D. Haupt- und Nebenpflichten des Arbeitgebers I. Vergütungspflicht als Hauptpflicht des AG
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- Imke Gudrun Schwarz
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1 D. Haupt- und Nebenpflichten des Arbeitgebers I. Vergütungspflicht als Hauptpflicht des AG 1. für geleistete Arbeit Lohnhöhe: bestimmt sich nach der vertraglichen Vereinbarung häufig unter Bezugnahme auf einen Tarifvertrag bei fehlender Festlegung: 612 II BGB Lohnuntergrenzen: nach 138 BGB: 2/3 des einschlägigen Tariflohns Branchen-Mindestlöhne nach Tarifverträgen (Bsp. Dachdecker, Gebäudereiniger, Pflegekräfte, Sicherheitsdienst) demnächst allgemeiner Mindestlohn von 8,50 /Stunde Anspruchsgrundlagen: Grundlohn: 611 I BGB ivm. Arbeitsvertrag u. Tarifvertrag Überstunden: 611 I BGB ivm. Arbeits- o. Tarifvertrag, ansonsten 612 BGB (beachte: u.u. keine Vergütungserwartung i.s.v. 612 BGB bei Diensten höherer Art; Problem: Wirksamkeit von Abgeltungsklauseln nach 307 BGB?) Gratifikationen: häufig aus Betrieblicher Übung (Bsp. Weihnachtsgeld) Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 44
2 2. ohne Arbeit (vgl. D. II.) Entgeltfortzahlung bei Krankheit (vgl. EFZG) Entgeltfortzahlung bei unverschuldeter kurzzeitiger persönlicher Verhinderung (vgl. 616 BGB, z.b. bei Ladung zu Gericht, Todesfall eines nahen Angehörigen) Urlaubsentgelt bei Urlaub (vgl. BUrlG: AN hat Anspruch auf mind. 4 Wochen bezahlten Urlaub im Jahr, d.h. bei einer 5-Tage- Woche auf 20 bezahlte Urlaubstage) Entgeltanspruch an gesetzlichen Feiertagen ( 2 EFZG) Vergütungsanspruch bei Annahmeverzug und Betriebsrisiko (vgl. 615 BGB) 3. Vergütungstypen a) Feste Vergütung (Monatsgehalt) b) Zeitlohn Arbeitsentgelt bestimmt sich nach der geleisteten Arbeitszeit Arbeitsstunden x Stundenlohn = Arbeitsentgelt c) Leistungslohn Arbeitsentgelt bestimmt sich nach dem Arbeitsergebnis Hauptfall: Akkordlohn Arbeitsmenge x Stückpreis = Arbeitsentgelt Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 45
3 d) Bewegliche Vergütungsbestandteile (Lohnzuschläge) häufig in Tarifverträgen vereinbart, z.b.: aa) Mehrarbeitsvergütung bb) Wechselschichtzuschläge cc) Erschwerniszuschläge (Gefahr/Schmutzzulagen) e) Gratifikationen (Einmalzahlungen) z.b. Weihnachts-/Urlaubsgeld, Jubiläumszahlungen f) Zusätzliche leistungsabhängige Vergütungsbestandteile werden häufig zusätzlich zum Zeitlohn gezahlt, um den AN zusätzlich zu motivieren, z.b.: aa) Prämien (Mengenprämien, Güteprämien) bb) Provisionen prozentuale Beteiligung des AN am Wert der von ihm vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte vgl. für Handlungsgehilfen und Handelsvertreter dazu die 65, 87-87c HGB Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 46
4 cc) Tantiemen vom Gewinn des Unternehmens abhängige zusätzliche Vergütung werden häufig an Führungskräfte gezahlt, um für diese zusätzliche Anreize zu setzen, das Unternehmen erfolgreicher zu machen dd) Leistungszulagen werden dem AN bei Erreichen bestimmter (persönlicher) Zielvorgaben oder der Erfüllung von Zielvereinbarungen gezahlt g) Geldwerte Sozialleistungen z.b. Betriebliche Altersversorgung, Betriebskantine/ Kindergarten, Betriebssport, arbeitsmedizinische Leistungen Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 47
5 Arbeitsentgelt - Mindestlohn 1 Mindestlohn (1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber. (2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden. (3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet. Der Vorrang nach Satz 1 gilt entsprechend für einen auf der Grundlage von 5 des Tarifvertragsgesetzes für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag im Sinne von 4 Absatz 1 Nummer 1 sowie 5 und 6 Absatz 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 48
