Motivieren Bewusstsein schaffen Verhalten ändern
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- Eugen Eberhardt
- vor 7 Jahren
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1 Motivieren Bewusstsein schaffen Verhalten ändern Gesundheitskonferenz Rostock, Warnemünde, Markus Stuppe, Carl-Friedrich Flemming-Klinik
2 Klientenzentriertes, direktives Beratungskonzept yziel: Klärung und wenn möglich Lösung ambivalenter Einstellungen gegenüber Verhaltensänderungen ybasis: Vier Grundprinzipien yschwerpunkt auf der Integration von Widerstand ystrategien zur Förderung der Veränderungsmotivation ystrategien zur Stärkung der Selbstverpflichtung 1
3 Wesentliche Ziele Förderung der der Änderungsmotivation Festigung von von Zielen, Weg Weg und und konkretem Veränderungsplan M I - S P I R I T Empathie offene Fragen Aktives Zuhören Prinzipien der Intervention Entwicklung von Diskrepanzen Förderung change talk Methoden Geschmeidiger Umgang mit Widerstand Umgang mit Widerstand Förderung confidence talk Stärkung der Änderungszuversicht Würdigung Zusammenfassungen M I - S Körkel & Veltrup 2003 P I R I T 2
4 Zwei wesentliche Merkmale (1) Beratungskonzept keine Ursachen- oder Krankheitstheorie keine Therapieform, eher Vorbereiter für spezifische Verfahren (2) Grundhaltung ( spirit ) bestimmt den Charakter Verzicht auf aggressiv-getönte Konfrontationen Interesse an inneren Motiven und Wertvorstellungen der KlientInnen 3
5 Haben Sie die Absicht, an dem problematischen Verhalten etwas zu verändern? Aufrechterhaltung Bin schon seit mehr als einem halben Jahr dabei. Absichtslosigkeit Nein, habe ich nicht vor. Handlung Bin schon seit einigen Wochen dabei. Vorbereitung Ja, ich habe mich entschieden. Absichtsbildung Nein, aber ich denke darüber nach. 4
6 motivieren = klären 5
7 Motivation: Definition yder Motivationsbegriff ist eine Abstraktionsleistung, eine gedankliche Konstruktion, eine Hilfsgröße, mit der von verschiedenen Prozessen des Lebensvollzugs jeweils diejenigen Komponenten heraus gegriffen werden, die mit der ausdauernden Zielausrichtung unseres Verhaltens zu tun haben. (Heckhausen 1989) yder Motivationsbegriff fasst Phänomene zusammen, denen die Komponente der aktivierenden Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zustand gemeinsam ist. (Rheinberg 2004) 6
8 Motivation: Druck oder Zug? DRUCK ytriebe oder Instinkte sind für die Ausführung von Aktivitäten verantwortlich. Dieses Konzept basiert auf der Annahme einer angeborenen oder gelernten engen Koppelung von Trieb und Befriedigungshandlung ypasst am ehesten auf körpernahe Bedürfnisse yinnerorganismisches Motivationssystem (Fast perfekt) > Mangelzustand drängt nach Befriedigung 7
9 Motivation: Druck oder Zug? ZUG yerwartetes zieht und richtet aus. ydie Zuordnung von Ziel und Aktivität ist nicht starr, sondern von Zweckmäßigkeitseinschätzungen geleitet ygegenstand der sog. Motivationspsychologie yerklärung des Verhaltens kommt allerdings nicht ohne konkrete Annahmen zur Person des Handelnden aus, zum... >... Zustand des Organismus (Hunger, Durst, Erschöpfung, Entzug...) >... und zu seinen Motiven = zeitüberdauernden Vorlieben für bestimmte Klassen von Zuständen (Leistung, Macht u.a.) 8
10 Motivation: intrinsisch oder extrinsisch? intrinsisch ymotivation erwächst aus der Tätigkeit selbst. (z.b. Klavier spielen) extrinsisch ymotivation erwächst aus dem Effekt der Tätigkeit. (z.b. Therapie für den Führerschein) nicht verwechseln mit Eigen- und Fremdmotivation! 9
