Spurenwechsel Braucht es für eine Industrie 4.0 auch ein Management 4.0? Prof. Dr. Jean-Paul Thommen. Basel, 8. März 2016
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1 Spurenwechsel Braucht es für eine Industrie 4.0 auch ein Management 4.0? Prof. Dr. Jean-Paul Thommen Basel, 8. März 2016
2 Übersicht 1 Industrielle Revolutionen und die Auswirkungen auf das Management 12 Beyond Industrie Der Blick hinter das Geschäftsmodell 4 Neue Geschäftsmodelle bedingen einen Spurenwechsel 5 Welches Managementverständnis brauchen wir heute? 6 Zu guter Letzt: Vor dem Spiel ist nach dem Spiel! 7 2
3 Teil I Industrielle Revolutionen und die Auswirkungen auf das Management 3
4 Industrielle Revolutionen Überblick 4
5 Konsequenzen für das Management Erste Industrielle Revolution Übergang von handwerklicher zu industrieller Fertigung Substitution von Arbeitskraft durch Maschine Zweite industrielle Revolution Arbeitsteilung, Arbeitsspezialisierung Fliessbandfertigung Dritte industrielle Revolution Optimierung Kosten & Qualität Lean Management Vierte industrielle Revolution Radikale Neugestaltung der Wertschöpfungskette Digitale Vernetzung 5
6 Altes Managementproblem neue Lösungen Ausschöpfen des Produktivitätspotenzials Zunehmende Arbeitsteilung Zunehmende Arbeitsspezialisierung Folgen der Arbeitsspezialisierung Steigender Koodinationsaufwand Monotonie Mangelnde Flexibilität und Zunahme der Abhängigkeiten Mangelnde Kundenorientierung Schnittstellenprobleme Lösungen 6 Antwort 1: Prozessorganisation (Business Process Reengineering) Antwort 2: Industrie 4.0
7 Funktionales Einliniensystem 7
8 Funktionales Einliniensystem 8
9 Funktionales Einliniensystem 9
10 Teil II Beyond Industrie
11 Wir brauchen keine digitale Geschäftsstrategie wir brauchen eine Geschäftsstrategie für eine digitale Welt! 11
12 Geschäftsstrategien Die Strategien im Zeitalter der ersten bis dritten Industriellen Revolution bewegten sich innerhalb der gleichen Branche. Beispiele: Produkt-Markt-Matrix (Ansoff) Wettbewerbsstrategien (Porter) Die Geschäftsstrategien im Zeitalter von Industrie 4.0 zeichnen sich aus durch das Erfinden neuer Geschäftsmodelle das Aufbrechen traditioneller Branchen 12
13 Produkt-Markt-Matrix (Ansoff) 13
14 Wettbewerbsstrategien (Porter) 14
15 Geschäftsmodell 15
16 Branchen-Geschäfts-Matrix Jean-Paul Thommen 16
17 Teil III Der Blick hinter das Geschäftsmodell 17
18 Welche Bedeutung hat ein Geschäftsmodell? 18
19 Wie entsteht ein Geschäftsmodell? 19
20 Die Bedeutung von Hypothesen Was sind Hypothesen? Vermutungen oder Annahmen über mögliche Zusammenhänge in Bezug auf unser wirtschaftliches Handeln wie z.b.: Was macht den Erfolg unserer Produkte aus? Wie verhalten sich unsere Kunden? Was sind Marktpreise? Was motiviert unsere Mitarbeitenden? Paradoxie von Hypothesen Neue Hypothesen eröffnen neue Handlungsmöglichkeiten. Das Festlegen auf bestimmte Hypothesen schränkt unsere Handlungsmöglichkeiten ein. 20
21 Geschichte von den 17 Kamelen Ausgangslage: Drei Brüder haben von ihrem Vater 17 Kamele geerbt, die sie gemäss Testament wie folgt aufteilen sollen: ½ für den ältesten Sohn ⅓ für den mittleren Sohn für den jüngsten Sohn Wie können die 3 Brüder die 17 Kamele unter sich aufteilen? 21
22 Die Geschichte von den 17 Kamelen Lösung 17 Kamele + 1 Kamel = 18 Kamele ½ für den ältesten Sohn = 9 Kamele ⅓ für den mittleren Sohn = 6 Kamele für den jüngsten Sohn = 2 Kamele 17 Kamele + 1 Kamel 22
23 Heimtückische Hypothesen Hypothesen haben ein Verfallsdatum! Im sozialwissenschaftlichen Kontext haben wir im Gegensatz zum naturwissenschaftlichen keine festen Kausalitäten (Gesetze), sondern nur vermutete Zusammenhänge auf Zeit (Hypothesen). Grund dafür ist primär die Komplexität und Dynamik dieser Welt, das sich ändernde Verhalten von Menschen und Organisationen, die (unvermeidbaren) Nebenwirkungen jeder Handlung, die oft grösser als die Handlung selbst sind. Man spricht deshalb von Kontingenz: Es könnte auch anders sein! 23
24 Echte Entscheidungen können nicht entschieden werden! Niklas Luhmann Müssen aber entschieden werden! 24
25 Teil IV Neue Geschäftsmodelle bedingen einen Spurenwechsel 25
26 Ich denke, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt. Thomas Watson, CEO von IBM,
27 27
28 Schlüsselfragen Wie kommen wir zu neuen Hypothesen, damit wir zu neuen Geschäftsmodellen kommen? Wie erkennen wir unsere blinden Flecken? Wie können wir unsere Denkmuster verlassen? 28
29 Wie entsteht ein neues Geschäftsmodell? 29
30 Denkregeln 30 Denke das Undenkbare denke «out of the box». Arbeite am System, nicht nur im System. Eine richtige Antwort auf eine falsche Frage macht die Frage nicht richtiger. Deine größten Feinde sind oft deine besten Freunde oder gute Freunde sind schwierig. Wer der Umwelt die Schuld gibt, lernt nichts. Wer nicht an seine Grenzen geht, kann sie auch niemals überschreiten. Habe eine große Vision, auch wenn du sie nur in kleinen Schritten realisieren kannst. Der Grat zwischen einem Querdenker und einem Querulanten ist ziemlich schmal und gefährlich. Bauchgefühl und gesunder Menschenverstand in Ehren aber sie ersetzen nicht die Reflexion. Es könnte immer auch anders sein und oft ist es auch anders.
