Wettbewerbsfähige Rohstoffversorgung sichern
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- Hertha Beyer
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1 Wettbewerbsfähige Rohstoffversorgung sichern Ergebnisse einer Unternehmensbefragung rheinland-pfälzischer Industrie- und Handelskammern Damoklesschwert Rohstoff- und Energiepreise Volatile und steigende Preise belasten Unternehmen Rohstoffrisiken ungenügend abgesichert Sichere und wettbewerbsfähige Rohstoffpolitik vonnöten Oktober 2010
2 Herausgeber: Industrie- und Handelskammern (IHKs) Koblenz, Pfalz und Trier c/o IHK Pfalz, Ludwigsplatz 2-4, Ludwigshafen, Redaktion: Dr. Tibor Müller, IHK Pfalz, Stand: Oktober 2010 Titelbild: BilderBox, An der vorliegenden Umfrage beteiligten sich, soweit an der jeweiligen Stelle nicht anders angegeben, 548 Unternehmen der Branchen Industrie (n = 353) und Handel (n = 195) aus den IHK-Bezirken Koblenz, Pfalz und Trier. Die prozentualen Ergebnisse sind nach den Beschäftigtengrößenklassen gewichtet. Die Befragung wurde im Rahmen der Konjunkturumfrage der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz in der ersten Septemberhälfte 2010 durchgeführt. Seite 2 von 7
3 Damoklesschwert Rohstoff- und Energiepreise Die wettbewerbsfähige Versorgung der Wirtschaft mit Rohstoffen hat für rheinland-pfälzische Unternehmen höchste Priorität. Gerade weil die konjunkturelle Erholung im Herbst 2010 weiter an Kraft und Breite gewinnt, sehen die Firmen in steigenden bzw. stark volatilen Rohstoff- und Energiepreise den größten Risikofaktor: Für 51% der Betriebe gehen hiervon Gefahren für die wirtschaftliche Entwicklung ihres Unternehmens in den kommenden 12 Monaten aus (vgl. Abbildung 1). Gefolgt wird dieser Einflussfaktor vom Risiko einer abflauenden Binnennachfrage (50% der Betriebe) und einer Verschlechterung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (44%). % Wo sehen Sie die größten Risiken bei der wirtschaftlichen Entwicklung Ihres Unternehmens in den kommenden 12 Monaten? Inlandsnachfrage 19 2.Auslandsnachfrage 16 3.Finanzierung 33 4.Arbeitskosten 25 5.Fachkräftemangel 10 6.Wechselkurse 7.Energie- und Rohstoffpreise 44 8.Wirtschaftspolitisch e Rahmenbedingung Abb. 1: Bewertung der wirtschaftlichen Risiken im nächsten Jahr, Antworten von 980 Unternehmen aus ganz Rheinland-Pfalz (384 Industrie, 221 Handel, 369 Dienstleistung), Mehrfachnennungen möglich Bei den Industrieunternehmen fällt das Ergebnis noch deutlicher aus: Von diesen sehen 67% erhebliche Unsicherheiten in steigenden Preisen von Energie und Rohstoffen für ihre Geschäftsentwicklung, mit deutlichem Abstand gefolgt von der Gefahr einer einbrechenden Binnennachfrage (49% der Unternehmen). Im Handel befürchten 47% der Unternehmen entsprechende Risiken, im Dienstleistungsgewerbe, das in der Regel nur mittelbar oder untergeordnet von steigenden Rohstoff- und Energiepreisen betroffen ist, immerhin noch 31% der Betriebe. Volatile und steigende Preise belasten Unternehmen Das starke Wirtschaftswachstum besonders in den Schwellenländern China, Indien und Brasilien hat die globale Nachfrage nach Rohstoffen in den letzten Monaten stark steigen lassen. So sind die Kurse vieler Industrie- und Energierohstoffe, aber auch die von pflanzlichen Ressourcen, wie Baumwolle oder Weizen, merklich gestiegen oder unterliegen starken Schwankungen. Spekulative Progno- Seite 3 von 7
4 sen über zukünftig benötigte Rohstoffmengen treiben die Preise zusätzlich in die Höhe und heizen die Volatilität der Kurse weiter an. Preiserhöhungen sind aber nicht das einzige Risiko für die Wirtschaft. Durch die weltweit ungleiche Verteilung der Rohstoffressourcen sind die Unternehmen bei bestimmten Industriemetallen, wie den seltenen Erden, auf Importe aus nur wenigen Ländern angewiesen. Einige dieser Staaten nutzen ihre Marktmacht jedoch aus - zur Einführung von Exportzöllen, Kontigenten und Preisfestsetzungen. Zudem unterstützen aufstrebende Schwellenländer ihre Unternehmen systematisch bei der Ressourcengewinnung mit dem Ziel einer ausschließlich inländischen