Das Flexirentengesetz Arbeits- und sozialrechtliche Betrachtungen zur Umsetzung in der Praxis Vor der Regelaltersgrenze

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Michael Fried
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Leiter Grundsatzbereich Versicherung/Rente und Rehabilitation 12.

1 Das Flexirentengesetz Arbeits- und sozialrechtliche Betrachtungen zur Umsetzung in der Praxis Vor der Regelaltersgrenze Uwe Kolakowski Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover Leiter Grundsatzbereich Versicherung/Rente und Rehabilitation 12. Hans-Böckler-Forum zum Arbeits- und Sozialrecht am 28. Februar 2019 in Berlin Forum 1, 2. Teil: Gestaltung des Übergangs im Alter

2 Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz) vom 8. Dezember 2016 (BGBl. I, S. 2838) 2

3 I. Hintergrund Statistische Daten Erwerbstätigenquote der 60- bis unter 65- jährigen: von 2005 (28,1%) bis 2017 (58,4%) etwa verdoppelt Voll sozialversicherungspflichtig Beschäftigte der 60- bis unter 65- jährigen: (2008) (2018) Geringfügig Beschäftigte: (2008) (2018) Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigte nach Altersgruppen, , abrufbar unter: Themen/Beschaeftigung/Beschaeftigte/Beschaeftigte-Nav.html 3

4 I. Hintergrund Ziel des Flexirentengesetzes [Das Flexirentengesetz] verfolgt einerseits das Ziel, das flexible Arbeiten bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze bei besserer Gesundheit zu erleichtern und zu fördern und andererseits das Weiterarbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus attraktiver zu machen. (Flexirentengesetz-E, BT-Drs. 18/9787, 27. September 2016) 4

5 II. Maßnahmen Vor Regelaltersgrenze Neues Teilrenten-/Hinzuverdienstrecht (Alters- u. EM-Renten) ab 1. Juli 2017 Rentenversicherungspflicht für arbeitende Altersvollrentner ab 1. Jan Rentenabschläge früher und flexibler ausgleichbar ab 1. Juli 2017 Rentenauskunft: Mehr Informationen zu flexiblen Übergängen ab 1. Juli 2017 Änderungen bei den Reha-Leistungen ab 14. Dez

6 III. Zahlen zum Vergleich Zahlen aus 2016* zu flexiblen Übergängen vor dem Flexirentengesetz Altersrenten insg ,0 % darunter u.a. Vorgezogene Altersrenten (mit Abschlägen) ,3 % Vorgezogene Altersrente für bes. langjährig Versicherte ,7 % (ohne Abschläge) Teilrenten ,3 % ** **0,6 % bezogen auf die vorgezogenen Altersrenten Anzahl der Versicherten mit Abschlagsrückkauf : *Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung Rentenzugang 2016, Z; Versicherte 2016, 1.00 V 6

7 III. Zahlen zum Vergleich Zahlen aus 2017* zu flexiblen Übergängen Altersrenten insg ,0 % darunter u.a. Vorgezogene Altersrenten (mit Abschlägen) ,2 % Vorgezogene Altersrente für bes. langjährig Versicherte ,8 % (ohne Abschläge) Teilrenten ,64 %* davon (0,39 %) nach dem ab Juli 2017 geltenden neuem Recht des Flexirentengesetzes *1,2 % bezogen auf die vorgezogenen Altersrenten Anzahl * Quelle: der Statistik Versicherten der Deutschen Rentenversicherung mit Abschlagsrückkauf : Rentenzugang 2017, Z; Versicherte 2017, 1.00 V

8 III. Zahlen zum Vergleich Bundesweite Zahlen aus 2018 liegen noch nicht vor, jedoch folgende Ergebnisse aus einer Statistik der DRV BSH* Altersrenten insg Vorgezogene Altersrenten Teilrenten nach 34 Abs. 3 SGB VI 155 0,6 %** **1,2 % bezogen auf die vorgezogenen Altersrenten * Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover über (bewilligte) Rentenanträge nach 5 RSVWV für 01 bis 12/2018 8

9 IV. Teilrenten-/Hinzuverdienstrecht allgemein Vorgezogene Altersrenten Altersrenten für langjährig Versicherte für besonders langjährig Versicherte für schwerbehinderte Menschen ggf. mit dauerhaften Abschlägen ( 77 Abs. 2 S.1 Nr. 2 Buchst. a SGB VI) zur Abgeltung des längeren Rentenbezugs für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme in Höhe von 0,3% Ausgleichsbeiträge nach 187a SGB VI jetzt bereits ab dem 50. Lebensjahr möglich 9

10 IV. Teilrenten-/Hinzuverdienstrecht allgemein Warum Hinzuverdienstgrenzen? Übersicherung vermeiden (vgl. BSG-Urteil vom , Az. B 5 RJ 60/03R zu EM-Renten) Abschaffung hätte Mehrausgaben zur Folge Vorfinanzierungsaufwand bei abschlagbehafteten Altersrenten Mehrausgaben bei abschlagfreien vorgezogenen Altersrenten Sozialpolitischer Sinn wird aber immer wieder in Frage gestellt 10

11 V. Das alte Teilrenten-/Hinzuverdienstrecht ( 34 SGB VI) Monatliche Hinzuverdienstgrenze; zweimaliges Überschreiten im Kalenderjahr unschädlich Höhe seit parallel zur Geringfügigkeitsgrenze zuletzt 450 EUR Bei Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze: Teilrente nur in Höhe von zwei Dritteln, der Hälfte bzw. einem Drittel Kürzung der Rente ggf. höher als der Hinzuverdienst 11

