Expertise. Modul A1 Vorlesung im SS 2013 Kognitionspsychologie: Denken, Sprache und Problemlösen. Prof. Dr. Thomas Goschke
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- Birgit Schwarz
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1 Professur für Allgemeine Psychologie Modul A1 Vorlesung im SS 2013 Kognitionspsychologie: Denken, Sprache und Problemlösen Expertise Prof. Dr. Thomas Goschke 1
2 Literaturempfehlungen Eysenck, M.W. & Keane, M. (2010). Cognitive psychology: A student s handbook (6th Ed.). Hove: Psychology Press. [Kapitel 12] Anderson, J.R. (2007). Kognitive Psychologie (6. Auflage). (Kapitel 9: Expertise). Berlin: Springer. 2
3 Unterschiede zwischen gut und schlecht strukturierten Problemen Wissensarme & gut strukturierte Transformationsprobleme: Lösung durch Anwendung domänenunspezifischer und vorwissensunabhängiger Heuristiken Wissensreiche & schlecht definierte Probleme: Erfordern extensives domänenspezifischen Regel- und Erfahrungswissen Expertise = außergewöhnlich effizientes Problemlösen oder herausragende Fertigkeiten in einer speziellen Domäne Z.B. Konzertpianist; Weltranglisten-Erster im Tennis; Schachgroßmeister; erfahrene Wissenschaftler / Ärzte / Programmierer etc. 8
4 Expertiseforschung: Ziele Experten lösen Probleme meist besser und schneller Warum? Forschungsfragen Welche Besonderheiten weisen die mentalen Problemrepräsentationen von Experten auf? Verwenden Experten besondere Problemlösestrategien? Wie interagieren generelle (vorwissensunabhängige) und domänenspezifische (vorwissensabhängige) Problemlöseprozesse? Wie wird man zum Experten? Wie kann man die Entwicklung von Expertise fördern (Schule, Universität, Training)? 10
5 Expertiseforschung: Untersuchungsansatz Untersuchungsmethode: Vergleich von Experten und Novizen in spezifischen Wissensdomänen Schach (DeGroot, 1965; Gobet, 1998) Medizin (Groen & Patel, 1988; Lesgold et al., 1988; Schmidt & Boshuizen, 1993) Physik (Anzai, 1991) Computerprogrammierung (Davies, 1990) Musik (Krampe Ericsson, 1996) 11
6 Beispieldomäne: Schach Wurde als eine ersten Domänen empirisch untersucht Lässt sich gut mit Konzept des Problemraums beschreiben Problemlösung besteht in Sequenz von beobachtbaren Zügen Regeln (Operatoren) sind bekannt Extrem grosser Problemraum 12
7 Ist Denken mechanisierbar? Schachcomputer Deep Blue: Berechnete ca. 200 Millionen Positionen pro Sekunde und berücksichtige ca. 6 zukünftige Züge Schlug 1997 Weltmeister Gary Kasparov 13
8 Klassische Untersuchungen (De Groot, 1965) Verglich 5 Großmeister und 5 gute Schachspieler Methode des lauten Denkens beim Nachdenken über den nächsten Zug Großmeister Gute Spieler Maximale Suchtiefe 6,8 6,6 Anzahl aller betrachteten Züge 35,0 30,8 Suchzeit 9,6 min. 12,9 min. Qualität des gewählten Zuges 8,2 5,2 15
9 Klassische Untersuchungen (De Groot, 1965) Gross-Meister bezogen nicht mehr Züge ein, keine tiefere Vorausplanung Keine Unterschiede im Suchprozess, aber in der Qualität des gewählten Zuges Schlussfolgerung: Schachexperten verwenden keine besonderen Suchprozesse, sondern repräsentieren und kategorisieren die Problemsituation anders 16
10 Gedächtnis von Schachexperten (De Groot, 1965) 4 Schachspieler (Großmeister, Meister, sehr guter Spieler, guter Spieler) Sinnvolle Spielkonstellationen wurden für 2-15 Sekunden präsentiert Vpn sollten danach die Konstellationen aus dem Gedächtnis reproduzieren Schachmeister reproduzierten größere Zahl von Figuren korrekt (91%) als weniger gute Spieler (41%) Schlussfolgerungen: Schachmeister haben große Zahl von sinnvollen Schachkonstellationen mit dem jeweils optimalen Zug im LZG gespeichert Können daher irrelevante Züge ausschließen und schnell optimalen Zug auswählen Merken sich nicht Positionen isolierter Figuren, sondern Muster von vertrauten Spielkonstellationen 17 De Groot (1965, 1966)
