Der Einfluss von laminaren Strömungen und Sekundärströmungen im Taylor-Couette-System auf die Thrombozyten

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1 Der Einfluss von laminaren Strömungen und Sekundärströmungen im Taylor-Couette-System auf die Thrombozyten Von der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zur Erlangung des akademischen Grades einer Doktorin der Naturwissenschaften genehmigte Dissertation vorgelegt von Diplom-Biologin Sabine Körfer aus Erkelenz Berichter: Professor Dr. rer. nat. Khosrow Mottaghy Universitätsprofessor Dr. rer. nat. Hermann Wagner Tag der mündlichen Prüfung: Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar.

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3 Inhaltsverzeichnis I 1 Einleitung Einführung Zielsetzung und Aufbau der Arbeit Physiologie des Organs Blut Zelluläre Bestandteile des Blutes Leukozyten und Erythrozyten Thrombozyten Hämostase Gefäßreaktion Blutstillung: Adhäsion und Aktivierung von Thrombozyten Blutgerinnung Fibrinolyse Thrombosen und Embolien Antikoagulanzien Komplementsystem Hämorheologie Begriffe und Definitionen aus der Strömungslehre Viskosität des Blutes Newtonsche und nicht-newtonsche Flüssigkeiten Thixotropie Einfluss des Hämatokrits Einfluss der Erythrozyten auf das Fließverhalten des Blutes Erythrozytenflexibilität und -aggregation Axialmigration und Fahraeus-Lindqvist-Effekt In vivo relevante Blutströmungsverhältnisse Strömungsseparation, Rezirkulationszonen und Sekundärströmung...32

4 II 1 Einleitung 4 Hämokompatibilität von Biomaterialien Biomaterialforschung Blutkontakt und Hämokompatibilität Testverfahren Das Taylor-Couette-System Physikalische Grundlagen der Taylor-Couette-Strömung Ebene und zylindrische Couette-Strömung Zylinderkoordinaten Strömungsformen im zylindrischen Couette-System Couette-Strömung mit Taylor-Wirbeln Berechnung von Taylor-Zahl und Scherrate Material und Methoden Blutentnahme Präparation von plättchenreichem und plättchenarmem Plasma Hämatologische Parameter Differentialblutbild Plasma-Hämoglobin Enzyme Linked Immunosorbent Assay (ELISA) Grundprinzip Plättchenfaktor Durchflusszytometrie Grundprinzip Durchflusszytometrische Charakterisierung von Thrombozyten Mikroskopische Beurteilung der Zylinderoberfläche Rasterelektronenmikroskopie (REM) Autofluoreszenzmikroskopie Lactat-Dehydrogenase-Bestimmung Bestimmung des plasmatischen LDH-Gehalts...63

5 Inhaltsverzeichnis III Bestimmung der Thrombozytenadhäsion mit der LDH-Methode Proteinadsorption Proteinbestimmung und fällung SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophorese Verwendetes Taylor-Couette-System Aufbau des Taylor-Couette-Systems Zylinder Statistische Auswertung Voruntersuchungen zur Etablierung des Taylor-Couette-Systems Einfluss der Versuchsdauer Erythrozytenschädigung im Taylor-Couette-System Stimulierung der Thrombozyten mit ADP Diskussion Charakterisierung von Polystyrol als Referenzmaterial Vergleich unterschiedlicher Zylindermaterialien Thrombozytenadhäsion auf den PS-Oberflächen Proteinadsorption Diskussion Einfluss der Scherdauer auf die Aktivierung der Thrombozyten Abfall der Thrombozytenzahl und PF4-Freisetzung Aktivierung des Fibrinogenrezeptors und Expression von CD62P Bildung von Aggregaten und Mikropartikeln Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen Diskussion Einfluss von Sekundärströmungen auf die Thrombozytenaktivierung Sekundärströmungen im Blut...97

6 IV 1 Einleitung 10.2 Qualitative Beobachtung der Taylor-Wirbelbildung Vergleich von laminarer Strömung und Strömung mit Taylor-Wirbeln Thrombozytenadhäsion und PF4-Freisetzung Ergebnisse der Durchflusszytometrie Rasterelektronenmikroskopisches Verteilungsmuster Einfluss unterschiedlicher Scherraten Hämolyse Abfall der Thrombozytenzahl und PF4-Freisetzung Ergebnisse der Durchflusszytometrie Rasterelektronenmikroskopisches Verteilungsmuster Diskussion Berechnung der Taylor-Zahl in Abhängigkeit von der Scherrate und der Blutviskosität Einfluss der Sekundärströmung in Abhängigkeit von der Scherrate Variation des Hämatokrits Versuchsdurchführung Ergebnisse Abfall der Thrombozytenzahl und PF4-Freisetzung Aggregat- und Mikropartikelbildung Expression von CD62P und Aktivierung des Fibrinogenrezeptors Diskussion Berechnung der Taylor-Zahl bei Variation des Hämatokrits Einfluss des Hämatokrit auf die Thrombozytenadhäsion und -aggregation im Taylor-Couette-System Einsatz antithrombozytärer Substanzen Antithrombozytäre Substanzen GP IIb-IIIa-Antagonisten Aktivierung der Adenylatzyklase...130