6 Arbeitsentgelt - Mindestlohn 1 Mindestlohn seit 2015 ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn für AN festgesetzt für jeden AN 8,50 pro Stunde, und zwar als Bruttostundenlohn Der gesestzliche Anspruch auf den Mindestlohn bezieht sich nach 1 II auf eine Zeitstunde ; in Höhe des Mindestlohns vergütet werden muss eine Stunde Arbeitsleistung Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 49
7 Arbeitsentgelt - Mindestlohn 2 Fälligkeit des Mindestlohns (1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer den Mindestlohn 1. zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit, 2. spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, zu zahlen. Für den Fall, dass keine Vereinbarung über die Fälligkeit getroffen worden ist, bleibt 614 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unberührt. (2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nach 1 Absatz 1 nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen. Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 50
8 Arbeitsentgelt - Mindestlohn 2 Fälligkeit des Mindestlohns grds. gilt die jeweilige Vereinbarung, in Ermangelung einer solchen 614 BGB AG muss den Mindestlohn spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats bezahlen, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde Die Fälligkeitsregelung des Abs. 1 S. 1 gilt nach Abs. 2 nicht, wenn die AZ des AN auf einem schriftl. vereinbarten AZKonto geführt wird Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 51
9 Arbeitsentgelt - Mindestlohn 3 Unabdingbarkeit des Mindestlohns Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohnunterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen. Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 52
10 Arbeitsentgelt - Mindestlohn 3 Unabdingbarkeit des Mindestlohns der Anspruch auf den Mindestlohn darf nicht durch anderweitige Vereinbarungen abbedungen werden, er also nicht dispositiv ist Ferner sind unwirksam Vereinbarungen, welche die Geltendmachung des Anspruchs ausschließen oder beschränken Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 53
11 4. Prüfungsschema: Anspruch auf Vergütung Prüfprogramm: Wer will was von wem Woraus? Anspruch auf Vergütung gem. 611 I BGB i.v.m. Arbeitsvertrag 1. Anspruch entstanden? a. wirksamer Dienstvertrag gem. 611 BGB b. Arbeitsverhältnis nicht beendet c. Arbeitsleistung wurde erbracht, 614 BGB 2. Anspruch erloschen? Unmöglichkeit der Leistung des AN, 275 I BGB 326 I 1 BGB Ohne Arbeit kein Lohn! Ausnahmen: a. Unmöglichkeit vom AG zu vertreten ( 326 II 1 BGB), z.b. bei Annahmeverzug BGB oder Betriebsrisiko lex specialis! b. bei vorübergehender personenbedingter Unmöglichkeit, 616 BGB c. bei krankheitsbedingter Unmöglichkeit (Regelungen zur EFZG) d. bei urlaubs- und feiertagsbedingter Unmöglichkeit 3. Ergebnis Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 54
12 WIEDERHOLUNG: Pflichten Arbeitnehmer Arbeitgeber Hauptpflicht Nebenpflichten Hauptpflicht Nebenpflichten (Arbeitspflicht) (Vergütungspflicht) ZUSAMMENFASSUNG: - für arbeitsrechtliche Ansprüche gelten die zivilrechtlichen Grundsätze der Fallprüfung (insbesondere BGB-AT!) - aber: zahlreiche arbeitsrechtliche Besonderheiten müssen beachtet werden Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 55
13 Prüfungsschema: Anspruch auf Entgeltfortzahlung, 3 I 1 EFZG 1. Voraussetzungen des Anspruchs a. Anspruchsberechtigter Personenkreis, 1 II EFZG b. Erfüllung der Wartezeit, 3 III EFZG c. Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit d. Ursache der Arbeitsverhinderung e. Kein Verschulden des Arbeitnehmers 2. Umfang der Entgeltfortzahlung a. Dauer der Entgeltfortzahlung, 3 I 1 EFZG b. Mehrfache Arbeitsunfähigkeit, 3 I 2 EFZG c. Lohnausfallprinzip, 4 I, I a EFZG 3. Leistungsverweigerungsrechte a. Anzeige- und Nachweispflichten, 7 I Nr. 1 EFZG b. Pflichten bei Legalzession, 7 I Nr. 2 EFZG Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 56