11 Möglicher Einwand Verfügen Experten einfach über eine größere Kurzzeitgedächtniskapazität? Experiment: Schachmeistern und Amateuren wurden Schachpositionen kurz gezeigt und sollten diese reproduzieren Sinnvolle Figurenanordnungen: Positionen aus Mittelspiel (mit ca. 25 Figuren) oder Endspiel (mit ca. 14 Figuren) Zufällige Figurenanordnungen (gleiche Anzahl von Figuren) 19
12 Anzahl korrekt erinnerter Figuren bei Novizen vs. Schachmeistern (Chase & Simon, 1973) Überlegenheit der Schachmeister beim Reproduzieren kurzzeitig dargebotener Schachkonstellationen verschwand bei Zufallsanordnungen Analoge Gedächtniseffekte wurden in anderen Bereichen gefunden: Go-Spiel (Reitman, 1976); Bridge (Charness, 1979); Computerprogramme (McKeithen et al., 1981); elektronische Schaltkreise (Egan & Schwartz, 1979) 20
13 Chunking-Hypothese (Chase & Simon, 1973) Beim Problemlösen spielt beschränkte Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses wichtige Rolle (George Miller (1956): The magical number 7 +/- 2 ) Die Informationsmenge, die im KZG aufrechterhalten und verarbeitet werden kann, kann durch Chunking erhöht werden Chunking = Zusammenfassung von Elementen zu größeren sinnvollen Einheiten (chunks), die im LZG bereits gespeichert sind Anwendung auf Schach-Expertise: Experten repräsentieren Schachkonstellationen, indem sie diese in ca. 7 Chunks zerlegen Chunks von Experten enthalten mehr Information (Positionen/Konstellationen von Figuren) Experten haben riesige Zahl solcher Konstellationen (z.t. mit adäquaten Zügen) im LZG gespeichert 22
14 Experiment von Chase und Simon (1973) zum Chunking beim Schach Versuchspersonen: Schachmeister, guter Spieler, Anfänger Aufgabe: Vorgegebene Schachpositionen auf anderem (leeren) Brett nachstellen, während Originalposition sichtbar blieb A.V.: Anzahl und Konstellation von Figuren, die nach jedem Blick auf das Ausgangsfeld auf das zweite Feld positioniert wurden 27
15 Experiment von Chase und Simon (1973): Ergebnisse Schachmeister benötigten weniger Zeit, um Teilkonstellationen zu enkodieren Experten enkodierten mehr Figuren pro Chunk 2.5 vs. 2.1 vs. 1.9 (Meister vs. guter Spieler vs. Anfänger) neuere Studien (Gobet & Simon, 1998) legen nahe, dass diese Zahlen eine grobe Unterschätzung der Chunkgrösse von Experten ist! Typische Chunks der Experten: Angriffsmuster, Verteidigungsmuster, etc. 28
16 Zusammenfassung Experten haben vertraute Spielkonstellationen in Form einer großen Zahl von Chunks (z.t. mit bewährten Zügen) gespeichert erspart aufwändiges Durchspielen möglicher Züge Schätzungen, dass Großmeister oder mehr Konfigurationen gespeichert haben (Simon & Gilmartin, 1973) Experten enkodieren mehr Informationseinheiten pro Chunk Experten enkodieren Chunks schneller 30
17 Weiterentwicklungen Gobet & Waters (2003): Template Theory Häufig verwendete Chunks werden zu größeren und abstrakteren Templates (Schemata) zusammengefasst enthalten neben fixen Konstellationen von Spielfiguren auch variable Elemente ( Slots ) größere Flexibilität in der Anwendung Experten verfügen über größere Zahl solcher Templates Komplexe Schachkonstellationen werden durch 2-3 Templates repräsentiert (weniger & größer als Chase & Simon s Chunks) Experten können Templates sehr schnell abrufen und so Menge der sinnvollen Züge stark einschränken 31
18 Template Theory: Empirische Belege Evidenz für die Template-Theorie Besseres Gedächtnis für Schachkonstellationen von Experten ließ sich auf größere Templates zurückführen (13-15 Figuren vs. 6 bei Anfängern) (Gobet & Clarkson, 2004) Experten fixierten mit den ersten 5 Blickfixationen (ca. 1 Sek.) mehr strategisch relevante Figuren (80% vs. 64% bei Anfängern) (Charness et al., 2001) Aber: Experten planen auch tiefer (ca. 5 Züge vs. 2.3 bei Anfängern) (Charness, 1981) Unter Zeitdruck (Blitzschach) wurden Leistungsunterschiede zwischen Experten und Anfängern kleiner (van Harreveld et al., 2007) Experten machten bessere Züge, wenn sie mehr Zeit zum Nachdenken hatten (Burns, 2004) neben Template-Abruf spielen auch langsame strategische Suchprozesse bei Experten eine Rolle 33