7 Inhaltsverzeichnis V 12.2 Versuchsdurchführung Ergebnisse Einfluss antithrombozytärer Substanzen auf die Hämolyse Einfluss auf die Thrombozytenzahl, die PF4-Ausschüttung sowie die Bildung von Aggregaten und Mikropartikeln Einfluss auf die CD62P Expression und die Bindung von PAC Rasterelektronenmikroskopische Untersuchung Diskussion Generelle Diskussion Das Taylor-Couette-System als hämorheologisches Testsystem Kritische Betrachtung der durchflusszytometrischen Ergebnisse Scherung des Blutes im Taylor-Couette-System Einzelreaktionen der Sekundärströmung im Taylor-Couette-System Fluiddynamische Heterophase-Effekte und Grenzschichtbildung im Taylor-Couette-System Thrombozytenadhäsion im Taylor-Couette-System Kollisionsfrequenzen beim Auftreten von Taylor-Wirbeln Ausblick Zusammenfassung Literaturverzeichnis Anhang Abkürzungsverzeichnis Formelzeichen Versuchsdurchführung...177

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9 1.1 Einführung 1 1 Einleitung 1.1 Einführung Die Unterstützung bestimmter Funktionen des menschlichen Körpers durch körperfremde Materialien führt oftmals zu schwerwiegenden Komplikationen mit teilweise letalen Folgen. Dies gilt gleichermaßen für den Einsatz von Implantaten wie künstlichen Herzklappen oder Gefäßprothesen als auch für kurzfristigere Unterstützungsmaßnahmen wie beispielsweise durch die Herz-Lungen-Maschine im Verlauf einer Operation. Die Fortschritte in der Medizintechnik führen dazu, dass eine beständig wachsende Zahl von Werkstoffen, so genannte Biomaterialien, klinisch eingesetzt werden, um Körperfunktionen kurz- oder langfristig zu ersetzen. Biomaterialien sind definiert als Materialien, die in Medizinprodukten verwendet werden und die in ihrer Funktion in direktem Kontakt mit dem biologischen System vornehmlich dem Menschen stehen. Die Biomaterialien kommen dabei zumeist nicht nur in direkten Kontakt zum Gewebe sondern auch zum Blut. Der Kontakt des Blutes mit künstlichen Oberflächen führt zu einer erheblichen Aktivierung von Blutzellen und Plasmafaktoren. Die Beeinträchtigung der physiologischen Eigenschaften des Blutes beim Kontakt mit den Biomaterialien ist dabei in hohem Maße strömungsabhängig. Die beiden Forschungsdisziplinen Hämorheologie und Hämokompatibilität stellen wichtige Bereiche in der biomedizinischen Entwicklung verbesserter Biomaterialien dar (Abb. 1.1). Der Begriff Hämorheologie bezeichnet die Wissenschaft von den Fließeigenschaften des Blutes. Unter Hämokompatibilität wird die Verträglichkeit der Biomaterialien mit Blut gefasst. Abb. 1.1: Überschneidung der Forschungsschwerpunkte Hämorheologie und Hämokompatibilität. Beide Forschungsgebiete sind heutzutage nur schwer voneinander getrennt zu betrachten. Versuche, die sich mit hämorheologischen Fragestellungen befassen, finden meist in vitro statt. Als In-vitro-Systeme werden Systeme bezeichnet, die unter definierten Bedingungen den Erhalt der Funktionalität von Teilen des Organismus, beispielsweise von Blutzellen, ermöglichen. Eine In-vitro-Untersuchung bedingt, dass das Blut mit diversen Materialien angefangen von der einfachen Kanüle oder Spritze bis

10 2 1 Einleitung hin zum teilweise sehr komplexen rheologischen Untersuchungssystem in Kontakt kommt. Die Hämokompatibilität wurde in ihren Anfangstagen und auch heute noch, wie ein Blick auf die aktuelle Literatur zeigt mit Hilfe so genannter statischer Systeme, d. h. ohne den Einfluss einer Blutströmung, untersucht. Bald zeigte sich, dass dies nicht das physiologische Verhalten des Blutes wiederspiegeln kann. Blut ist ein fließendes Organ und verhält sich als solches unter Strömungsbedingungen anders als unter statischen Bedingungen. Zunehmend zeigte sich auch, dass bei Untersuchung der Hämokompatibilität komplexer Systeme wie beispielsweise der Herz-Lungen-Maschine Komplikationen nicht nur aufgrund der Material-Blut-Interaktion entstehen, sondern auch durch die Geometrie und das dadurch bedingte unphysiologische Fließverhalten des Blutes. Die vorliegende Arbeit ist im Schnittbereich zwischen Hämorheologie und Hämokompatibilität angesiedelt. Sie soll einen Beitrag zur Klärung grundlegender Mechanismen auf diesen Forschungsgebieten liefern. 1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit In dieser Arbeit werden zwei Hauptziele verfolgt: 1. die Einführung eines Taylor-Couette-Systems und 2. die umfassende Charakterisierung der Thrombozytenaktivierung in Bereichen mit wirbelbehafteter Strömung. Das neue Taylor-Couette-System soll zur Klärung hämorheologischer Fragestellungen, im Bereich der Biomaterialforschung und bei der Untersuchung des Einflusses bestimmter Medikamente (z. B. antithrombotischer Pharmaka) auf die Blutzellen eingesetzt werden. Das System erlaubt dabei erstmals den Vergleich zwischen laminarer Strömung und mit Sekundärströmung (Wirbeln) behafteter Strömung. Kapitel 2 behandelt zunächst die Physiologie des Organs Blut. In diesem Kapitel wird insbesondere auf die Aktivierungsmechanismen der Thrombozyten eingegangen. Das folgende Kapitel 3 stellt die Grundlagen zur Hämorheologie dar. Kapitel 4 ist dem Stand der Forschung zur Untersuchung der Hämokompatibilität von Biomaterialien gewidmet. In Kapitel 5 wird das Grundprinzip des Taylor-Couette-Systems erläutert. In dieser Arbeit wird eine geeignete Analytik entwickelt, mit der die Aktivierungen zellulärer und plasmatischer Bestandteile des Blutes erfasst werden. Den zentralen Untersuchungsgegenstand stellen dabei die Thrombozyten dar. Die entwickelte Analytik einschließlich der verwendeten Materialien und Methoden werden in Kapitel 6 aufgeführt. Da es sich insbesondere bei der Durchflusszytometrie um Methoden handelt, die in dieser Form in der Arbeitsgruppe noch nicht etabliert sind, wird das Kapitel entsprechend ausführlich behandelt.

