Faktenblatt: Probiotika

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1 Faktenblatt: Probiotika Mai 2015 Verantwortlich: PD Dr. J. Hübner, Prof. K. Münstedt, Prof. O. Micke, PD Dr. R. Mücke, Prof. F.J. Prott, Prof. J. Büntzel, Prof. V. Hanf, Dr. C. Stoll Methode/Substanz Pro- und Präbiotika werden eingesetzt, um die natürliche Darmflora aufzubauen bzw. zu stabilisieren. Das natürliche Gleichgewicht zwischen verschiedenen Bakterienstämmen im Darm trägt zur normalen Darmfunktion bei. Zu den probiotischen Bakterienstämmen gehören Lactobacillus, Bifidobacterium, Eccherichia, Enterococcus, Bacillus und Streptococcus. Mögliche präventive Wirkmechanismen von Probiotika sind die Entgiftung von Karzinogenen im Darm, antioxidative Effekte, immunologische Effekte sowie Effekte auf Zellproliferation und Apoptose. Wirksamkeit in Bezug auf den Verlauf der Tumorerkrankung Eine randomisiert kontrollierte Studie bei Patienten mit oberflächlichem Harnblasen- Karzinom zeigte, dass die orale Gabe von Lactobazillen (3 g pro Tag) nach transurethraler Resektion zu einer Verlängerung des rezidivfreien Überlebens führt (43 Patienten Verumgruppe, 25 Patienten Kontrollgruppe, 50% überlebensfreies Intervall, Steigerung von 195 auf 350 Tage, p= 0,03). (Aso 1992) Die gleiche Arbeitsgruppe führte eine doppelblind-kontrollierte Studie bei 138 Patienten durch. Die Patienten wurden in 3 Gruppen (primär multiple Tumoren, Rezidiv eines einzelnen Tumors und Rezidiv von multiplen Tumoren eingeteilt). Der prophylaktische Effekt war in den Untergruppen A und B für Lactobazillen besser als 1

2 für Placebo, signifikante Unterschiede ergaben sich in der Gruppe C nicht. (Aso 1995) In einer randomisierten offenen Multicenter Studie wurden 207 Patienten mit oberflächlichem Übergangszellkarzinom der Blase im Stadium Ta/T1 Grad 1/2 (primär oder rezidivierend) nach TUR mit einer intravesikalen Instillation von Epirubicin behandelt. Die Behandlung erfolgte unmittelbar nach TUR und in den Wochen 3, 4, 6, 8, 10 und 12. Im Studienarm erhielten die Patienten zusätzlich über 1 Jahr täglich oral 3 mg eines Lactobacillus-casei-Präparates. Die rezidivfreie 3- Jahres-Überlebensrate betrug 59,9 % im Kontroll- und 74,6 % im Studienarm. Die Nebenwirkungsrate unterschied sich nicht. (Naito 2008) In einer kleinen prospektiven kontrollierten Studie erhielten Frauen mit HPV+lowgrade squamous intraepithelialen Läsionen über 6 Monate ein Probiotika Getränk. In der Probiotika-Gruppe entwickelte sich doppelt so häufig eine Normalisierung des Abstrichs (60 vs. 31%, P=0.05). In Bezug auf den HPV-Nachweis ergab sich kein signifikanter Unterschied (Verhoeven 2013). Wirksamkeit als supportive Therapie Diarrhoe Bereits 2 ältere systematische Reviews hatten die positiven Effekte der Gabe von Probiotika auf die Enteritis unter Therapie beschrieben (Ciorba 2009, Maria-Aggliki 2009). In einem systematischen Review wurden 11 Studien mit 1557 Teilnehmer zusammengefasst. Die eingesetzte Probiotikastämme umfassten Lactobacillusarten und Bifidobakterien. Die Studien sind heterogen in Qualität und Ergebnisparametern. Die Autoren schlussfolgern, dass Probiotika möglicherweise Frequenz und Schwere von Diarrhoe reduzieren können ( may reduce ) (Redman 2014). Ein weiteres systematisches Review aus dem gleichen Jahr analysierte 6 Studien und kommt zu einer ähnlich vorsichtig positiven Einschätzung in Bezug auf die durch Chemotherapie oder strahlentherapieinduzierte gastrointestinale Mucositis Touchefeu 2014). 2

3 In einer doppelblind placebokontrollierte Studie erhielten Patienten mit geplanter Beckenbestrahlung Lactobacillus (LAC-36) und Bifidobacterium longum (BB-536); 2x/d 1,3 Milliarden CFU oder 3x/d 10 Milliarden CFU Bei der Diarrhoe Grad 2-4 ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied. Allerdings zeigte sich am Tag 60 signifikant weniger Diarrhoe in der standarddosierten Gruppe als in der hochdosierten Gruppe. Bei Patienten nach Operation hatten in der Standardtherapiegruppe signifikant weniger Patienten eine schwere Diarrhoe als unter Placebo (Demers 2013). In einer kleinen randomisierten doppelblind placebokontrollierten Studie konnte bei Patienten nach kolorektalem Karzinom mit gastrointestinalen Symptomen eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität und der Symptome erreicht werden (Lee 2014) Eine neue, doppelblind-randomisierte Studie konnte eine Wirksamkeit in der Prävention der Irinotecanbedingten Diarrhoe durch Probiotika bei Patienten mit Colon-Karzinomen berichten; allerdings waren auch hier die Gruppengrößen klein (Mego 2015) Infektionen Eine kleine plazebokontrollierte Studie zeigte bei Kindern unter Chemotherapie durch die Gabe von Probiotika (Bifidobacterium breve Stamm Yakult eine Reduktion der Fieberepisoden und der Notwendigkeit von intravenösen Antibiotika (Wada 2010). In einer weiteren randomisierten plazebokontrollierten Studie erhielten Patienten mit kolorektalem Karzinom perioperativ Probiotika. Die Häufigkeit postoperativer Infektionen war signifikant geringer (Zhang 2012). Ähnliche Ergebnisse wurden kürzlich für Patienten mit Rektumkarzinomen berichtet (Sommacal 2015) Eine weitere doppelblinde Studie konnte eine Absenkung des postoperativen Endotoxinlevels bei Kolonkarzinompatienten nach großer Tumorchirurgie zeigen (Liu 2015). 3

