Methoden der Sozialen Arbeit
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1 Methoden der Sozialen Arbeit Modul 8510 Prof. Dr. Peter-Ulrich Wendt Leseprobe
2 Methoden der Sozialen Arbeit Prof. Dr. Peter-Ulrich Wendt Modul 8510
3 Impressum DAM. Deutsche Akademie für Management GmbH Margaretenstraße Berlin Tel. 030/ Fax. 030/ Lektorat: Verfasser: Dr. Bernd Knappmann, Prof. Dr. Peter-Ulrich Wendt studierte Politikwissenschaft in Mainz und München und Soziologie in Göttingen, promovierte berufsbegleitend in Erziehungswissenschaften an der Universität Göttingen, war von 1983 bis 2009 in der Kinder- und Jugendhilfe tätig, nahm kontinuierlich von 1983 bis 2009 an der Universität Göttingen sowie den Fachhochschulen Braunschweig und Hildesheim/Holzminden Lehraufträge wahr und ist seit 2009 Professor für Soziale Arbeit an der Hochschule Magdeburg. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind neben den Methoden der Sozialen Arbeit (v. a. Verfahren der Sozialen Gruppenarbeit, der Gemeinwesenarbeit und des Community Organizing) u. a. aktuelle Aspekte der Kinder- und Jugendhilfe, Jugendforschung sowie Tendenzen in der Sozialstaatsentwicklung. Er ist Landesvorsitzender des Deutschen PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverbandes Sachsen-Anhalt, Mitglied im Bundesjugendkuratorium (gem. 83 Abs. 2 SGB VIII), Vorsitzender des Fördervereins Fachinformation Sozialwesen e. V., Bonn, sowie Herausgeber des Gilde-Rundbriefes der Gilde Soziale Arbeit (GISA) und berät Träger der Sozialen Arbeit in Prozessen der Organisations- und Konzeptentwicklung. Präsenz im web: 1. Version Oktober DAM. Deutsche Akademie für Management GmbH, Berlin. Alle Rechte vorbehalten. Der gesamte Inhalt des vorliegenden Studienbriefs (Texte, Bilder, Grafiken, Design usw.) und jede Auswahl davon unterliegt dem Urheberrecht und anderen Gesetzen zum Schutze geistigen Eigentums der DAM. Deutsche Akademie für Management GmbH oder anderer Eigentümer. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Eigentümers unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Zuwiderhandlungen werden zivil- und strafrechtlich verfolgt. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Text berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz- Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sämtliche verwendete Handelsmarken oder Markenzeichen sind Eigentum der jeweiligen Rechteinhaber. Die DAM. Deutsche Akademie für Management GmbH und ihre Autoren haben höchste Sorgfalt bei der Erstellung des vorliegenden Studienbriefs angewandt. Dennoch übernehmen sie keinerlei Verantwortung oder Haftung für Richtigkeit oder Vollständigkeit, eventuelle Fehler oder Versäumnisse innerhalb des Studienbriefs. Die Inhalte und Materialien werden unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung zur Verfügung gestellt. Insbesondere erfolgt die Anwendung von im Studienbrief dargestellten Erkenntnissen auf Gefahr des Teilnehmenden. Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Studienbrief bei Personenbezeichnungen stets die männliche Form verwendet. Damit werden Frauen wie Männer gleichermaßen angesprochen. Printed in Germany. By MKM 2 Methoden der Sozialen Arbeit
4 Inhaltsverzeichnis Symbolverzeichnis 4 Abkürzungsverzeichnis 4 Einleitung 5 1 Soziale Arbeit 8 2 Kennzeichen methodischen Handelns Konzeptionelle Rahmungen Methodisches Grundmodell Charakteristika des methodischen Handelns 16 3 Handlungsformen Einzelfallarbeit Kennzeichen methodischen (Einzelfall-) Handelns Sonderfall: das Verfahren Case Management Beispielhaft: das Verfahren Fallverstehen Beispielhaft: das Verfahren Netzwerkarbeit Beratung Kennzeichen methodischen Beratungshandelns Beispielhaft: das Verfahren Soziale Beratung Beispielhaft: das Verfahren Lösungsorientierte Beratung (Soziale) Gruppenarbeit Kennzeichen Gruppen entwickelnden methodischen Handelns Beispielhaft: das Verfahren Themenzentrierte Interaktion Beispielhaft: das Verfahren Rollenspiel Gemeinwesenbezogene Handlungsformen Kennzeichen gemeinwesenorientierten methodischen Handelns Beispielhaft: das Verfahren Community Organizing Beispielhaft: das Verfahren Quartiersmanagement 56 4 Zentrale Aspekte methodischen Handelns 61 5 Abschluss 64 Antworten zu den Kontrollfragen 65 Literaturverzeichnis 67 Stichwortverzeichnis 70 Inhaltsverzeichnis 3
