Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg
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- Ernst Beyer
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1 Az. RO 3 K Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache ***** bevollmächtigt: ***** - Klägerin - gegen Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Rothenburger Str. 29, Zirndorf - Beklagte - beteiligt: Regierung der Oberpfalz als Vertreter des öffentlichen Interesses Postfach, Regensburg wegen Flüchtlingseigenschaft Irak (Untätigkeitsklage) erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg, 3. Kammer, durch den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Pfister als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 15. April 2015 folgendes U r t e i l : I. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft gemäß 3 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen. II. III. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
2 - 2 - Tatbestand: Die Klägerin begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Die nach ihren Angaben am ***** in ***** geborene Klägerin gibt an, irakische Staatsangehörige christlich-orthodoxer Religionszugehörigkeit zu sein und zuletzt im Irak in Bagdad gelebt zu haben. Sie gab am 16. Dezember 2013 bei der Regierung von Mittelfranken an, Bagdad am 3. Dezember 2013 auf dem Luftweg verlassen zu haben. Sie sei auf einem unbekannten Flughafen in Europa gelandet und von einem Schleuser mit einem Taxi nach Deutschland gefahren worden. Dieser habe sie am 4. Dezember 2013 vor der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in München abgesetzt. Sie stellte am 23. Januar 2014 einen Asylantrag. Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2014 bestellte sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin und bat um Akteneinsicht, sowie um unverzügliche Entscheidung über den Asylantrag. Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2015, eingegangen beim Verwaltungsgericht Regensburg am selben Tag, ließ die Klägerin Klage erheben. Die Klage wird insbesondere damit begründet, dass die Prozessbevollmächtigte die Beklagte unter Hinweis auf 75 VwGO um sofortige Entscheidung gebeten habe. Die Klägerin sei eine Christin aus dem Irak. Die Klägerin lässt beantragen, die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft gemäß 3 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Nach Ansicht der Beklagten liege eine vorübergehend besonders hohe Geschäftsbelastung vor, die ein zureichender Grund für eine noch nicht ergangene Entscheidung sei. Der Geschäftsstatistik des Bundesamts sei zu entnehmen, dass sich die Zugangszahlen kurzfristig exorbitant erhöht hätten. Während 2008 noch Erst- und Folgeanträge gestellt worden seien und sich deren Zahl bis zum Jahr 2012 kontinuierlich auf insgesamt gesteigert habe, sei allein im Jahr 2013 ein Anstieg auf insgesamt , im Jahr 2014 sogar eine massive weitere Steigerung auf insgesamt Erst- und Folgeanträge zu verzeichnen.
3 - 3 - Dies bedeute nochmals einen Anstieg um rund 60 % gegenüber dem Jahr Den damit verbundenen Herausforderungen im Asylbereich werde u.a. durch organisatorische Umverteilungsmaßnahmen und Priorisierungsentscheidungen Rechnung getragen. Derzeit seien alle Entscheider, Prozesssachbearbeiter sowie für den Asylbereich reaktivierte und im Asylrecht versierte Regionalkoordinatoren mit dem Abbau des weiter steigenden Antragsanfalls beschäftigt. Darüber hinaus hätten Personalgewinnungsmaßnahmen im Bundesamt oberste Priorität. Es handele sich ausweislich der vorstehend gerade im Jahr 2014 exorbitant gestiegenen Zugangszahlen dabei derzeit ersichtlich auch nicht um eine Situation der permanenten behördlichen Überlastung, sondern um eine als noch vorübergehend einzustufende, außergewöhnlich stark angestiegene Geschäftsbelastung, der mit entsprechenden organisatorischen bzw. personellen Maßnahmen begegnet werde. Eine Erhöhung der Verfahrensdauer sei vor diesem Hintergrund derzeit unvermeidlich. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Behördenunterlagen verwiesen. Entscheidungsgründe: Das Gericht kann mit Einverständnis der Prozessparteien ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, 101 Abs. 2 VwGO. 1. Die Klage auf die Verpflichtung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist zulässig. Die Klage ist als Untätigkeitsklage gemäß 42 Abs. 1 Alt. 3 VwGO statthaft. Ferner liegen die Voraussetzungen des 75 Satz 2 VwGO vor, wonach die Klage u.a. nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden kann. Die Klägerin stellte am 23. Januar 2014 einen Antrag auf Durchführung eines Asylverfahrens bei der Beklagten, über den bis heute nicht entschieden ist. Die Klageerhebung am 6. Februar 2015 erfolgte fast 13 Monate nach der Antragstellung. Vor diesem Hintergrund kann es dahingestellt bleiben, ob die Frist des 75 Satz 2 VwGO für das Asylverfahren wegen 24 Abs. 4 AsylVfG auf sechs Monate verlängert wird (vgl. hierzu VG Ansbach vom Az. AN 11 K ). Ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des Antrags gemäß 75 Satz 3 VwGO lag weder im Zeitpunkt der Klageerhebung vor noch ist er im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) gegeben. Wann von einem zureichenden Grund gemäß 75 Satz 3 VwGO auszugehen ist, beurteilt sich nach objektiven Kriterien.