19 McGregor and Howes (2002) 34 Experten und Anfänger beurteilten 30 Schachkonstellationen danach, welche Farbe im Vorteil ist Danach Rekognitionstest: Identische Konstellationen Identische aber um eine Position horizontal verschobene Konstellationen Veränderte Konstellationen (1 Figur um ein Feld verschoben, dass die Angriffs-/Verteidigungs-Relationen verändert wurden) Experten: besseres Gedächtnis für Angriffs-/ Verteidigungsrelationen als für exakte Positionen Für Templates sind weniger die exakten Positionen benachbarter Figuren relevant, sondern sie repräsentieren typische Angriffs- u. Verteidigungsrelationen
20 Template Theory: Bewertung Stärken Einschränkungen Empirische Evidenz zeigt, dass Spielkonstellationen relativ wenigen abstrakten Templates gespeichert wird (statt vielen relativ kleinen Chunks) Experten verfügen über mehr template-basiertes Wissen über Schachkonstellationen Erklärt die Prozesse, die sog. routine expertise zugrundeliegen Templates repräsentieren strategisch relevante Angriffs- / Verteidigungsrelationen (statt der exakten räumlichen Spielanordnung) Langsame Suchprozesse spielen größere Rolle als die Theorie postuliert Experten planen tiefer voraus (Charness, 1981) Expertise fällt weniger ins Gewicht unter hohem Zeitdruck (van Harreveld et al., 2007) sog. adaptive expertise 35
21 Beispieldomäne II: Medizinische Expertise Medizinische Diagnosen beinhalten häufig komplexe Entscheidungsprobleme Hohe Relevanz: Zahl vermeidbarer Todesfälle pro Jahr als Folge medizinischer Fehler in den USA wird auf mehrere zehntausend Fälle geschätzt Was unterscheidet Diagnosen von Experten von denen von weniger erfahrenen Ärzten? 37
22 Medizinische Expertise Krupinski et al. (2006) registrierten Blickbewegungen von Medizinstudenten, niedergelassenen Ärzten und spezialisierten Pathologen beim Betrachten von Brustbiopsien Betrachtungszeiten: Experten: 4.5 Sek. Ärzte: 7.1 Sek. Studenten: 11.9 Sek. Experten extrahierten mehr Information aus der 1. Fixation Experten verließen sich mehr auf globalen Eindruck, Novizen mehr auf fokale & sequentielle Suche 38
23 Medizinische Expertise Kundel et a. (2007) zeigten erfahrenen Ärzten Mammografien mit / ohne Brustkrebs Mittlere Betrachtungszeit für positive Fälle: 27 Sek. Zeit bis der Krebs fixiert wurde (Median): 1.13 Sekunden Korrelation zwischen Zeit der ersten Fixation auf den Krebs und korrekter Diagnose: -.90 Spricht für globale (holistische) Verarbeitung Aber: Experten validieren globalen ersten Eindruck mittels analytischer / sequentieller Verarbeitung! 39
24 Weitere Evidenz: Kulatunga- Moruzi et al. (2004): Drei Gruppen sollten Hauterkrankungen diagnostizieren Experten: erfahrene Dermatologen (grüne Balken) Erfahrene Hausärzte (violette Balken) Weniger erfahrene Hausärzte (orangene Balken) Drei Bedingungen: (1) Verbale Beschreibung; (2) Verbale Beschreibung + Foto; (3) nur Foto Anfänger waren besser mit verbaler Beschreibung Experten waren besser ohne verbale Beschreibung Hinweis auf holistischanaloge Verarbeitung 40
25 Engle (2008): Implizite vs. explizite Prozesse Explizites/analytisches Denken / Fokale Suche Implizite/Nicht- Analytische/holistische Prozesse Langsam Schnell Intentional Automatisch Bewusst Teilweise unbewusst Regelbasiert Global / Schemabasiert Typisch für Novizen Typisch für Experten (insb. bei visuellen Problemen; z.b. Radiologie) Aber: Experten nutzen zusätzlich analytische Strategien zur Validierung! 41