11 1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit 3 Die beiden wesentlichen Ziele der Arbeit sind die Einführung und Etablierung eines neuen Taylor-Couette-Systems und die Untersuchung der Thrombozytenaktivierung unter dem Einfluss einer definierten Scherung mit Sekundärströmung, die in dem Taylor-Couette-System generiert wird. Der Ergebnisteil gliedert sich in sechs Kapitel, in denen jeweils mehr oder weniger gewichtet diese beiden Ziele verfolgt werden. Die beiden ersten Kapitel beschäftigen sich mit den Voruntersuchungen zur Etablierung des Taylor-Couette-Systems (Kapitel 7) und der Charakterisierung von Polystyrol als Referenzmaterial (Kapitel 8). Sie dienen somit vorwiegend der Einführung und Etablierung des neuen Systems. Das Kapitel 9 beinhaltet den Einfluss der Scherdauer auf die Thrombozytenaktivierung. Dieses Kapitel bildet die Schnittstelle zu den folgenden Kapiteln. Es stellt einerseits bereits eine Anwendung des Systems zur Untersuchung der Thrombozytenaktivierung dar, andererseits wird hier die Scherdauer für die folgenden Versuche evaluiert. Das zentrale Kapitel 10 beschäftigt sich mit dem Einfluss von Sekundärströmungen auf die Thrombozytenaktivierung. Die Kapitel 11 und 12 sollen der Interpretation der in Kapitel 10 dargestellten Ergebnisse dienen. Durch die Variation des Hämatokrits (Kapitel 11) und den Einsatz antithrombozytärer Substanzen (Kapitel 12) werden Hypothesen zur Thrombozytenaktivierung im Taylor-Couette-System bei laminarer und mit Taylor-Wirbeln behafteter Strömung überprüft. Die Kapitel des Ergebnisteils beinhalten jeweils eine kurze Diskussion, die sich mit den aus den Versuchen gewonnenen Erkenntnissen unter dem Gesichtspunkt der im jeweiligen Kapitel behandelten Fragestellung befasst. Die generelle Diskussion (Kapitel 13) fasst das aus den Daten gewonnene Bild hinsichtlich des Verhaltens der Thrombozyten in wirbelbehafteten Bereichen zusammen.

12 4 2 Physiologie des Organs Blut 2 Physiologie des Organs Blut Das Blut setzt sich aus vielen Bestandteilen zusammen, die in ihrer Gesamtheit die Lebensfähigkeit aller Körperzellen sichern und den Organismus vor Krankheitserregern schützen. Die wesentlichen Funktionen des Blutes lassen sich unterteilen in: - Transportfunktion (Nährstoffe und Abbauprodukte, Wirkstoffe wie Vitamine, Hormone und Enzyme, Abwehrstoffe z. B. in Form von Antikörpern, Gase z. B. Sauerstoff und Kohlendioxid, Wärme), - Milieufunktion (Homöostase: Aufrechterhaltung der Konstanz der Konzentrationen gelöster Stoffe, der Temperatur und des ph-wertes), - Abwehrfunktion (Fremdkörper und Krankheitserreger werden durch phagozytierende und antikörperbildende Blutzellen unschädlich gemacht) und - Schutz vor Blutverlust. Diese Aufgaben werden erfüllt von dem gelblichen Plasma und den darin emulgierten Blutzellen (siehe Abb. 2.1). In Abschnitt 2.1 werden die Gruppen der Blutzellen, insbesondere die Thrombozyten, vorgestellt. Abb. 2.1: Zusammensetzung des Blutes. Das Plasma enthält pro Liter g Wasser, g Plasmaprotein und 20 g niedermolekulare Substanzen (Elektrolyte, Glukose, Harnstoff). Das so genannte Plasmaprotein stellt ein Gemisch aus zahlreichen Eiweißkörpern dar, unter denen vor allem Albumin (ca. 43 g/l), die Globuline (ca. 30 g/l) und Fibrinogen (ca. 3 g/l) eine wichtige Rolle spielen (Thews und Vaupel, 1997). Die Proteine verleihen dem Plasma eine höhere Viskosität (1,9 2,6 mpa s) im Vergleich zu Wasser.