5 Symbolverzeichnis Beispiel Definition Kontrollfrage Merksatz Studienziele Übungsaufgabe Zusammenfassung Abkürzungsverzeichnis DBSH GWA Herv. i. O. IFSW JGG SGB II SGB III SGB VIII SGB XII SPFH TZI Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit Gemeinwesenarbeit Hervorhebung im Original International Federation of Social Workers Jugendgerichtsgesetz Sozialgesetzbuch Zweites Buch: Grundsicherung für Arbeitslose Sozialgesetzbuch Drittes Buch: Arbeitsförderung Sozialgesetzbuch Achtes Buch: Kinder- und Jugendhilfe Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch: Sozialhilfe Sozialpädagogische Familienhilfe Themenzentrierte Interaktion 4 Methoden der Sozialen Arbeit
6 Einleitung Soziale Arbeit in Deutschland so scheint es auf den ersten Blick stellt ein System sozialer Leistungen dar, das Menschen dabei unterstützen soll, im Alltag mit ihren eigenen Problemen (z. B. der Erziehung der eigenen Kinder) fertig zu werden oder einen Umgang mit anderen Menschen zu entwickeln, der den gesellschaftlichen Normen entspricht (z. B. gewaltfrei mit anderen leben zu können). Dabei wirken sich vor allem zwei gesellschaftliche Prozesse aus, die die Art und Weise nachhaltig beeinflussen, wie durch Soziale Arbeit diese Unterstützung geben werden kann, nämlich die Individualisierung und die Pluralisierung: Individualisierung: Früher stabile, aber auch beengende Lebensverhältnisse (die sich aus den Bedingungen des Lebens der Herkunftsfamilie, des Milieus oder der Klasse ergaben, in der Menschen lebten) werden durch im ständigen Wechsel befindliche ( fluide ) Verhältnisse abgelöst, in denen die Beziehungen der Menschen untereinander unsicher (die über die zurückliegenden 30 bis 40 Jahre wachsende Zahl der Ehescheidungen, Alleinelternschaft, Patchworkfamilien u. ä. sind dafür Indikatoren) und durch Nützlichkeitserwägungen (nach der Devise: Was habe ich davon, mich mit dir einzulassen?) charakterisiert werden. Die Bildungs- und Erwerbsbiografie ist durch Instabilität gekennzeichnet, ein einmal erlernter Beruf stiftet keine Sicherheit, lebenslang Beschäftigung und Einkommen zu sichern. Lebenslanges Lernen heißt, sich auf immer wieder neue Bedingungen der Berufstätigkeit einstellen zu müssen; verlangt wird, sich stets neues Wissen anzueignen, um den Anforderungen noch gerecht werden zu können. Als klassisch bezeichnete Rollenbilder (zwischen Frauen und Männern, zwischen Alten und Jungen) lösen sich (allmählich) auf und werden z. T. durch neue Formen der Lebensgestaltung (z. B. gleichgeschlechtliche oder multiethnische Lebensgemeinschaften) und Konkurrenzen abgelöst (Wendt 2016, S. 21). Pluralisierung: Es entwickeln sich immer wieder neue Muster, mit dem Leben in dieser Gesellschaft,klarzukommen, was sich in z. B. in einer immer differenzierteren Gestalt von Jugendkulturen, Musikstilen oder Formen der Körpergestaltung äußert, was einerseits als Hinweis auf den Bedarf an Unverwechselbarkeit der eigenen Person (Identität) zu verstehen und andererseits zugleich auch als Hoffnung auf Zugehörigkeit zu einigermaßen Sicherheit stiftenden Beziehungssystemen gleicher Kultur, gleichen Stils oder gleicher Gestaltung zu deuten ist. Die Gefahr, dass Menschen mit ihrem Lebensentwurf scheitern, wächst und die Zahl derer, die mit den Prozessen zwischen Individualisierung und Pluralisierung nicht (mehr) Schritt halten können, nimmt zu (Wendt 2016, S. 22 f.). Einleitung 5
7 Die Folge ist auch eine gesellschaftliche Spaltung, die sich sehr unterschiedlich zeigen kann, zum Beispiel im Reichtum einer kleinen Minderheit und der Armut und Verarmung eines allmählich größer werdenden Teils der Gesellschaft oder in der eingeschränkten gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Handicap oder in dem Umstand, dass die Jugendämter immer mehr mit Multiproblemfamilien zu tun haben, die mit der Erziehung der eigenen Kindern überfordert sind (auch dies illustriert die gesellschaftliche Spaltung, kann doch noch die ganz überwiegende Mehrheit der Eltern die Erziehung ihrer Kinder angemessen gewährleisten, ein kleiner Teil aber nicht). Soziale Arbeit reagiert auf das Erfordernis, auf die quantitativ wachsenden und qualitativ immer anspruchsvolleren Problemstellungen einzugehen, deshalb auch mit einer Veränderung ihrer Arbeitsweise. Die Trägerlandschaft hat sich Zug um Zug pluralistisch ausgeformt; heute agieren öffentliche, freie bzw. freigemeinnützige sowie private bzw. kommerzielle Träger im Bereich der Sozialen Arbeit. Auch der EU-Binnenmarkt und der mit ihm verbundene Anspruch, den freien Verkehr von Waren und auch sozialen Dienstleistungen zwischen den Mitgliedsstaaten zu gewährleisten, erhöhen die Konkurrenz unter den Anbietern sozialer