Gefahren der Überdiagnose. Dr. M. Perrig, Klinik für Allgemeine Innere Medizin
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- Ralph Fromm
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1 Gefahren der Überdiagnose Dr. M. Perrig, Klinik für Allgemeine Innere Medizin
2 Fall 1 Patient, 74 jährig, art. Hypertonie lumbale Rückenschmerzen CT zur weiteren Abklärung 1.5 cm solide Raumforderung Nierenoberpol rechts Seekongress für Hausärzte
3 Zufallsbefund Renale Raumforderung A. Feinnadelbiopsie B. Nierenteilresektion C. Klinischer Verlauf D. CT Kontrolle 3 Monate Seekongress für Hausärzte
4 Zufallsbefund Renale Raumforderung Differentialdiagnosen Nierenzyste Nierenzellkarzinom Onkoztyom Angiomyolipom. 1.5 cm solide Raumforderung Nierenoberpol rechts "Ein Nierenzellkarzinom kann nicht ausgeschlossen werden" Seekongress für Hausärzte
5 Zufallsbefund Unnötige und gefährliche Zusatzuntersuchungen Überbehandlung Angst und Stress Unnötige Kosten Gefahr der Überdiagnose Seekongress für Hausärzte
6 Übersicht Definition Überdiagnose Wie kommt es zu Überdiagnosen Beispiele Gründe für Überdiagnosen Wie kann man Überdiagnosen verhindern Seekongress für Hausärzte
7 Definition Überdiagnose? Bei einem beschwerdefreien Patient wird, aufgrund einer Bildgebung, Laboranalyse oder anderen Untersuchung eine Krankheit diagnostiziert, die nie Symptome entwickeln oder zum Tod führen würde. Überdiagnose Falsche Diagnose (Fehldiagnose) Überdiagnose Falsch positives Resultat Moynihan, BMJ 2012 Seekongress für Hausärzte
8 Wie kommt es zu Überdiagnosen 1. Zufallsbefunde Entdeckung von Befunden bei Patienten, die aus einem anderen Grund untersucht wurden 2. Screeningprogramme Entdeckung von Tumoren bereits in einem sehr frühen Stadium, ohne dass diese je zu Symptomen oder zum Tod führen würden 3. Hoch sensitive diagnostische Tests Entdeckung von Befunden, die keiner Krankheit entsprechen 4. Erfindung von neuen Krankheiten Gesunde Menschen werden zu kranken und kriegen unnütze lebenslange Behandlungen Moynihan, BMJ 2012 Seekongress für Hausärzte
9 Tumorscreening Moynihan, BMJ 2012 Seekongress für Hausärzte
10 Tumorscreening Ziele eines Screenings: Früherkennung eines malignen Tumors, um die Mortalität zu reduzieren Viele Malignome haben eine heterogene Biologie Metastasen und Tod versus indolenter Verlauf Bei jedem Screening findet man indolente Tumoren, was zu einer Überbehandlung führt Esserman, JAMA 2013 Seekongress für Hausärzte
11 Was kann man dagegen tun? Bewusstsein schaffen, dass Überdiagnosen beim Screening auftreten können Anpassung des Begriffes Krebs nur für Veränderungen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit zum Tod führen ductales carcinoma in situ = indolent lesion of epithelial origin Screeninguntersuchungen nur gezielt durchführen Hochrisikobevölkerung Forschung, welche Tumoren sind biologisch aktiv und aggressiv, welche indolent Esserman, JAMA 2013 Seekongress für Hausärzte
12 Fall 2 30 jähriger Patient vor 4 Tagen Sturz mit Montainbike zunehmende BWS- Schmerzen (para-)vertebral rechts, auf Druck auslösbar Thorax-CT zum Ausschluss Rippen- und WK Fraktur Seekongress für Hausärzte
13 Fall 2 30 jähriger Patient vor 4 Tagen Sturz mit Montainbike zunehmende BWS- Schmerzen (para-)vertebral rechts, auf Druck auslösbar Thorax-CT zum Ausschluss Rippen- und WK-Fraktur subsegmentale Lungenembolie (ssle) linker Unterlappen Seekongress für Hausärzte
14 Zufallsbefund subsegmentale Lungenembolie: wie weiter? A. Antikoagulation B. Wiederholung CT C. Lungenszintigrafie D. Rücksprache mit Radiologen Seekongress für Hausärzte
15 Zunehmende Sensitivität der CT Zunahme der Diagnosen von isolierten, möglicherweise indolenten subsegmentalen Lungenembolien (ssle) CT-Technologie Anzahl ssle (%) Single-detector 4.7 Multi-detector detector detector 15.0 Patienten mit V.a. Lungenembolie und negativem CT 3-monatiges Thromboembolie Risiko: Single-detector 0.9% Multi-detector 1.0% Carrier, J Thromb Haemost 2010 Seekongress für Hausärzte
16 Entwicklung der Bildgebung Smith-Bindman, JAMA 2012 Seekongress für Hausärzte
17 Zufallsbefund subsegmentale Lungenembolie: wie weiter 1. Überprüfung des Befundes 2. Rücksprache mit Radiologen 3. Evtl. zusätzliche Untersuchung Angio-CT, Szintigrafie 4. Entscheidung betreffend Antikoagulation Seekongress für Hausärzte