13 2.1 Zelluläre Bestandteile des Blutes 5 Geronnenes Plasma, bei dem das Fibrinogen und andere Gerinnungsfaktoren fehlen, wird als Serum bezeichnet. Im Plasma laufen wichtige Kaskaden ab, an denen die plasmatischen und zellulären Bestandteile beteiligt sind. Auf die Blutgerinnung und den entgegenstehenden Prozess der Fibrinolyse wird in Abschnitt 2.2 eingegangen. Das Komplementsystem (Abschnitt 2.3) unterstützt die Blutzellen bei der Abwehr von Krankheitserregern. Blut reagiert sowohl auf normale als auch auf pathologische Zustandsänderungen des Körpers sehr empfindlich. Im Rahmen dieser Arbeit interessieren vorwiegend Änderungen, die die Hämorheologie, d. h. die Fließeigenschaften des Blutes betreffen (Kapitel 3). Bei der Untersuchung der Reaktionsmechanismen in Vollblut darf keine der Blutkomponenten vernachlässigt werden. Andererseits ist es aber wichtig, sich auf einen bestimmten Bereich zu konzentrieren, da das Untersuchungsfeld sonst schnell unüberschaubar wird. In dieser Arbeit wird der Schwerpunkt auf die Thrombozyten und die damit eng in Verbindung stehenden Mechanismen der Gerinnung gelegt. Die vielseitigen Wechselwirkungen mit den anderen Blutkomponenten werden, soweit sie bekannt sind, an den entsprechenden Stellen diskutiert. 2.1 Zelluläre Bestandteile des Blutes Den weitaus größten Anteil an den Blutzellen (mehr als 99 %) machen die roten Blutzellen, die Erythrozyten, aus. Die weißen Blutzellen (Leukozyten) und die Blutplättchen (Thrombozyten) nehmen mit nur 0,3 bzw. 0,5 % einen weitaus geringeren Anteil ein. Alle Blutzellen entstehen im Verlauf der Hämatopoese als Nachkommen eines kleinen Reservoirs pluripotenter Stammzellen. Unter Einwirkung spezifischer Wachstumsfaktoren proliferieren und differenzieren sie zu den unterschiedlichen Zelltypen Leukozyten und Erythrozyten Die Leukozyten stellen eine inhomogene Gruppe kernhaltiger Zellen dar. Sie unterscheiden sich hinsichtlich morphologischer und funktioneller Gesichtspunkte. Die drei Leukozytengruppen werden als Granulozyten, Monozyten und Lymphozyten bezeichnet. Allesamt übernehmen sie wichtige Aufgaben bei der Abwehr von Krankheitserregern. Den größten Anteil der Leukozyten (ca. 60 %) machen die Granulozyten aus. Der Zelldurchmesser von Granulozyten liegt im Ausstrichpräparat bei 8 14 µm. Ihren Namen verdanken die Granulozyten den in ihnen enthaltenen Granula, die nach dem Anfärben im Zytoplasma sichtbar werden. Die Anfärbbarkeit der Granula unterscheidet sich bei den einzelnen Untergruppen der Granulozyten, die damit noch einmal unterteilt werden in Neutrophile, Eosinophile und Basophile. Neutrophile machen den größten Anteil der Granulozyten aus. Sie sind als phagozytierende Zellen mit vielen lysosomalen Enzymen ausgestattet und damit die wichtigsten Zellen im unspezifischen

