Bericht zur Priifung im Miirz 2001 fiber Mathematik der Schadenversicherung (Grundwissen)
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- Ida Fuhrmann
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1 Bericht zur Priifung im Miirz 2001 fiber Mathematik der Schadenversicherung (Grundwissen) Christian Hipp (Karlsruhe) und Martin Morlock (Giessen) Zu jedem der Gebiete Grundlagen, Pr~imienkalkulation, Solvabilit~it, Risikoteilung und Reservierung ist jeweils eine Aufgabe gestellt. Die Zusatzaufgabe wird nur gewertet, wenn eine der anderen Aufgaben nicht bearbeitet wurde. Als Hilfsmittel sind die beigeftigte Formelsammlung sowie ein nicht programmierbarer Taschenrechner zugelassen. Die Zahlen in der Aufgabenstellung geben jeweils die maximal erreichbare Punktzahl an. Die Klausur ist bestanden, wenn 36 der 90 m6glichen Punkte erreicht wurden. 1. Aufgabe (Grundlagen) (20 Punkte): a) Zeichnen Sie in die vorbereitete Grafik die Dichte einer Gammaverteilung mit zugeh6rigem Erwartungswert 2 und Varianz 2 ein. In der Grafik ist die Funktion f(x) = exp( - x) dargestellt. 1,5 0,5 0 t b) Sei X eine Schadenh6he mit der unten gezeigten Dichte. Skizzieren Sie die Verteilung von Y = min{l,max (X - M, 0)}. M M+L c) Berechnen Sie E [Y] ftir die Parameterkombination M = L und P {X > 2 L} = 0,2. 73
2 LOsung der Aufgabe Grundlagen: a) Die Dichte lautet f(x) = x exp(- x), x > 0. Die (nachfolgend gestrichelt gezeichnete) Funktion f'(x) = - x exp(- x) + exp(- x) = 0 ftirx = 1, f(1) = exp(- 1), startet in Null, f(0) = 0, sie hat in x = 1 ihr Maximum, und sie f~illt exponentiell ftir x --o oo. 1,5 f(x) 0,5 0 x b) Y hat Masse P {X < M} in der Null, Masse P {X > M + L} im Punkt Lund eine Gleichverteilung im Bereich 0 < x < L. Die Verteilungsfunktion F(y) von Y hat damit die folgende Gestalt: F(y) Y 0 L L ~ L 2 c) ElY l = 0,8 ~ ~ x dx + 0,2 L = 0,8 ~ + 0,2L = 0,4L. 0 xvi ~ 2. Aufgabe (Solvabilitiit) (15 Punkte): Fiir einen Versicherungsbestand mit Gesamtschaden S und Bestandspr~imie B sei R der Anpassungskoeffizient, also die positive L6sung der Gleichung RB = 2E[exp(RX)],
3 wenn man fiir die Verteilung von S das kollektive Modell mit einer Poisson(2) Schadenanzahl und SchadenhBhen X ansetzt. a) Notieren Sie R for den Fall, dass X eine Exponentialverteilung mit Mittelwert m besitzt (siehe Formelsammlung). Geben Sie die dafiir notwendigen Voraussetzungen ftir m, 2 und B an. b) Ftir welche Werte von B kann man durch Verdoppelung der Pr~imie erreichen, dass der Anpassungskoeffizient mindestens verdoppelt wird? L6sung der Aufgabe Solvabili#it: a) Nach Formelsammlung gilt ffir R bei dem Beitrag B: B - 2m B - 2m 1 2m 1 2m 1 B - 2m R- m B-2m=m2m+B-2m m B m 2m Es muss B > ).m gelten. b) Eine Verdoppelung von R ergibt sich bei einer Verdoppelung von B genau dann, wenn 2B-2m- 2B-2m oder 2B-22m=B-2m/2 oder B=~2m B 2B erftillt ist. Damit ergibt sich