11 Motivation: Eigen und Fremd gute oder schlechte Motivation? Wenn ich allein aus meiner Erfahrung mit dem Konsum von... etwas verändern will.... Wenn ich auf Druck von anderen Menschen etwas an dem Konsum von... verändern will. Eigen Fremd Frau, heroinabhängig, 34 Jahre: Eigentlich will ich diesen ganzen Dreck nicht mehr, aber ich habe Angst, aufzuhören. Da ist es ganz gut, dass ich jetzt muss. Aber ich brauche was zum Schlafen. Mann, alkoholabhängig, 42 Jahre: Klar habe ich im letzten Jahr oft zuviel getrunken, aber dass die mir den Führerschein weggenommen haben, fand ich echt übertrieben... Na ja, so kann ich jetzt mal ausprobieren, ganz ohne auszukommen, könnte meiner Gesundheit ja auch ganz gut tun. Mann, 22 Jahre, cannabisabhängig: Ich kiffe schon seit 8 Jahren regelmäßig, ich weiß gar nicht, wie das ohne gehen soll. Aber eigentlich muss ich was verändern. Ich kriege ja gar nichts mehr geregelt. Insofern ist es gut, dass ich jetzt gewissermaßen gezwungen bin. Eigenmotivation und Fremdmotivation oftmals gemischt! 10
12 Motivation: Eigen und Fremd gute oder schlechte Motivation? Wenn ich allein aus meiner Erfahrung mit dem Konsum von... etwas verändern will.... Wenn ich auf Druck von anderen Menschen etwas an dem Konsum von... verändern will. Eigen Fremd Mann, 24 Jahre, heroinabhängig: Weil meine Familie mir wichtig ist, werde ich alles daran tun, mit dem Konsum von Heroin aufhören. Mann, 42 Jahre, alkoholabhängig: An sich trinke ich gerne. Aber weil ich meinen Führerschein wieder haben und wieder arbeiten will, werde ich in Therapie gehen. Frau, 23 Jahre, cannabisabhängig: Ich hätte gerne weiter gekifft. Aber dann haben die mir bei meiner Ausbildung damit gedroht, dass ich rausfliege, und jetzt will ich was tun. Mann, 34 Jahre, heroinabhängig: Ich will nicht mehr in Knast. Deshalb gehe ich jetzt in Therapie. Eigenmotivation oft nicht auf Suchtmittelkonsum gerichtet! 11
13 Motivation als Person-Umweltbezug Die Konflikt-Typologien nach Lewin I yannäherungskonflikt: Studentin mit zwei gleich attraktiven Studienplätzen Stp 1 (+) S Stp 2 (+) > labiles Gleichgewicht. Pendeln. Nähe erzeugt Anziehungskraft. yvermeidungskonflikt eines Kindes, das zwischen einer verhassten Aufgabe und einer Strafe steht und wegen einer Barriere nicht seitwärts aus dem Feld gehen kann A (-) K St (-) 12
14 Motivation als Person-Umweltbezug Die Konflikt-Typologien nach Lewin II yannäherungs-vermeidungskonflikt einer Person gegenüber einem ambivalenten Objekt Objekt (+-) P > Man wünscht sich etwa blitzblanke Fenster, hasst aber das Fensterputzen / Man würde gerne ein, zwei Gläschen des leckeren Rotweins trinken, muss aber später mit dem Auto nach Hause fahren und zögert Ambivalenzkonflikt nach Miller (1944) 13
15 Motivation als Person-Umweltbezug Die Konflikt-Typologien ydoppelter Annäherungs-Vermeidungskonflikt nach Miller Studentin mit zwei Studienplatzangeboten, die sowohl positive als auch negative Komponenten haben. Stp 1 (+-) S Stp 2 (+-) > Nähert man sich (räumlich, zeitlich oder gedanklich) der einen Alternative, so setzt in Zielnähe der Meidengradient (Aversion) ein: die Studentin sieht plötzlich die Nachteile dieses Studienortes viel deutlicher. Relativ dazu erscheint der andere Zielort nun attraktiver. Nähert sie sich allerdings diesem, so setzt auch hier wieder der Meidengradient ein > Pendeln! 14
16 Motivation als Person-Umweltbezug Stärke der Gradienten Meidengradient Der Ambivalenzkonflikt nach Miller Objekt Aufsuchengradient ambivalentes Objekt (+-) Entfernung 15