Nutzung oder einer gesteuerten Exporttätigkeit. Hierdurch entsteht die Gefahr, dass Rohstoffe gezielt an den Märkten vorbei geschleust werden. Zudem ist eine Verdichtung des globalen Marktes bei Massenrohstoffen wie Stahl und Koks festzustellen. Durch diese Zentralisierung des Markts wird der Wettbewerb weiter eingeschränkt. Die so induzierten starken Schwankungen und Steigerungen der Rohstoffpreise führen inzwischen bei mehr als 80% der rheinland-pfälzischen Unternehmen zu Einschränkungen ihrer Wettbewerbsfähigkeit (vgl. Abbildung 2). Bei mehr als der Hälfte dieser Betriebe sogar zu erheblichen Belastungen (entspricht 43% aller befragten Unternehmen). Mäßige Belastungen beklagen 39% der Betriebe, keine oder kaum eine jedoch nur 18% der an der Umfrage teilnehmenden Firmen. Belastet die Steigerung bzw. die starke Volatilität der Rohstoffpreise die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens? 18% 43% 1.ja, erheblich 2.ja, untergeordnet 3.kaum bzw. gar nicht 39% Abb. 2: Belastungen der betrieblichen Wettbewerbsfähigkeit durch volatile bzw. steigende Rohstoffpreise Anzahl der Unternehmen in Prozent Die Betriebe des energie- und rohstoffintensiven produzierenden Gewerbes sind von schwankenden und steigenden Rohstoffpreisen überproportional stark betroffen: Über die Hälfte der Industriebetriebe (genau: 53%) werden durch die Preisentwicklungen erheblich in ihrer Wettbewerbsfähigkeit belastet. Bei den Handelsunternehmen sind es noch 18%. Seite 4 von 7
5 Rohstoffrisiken ungenügend abgesichert Langfristige Preissteigerungen und kurzfristige Schwankungen der Rohstoffpreise haben direkten Einfluss auf die Unternehmensergebnisse und verhindern Planungssicherheit. Den wachsenden Risiken sind gewerbliche Nachfrager, Zwischenhändler und Produzenten von Rohstoffen gleichermaßen ausgesetzt. Insbesondere bei nicht lagerfähigen Ressourcen, wie bei Agrarrohstoffen oder Strom, wissen Nachfrager und Produzenten nicht, welche Preise in der Zukunft gezahlt werden müssen bzw. erzielt werden können. Obwohl sich viele Unternehmen bereits gegen Zins- und Währungsrisiken absichern, ist der Einsatz von finanziellen Sicherungsinstrumenten zur Vorsorge gegen Preissteigerungen bei Rohstoffen in der rheinland-pfälzischen Wirtschaft kaum verbreitet: So geben 50% der Unternehmen an, dass sie ihre Rohstoffrisiken nicht absichern (vgl. Abbildung 3). Weitere 41% der Betriebe wälzen die Rohstoffkosten als einfache Form der Risikoabsicherung über indem sie diese an ihre Kunden weitergeben. Lediglich 9% der Firmen insgesamt sichern die Risiken von Preisschwankungen bzw. steigerungen mit finanziellen Instrumenten ab, z. B. mit Derivaten. Im produzierenden Gewerbe liegt dieser Anteil bei 11%, im Handel nur bei 5%. Sichern Sie Ihre Rohstoffrisiken ab? 50% 41% 1.ja, durch Weitergabe an Kunden 2.ja, durch finanzielle Instrumente 3.nein 9% Abb. 3: Absicherung von Rohstoffrisiken Anzahl der Unternehmen in Prozent Unternehmen, die die Mehrkosten bei steigenden Rohstoffpreisen auf ihre Kunden überwälzen, haben das Problem sinkender Erträge allerdings nicht nachhaltig gelöst. Denn diese Betriebe haben langfristig einen Wettbewerbsnachteil im Markt gegenüber Mitwettbewerbern, die ihre Rohstoffpreise über finanzielle Instrumente absichern und den Kunden somit günstigere Preiskonditionen einräumen können. Seite 5 von 7
6 Sichere und wettbewerbsfähige Rohstoffpolitik vonnöten Die rheinland-pfälzische Wirtschaft reagiert aufgrund ihrer breiten Branchenstruktur, der hohen Industriedichte und großen Importabhängigkeit von Energie- und Industrierohstoffen sensibel auf Preisvolatilitäten und Versorgungsengpässe. Mit Sorge beobachtet die IHK-Arbeitsgemeinschaft deshalb die starken Preisschwankungen und steigerungen auf den Rohstoffmärkten sowie die wachsende Verknappung bestimmter Ressourcen und fordert deshalb: 1. Rohstoffmärkte offen halten Rohstoffsicherheit und der ungehinderte Zugang zu Rohstoffen sind eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, insbesondere in der Industrie quer durch die gesamten Lieferketten. Dazu