12 VI. Das neue Teilrenten-/Hinzuverdienstrecht ( 34 SGB VI) Grundzüge Jährliche Hinzuverdienstgrenze ( 34 Abs. 2 SGB VI) Regelung zum zweimaligen Überschreiten überflüssig Höhe entsprechend altem Recht (12 x 450 EUR + 2 x 450 EUR) EUR im Kalenderjahr Keine starren Teilrenten mehr ( 42 Abs. 2 SGB VI) Stufenlose Anrechnung des Hinzuverdienstes 12

13 VI. Das neue Teilrenten-/Hinzuverdienstrecht ( 34 SGB VI) Stufenlose Anrechnung Hinzuverdienst bis EUR jährlich Kombinierbar mit Vollrente Hinzuverdienst > EUR jährlich Vollrente minus 40% von 1/12 des übersteigenden Hinzuverdienstes Hinzuverdienst + gekürzte Teilrente > individueller Hinzuverdienstdeckel Teilrente minus 100% des übersteigenden Hinzuverdienstes 13

14 VI. Das neue Teilrenten-/Hinzuverdienstrecht ( 34 SGB VI) Hinzuverdienstdeckel, 34 Abs. 3a SGB VI Abs. 3a S.1: Der Hinzuverdienstdeckel wird berechnet, indem die monatliche Bezugsgröße mit den Entgeltpunkten ( 66 Absatz 1 Nummer 1 bis 3) des Kalenderjahres mit den höchsten Entgeltpunkten aus den letzten 15 Kalenderjahren vor Beginn der ersten Rente wegen Alters vervielfältigt wird. individuelle, dynamische Höhe höchster Verdienst aus den letzten 15 Kalenderjahren 14

15 VI. Das neue Teilrenten-/Hinzuverdienstrecht ( 34 SGB VI) EP EP EP Hinzuverdienstdeckel Flexirentengesetz EP EP EP EP EP EP EP letzte 15 Kalenderjahre EP EP EP EP EP Beginn vorgezogene Altersvollrente Regelaltersgrenze höchste Entgeltpunkte x monatl. Bezugsgröße* = Hinzuverdienstdeckel * EUR (2019) mindestens monatl. Rente EUR 15

16 VI. Das neue Teilrenten-/Hinzuverdienstrecht ( 34 SGB VI) Beispiel monatl. Altersvollrente Hinzuverdienstdeckel jährl. Hinzuverdienst in EUR Hinzuverdienstgrenze übersteigt Hinzuverdienstgrenze Hinzuverdienst Altersvollrente übersteigender Betrag Anrechnung = = x 40 % = Hinzuverdienst- 990 grenze = 1/12 vom Jahr 210 Teilrente vor Prüfung Hinzuverdienstdeckel Anrechnungsbetrag 16

17 VI. Das neue Teilrenten-/Hinzuverdienstrecht ( 34 SGB VI) Beispiel monatl. Altersvollrente Hinzuverdienstdeckel jährl. Hinzuverdienst in EUR Hinzuverdienstgrenze Teilrente 200 Hinzuverdienstdeckel überschritten? gemindert Hinzuverdienst 12 = = > Vergleich mit Deckel 1/12 vom Jahr überschritten 17

18 VI. Das neue Teilrenten-/Hinzuverdienstrecht ( 34 SGB VI) Hinzuverdienst - 34 Abs. 3b SGB VI Arbeitsentgelt ( 14 SGB IV), Arbeitseinkommen ( 15 SGB IV), vergleichbares Einkommen Hinzuverdienst nach Rentenbeginn unabhängig davon, ob Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird Kein Hinzuverdienst: z.b. sonstige Einkünfte aus Vermietung, Entgelte i.s.v. 34 Abs. 3b S. 3 SGB VI, Aufwandsentschädigung i.s.v. 302 Abs. 7 SGB VI 18

19 VI. Das neue Teilrenten-/Hinzuverdienstrecht ( 34 SGB VI) Verfahren Vor- und Rückschau: jeweils zum 1.7.: Prognose des kalenderjährlichen Hinzuverdienstes bis zum des Folgejahres jeweils zum 1.7. rückwirkende Überprüfung für das vorige Kalenderjahr anhand des tatsächlichen Hinzuverdienstes (Spitzabrechnung) Unterjährige Korrektur der Prognose für die Zukunft nur auf Antrag ( 34 Abs. 3e SGB VI) 19

20 VI. Das neue Teilrenten-/Hinzuverdienstrecht ( 34 SGB VI) Verfahren Spitzabrechnung bei zu niedrig prognostiziertem Hinzuverdienst ggf. Rückforderung einer Rentenüberzahlung bei zu hoch prognostiziertem Hinzuverdienst ggf. Nachzahlung an die Rentenberechtigten Bescheide sind bei Änderung des Rentenanspruchs ohne Anwendung von 24, 45, 48 SGB X aufzuheben Einbehalt von kleineren Überzahlungsbeträgen bei der laufenden Rente mit Einverständnis der Rentenberechtigten 20

21 VI. Das neue Teilrenten-/Hinzuverdienstrecht ( 34 SGB VI) Bewertung Keine durchgreifende Vereinfachung; hoher Verwaltungsaufwand Gestiegener Beratungsbedarf Teilzeitarbeit ausreichend verfügbar? Mehr Freiraum für individuelle Gestaltung Keine Stufenabstürze mehr 21

22 VII. Ausblick Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/9787, S. 30) soll die Neuregelung des Hinzuverdienstrechts in fünf Jahren (2022? 2023?) evaluiert werden. Dabei soll insbesondere untersucht werden, ob damit in erster Linie die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen erhöht werden konnte oder ob unerwünschte Frühverrentungsanreize überwiegen. In diesem Zusammenhang sollen auch die Wechselwirkungen des neuen Hinzuverdienstrechts auf andere Leistungen der Sozialversicherung untersucht werden. 22

23 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 23

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