17 MI als Methode zur Kurzintervention bei problematischen Alkoholkonsummustern (1983) MI bei chronischen Erkrankungen, kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes, Ernährung/Diät, Hypertonie, Psychose, path. Glücksspiel, HIV ( 90er), Zahnmedizin Prinzip: Motivation zur Verhaltensänderung der Betroffenen hervorrufen und dadurch Compliance/ Therapieadhärenz stärken Miller/Rollnick,
18 Praktische Übung Mein Lieblingslehrer / Zuhören 1. Aufgabe: Denken Sie an einen Lehrer oder Lehrerin Ihrer Schulzeit zurück, der Sie begeistert hat. Überlegen Sie, was er oder sie gemacht hat, dass Sie gerne am Unterricht teilgenommen haben und was Sie an ihm / ihr mochten und besonders geschätzt haben. 2. Zweiergruppe: Erzählen Sie es Ihrem Nachbarn, der aufmerksam und interessiert zuhört. Der Nachbar darf dabei selber nichts sagen oder Sie unterbrechen. (3 Min.) 3. Auflösung kommt! 17
19 y1983 als Begriff von William R. Miller eingeführt yseitdem hunderte konzeptionelle und empirische Veröffentlichungen y1991 Buchveröffentlichung Guilford Press, New York y1999 deutsche Ausgabe, Lambertus-Verlag (Übersetzung Georg Kremer, Bernhard Schroer) y2002 zweite überarbeitete Auflage y2004 deutsche Ausgabe, Lambertus-Verlag (Übersetzung Rigo Brueck) y2009 dritte unveränderte Auflage 18
20 Miller & Rollnick definieren Motivational Interviewing (MI II) als eine gemeinschaftliche (collaborative) personenzentrierte Methode ( style, keine Technik) des Begleitens und Führens ( guiding ) zum Hervorrufen ( evocative ) und Stärken ( empower ) von Änderungsmotivation ( motivation for change ) Miller/Rollnick, MINT Forum, Sitges,
21 3 Kommunikationsstile: Following Guiding Directing Ich möchte Sie nicht verändern oder bedrängen. Ich vertraue Ihnen und Sie machen das auf Ihre Weise Ich kann Ihnen dabei helfen, dass Sie das schaffen. Ich weiß, dass Sie das hinbekommen und weiß auch, was Sie tun sollten. Miller/Rollnick,
22 Die 4 Guiding Prinzipien des MI (RULE) Resist Widerstehe dem Righting Reflex (Korrektur-, Es-richten-wollen- Reflex) Understand Verstehe die Motivation zur Verhaltensänderung (Der Klient weiß warum, wir wissen wie) Listen Zuhören mit Empathie Empower Dem Klienten helfen, dass er aktiv, optimistisch und hoffnungsvoll ist Miller/Rollnick,
23 3 zentrale Fähigkeiten der MI-Kommunikation Fragen, um die Probleme zu verstehen. Zuhören aktives Zuhören Was Sie sagen, ist wichtig für mich. Bitte erzählen Sie mehr. Informieren sicherstellen, dass die Information auch ankommt. Rollnick, Miller, Butler: Motivational Interviewing in Health Care
24 6 Arten von Change Talk (DARN CAT) Desire Wunsch (wünschen, mögen, wollen) Ability Können (können, könnte) Reasons Gründe Need Notwendigkeit (brauchen, müssen, hätte, müßte) Commitment Einverständnis (werden) (Activation Aktivität (machen)) Taking steps - Durchführung Rollnick, Miller, Butler: Motivational Interviewing in Health Care
25 Change Talk (selbstmotivierende Äußerungen) Ja, das mache ich. Das könnte ich tun. Ich wünsche mir, dass das geht. Ich werde versuchen, das umzusetzen. Ich verspreche Ihnen, dass ich das morgen angehen werde. Ich denke bereits darüber nach. Rollnick, Miller, Butler: Motivational Interviewing in Health Care
26 Flexibler Einsatz der Kommunikationsstile und -skills directing guiding following informieren fragen zuhören Rollnick, Miller, Butler: Motivational Interviewing in Health Care