18 Zufallsbefunde Retrospektive Analyse von 1192 Personen mit einem Screening-CT ( for-profit imaging center ) 86% zeigten einen auffälligen Befund 37% erhielten eine Empfehlung für weitere Abklärungen, meistens bei Befunden in der Lunge oder Niere (Nachkontrollen) Furtado, Radiology 2005 Seekongress für Hausärzte
19 Erweiterung der Definition Krankheit durch Senkung der Therapiegrenzen Prä-Hypertonie: systolisch , diastolisch BP mmhg (7 th report of the Joint National Committee 2003) Prä-Diabetes: Nüchtern Glukose mmol/l (American Diabetes Association 2003) Seekongress für Hausärzte
20 Senkung der Therapiegrenzen Therapiegrenzen (ESC 2012) Blutdruck sys 140 und/oder dias 90 (Grad l Hypertonie) Total Cholesterin > 5 mmol/l Nord-Tröndelag Health Study Teilnehmer Grad I Hypertonie und totales Cholesterin > 5mmol/l: 50% aller 24 jährigen 90% aller 49 jährigen Lebenserwartung: Männer 79 Jahre, Frauen 83 Jahre Heath, JAMA 2013 Seekongress für Hausärzte
21 Hypertonie Chioléro, Schweiz Med Forum 2013; Kaplan, Annu Rev Public Health 2007 Seekongress für Hausärzte
22 Erweiterung der Definition Krankheit Milde Symptome werden einer Krankheit zugeordnet Bsp: Hyperaktivität, Müdigkeit, Restless leg, Reizdarm Zunahme der Verschreibungen von Methylphenidat (Ritalin ) USA plus 150% CH plus 40% (BAG) Eisenpräparate (Ferrinject ) weltweit 2012 plus 40% (Galenica) Moynihan R, PLoS Medicine, 2006 Seekongress für Hausärzte
23 Ist es «LowT? Reden Sie mit Ihrem Arzt über Ihre Beschwerden und fragen sie ihn, ob Ihr Testosteron kontrolliert werden sollte! Seekongress für Hausärzte
24 Tiefes Testosteron ( Low T ) Der Testosteronspiegel sinkt mit dem Alter. Ist das normal oder ein Gesundheitsproblem? Randomisierte Studien zeigen keinen klaren Nutzen eines Testosteron Ersatzes Testosteron kann potentiell schaden: Polyzythämie, Ödeme, hepatotoxisch, Schlaf-Apnoe, Prostata-Vergrösserung >$1 Milliarde Androgel im Handel in the USA in 2012 Schwartz, JAMA Intern Med 2013 Seekongress für Hausärzte
25 Wie kann man Überdiagnosen verhindern? Fortbildung von Ärzten über Screeningprogramme Aufklärung von Patienten Forschung Methoden zum sicheren Ausschluss einer Diagnose Heterogenität von Tumoren Richtlinien für den Umgang mit Zufallsbefunden Ausschluss von Mitgliedern mit Interessenkonflikten in Gremien, die Behandlungs-, Abklärungsrichtlinien festlegen Moynihan, BMJ 2012; Chioléro, Schweiz Med Forum 2013 Seekongress für Hausärzte
26 Faktoren, die Überdiagnosen fördern Technologie Fortschritt führt zur Entdeckung von Abnormalitäten immer kleineren Ausmasses Prävalenz von Krankheiten steigt Wirtschaftliche Interessen Wachstumsmarkt Gesundheitswesen Strafrechtliche Aspekte verpasste Diagnosen werden bestraft, nicht aber Überdiagnosen Medizinische Haltung Unerschütterlicher Glaube an die medizinische Technologie Mehr ist besser Moynihan, BMJ 2012 Seekongress für Hausärzte
27 Zufallsbefund renale Raumforderung Richtlinien? Seekongress für Hausärzte
28 Zufallsbefund renale Raumforderung mögliches Procedere? I S Gill et al, N Engl J Med 2010 Seekongress für Hausärzte
29 I S Gill et al, N Engl J Med 2010 Seekongress für Hausärzte
30 Übrigens! Abklärung lumbale Rückenschmerzen Choosing wisely Keine Bildgebung bei lumbalen Rückenschmerzen innerhalb der ersten 6 Wochen, ausser es liegen red flags vor neurologische Ausfälle, V.a. Infektiöse Ursache (Fieber, Schwellung, Rötung, etc.) American Board of Internal Medicine Foundation: «Choosing wisely» ( Seekongress für Hausärzte
31 Zusammenfassung Überdiagnosen treten auf, wenn eine Krankheit diagnostiziert wird, die keine Beschwerden verursacht und verursachen wird Überdiagnosen sind eine Folge von Screening- Programmen, von immer sensitiveren Tests und Erweiterungen von Krankheitsdefinition Überdiagnosen entstehen auf dem Boden von gesellschaftlichen Eigenschaften und aus finanziellen Gründen Überdiagnosen können verhindert werden Fortbildung, Vermeidung von Interessenkonflikten Seekongress für Hausärzte
32 Besten Dank Seekongress für Hausärzte
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