14 6 2 Physiologie des Organs Blut Abwehrsystem. Eosinophile sind ebenfalls an Abwehrreaktionen beteiligt. Ihre Zahl im Blut ist bei allergischen Reaktionen und Parasitenbefall erhöht. Die Basophilen enthalten in ihren Granula Histamin, welches bei Freisetzung zu den allergischen Symptomen führt. Monozyten sind die größten Blutzellen (Durchmesser µm) mit einem großen, nierenförmigen Zellkern. Monozyten, die ins Gewebe wandern, wandeln sich zu Makrophagen um. Ihre wichtigsten Aufgaben sind die Phagozytose und ihre Beteiligung an spezifischen Abwehrvorgängen. Die Lymphozyten (Durchmesser 7 10 µm) sind die Funktionsträger des spezifischen Immunsystems. Sie werden nach ihrer Funktion und Vorgeschichte in die im Knochenmark (bone marrow) heranreifenden B-Zellen und die im Thymus reifenden T- Zellen unterteilt. Nach einem Antigenkontakt wird die durch die B-Zellen vermittelte spezifische humorale Abwehr ausgelöst. Die aus den B-Zellen hervorgehenden Plasmazellen produzieren dabei die spezifischen Antikörper. Die T-Zellen sind für die spezifische zelluläre Abwehr verantwortlich. Sie unterteilen sich in die T-Helferzellen, die die Reifung der B-Zellen zu Plasmazellen stimulieren, die T-Suppressorzellen, die die Aktivität von B- und T-Zellen hemmen und so überschießende Immunantworten verhindern und die zytotoxischen T-Zellen, die antigentragende Zellen zerstören. Alle Leukozyten sind amöboid beweglich. Sie können die Blutgefäßwände durchdringen und in Richtung chemotaktisch wirksamer Stoffe zu einem Infektionsoder Entzündungsort wandern. In der Blutströmung verhalten sich Leukozyten wie rigide Partikel. Die Erythrozyten bestimmen im Wesentlichen die Fließeigenschaften des Blutes. Der Anteil der Erythrozyten am Blutvolumen wird als Hämatokrit bezeichnet. Erythrozyten sind kernlose Zellen mit einem Durchmesser von ca. 7,5 µm. Sie besitzen die Form von bikonkaven runden Scheiben mit einer Randdicke von 2 µm und einer Kerndicke von 1 µm. Die Erythrozyten dienen vor allem dem Transport von Sauerstoff und Kohlendioxid. Wesentlicher Bestandteil ist dementsprechend auch der Eiweißkörper Hämoglobin. Dieser rote Blutfarbstoff gibt dem Blut seine Farbe. Die Form des Erythrozyten begünstigt durch die Vergrößerung der Oberfläche im Vergleich zur Kugelform die Hauptfunktion des Gastransportes. Wesentliches Charakteristikum ist die leichte Verformbarkeit der Erythrozytenmembran. Diese ermöglicht ihnen, in Kapillargefäße einzudringen, deren Durchmesser geringer ist als der Erythrozytendurchmesser. Die leichte Verformbarkeit hat einen weiteren fluiddynamischen Effekt: Sie führt dazu, dass die relative Blutviskosität in kleinen Gefäßen effektiv geringer ist als in Gefäßen mit einem wesentlich größeren Durchmesser als 7,5 µm (siehe Abschnitt 3.3) Thrombozyten Die Thrombozyten auch Blutplättchen genannt sind wesentlicher Gegenstand der Untersuchungen dieser Arbeit. Sie besitzen zwei Hauptaufgaben: 1. Die initiale Stillung einer Blutung durch Bildung eines Thrombozytenpfropfes und 2. Stabilisierung

15 2.1 Zelluläre Bestandteile des Blutes 7 des Pfropfes durch Katalyse der plasmatischen Gerinnung. Diese Aufgaben sind Bestandteil der Blutstillung, d. h. der primären Hämostase. Auf die stattfindenden Reaktionsmechanismen, die z. B. zur Adhäsion, Aktivierung und Aggregation der Thrombozyten führen, wird daher in Abschnitt eingegangen. Nachfolgend werden die Entwicklung und die Morphologie der Thrombozyten dargestellt. Abb. 2.2: REM-Aufnahme eines ruhenden Thrombozyten (Stadium I). Vergrößerung ; aus (Dresbach, 1997) Thrombozytenentwicklung Die Thrombozyten werden im Knochenmark gebildet. Sie entstehen aus den Knochenmarksriesenzellen (Megakaryozyten), die sich ihrerseits über mehrere Vorstufen aus den Stammzellen des Knochenmarks herleiten. Im Verlauf der Thrombozytenentstehung (Thrombozytopoese) bilden sich bei den Megakaryozyten Zellfortsätze, die sich schließlich in die Blutplättchen auflösen. Jeder Megakaryozyt produziert 4000 bis 8000 Thrombozyten. Nach der Abgabe der Thrombozyten bleiben der Zellkern und ein Zytoplasmarest übrig, die von Makrophagen beseitigt werden. Thrombozyten sind keine Zellen im klassischen Sinne, da sie keinen Zellkern besitzen. Sie beinhalten einen Rest an mrna aus den Megakaryozyten und Mitochondrien. Daher findet in ihnen nur sehr eingeschränkt die Neusynthese von Proteinen statt. Die Lebensdauer der Thrombozyten beträgt 9 bis 12 Tage. Etwa 20 % der Gesamtthrombozytenzahl werden täglich erneuert. Im retikuloendothelialen System der Leber und Milz findet der Abbau der Thrombozyten durch Makrophagen statt. (Gawaz, 1999; Bucher und Wartenberg, 1992) Morphologie Thrombozyten besitzen eine diskoide Form mit einem Durchmesser von etwa 2 bis 4 µm (siehe Abb. 2.2). Die Ultrastruktur der Thrombozyten wird in vier Bereiche unterteilt (siehe Abb. 2.3): die Zone der Organellen, die periphere Zone, die strukturelle Zone und das Membransystem (Lee, 1993). Jeder dieser Bereiche übernimmt im Verlauf der thrombozytären Aktivierung spezielle Funktionen (siehe auch Abschnitt 2.2.2).