mindestens eine Verdoppelung von R bei einer Verdoppelung von B, falls gilt: 3 2m < B < x2m. Z 3. Aufgabe (Pr~imienkalkulation) (20 Punkte): Die in einem Versicherungsvertrag m6glichen Sch/iden seien modelliert durch eine geometrisch verteilte Schadenanzahl N mit P {N = k} = 0,8" 0,2 k, k = 0, 1, 2... und (auch von N) stochastisch unabh~ingigen Schadenh6hen X~ mit P{Xi>t}=exp(-t), t>0. Das Versicherungsunternehmen gew~ihrt eine Beitragsriackerstattung in H6he von 1, wenn im Versicherungszeitraum kein Schaden reguliert wird. (Nachmelden von Sch~iden ist m6glich.) a) Wie wird sich ein rationaler Versicherungsnehmer verhalten? b) Die Verteilung des Gesamtschadens S = X XN ist gegeben durch P {S = 0} = 0,8 und P{S > t} = 0,2 exp(- 0,8 0, t > 0. Berechnen Sie die Nettorisikoprfimie ohne und mit Beitragsriickerstattung. c) Unter welchem Gesichtspunkt kann das Versicherungsprodukt mit Beitragsriickerstattung for Kunden interessant sein? Hinweise zu b): Die erzeugende Funktion von N ist mn (Z) = 0,8/(1 -- 0,2 Z), und die momenterzeugende Funktion von X lautet f(t) -- 1/(1 - t), t < 1. 75
4 LOsung der Aufgabe Priimienkalkulation: a) Ein rationaler Versicherungsnehmer wird die Sch~iden selbst tragen, bis die Summe dieser Sch~iden die Beitragsrtickerstattung abersteigt. b) Mit der Faltungsformel ergibt sich als momenterzeugende Funktion der Gesamtschadenverteilung 0,8 _ 0,8-0,8t 0,8+0,200,8 h(t) = mn(f(t)) = ,2f(t) 0,8 -- t, -- t' und das ist die momenterzeugende Funktion der angegebenen Verteilung. Aus der Ableitung von h(t) an der SteUe t = 0 ergibt sich als Erwartungswert des Schadens 0,25. Gem~iB der Definition des Erwartungswerts ergibt sich ebenfalls: ohne Beitragsriickerstattung: oc E[S] = 0,2 I 0,8x exp(-0,8)dx = 0,2 = 0,25. 0 mit Beitragsriickerstattung: Hier wird die Beitragsriickerstattung als Leistung des Versicherungsunternehmens in den unter a) genannten F~illen aufgefasst. Die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Beitragsriickerstattung gezahlt wird, ist P{S < 1} = 0,8 + 0,2(1 - exp( - 0,8)) = 0,91. Die Nettorisikopr~imie fur die Beitragsriickerstattung ist demnach 0,91. Die Nettorisikopr~imie fur die vom Versicherungsunternehmen ~ibernommenen Schaden ist cc E[S l{s>~}] = 0,2 I 0,Sx exp(-0,8x)dx 1 = 0,2 0,8(x + 1) exp(-o,8(x + 1))dx i o = 0,2 exp(-o,8) 0,8x exp(-o,8x)dx + 0,8 exp(-o,8x)dx o = 0,2 exp(-0,8)[0~ + 11 = 0,202. Die Nettorisikopr~imie mit Beitragsr0ckerstattung ist demnach 0,91 + 0,202 = 1,112. c) Ein Kunde, der sein Risiko so einsch~itzt, dass bei ihm kein Gesamtschaden < 1 auftritt, wird als Preis for den Versicherungsschutz (ohne Kosten) mit 76 Nettorisikopr~imie ftir Vertrag mit Beitragsrtickerstattung - 1 * P {S < 1} = 1,112-0,91 = 0,202 = E[Slls>q ] = 0,202 ansetzen, und dies ist deutlich weniger als der Preis des Vertrages ohne Beitragsriickerstattung 0,25 (wieder ohne Kosten).