gehört ein funktionierender freier und transparenter Markt weltweit. In der allgemeinen Handelspolitik muss dem Thema deshalb ein höherer Stellenwert eingeräumt werden: Auf multinationaler Ebene sollte die Verbesserung der WTO-Handelsregeln ganz oben auf der Agenda stehen. Auf bilateraler Ebene müssen Marktzugangserleichterungen im Rahmen der Verhandlungen von Partnerschafts- und Freihandelsabkommen, der EU-Erweiterung und bei laufenden Regierungskonsultationen adäquate Berücksichtigung finden. Vorrangig sollte die Politik darauf hinwirken, bestehende tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse abzubauen, die den Zugang zu Rohstoffen erschweren. 2. Sicherungsinstrumente nicht einschränken Absicherungsmöglichkeiten mit finanziellen Instrumenten, wie z. B. mit Derivaten, gegen Schwankungen und Steigerungen von Rohstoffpreisen sind für Unternehmen von steigender Bedeutung. Angesicht einer strengeren Finanzmarktregulierung dürfen diese Möglichkeiten nicht eingeschränkt werden. Hält die Rohstoffnachfrage unvermindert an, werde diese Finanzinstrumente für Produzenten, Händler und gewerbliche Nutzer von Rohstoffen zur Absicherung der Preisrisiken entscheidend an betrieblichen Belang gewinnen. 3. Heimische Lagerstätten schützen Die zur Rohstoffversorgung dringend benötigten heimischen Lagerstätten werden nicht ausreichend gesichert. Häufig scheitert die Erschließung neuer Lagerstätten bzw. die Ausweitung bestehender Lagerstätten am rigiden Schutzregime des europäischen Naturschutzes. Die Vogelschutz- sowie die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie haben grundsätzlich ein berechtigtes Anliegen. In der Praxis zeigt sich aber, dass es äußert aufwendig, häufig sogar unmöglich ist, eine entsprechende Verträglichkeitsprüfung erfolgreich zu bestreiten. Das starre Regelungssystem des EU-Naturschutzes sollte deshalb von der Europäischen Kommission einer kritischen Revision unterworfen werden. 4. Sekundärrohstoffe nutzen Die Nutzung von sekundären Rohstoffen und ein verstärktes Recycling von Stoffen, Produkten und Abfällen sind wichtige Maßnahmen einer nachhaltigen Ressourcenpolitik. Europa und insbesondere Deutschland befinden sich hier bereits auf einem guten Weg. Effizientes Recyc- Seite 6 von 7
7 ling muss durch klare und wirtschaftsverträgliche Rahmenbedingungen gefördert werden. Die Umsetzung sollte dabei weitestgehend in der Eigenverantwortung der Wirtschaft erfolgen. Zusätzliche staatliche Eingriffe, wie beispielsweise die Einführung einer Abfallabgabe, sind dagegen nicht zielführend. Die Wirtschaft hat angesichts steigender Entsorgungskosten sowie anziehender Preise für Sekundärrohstoffe ein starkes wirtschaftliches Interesse an einer effizienten Ressourcennutzung. 5. Zusätzliche Belastungen vermeiden Die jüngsten Überlegungen der EU-Kommission, eine Steuer auf den Rohstoffverbrauch einzuführen oder bestimmte rohstoffintensive Produkte zu verbieten, gehen in die falsche Richtung. Noch höhere finanzielle Belastungen der Unternehmen und Engpässe in der künftigen Rohstoffversorgung wären die Folge. Immer knapper werdende Rohstoffe und steigende Preise zwingen die Firmen ohnehin, Rohstoffe effizient zu nutzen. Die planbare Verfügbarkeit von Rohstoffen zu wettbewerbsfähigen Preisen ist für eine produktionsbasierte Wertschöpfung am Industriestandort Rheinland-Pfalz und Deutschland von entscheidender Wichtigkeit. Die hier aufgeführten Positionen und Forderungen basieren auf den wirtschaftspolitischen Grundpositionen 2010 der IHK-Organisation, den Markenartikeln der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz der Jahre 2006 und 2011 (zur Zeit in Abstimmung in den Gremien der rheinland-pfälzischen IHKs), der Stellungnahme des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) Anmerkungen zur Public Consultation on the preparation of a new Communication on Raw Materials aus dem Jahr 2010 sowie dem DIHK-Positionspapier Natur schützen Wirtschaft stärken Infrastruktur entwickeln aus dem Jahr Seite 7 von 7
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