Dienstleistungen. Das Feld der Sozialen Arbeit ist damit in Bewegung geraten und es wird zunehmend nach markt- bzw. sozialwirtschaftlichen Kriterien organisiert. Das zwingt dazu, kritisch zu überprüfen, ob die bisher entwickelte Arbeitsweise noch den veränderten Zielgruppen und den begrenzten Mitteln genügt. Es bleibt aber der einzelne Sozialarbeiter, der einen angemessen Weg finden muss, wie die von ihm (durch Rechtsansprüche oder Erwartungen seiner Zielgruppen erwartete) Unterstützung so wirksam geleistet werden kann, dass die Probleme, die Menschen belasten, bewältigt werden können. Seine Last, mit diesen wachsenden und anspruchsvolleren Problemstellungen umzugehen, nimmt damit in kleinen Schritten immer mehr zu, denn die der Sozialen Arbeit zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel (Geld wie Personal) folgen der wachsenden Fallzahl nicht zwingend. Vor diesem Hintergrund ist es das grundlegende Ziel dieses Lehrbriefes, Sie dabei zu unterstützen, ein Verständnis für die besonderen Bedingungen methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit zu entwickeln, das sie auf die besonderen Handlungserfordernisse des Sozialmanagements anwenden können. Sie sollen nach Lektüre und Bearbeitung des Lehrbriefes... 6 Methoden der Sozialen Arbeit
8 Studienziele: die grundlegenden Methoden der Sozialen Arbeit differenzieren und im Blick auf Anlassangemessenheit beurteilen können; in der Lage sein, die besonderen Bedingungen des planvollen Handelns zu erkennen und in Bezug auf die für die Methoden typischen Anlässe (im Einzelfall, im Kontext sozialer Gruppen und im Gemeinwesen bzw. Sozialraum) einzuschätzen; den systematischen Methodeneinsatz (z. B. im Hinblick auf [Fall-] Verstehen und Vernetzung bzw. Netzwerkarbeit) bewerten können. Literaturempfehlung Diesem Lehrbrief ist mein Lehrbuch zu den Methoden der Sozialen Arbeit hinterlegt (Wendt, P.-U.: Lehrbuch Methoden der Sozialen Arbeit, 2. Aufl., Weinheim und Basel 2016: Beltz Juventa), das zur vertiefenden Lektüre empfohlen ist. Ich werde jeweils dort, wo mir ein Hinweis zur weiteren Erläuterung sinnvoll erscheint, darauf verweisen, an welcher Stelle Sie im Lehrbuch die Argumentation weiter bearbeiten können. Einleitung 7
9 1 Soziale Arbeit Wenn Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, sollten Sie... Studienziele: um die Wurzeln der Sozialen Arbeit wissen; eine international gültige Definition der Sozialen Arbeit kennen; verschiedene Fachbegriffe definieren können. Soziale Arbeit hat sich in Deutschland aus der Fürsorge für Arme (Sozialarbeit) und der Erziehung junger Menschen (Sozialpädagogik) entwickelt und seit Mitte des 19. Jahrhunderts Schritt für Schritt institutionalisiert und professionalisiert (vgl. Müller 2009). Vergleichbare Prozesse hat es in nahezu allen industrialisierten Ländern gegeben, was auch dort zur Herausbildung von zum Teil sehr unterschiedlichen Ansätzen der Sozialen Arbeit geführt hat. Seit den 1980er-Jahren hatte dies Bemühungen zur Folge, global zu klären, was unter Sozialer Arbeit zu verstehen sei. Diese Überlegungen wurden von der International Federation of Social Workers (IFSW), einem weltweiten Zusammenschluss in der Sozialen Arbeit tätiger Organisationen, in einem mehrjährigen Diskussionsprozess gebündelt, der 2004 zu einer globalen Definition führte. Diese wurde 2014 wie folgt aktualisiert: Definition: Soziale Arbeit ist eine praxisorientierte Profession und eine wissenschaftliche Disziplin, dessen bzw. deren Ziel die Förderung des sozialen Wandels, der sozialen Entwicklung und des sozialen Zusammenhalts sowie die Stärkung und Befreiung der Menschen ist. Die Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, die Menschenrechte, gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlagen der Sozialen Arbeit. Gestützt auf Theorien zur Sozialen Arbeit, auf Sozialwissenschaften, Geisteswissenschaften und indigenem Wissen, werden bei der Sozialen Arbeit Menschen und Strukturen eingebunden, um existenzielle Herausforderungen zu bewältigen und das Wohlergehen zu verbessern (IFSW 2016, DBSH 2016). Um an diese Generaldefinition anschließend das methodische Handeln zu konkretisieren, sind zunächst einige begriffliche Klärungen erforderlich. Definition: Methodisches Handeln hat die Förderung des sozialen Wandels, der sozialen Entwicklung und des sozialen Zusammenhalts sowie die Stärkung und Befreiung der Menschen zum Ziel (vgl. DBSH 2016). 8 Methoden der Sozialen Arbeit
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