16 8 2 Physiologie des Organs Blut Abb. 2.3: Schematische Darstellung der Ultrastruktur nicht-aktivierter Thrombozyten. Modifiziert nach (Gawaz, 1999) Periphere Zone: Bestandteil dieser Zone ist die Plasmamembran, eine Phospholipidmembran mit integralen Proteinen. Die Phospholipide in dieser Membran sind asymmetrisch verteilt. Phosphatidylcholin und -ethanolamin sind bei den nicht-aktivierten Thrombozyten nach außen gerichtet, Phosphatidylinositol und Sphingomyelin nach innen. Die integralen Proteine sind meist Rezeptoren entweder für lösliche Agonisten wie ADP oder Thrombin oder für Adhäsionsproteine wie Fibrinogen oder den von-willebrand-faktor (vwf). Auch die Glykokalix, eine dünne Schicht aus Glykoproteinen, Proteinen und Mukopolysacchariden, welche extrazellulär die Plasmamembran umgibt, gehört zur peripheren Zone. Strukturelle Zone: Diese Zone setzt sich aus dem Aktin-Myosin-Zytoskelett der Zelle und submembranös gelegenen Mikrotubuli zusammen. Diese Komponenten sind für die diskoide Form der Thrombozyten verantwortlich. Sie besitzen Verbindungen zu den Zellorganellen. Bei der Aktivierung führen sie zu einer Reorganisation der Zellorganellen. Membransystem: Diese morphologische Zone wird unterteilt in das offene kanalikuläre System (SCS, surface connected open canalicular system) und das dichte tubuläre System (DTS, dense tubular system). Das SCS besitzt mit der Plasmamembran verbundene Kanäle, die ins Thrombozyteninnere führen. Das DTS stammt vom rauen endoplasmatischen Retikulum der Megakaryozyten ab und ist einer der Hauptspeicherorte für freie Ca 2+ -Ionen. Ca 2+ spielt eine zentrale Rolle in der Thrombozytenaktivierung und in der Regulation des Thrombozytenmetabolismus. Zone der Organellen: Mitochondrien, Glykogenspeicher und drei für die Thrombozyten spezifische Speichergranula, die α-granula, die dichten Granula und die lysosomalen Granula, befinden sich in dieser im Zytoplasma gelegenen Zone. Den größten Anteil unter den Granula nehmen die α-granula ein, deren Inhaltsstoffe

17 2.2 Hämostase 9 zahlreiche Proteine sind. Bei einer Freisetzung beeinflussen diese die unterschiedlichsten biologischen Funktionen. Einige unterstützen z. B. die Gerinnung (Koagulation), andere die Thrombozytenadhäsion und aggregation, wieder andere die Prozesse der Inflammation, der Zellproliferation oder der Chemotaxis von Phagozyten. Die dichten Granula enthalten mehrere niedermolekulare Verbindungen, die bei Ausschüttung in erster Linie den Aggregationsvorgang fördern. In den lysosomalen Granula werden hydrolytische Enzyme gespeichert. Diese Granula ähneln den Lysosomen anderer Zellen. In Tab. 2.1 sind die Inhaltsstoffe der thrombozytären Granula aufgelistet. Tab. 2.1: Inhaltsstoffe der thrombozytären Speichergranula. Modifiziert nach (Schmidt et al., 2000) und (Lee, 1993) α-granula dichte Granula lysosomale Granula Enzyme (z. B. α2-makroglobulin, C1-Esterase-Inhibitor) Wachstumsfaktoren Zytokinähnliche Proteine (z. B. Interleukin 1, Plättchenfaktor 4, ß-Thromboglobulin) Koagulationsfaktoren (z. B. Plasminogen, Faktor V, VII und XI) Adhäsive Proteine (Fibrinogen, Fibronektin, von-willebrand-faktor, Thrombospondin, Glykoprotein IIb-IIIa, Vitronektin) ATP ADP Ca 2+ Serotonin Phosphat Guaninnukleotide Thromboxan A2 ß-Arabinosidase β-galaktosidase β-glucuronidase N-Acetylglucosaminidase Elastase Kollagenase Kathepsin 2.2 Hämostase Die Hämostase ist definiert als die Summe der Reaktionen von Gefäßwand, Thrombozyten und Plasma, mit deren Hilfe die Blutung aus einem unter Druck stehenden, verletzten Gefäß durch Bildung und Verankerung eines hämostatischen Pfropfes dauerhaft zum Stillstand gebracht wird (Pschyrembel et al., 1989). Bei der Hämostase greifen drei Reaktionsabläufe ineinander: 1. Gefäßreaktion (vaskuläre Vorgänge), 2. Blutstillung (thrombozytäre Reaktionen), 3. Blutgerinnung (plasmatische Mechanismen).