14 II. Beschäftigungspflicht der AG muss den AN bei bestehendem Arbeitsvertrag auch tatsächlich beschäftigen (allgemeiner Beschäftigungsanspruch) dies folgt aus dem Arbeitsvertrag i.v.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des AN aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG Ausnahme: bei überwiegenden Interessen des AG an der Nichtbeschäftigung (Bsp.: bei ordentlicher verhaltensbedingter Kündigung eines Kassierers wegen Diebstahls) III. Nebenpflichten des Arbeitgebers 1. Vertragliche und gesetzliche Nebenpflichten bestehen z.t. auch noch nachwirkend zum Arbeitsverhältnis 2. Allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme des AG 241 Abs. 2, 242 BGB Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und berechtigten Interessen des anderen Teils Fürsorgepflicht Gegenstück zur Treuepflicht des Arbeitnehmers Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 57
15 3. Typische besondere Nebenpflichten des AG a) Schutzpflichten: für Leben/ Gesundheit: abgeleitet aus AV und gesetzlichen Vorschriften; s.a. 617 ff. BGB und Arbeitsschutzrecht eingebrachte Sachen: Obhutspflichten des AG für notwendige arbeitsdienstliche Sachen des AN Persönlichkeitsrecht: Bsp. Verschwiegenheitspflicht des AG b) Informations- und Auskunftspflichten notwendig ggf. für Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs des AN abgeleitet aus 242 BGB und Spezialgesetzen (Bsp. ArbSchG und 83 Abs. 1 BetrVG (Einsicht in Personalakte)) Aufklärungspflichten bzgl. Umständen von ausschlaggebender Bedeutung für Arbeitsplatz (Bsp. Einstellungssituation und bei besonderen Risikopotential), insbesondere wenn Aufklärung leicht möglich ist Aber: keine allgemeine Aufklärungspflicht, da Informationsbeschaffungspflicht bei jeder Partei liegt Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 58
16 c) Gleichbehandlungsansprüche, Pflicht zur Unterlassung von Diskriminierungen und Mobbing der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist gewohnheitsrechtlich geprägt, daneben AGG keine willkürliche Ungleichbehandlung, keine sachfremde Gruppenbildung, keine unbegründete Durchbrechung gruppenbezogener Regelungen Mobbing = systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von AN untereinander oder durch Vorgesetzte s.a. Belästigung i.s.d. 3 Abs. 3 AGG Handlungspflichten des AG bei Mobbing ergeben sich analog 12 AGG d) Pflicht zur Urlaubsgewährung = Festlegung des Zeitraums für Befreiung von Arbeitspflicht maßgeblich BUrlG (Abweichungen zugunsten AN ggf. in TV, siehe 13 BUrlG) Leistungsverlangen des AN notwendig Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 59
17 IV. Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen des Arbeitgebers 1. Verletzung von Vergütungspflicht Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung (Lohnzahlungsklage) Zurückbehaltungsrecht bzgl. der Arbeitsleistung ( 320 BGB) 2. Verletzung anderer Pflichten des Arbeitgebers Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung (z.b. Klage auf Beschäftigung oder auf Unterlassung von Mobbing und Diskriminierung) Zurückbehaltungsrecht bzgl. der Arbeitsleistung ( 273 BGB) Schadensersatzansprüche ( 280 Abs. 1 BGB, u.u. 823 ff. BGB) Recht des AN zur außerordentlichen Kündigung ( 626 BGB) Vorlesung Individualarbeitsrecht, Prof. Dr. Jochen Mohr Folie Nr. 60
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