4 - 4 - Während eine kurzfristige, nur vorübergehende besondere Geschäftsbelastung einen zureichenden Grund für die Nichtentscheidung darstellt, ist dies bei einer permanenten Überlastung von Behörden nicht der Fall. Denn in einer solchen Situation gehört es zur Aufgabe des zuständigen Ministeriums bzw. der Behördenleitung, für hinreichende Personalaufstockung zu sorgen oder entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen (vgl. Sodann/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Auflage, 75, Rdnr. 52 m.w.n.). Es liegt kein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des Antrags vor. Die hohe Arbeitsbelastung bzw. Überlastung des Bundesamtes aufgrund der gestiegenen Erst- und Folgeverfahren kann nicht mehr als vorübergehend angesehen werden. Laut Geschäftsstatistik des Bundesamts war spätestens ab dem Jahr 2013 eine massive Steigerung der Erst- und Folgeanträge zu verzeichnen ( im Vergleich zu im Jahr 2012), die sich im Jahr 2014 nochmals drastisch um rund 60 % auf erhöhte. Mit einer weiteren Steigerung im Jahr 2015 ist zu rechnen. In einer derartigen Situation, die schon über Jahre besteht und deren Ende nicht absehbar ist, kann von einer nur vorübergehenden Überbelastung keine Rede mehr sein. Es handelt sich vielmehr um eine permanente Überbelastung, die keinen zureichenden Grund für eine Nichtbescheidung von Asylanträgen i.s.v. 75 VwGO darstellt. Soweit das Bundesamt bzw. die personalausstattende Stelle organisatorische Maßnahmen ergriffen und das Personal aufgestockt hat, genügen diese Maßnahmen offenkundig nicht, um die eingehenden Asylverfahren in angemessener Zeit bearbeiten zu können. Eine Wartezeit von mehr als einem Jahr zumal ohne das Inaussichtstellen eines alsbaldigen Anhörungs- und Entscheidungstermins ist nicht mehr vertretbar. Es ist Aufgabe und Pflicht der zuständigen Stelle, das Bundesamt in dem erforderlichen Umfang mit Personal auszustatten, um entsprechende Abhilfe zu schaffen (vgl. VG Regensburg vom Az. 8 K ; VG Düsseldorf vom Az. 24 K 992/14.A). 2. Die Klage ist auch begründet, da die Klägerin als Christin aus dem Irak im gemäß 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat, 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dem Gericht ist es im vorliegenden Verfahren möglich, Spruchreife gemäß 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO herzustellen und durchzuentscheiden. Zwar kommt bei einer Untätigkeitsklage im Rahmen eines Erstantragsverfahrens in der Regel ein Durchentscheiden des Gerichts nicht in Betracht, so dass ein Antragsteller grundsätzlich nur einen Anspruch darauf geltend machen kann, dass die Beklagte in angemessener Frist über den Asylantrag entscheidet (vgl. VG Regensburg vom Az. 8 K ).
5 - 5 - Dagegen hat das Gericht bei einem Folgeantrag bei einer Änderung der Sach- oder Rechtslage die Pflicht zur Herstellung der Spruchreife. Dabei ist zu prüfen, ob eine abschließende Entscheidung zu Lasten oder zu Gunsten der Klagepartei möglich ist. Ist dies der Fall, hat das Gericht durchzuentscheiden (vgl. BVerwG vom Az. 1 C 15/3, vom Az. 9 C 28/97). Ein vergleichbare Situation liegt bei einem Erstantrag vor, bei dem der Antragsteller zu einer Personengruppe gehört, der nach einer gefestigten Entscheidungspraxis der Beklagten Flüchtlingsschutz zusteht. In einem solchen Fall kann das Gericht ohne weiteres die Spruchreife herbeiführen. Eine Rückverweisung zur Entscheidung durch die Beklagte würde das auf Beschleunigung ausgerichtete Asylverfahren unnötig verzögern. Eine solche Situation ist hier gegeben. Die Klägerin hat als Christin aus dem Irak einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des 3 Abs. 1 AsylVfG, da sie sich nach der Überzeugung des Gerichts aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Religion durch nicht-staatliche Akteure außerhalb des Irak befindet, 3 Abs. 1, 4 AsylVfG. Außerdem entspricht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an Christen aus dem Irak der Verwaltungspraxis der Beklagten, so dass die Klägerin sich insoweit auch auf den Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 des Grundgesetzes (GG) berufen kann. Gemäß 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Die Verfolgung kann gemäß 3c AsylVfG ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des 3d AsylVfG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn eine interne Schutzmöglichkeit besteht, vgl. 3e AsylVfG. Nach den HKL Leitsätzen Irak (Stand: 18. November 2014) ist bei Angehörigen der Gruppen religiöser Minderheiten von Yeziden, Christen und Mandäern grundsätzlich von einer Gruppenverfolgung durch nicht-staatliche Akteure im Irak auszugehen, sofern im
6 - 6 - Einzelfall kein interner Schutz besteht (Ziffer 1.2.2). Dies hat bei Asylanträgen dieser Personen im Regelfall die Flüchtlings- bzw. Asylanerkennung zur Folge. Ein Ausweichen in den Nordirak (gemeint sind die von der Kurdischen Regionalregierung KRG verwalteten Provinzen Sulaimaniya, Erbil und Dohuk) ist derzeit nicht zumutbar (Ziffer 4). Die Klägerin stammt aus Bagdad. Ihre christlich orthodoxe Religionszugehörigkeit hat sie zur Überzeugung des Gerichts mit einer Tauf- und Geburtsurkunde, einem Ausweis, sowie einem irakischen Staatsangehörigkeitszeugnis belegt. Die Beklagte ist dem nicht mit durchgreifenden Argumenten entgegen getreten. Eine inländische Fluchtalternative besitzt sie nach der Überzeugung des Gerichts nicht. Die Kostenentscheidung beruht auf 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf 167 Abs. 2 VwGO. Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus 30 RVG. Rechtsmittelbelehrung Rechtsmittel: Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg schriftlich zu stellen (Haidplatz 1, Regensburg oder Postfach , Regensburg). Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. Der Antragsschrift sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden. Hinweis auf Vertretungszwang: Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich alle Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder die anderen in 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO sowie in 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; Einzelheiten ergeben sich aus 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO. Dr. Pfister
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