26 Schach- vs. medizinische Expertise: Ähnlichkeiten Großer und gut zugreifbarer Vorrat relevanten Wissens im LZG Effizientere Nutzung automatischer/ holistischer Prozesse Jahre intensiven Trainings Generelle Expertise Flexible Nutzung analytischer / strategischer Prozesse 44
27 Beispiel 3: Expertise in der Physik Ein Auto, das sich mit einer Geschwindigkeit von 25 Metern pro Sekunde bewegt, wird durch gleichmäßiges Bremsen innerhalb von 20 Sekunden zum Stillstand gebracht. Welchen Weg legte es noch zurück, nachdem die Bremse zum ersten Mal betätigt wurde? Anfänger benötigen etwa viermal solange wie ein Physiklehrer, um das Problem zu lösen (Larkin, McDermott, Simon, & Simon, 1980). Warum? 47
28 Expertise in der Physik Problemlösung erfordert: Analyse des Problem Aufbau einer kognitiven Repräsentation, die zum Abruf relevanter physikalischer Prinzipien führt Anwendung der Prinzipien auf das konkrete Problem Unterschiede zwischen Experten und Novizen: Das Wissen von Experten über physikalische Prinzipien ist in größeren funktionalen Einheiten organisiert (Larkin) Experten achten auf die Tiefenstruktur der Aufgabe, Novizen auf die Oberflächenstruktur (Chi, Feltovich, & Glaser, 1981). 48
29 Wissen von Experten über physikalische Prinzipien ist in größere funktionale Einheiten organisiert Bei der Lösung der Aufgabe greifen Novizen auf kleine funktionale Einheiten wie einzelne Gleichungen zurück: Weg = Durchschnittsgeschwindigkeit * Zeit Durchschnittsgeschwindigkeit = (Anfangsgeschwindigkeit + Endgeschwindigkeit)/2. Experten rufen größere Einheiten (komplexere Gleichungen) ab: Weg = [(Anfangsgeschwindigkeit + Endgeschwindigkeit)/2] * Zeit. 50
30 Experten achten auf die Tiefenstruktur der Aufgabe, Novizen auf die Oberflächenstruktur Chi, Feltovich & Glaser (1981) Novizen und Experten sollten 24 Physik-Probleme aus Lehrbuch in ähnliche und unähnliche Probleme kategorisieren Lautes Denken während des Klassifizierens Novizen klassifizierten Probleme nach Oberflächenmerkmalen Art der Objekte, benannte physikalische Größen, äußere Darstellung des Problems Experten klassifizierten Probleme nach tiefenstrukturellen Merkmalen Anwendbarkeit der gleichen physikalischen Prinzipien (z.b. Energieerhaltungssatz) 51
31 Novizen Experten 52 Klassifikation anhand von Oberflächenähnlichkeiten Diese Aufgaben haben mit Klötzen auf einer schiefen Ebene zu tun Schiefe-Ebene-Aufgaben Klötze auf schiefen Ebenen mit Winkeln Klassifikation anhand von gemeinsamen zugrunde liegenden physikalischen Prinzipien Energieerhaltung Der Zusammenhang von Arbeit und Energie. Das kann man mit Energiebetrachtungen behandeln. Man muss entweder den Energieerhaltungssatz kennen oder irgendwie geht Arbeit verloren
32 Expertiseforschung: Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse Experten finden schneller eine Lösung und machen weniger Fehler als Anfänger sind primär innerhalb ihrer Domäne besser als weniger erfahrene Problemlöser verfügen über besser organisiertes und umfangreicheres LZG-Wissen (z.b. Chunks / Templates; große Zahl relevanter Exemplare z.b. bei medizinischen Diagnoen) (aber keine deutlich bessere Basiskapazitäten wie z.b. KZG-Kapazität) enkodieren Probleme effizienter als Novizen: größere sinnvolle Muster (Templates) und entscheidungsrelevante Aspekte (z.b. Angriffs- vs. Verteidigungskonstellationen beim Schach) erinnern Information aus ihrer Domäne besser (aufgrund breiteren und besser organisierten Wissens) repräsentieren Probleme auf einer tiefenstrukturellen Ebene und rufen komplexere Regeln ab nehmen sich mehr Zeit, um die Struktur eines Problem zu analysieren zeigen mehr Selbstregulation, Selbstreflexion und Selbstüberwachung (selfmonitoring) sind zu Experten geworden durch extensive Übung 61 Chi, M., Glaser, R. & Farr, M.J. (Eds.) (1988). The nature of expertise. Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum.