18 10 2 Physiologie des Organs Blut Vielfach wird die Hämostase nach ihrem zeitlichen Ablauf in die primäre und die sekundäre Hämostase unterteilt. Die primäre Hämostase umfasst die Gefäß- und Thrombozytenreaktionen, die sekundäre die plasmatische Gerinnung. Nachfolgend werden zunächst diese drei Reaktionsabläufe beschrieben. Daran schließt sich die Darstellung der Fibrinolyse an. Dieser Prozess ist physiologisch untrennbar mit der Hämostase verbunden und sorgt als Gegenspieler der Gerinnung dafür, dass eine Blockierung des gesamten Gefäßsystems verhindert wird. Darauf folgend wird auf die Problematik der Thrombose bzw. Embolie eingegangen, d. h. auf die Vorgänge, bei denen das Hämostasesystem am falschen Ort aktiviert wird. Abschließend wird ein kurzer Überblick über einige Antikoagulanzien, die sowohl im klinischen Bereich als auch bei In-vitro-Versuchen eine Rolle spielen, gegeben Gefäßreaktion Natürlicherweise wird die Hämostase durch eine Gefäßwandverletzung ausgelöst. Die Wand größerer Blutgefäße wie der Arterien und Venen ist aus drei Schichten aufgebaut (Bucher und Wartenberg, 1992): 1. Intima (Endothel und subendotheliale Basalmembran) 2. Media (glatte Muskelzellen und extrazelluläre Matrix) 3. Adventitia (Fibroblasten, extrazelluläre Matrix, kleine Blut- und Lymphgefäße) Ein dichter Monolayer aus Endothelzellen kleidet das Innere der Blutgefäße aus. Das intakte Gefäßendothel besitzt antithrombotische Eigenschaften, die gewährleisten, dass unter physiologischen Bedingungen keine Aktivierung des Gerinnungssystems und der Thrombozyten am Endothel stattfindet. Dieser Schutzmechanismus wird als Thromboresistenz des Gefäßendothels bezeichnet. Die Thromboresistenz beruht zum einen auf der Glykokalyx, dem Schutzfilm aus Glykoproteinen auf der Oberfläche der Endothelzellen. Durch die Endothelzellschicht wird das Blut vom Subendothel mit seinen thrombogenen Strukturen wie z. B. die Adhäsionsmoleküle Kollagen oder Fibronektin abgetrennt. Zum anderen werden von den Endothelzellen antithrombogene Substanzen gebildet. Insbesondere die sezernierten Stoffe Prostazyklin (PGI 2 ) und Stickstoffmonoxid (NO) sind physiologische Hemmstoffe der Thrombozytenaktivierung. Weitere Substanzen, die von den Endothelzellen synthetisiert werden und die die Thrombusbildung verhindern, sind Fibrinolyseaktivatoren. Diese führen zu einer Lyse intravasal gebildeter Fibrinablagerungen. (Gawaz, 1999) Bei einer Schädigung der Gefäßwand wird die Thromboresistenz des Endothels gestört. Thrombogene Substanzen des Subendothels werden freigelegt und die Synthese antithrombogener Substanzen unterbrochen. Die Läsion der Gefäßwand löst den Vorgang der Hämostase aus.

19 2.2 Hämostase Blutstillung: Adhäsion und Aktivierung von Thrombozyten Die Thrombozytenreaktionen, die zur Bildung des primären hämostatischen Pfropfes führen, laufen in mehreren Schritten ab. Diese Schritte sind nicht immer streng voneinander zu trennen und finden teilweise parallel statt. Die Thrombozytenreaktionen können unterteilt werden in: 1. Adhäsion, 2. Formwandel, 3. Aggregation und 4. Sekretion (Kemkes-Matthes und Oehler, 2001). Die Adhäsion ist der initiale Schritt, der nicht-aktivierte Thrombozyten einbezieht. Durch den Adhäsionsvorgang werden morphologische und funktionelle Veränderungen induziert. Diese werden als Aktivierung bezeichnet. Formwandel, Aggregation und Sekretion sind Schritte der Aktivierung. Sie werden begleitet von weiteren vielfältigen metabolischen und biochemischen Veränderungen, der Aktivierung von Oberflächenrezeptoren und der Veränderung der Orientierung der Membranphospholipide. Der Aktivierungsgrad steht in direktem Zusammenhang mit dem intrazellulären Ca 2+ -Spiegel (siehe Abb. 2.4). Nach Stimulierung der Thrombozyten wird über Signaltransduktionswege die Bildung von Signalfaktoren, so genannter second messenger, induziert. Diese sind wesentlich an der Regulation des intrazellulären Ca 2+ -Spiegels beteiligt. Der Grad der Aktivierung ist von der Stimulationsart abhängig. Abb. 2.4: Einfluss der intrazellulären Ca 2+ -Konzentration auf den Aktivierungsgrad der Thrombozyten. Dargestellt ist die intrazelluläre Ca 2+ -Konzentration nach Stimulation mit den Agonisten Thrombin, ADP und Kollagen. Modifiziert nach (Gawaz, 1999) Adhäsion Der erste Schritt der Blutstillung wird primäre Adhäsion genannt und umfasst die Adhäsion noch ruhender, d. h. noch nicht aktivierter Thrombozyten an der verletzten Gefäßwand. Auf der Oberfläche der Thrombozyten befinden sich Adhäsionsrezeptoren, die am Ort der Endothelläsion mit unterschiedlichen Liganden interagieren. Der