5 4. Aufgabe (Risikoteilung) (20 Punkte): Die Entlastungseffektfunktion r(.) fttr ein Risiko, bei dem ein Schaden (mit stochastischer Schadenh6he) mit Wahrscheinlichkeit 1 eintritt, hat die folgende Gestalt (mit r(a) < 1 ftir a < 3 und r(a) = 1 fiir a -> 3): 1 r(a) 0,8 0,6 0,4 0,2 0 a a) Wie grob ist die maximale SchadenhOhe? b) Skizzieren Sie die Entlastungseffekffunktion ffir den Fall, dass der Schaden (bei gleicher SchadenhOhenverteilung) nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,5 eintritt. c) Bestimmen Sie die Dichte der Schadenh6henverteilung als Funktion von r (.). (Der Erwartungswert der Schadenh6he betr~igt hier -¼.) d) Bestimmen Sie mit Hilfe der graphischen Darstellung der Entlastungseffektfunktion den Erwartungswert des vom Versicherungsunternehmen Obernommenen Schadenanteils bei einem Versicherungsvertrag mit der Abzugsfranchise a far a = 1 und a = 1,5. e) Skizzieren Sie die Entlastungseffektfunktion fiir ein Versicherungsunternehmen, das im Zuge einer Mitversicherung nur 1/3 dieses Risikos zeichnet, d.h. nur 1/3 des Schadens bezahlt. LOsung der Aufgabe Risikoteilung: a) Die maximale Schadenh6he ist 3; far a -> 3 verbleibt der Schaden vollst~indig beim Versicherungsnehmer, d.h. eine gr6bere Schadenh6he als 3 tritt nicht auf. b) FUr den Entlastungseffekt ist die Schadenh~iufigkeit ohne Bedeutung. Der Entlastungseffekt ~indert sich bei einer Anderung der Schadenh~iufigkeit nicht. (Der Erwartungswert der Schadenhaufigkeit tritt als multiplikativer Faktor sowohl im Z~ihler als auch im Nenner des Quotienten auf, der die Entlastungseffektfunktion definiert.) c) Es gilt r"(a) - f(a) 0 < a < 3 E[X] mit dem Erwartungswert E [X] = 3A der Schadenh6he X und der Dichte f(.) yon X. Daraus folgt - 74r"(x), 0<x<3 f(x) = 0, sonst 77
6 d) r(a) 0'i ~ 0, a Gem~ig Zeichnung gilt r(1)= 0,8 und r(1,5)= 0,94. Damit betr~igt der Erwartungswert des Anteils des vom Versicherungsunternehmen tibernommenen Schadens 1 - r (a), d.h. 20% bzw. 6%. e) Die Entlastungseffektfunktion?(a) hat die (prinzipiell) gleiche Gestalt wie r(a) mit ~(a):= r(3a), 0 < a _< 1, da die Dichte f(.) eines Drittels der Schadenh6he X (mit der Dichte f(.)) durch festgelegt ist und damit f(x) = 3 f(3x) a 3, )~ I3xf(3x)dx+a(1-F(3a)) Iyf(y dy+a(1-f(3a)) ~(a) = o = o 1 3 (3x f(3x)dx oj'y f(y)~dy gilt. ~ (i" Y f(y)dy + 3a(1 - F(3a))) = = r(3a) ~i y f(y)dy 5. Aufgabe (Schadenreservierung) (15 Punkte): Drei Jahre nach der W~ihrungsumstellung am auf den EURO soll fiir einen ab 1998 neu gebildeten Versicherungsbestand mit den folgenden (inflationsbereinigten) Schadenzahlungen eine Sch~itzung der Sp~itsch~iden vorgenommen werden: Anfalljahr Abwicklungsj ahr (Pramie) k=l k=2 k=3 k= (470) (570) (630) (375) (425) 135 k=
7 Die Schadenzahlungen und Pramien bis zum Jahr 2001 (einschlieblich) sind dabei in Mio. DM und ab 2002 in Mio. EURO angegeben. Der Einfachheit halber soil hier 2 DM = 1 EURO gelten. a) Berechnen Sie mit dem Chain-Ladder-Verfahren eine Sch~itzung der im Jahr 2005 for Sch~iden des Anfalljahres 2001 zu leistenden Schadenzahlungen (in EURO). b) L6sen Sie a) mit dem Verfahren der anfalljahrunabh~ingigen Schadenquotenzuw~ichse. c) Kann man bei einer Analyse der Zeitreihe der Schadenzahlungen die begrtindete Vermutung haben, dass die Sch~tden eines Anfalljahres nach 5 Jahren noch nieht voustandig abgewickelt sind? LOsung der Aufgabe Schadenreservierung: a) Prgmien und (nichtkumulierte) Schadenzahlungen Sik Anfalljahr 2003 Abwicklungsjahr (Pr~imie) (425) k=l k=2 k=3 k= (235) (285) (315) (375) k=5 15 Pr~imien und kumulierte Schadenzahlungen C~k in EURO Anfalljahr Abwicklungsjahr (Pr~imie) k=l k=2 k=3 k= (235) (285) (315) (375) (425) 135 k=5 193 Abwicklungskoeffizienten fk: f3 = 1,144; f4 = 1,084 Schatzung der Schadenzahlungen des Anfalljahres 2001 im 5. Abwicklungsjahr $2~11,5 = C2ool.5 - C2(1~11,4 = C2ool.3" f3* (f4-1) = 213 * 1,144" 0,084 = 20,47 b) Anfalljahrunabh~ingige Schadenquotenzuw~ichse Anfal~ahr Abwicklungsjahr (Pr~imie) k=l k=2 k=3 k=4 k= (235) (285) (315) (375) (425)