27 Haben Sie die Absicht, an dem problematischen Verhalten etwas zu verändern? Aufrechterhaltung Bin schon seit mehr als einem halben Jahr dabei. Absichtslosigkeit Nein, habe ich nicht vor. Handlung Bin schon seit einigen Wochen dabei. Vorbereitung Ja, ich habe mich entschieden. Absichtsbildung Nein, aber ich denke darüber nach. 26
28 Stadien der Änderungsmotivation (vereinfacht nach Prochaska & DiClemente) Was ist jeweils zu tun im Sinne des MI? Aufrechterhaltung bestätigen Beratungsbedarf prüfen Absichtslosigkeit Informationen anbieten rückmelden respektieren Handlung begleiten, kontrollieren bestätigen aktiv helfen Vorbereitung Plan festlegen Absichtsbildung Aktiv zuhören! Vorteile/Nachteile abwägen Ziele imaginieren 27
29 Änderungsbereitschaft bei Alkoholabhängigkeit Handlung 16 % Absichtslosigkeit Absichtsbildung 58 % 26 % TACOS Studie, Rumpf, Meyer, Hapke, & John (1999). General Hospital Psychiatry, 21;
30 TTM Verteilung bei gesundheitsförderlichen Verhaltensweisen Sportliche Aktivität nach Feststellung kardiovaskulärer Risikofaktoren Arztpraxen, n = 451 nach Gesundheits-Check-up, 59% m, 69 % berufstätig Schmid et al % 25 % 6 % 3 % 12 % Absichtslosigkeit Absichtsbildung Vorbereitung Handlung Aufrechterhaltung 29
31 TTM Verteilung bei gesundheitsförderlichen Verhaltensweisen Rückenfreundliches Verhalten Verwaltungsangestellte, n = 149, m/w Herda et al % 32 % 2 % 9 % 40 % Absichtslosigkeit Absichtsbildung Vorbereitung Handlung Aufrechterhaltung 30
32 Vorteil-Nachteil-Waage + Stadienmodell Handlung Vorbereitung Absichtsbildung Absichtslosigkeit Nachteile des Konsums Vorteile einer Abstinenz Vorteile des Konsums Nachteile einer Abstinenz 31
33 Respektierende Grundhaltung ywertschätzend yinteressiert yfragend yneutral yressourcenorientiert 32
34 Empathie y wesentliches Charakteristikum effektiver Beratung y verstehen, ohne zu bewerten y Sichtweisen der Klienten umfassend begreifen y ambivalente Einstellungen zulassen Strategien, die einen empathischen Beratungsstil kennzeichnen y offene Fragen stellen / Neugier und Interesse vermitteln y aktiv zuhören / zusammenfassen y bestätigen 33
35 offene Fragen versus geschlossene Fragen Wie geht es Ihnen? Was war in den letzten Tagen wichtig für Sie? Geht es Ihnen gut? Haben Sie das Fussballspiel am Mittwoch gesehen? 34
36 Wichtigkeit und Zuversicht Wichtigkeit + Zuversicht stark stabil = hoch konkret Bereitschaft zur Veränderung Motivation 35
37 Literatur Berg IK & Miller S 1996: Kurzzeittherapie bei Alkoholproblemen. Carl-Auer-Systeme-Verlag, Heidelberg. Berg IK & Reuss NH 1999: Lösungen Schritt für Schritt. Handbuch zur Behandlung von Drogenmissbrauch. Verlag Modernes Lernen, Dortmund. Keller S (Hrsg.) 1999: Motivation zur Verhaltensänderung. Lambertus-Verlag, Freiburg i. Br. Körkel J & Veltrup C 2003: Motivational Interviewing: Eine Übersicht. Suchttherapie 2003; 4: Kremer G 2002:. In: Peter K & Bader T (Hrsg.): Psychiatrie und Drogensucht. Pabst Science Publishers, Lengerich. Kremer G 2003: Motivational Interviewing als Kurzintervention bei Menschen mit Alkoholproblemen: Stand der Forschung und Praxis. Suchttherapie 2003; 4: Kruse G, Körkel J & Schmalz U 2000: Alkoholabhängigkeit erkennen und behandeln. Psychiatrie-Verlag, Bonn. Miller WR & Rollnick S 2009:. Lambertus-Verlag, Freiburg i. Br. Rollnick S, Miller WR, Butler CC 2008: Motivational Interviewing in Health Care. The Guilford Press, New York Prochaska J, Norcross J, DiClemente C 1997: Jetzt fange ich neu an. Knaur-Verlag, München. Rheinberg F 2004: Motivation. Kohlhammer-Verlag, Stuttgart. 36
38 37
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