31 150 Jahre Anästhesie William Thomas Green Morton war Zahnarzt und hatte nur wenige Tage zuvor einem Patienten einen Zahn entfernt, nachdem er ihn Äther hatte einatmen lassen der Patient hatte nichts gespürt. Morton war auf einem Jahrmarkt auf die Idee gekommen, wo sich Menschen an Äther berauschten und dabei erlittene kleine Verletzungen offenbar nicht sofort bemerkten. Die ganze Operation dauerte kaum mehr als fünf Minuten. Der Patient zeigte immer noch keine Regung. Der Chirurg richtete sich auf und drehte sich zu seinem Publikum, das kaum noch zu atmen wagte. Der sonst eiskalt wirkende Chirurg hatte Mühe, seiner Emotionen Herr zu werden, als er mit bebender Stimme seinen berühmten Satz sprach: «Gentlemen, this is no humbug!» Quelle: NZZ, 5. Mai 2004, S
32 Teil V Welches Managementverständnis brauchen wir heute? 32
33 Unsicherheit ist keine angenehme Voraussetzung, Gewissheit jedoch eine absurde. Voltaire 33
34 Ausgangslage: Paradoxien des Managements Paradox 1 Eine Organisation braucht Stabilität, um seine gegenwärtigen Aufgaben effizient erfüllen zu können. Eine Organisation braucht Veränderung, um die zukünftigen Aufgaben erfüllen zu können. Paradox 2 Eine Organisation muss die Komplexität seiner Umwelt erfassen und die Vielzahl der damit verbundenen Möglichkeiten erkennen (VUCA Ansatz). Um in komplexen Situationen handeln zu können, ist eine Komplexitätsreduktion nicht nur sinnvoll, sondern geradezu notwendig. 34
35 VUCA Ansatz Volatility (Volatilität) Uncertainty (Unsicherheit) Complexity (Komplexität) Ambiguity (Ambivalenz) 35
36 Management 1. und 2. Ordnung 36
37 37 Arbeiten Sie noch oder denken Sie schon?
38 Was ist Management 2. Ordnung? Das Management 2. Ordnung gibt traditionelle (betriebswirtschaftliche) Sichtweisen auf, macht insbesondere keine eindeutigen bzw. kausalen Beziehungen zwischen Input und Output, hinterfragt die impliziten und expliziten Hypothesen seines Handelns schafft und entscheidet sich für eine Welt (Geschäftsmodell), in der Ziele erreicht werden sollen, dauernd neu. 38
39 Fragen eines Management 2. Ordnung Welche Hypothesen habe ich in Bezug auf Geschäftsprozesse Märkte, Zielgruppen, Kunden, Lieferanten, Mitarbeitende. Welche Hypothesen haben meine Mitarbeitenden, Vorgesetzte, Konkurrenten, Geschäftspartner? Welches sind meine, welches die Erwartungshaltungen meiner Mitarbeitenden, Vorgesetzten, Konkurrenten oder Geschäftspartner? 39
40 Was ist Management 1. Ordnung? Management 1. Ordnung ist... das Handeln in der vom Management 2. Ordnung geschaffenen Welt, d.h. den Strukturen, Prozessen und Spielregeln (Geschäftsmodell), eine quasi-harte Wirklichkeit, eine Als-ob-Wirklichkeit, so zu handeln, als ob die gewählte Alternative Realität ist. 40
41 Ich weiss, dass ich nichts weiss Platon muss aber dennoch handeln! 41
42 Teil VI Zu guter Letzt: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel! 42
43 Der Kreislauf von Management Leadership-Aufgaben Wirklichkeitskonstruktion, d.h. Entwickeln eines Geschäftsmodells, in dem Management 1. Ordnung möglich ist und Sinn macht. Gewinnung von Mitarbeitenden, die einen Nutzen und Sinn durch die Teilnahme und Arbeit in diesem Geschäftsmodell sehen (= Motivation). Reflexion der gewählten Hypothesen und somit des konstruierten Geschäftsmodells. 43
44 Führungskräfte Zum Handeln verdammt, zum Denken gezwungen denn gut gedacht ist halb gehandelt! 44
45 Jean-Paul Thommen Spurenwechsel Das Reflexions- und Notizbuch für ein erfolgreiches Handeln Versus Verlag, Zürich
46 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Thank you very much for your attention. Prof. Dr. Jean-Paul Thommen 46
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