8 Schadenquotenzuwachse: sk: Sl = 0,3180; s2 = 0,2140; s3 = 0,1413; s4 = 0,0962; s5 = 0,0638 Schatzung der Schadenzahlungen des Anfalljahres 2001 im 5. Abwicklungsjahr $2~ol.5 = P2001 * s5 = 315 * 0,0638 = 20,10 c) Die Sch~itzungen fiir Schadenzahlungen und auch die Schadenquotenzuw~ichse nehmen in jedem Abwicklungsjahr ungef~ihr urn 1/3 ab. Die Schaden sind damit nach 5 Jahren vermutlich noch nicht vollst~adig abgewickelt. Das Modell des Complementary Loss Ratio beschreibt diese Situation recht gut. 6. Zusatzaufgabe (15 Punkte): Ein einfaches Bonus-Malus-System besitzt neben der Einstiegsklasse 1 noch die beiden Bonusklassen 2 und 3. Das mit Hilfe dieses Bonus-Malus-Systems zu differenzierende Kollektiv setzt sich aus zwei Risikotypen zusammen, die sich lediglich in ihren Schadenzahlwahrscheinlichkeiten (pro Jahr) unterscheiden. Risikotyp A Risikotyp B Schadenzahl pro Jahr ,7 0,2 0,t 0,5 0,3 0,2 Wahrscheinlichkeiten der Zahl der Sch~iden pro Jahr Bei einem schadenfreien Verlauf w~ihrend eines (Kalender-)Jahres wird der Versicherungsnehmer im n~ichsten Jahr in die n~ichsth6here Klasse eingestuft, oder er verbleibt gegebenenfalls in der h6chsten Klasse 3. Bei einem bzw. zwei Schaden wird er (unabh~ingig yon der H6he des Schadens) eine bzw. zwei Klassen zurtickgestuft, maximal jedoch in die Klasse 1. Der Erwartungswert der H6he eines Einzelschadens betr~igt DM (1 TDM). Der Eintritt der Schaden erfolgt stochastisch unabh~ingig. a) Berechnen Sie die Nettorisikopr/imien ftir einen Versicherungsnehmer des Risikotyps A und B. b) Wie grog ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Versicherungsnehmer des Risikotyps B naeh 3 Jahren in der Klasse 2 befindet? c) Wie grob ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Versicherungsnehmer naeh 2 Jahren in Klasse 2 befindet, wenn er zuf~illig aus einem Bestand mit 70% Vertr~igen des Risikotyps A und 30% Vertr~igen des Risikotyps B entnommen wird. LOsung der Zusatzaufgabe : Berechnung der Nettorisikopr~imien a) Risikotyp A: Risikotyp B: NRPA = (0,2" 1 + 0,1 * 2) * DM = 400 DM NRPB = (03 * 1 + 0,2" 2) * DM = 700 DM b) Erstellung der I]bergangsmatrix 80
9 Risikotyp A: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,7 hat ein Versicherungsnehmer keinen Unfall. Befindet er sich in der Klasse 1, so geht er mit dieser Wahrscheinliehkeit im nachsten Jahr in die Klasse 2 fiber; das Element in der 1. Zeile und 2. Spalte hat damit den Wert 0,7. Entsprechend sind die anderen Matrixelemente festgelegt. Risikotyp B: to3 07 ] PA = /o,3 o o, [o,1 0,2 o, [0,5 0,5 0 ] P~ = /0,5 0 0,5 / /0,2 0,3 0,5j Verteilung von Risikotyp B nach 3 Jahren auf die verschiedenen Risikoklassen (p~; p~; p~)8= (((1; 0; 0)Pa)PB)PB = ((0,5; 0,5; o)p~)p~ [o,5 0,5 o ] =(0,5; 0,25; o,25)/o,5 o o,5! ko,2 0,3 0,5j = (0,425; 0,325; 0, 25) c) Verteilung von Risikotyp A nach 2 Jahren auf die verschiedenen Risikoklassen (p~; p~; p~)a= ((1; 0; 0)PA)PA [0,3 0,7 o ] = (0,3; 0,7; 0,0) [0,3 0 0,7 / [0,1 0,2 0,7J = (0,3; 0,21; 0,49) Wahrscheinlichkeit ffir einen beliebigen Versicherungsnehmer des Kollektivs nach 2 Jahren in Klasse 2 zu sein: 0,7 * 0,21 + 0,3 * 0,25 = 0,222 81
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