, Liebefeld BE Villa in Ede: Powerhaus Company / Bas Princen, Rotterdam Wohnhäuser in Apeldoorn: S. 20 Lars Courage, S. 21, 22, 23 Pieter Kers Wohnhaus in Breda: Studio NL-D, Hans Werlemann, Rotterdam Hofhaus in Zürich: Jürg Zimmermann, Zürich Wohnhaus in Grimisuat: Corinne Cuendet, Clarens VD Quellen: Die Informationen und Pläne stammen von den Planungsbüros. Zeichnungen überarbeitet durch Stefan Zunhamer, circa drei, München Designkonzept: Gabriele Fackler, Reflexivity AG, Zürich Administration, Abonnemente, Versand: Giesshübel-Office, Zürich Druckvorstufe und Druck: Kalt-Zehnder-Druck AG, Zug ISSN Jahresabonnement Inland CHF 4. / Ausland CHF 60. Einzelexemplar CHF 15. / Doppelnummer CHF 25.- Preisänderungen vorbehalten. Bestellung unter Bauen in Stahl / steeldoc ist die Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz und erscheint viermal jährlich in deutscher und französischer Sprache. Mitglieder des SZS erhalten das Jahresabonnement und die technischen Informationen des SZS gratis. Steeldoc abonnieren für CHF 4.- im Jahr (Studierende gratis) auf Die Rechte der Veröffentlichung der Bauten bleiben den Architekten vorbehalten, das Copyright der Fotos liegt bei den Fotografen. Ein Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers und bei deutlicher Quellenangabe gestattet.