33 62 Wie wird man ExpertIn?
34 Wie wird man Expertin? Üben, üben, üben! Schätzung von Chase & Simon (1973): Übungsstunden = ca. 10 Jahre z.b. benötigen Schachspieler 9-10 Jahre Training bis zum Grossmeister (ähnlich für sensomotorische Fertigkeiten: Sport, Musikinstrument) Charness (1992) experts are made, not born 63
35 Wie wird man Expertin? Intentionales Üben: Aktivitäten, die mit dem Ziel ausgeführt werden, Fertigkeiten zu erwerben und zu verbessern Ist anstrengend und nicht immer intrinsisch befriedigend Motivation und Volition (Selbstkontrolle) spielen große Rolle! 64
36 Empirische Studie zum Übungsverhalten von Konzertmusikern Violinisten auf Expertenniveau Drei Gruppen alle Musikstudenten der Musikhochschule Berlin Spitzengruppe: hohes Potential für Karriere als internationaler Solist (N=14) Gute Violinisten aus gleicher Stichprobe (N=10) Musiklehrer aus einer anderer Klasse der Musikhochschule Allgemeine Daten Alle Gruppen begannen mit durchschnittlich 8 Jahren, Violine zu üben / Unterricht zu erhalten Entscheidung, Musiker zu werden mit 14.9 Mittlere Anzahl von Instrumenten vor der Violine: 1.8 Alter zu Beginn der Studie: 23 J. 68 Ericsson, K. A., R. T. Krampe, et al. (1993). The role of deliberate practice in the acquisition of expert performance. Psychological Review, 100,
37 Empirische Studie zum Übungsverhalten von Konzertmusikern: Indikatoren für Expertise-Grad Zahl erfolgreich absolvierter Violine-Wettkämpfe Beste 2.9 Gute 0.6 Musiklehrer 0.2 Umfang der Musikstücke, die sie angaben, aus dem Gedächtnis spielen zu können: Beste min Gute 79.1 min Musiklehrer min 69
38 Empirische Studie zum Übungsverhalten von Konzertmusikern: Übungszeit Methode: Interviews, Fragebögen und Tagebuch-Studie Tagebuch: Über Gruppen hinweg durchschnittl Std./ Woche Aktivitäten, die mit Musik zu tun haben Keine signi. Gruppenunterschiede Allein verbrachte Übungszeit mit der Violine Wurde als wichtigster Faktor für Leistungsverbesserung eingeschätzt Die beiden besten Gruppen: 24.3 Std./Woche Musiklehrer: 9.3 Std./Woche 70
39 71 Empirische Studie zum Übungsverhalten von Konzertmusikern: Übungszeit
40 Schlussfolgerungen Individuelle Unterschiede im Expertise-Grad sind Funktion von: Anzahl der Jahre intentionales Übens Anzahl der Übungsstunden pro Woche Ericsson: ermittelte bei Sportlern, Schachspielern, Musikern durchschnittliches Alter, in dem sie mit dem Üben begonnen hatten international herausragende Experten beginnen früher und üben viel! Std./ Woche für 11jährige Schwimmer 20 Std. / Woche für 13jährige Tennisspieler 73
41 Drei Phasen des Fertigkeitserwerbs (Anderson, 1983; Fitts & Posner, 1967) Kognitive Phase Assoziative Phase Autonome Phase 75
42 Drei Phasen des Fertigkeitserwerbs: I. Kognitive Phase Problemlösung durch Abruf von deklarativem (verbalisierbarem) Faktenwissen aus dem LZG Anwendung des Wissens mittels allgemeiner (domänenunspezifischer) Operatoren Häufige Verbalisiererung (inneres Sprechen; Selbstinstruktionen; sprachliche Regeln) Beispiel: Erste praktische Stunde in der Fahrschule Anwendung des Wissens ist Langsam Sequentiell Störanfällig Hohe Belastung des Arbeitsgedächtnisses Kontrollierte Verarbeitung 76