4 Interaktionen Nicht bekannt Unerwünschte Wirkungen In einem systematischen Review wurden 11 Studien wurden 5 Einzelfälle von Bakteriämie oder Fungämie berichtet (Redman 2014). Ein Patient mit Morbus Hodgkin und Aids entwickelte nach Einnahme eines Probiotikums eine Bakteriämie und septische pulmonale Embolien mit Lactobacillus acidophilus (Ledoux 1006). Kontraindikationen Nicht bekannt. Literatur Delia P, Sansotta G, Donato V, Frosina P, Messina G, De Renzis C et al. Use of probiotics for prevention of radiation-induced diarrhea. World J Gastroenterol 2007; 13(6): Demers M, dagnault A, Desjardings J. A randomized double-blind controlled trial: Impact of probiotics on diarrhea in patients treated with pelvic radiation; Clin Nutrition 2013; doi /j.clnu Demers M, dagnault A, Desjardings J. A randomized double-blind controlled trial: Impact of probiotics on diarrhea in patients treated with pelvic radiation; Clin Nutrition 2013; doi /j.clnu Ledoux D, Labombardi VJ, Karter D. Lactobacillus acidophilus bacteraemia after use of a probiotic in a paitent with AIDS and Hodgkin s disease, Int J Std Aids, 2006 Apr, 17(4): Osterlund P, Ruotsalainen T, Korpela R, Saxelin M, Ollus A, Valta P, Kouri M, Elomaa I, Joensuu H.. Lactobacillus supplementation for diarrhoea related to chemotherapy of colorectal cancer: a randomized study, Br J Cancer 2007;97(8):

5 Lee JY, Chu SH, Jeon JY, Lee MK, Park JH, Lee DC, Lee JW,Kim NK. Effects of 12 weeks of probiotic supplementation on quality of life in colorectal cancer survivors: A double-blind, randomized, placebo-controlled trial. Dig Liver Dis Dec;46(12): Redman MG, Ward EJ, Phillips RS. The efficacy and safety of probiotics in people with cancer: a systematic review; Ann Oncol 2014;25: Timko J. Probiotics as prevention of radiation-induced diarrhoea. J Radiother Pract 2010; 9(4): Touchefeu Y, Montassier E, Nieman K, Gastinne T, Potel G, Bruley des Varannes S, Le Vacon F, de La Cochetière MF.Systematic review: the role of the gut microbiota in chemotherapy- or radiation-induced gastrointestinal mucositis - current evidence and potentialclinical applications. Aliment Pharmacol Ther Sep;40(5): Verhoeven V, Renard N, Makar A, Royen PV, Bogers JP, Lardon F, Peeters M, Baay M. Probiotics enhance the clearance of human papillomavirus-related cervicallesions: a prospective controlled pilot study. Eur J Cancer Prev Jan;22(1):46-51 Mego M et al. Prevention of irinotecan induced diarrhea by probiotics: A randomized double blind, placebo controlled pilot study. Complement Ther Med Jun;23(3): doi: /j.ctim Epub 2015 Apr 4. Sommacal HM Perioperative synbiotics decrease postoperative complications in periampullary neoplasms: a randomized, double-blind clinical trial. Nutr Cancer. 2015;67(3): doi: / Epub 2015 Mar 24. Liu Z et al. Positive regulatory effects of perioperative probiotic treatment on postoperative liver complications after colorectal liver metastases surgery: a double-center and double-blind randomized clinical trial. BMC Gastroenterol Mar 20;15:34. doi: /s z. 5

6 Die Faktenblätter sind nach Kriterien der Evidenzbasierten Medizin erstellt. Angaben beziehen sich auf klinische Daten, in ausgewählten Fällen werden präklinische Daten zur Evaluation von Risiken verwendet. Um die Informationen kurz zu präsentieren, wurde auf eine abgestufte Evidenz zurückgegriffen. Im Falle, dass systematische Reviews vorliegen, sind deren Ergebnisse dargestellt, ggf. ergänzt um Ergebnisse aktueller klinischer Studien. Bei den klinischen Studien wurden bis auf wenige Ausnahmen nur kontrollierte Studien berücksichtigt. Die Recherche erfolgte systematisch in Medline ohne Begrenzung des Publikationsjahres mit einer Einschränkung auf Publikationen in Deutsch und Englisch. 6