43 Drei Phasen des Fertigkeitserwerbs: II. Assoziative Phase Fehler werden nach und nach ausgemerzt Einzelne Lösungsschritte werden zunehmend miteinander assoziiert Bildung von Prozeduren, die als Einheit abgerufen werden können: Sequenz von Operationen beim Auto-Anfahren Sequenz von vorausgeplanten Zügen beim Schachspielen Sequenz von Fingerbewegungen beim Klavierspielen Abruf von deklarativem Wissen wird ersetzt durch prozedurales Wissen = spezifische Prozeduren in Form von Bedingungs-Aktions-Regeln: Wenn das Ziel = Anfahren Dann (Kupplung treten Schaltknüppel nach vorne links drücken Kupplung kommen lassen Gas geben) 77
44 Drei Phasen des Fertigkeitserwerbs: III. Autonome Phase Anwendung der Prozeduren wird zunehmend automatisierter schneller genauer benötigt weniger Aufmerksamkeit /Arbeitsgedächtniskapazität unbewusst / schwer verbalisierbar Tuning (Feinabstimmung) zunehmend feinere Anpassung von Prozeduren an sehr spezifische Auslösebedingungen (z.b. 4- vs. 5-Ganggetriebe) 79
45 Welche Mechanismen liegen Übungseffekten zugrunde? Speicherung von Episoden (Haider & Kluwe, 1994; Logan, 1988): Jede Problemlöseepisode wird zusammen mit Lösungsschritten im LZG gespeichert Je häufiger die gleichen / ähnliche Probleme gelöst werden, umso eher kann Lösung direkt aus dem Gedächtnis abgerufen werden Prozeduralisierung (Anderson, 1982): Anfangs werden Probleme aufgrund von deklarativem Faktenwissen und allgemeinen Heuristiken bewältigt Wird dasselbe Faktenwissen wiederholt bei Problemlösung abgerufen, wird eine Prozedur generiert, durch die das Ziel direkt erreicht wird Komposition von Prozeduren (Newell, 1990): Werden dieselben Problemlöseoperatoren häufig nacheinander angewendet, werden sie zu einer neuen Prozedur zusammengefasst Probleme, die zunächst in mehreren Schritten gelöst wurden, können in einem einzigen Schritt gelöst werden. 80
46 Der Prozess der Fertigkeitserwerbs: Potenzgesetz der Übung (Fitts & Posner, 1967; Logan, 1988) Lernzuwachs nimmt mit fortschreitender Übung ab T = T min + a P -b T = Ausführungsdauer T min = Asymptote P = Anzahl Übungsdurchgänge a, b = empirische Konstanten Gilt für viele Domänen (z.b. Zigarren drehen; mathematische Beweise führen; spiegelverkehrten Text lesen) 81
47 Neuronale Korrelate von Übung und Automatisierung Aktivierung in kortikalen Hirnregionen, die an kognitiven Kontrollprozessen ( exekutiven Funktionen) beteiligt sind, nimmt mit Übung ab Bei hoch automatisierten Aufgaben übernehmen teilweise subkortikale Regionen (Basalganglien, Cerebellum) die Steuerung 82 Schneider, W. & Chein, J.M. (2003). Controlled and automatic processing: behavior, theory, and biological mechanisms. Cognitive Science, 27,
48 Strukturelle Hirnveränderungen bei Experten Londoner Taxifahrer hatten größeren rechten posterioren Hippocampus als Kontrollprobanden Post. Hippokampusvolumen korrelierte mit Zeit als Taxifahrer Post. Hippocampus spielt wichtige Rolle bei Raumkognition / Raumnavigation 83 Maguire et al. (2000). Proc Natl Acad Sci USA, 97,
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