20 12 2 Physiologie des Organs Blut zugrundeliegende Mechanismus hängt u. a. von der jeweiligen Strömungssituation ab (Tsuji et al., 1999; Kemkes-Matthes und Oehler, 2001). Bei einer niedrigen Schubspannung erfolgt die initiale Adhäsion über die Interaktion des Fibrinogenrezeptors, Glykoprotein IIb-IIIa (GP IIb-IIIa). Bei hohen Schubspannungen wird sie vermittelt, indem Glykoprotein Ib (GP Ib) unter Beteiligung der Glykoproteine V und IX (GP V, GP IX) mit dem kollagenimmobilisierten vwf interagiert. Diese Interaktion ist charakterisiert durch eine sehr hohe Affinität zwischen Rezeptor und Ligand (Gawaz, 1999). Trotz der z. T. starken Blutströmung in Gefäßbereichen mit hoher Schubspannung bleiben die Thrombozyten im Bereich der Endothelläsion haften. Die Adhäsion führt zur Aktivierung der Thrombozyten. Dabei werden u. a. die Inhaltsstoffe der Granula freigesetzt. Weitere sich im Blutstrom befindende Thrombozyten werden durch die Agonisten aktiviert. Die Anlagerung schon aktivierter Thrombozyten an die Strukturen des Subendothels wird als sekundäre Adhäsion bezeichnet. In der Phase der Stabilisierung wird über weitere Adhäsionsrezeptoren in der Membran, z. B. dem Kollagenrezeptor und dem Fibronektinrezeptor, die Plättchenadhäsion gefestigt. Die an der Adhäsion der Thrombozyten am Ort der Endothelläsion beteiligten Glykoproteine sind in Tab. 2.2 aufgeführt. Tab. 2.2: Glykoproteine, die an der Thrombozytenadhäsion beteiligt sind. In Klammern ist die Bezeichnung nach der sog. CD-Nomenklatur angegeben. Glykoprotein Synonyme Liganden GP IIb-IIIa Fibrinogen-Rezeptor (CD41-CD61) GP Ib-V-IX vwf-rezeptor (CD42a-b-c) vwf GP Ia-IIa Kollagen-Rezeptor (CD49b) Kollagen Fibrinogen, Fibronektin, vwf, Vitronektin GP Ic-IIa (CD49c) Fibronektin GP IV (CD36) Thrombospondin, Kollagen Formwandel Im Verlauf der Adhäsion, insbesondere bei der Bindung des Kollagenrezeptors an Kollagen, kommt es zur Aktivierung. Die Freisetzung der Agonisten verstärkt die Aktivierungsmechanismen. Die Bildung der an der Regulation des intrazellulären Ca 2+ - Spiegels beteiligten Signalfaktoren wird induziert. Sobald die intrazelluläre Ca 2+ -Konzentration einen bestimmten Schwellwert überschreitet, vollzieht der Thrombozyt eine Formänderung. Er verliert die diskoide Form und bildet Pseudopodien aus. Die Veränderungen betreffen v. a. die strukturelle Zone. Das Zytoskelett wird reorganisiert und

21 2.2 Hämostase 13 die Mikrotubuli in den Pseudopodien angereichert (siehe Abb. 2.7). Durch die Ausbildung der Pseudopodien wird eine effektive Abdichtung der Gefäßwandläsion begünstigt. Außerdem nimmt die Oberfläche des Thrombozyten zu, so dass eine erhöhte Interaktion mit den plasmatischen Reaktionen möglich ist. Für eine differenzierte Beurteilung des Grades der Formwandlung erweist es sich als sinnvoll, diesen Prozess in fünf Stadien zu unterteilen (Goodman et al., 1989). Das erste Stadium stellt den ruhenden Thrombozyten in seiner runden bzw. diskoiden Form dar (siehe Abb. 2.2). Die Stadien II bis V kennzeichnen die Phasen der Aktivierung (siehe Abb. 2.5). Abb. 2.5: REM-Aufnahmen aktivierter Thrombozyten. Oben links: Stadium II; oben rechts: Stadium III; unten links: Stadium IV; unten rechts: Stadium V; Stadium I: siehe Abb Vergrößerung ; aus (Dresbach, 1997) In Stadium II setzt die Pseudopodienbildung ein. Der Thrombozyt nimmt eine so genannte dendritische Form ein. Stadium III ist das mittlere Stadium der Pseudopodienbildung. Die Form des Thrombozyten wird nun als gespreizt-dendritisch bezeichnet. Im späten Stadium der Pseudopodienbildung (Stadium IV) liegt der Thrombozyt in einer gespreizten Form vor. Die Formveränderung ist in diesem Stadium nur noch bedingt reversibel. In Stadium V hat der Thrombozyt eine vollständig gespreizte Form angenommen. Dieses Stadium ist irreversibel.

22 14 2 Physiologie des Organs Blut Aggregation und Aktivierung des Fibrinogenrezeptors GP IIb-IIIa Als Aggregation wird der Vorgang der Koadhäsion zwischen zwei Thrombozyten bezeichnet (Gawaz, 1999). Die Aggregation wird nach Stimulation der Thrombozyten angeregt. Damit die Aggregation normal verläuft, müssen drei Bedingungen erfüllt sein: Die Kontaktwahrscheinlichkeit zwischen zwei Thrombozyten muss erhöht sein und sowohl Ca 2+ als auch Fibrinogen müssen vorhanden sein. Ruhende Thrombozyten haben kein Fibrinogen gebunden. Es bedarf zunächst einer Aktivierung, damit der Glykoproteinrezeptor IIb-IIIa Fibrinogen binden kann. Zwischen benachbarten Thrombozyten kommt es dann zur Ausbildung von Fibrinogenbrücken. In der ersten Phase der Aggregation, der primären Aggregation, ist die Verbindung der Thrombozyten über diese Fibrinogenbrücken locker und reversibel. Durch die von aktivierten Thrombozyten freigesetzten Granulainhaltsstoffe, vor allem durch ADP und Thromboxan A2, kommt es im weiteren Verlauf zur irreversiblen sekundären Aggregation. Der Fibrinogenrezeptor GP IIb-IIIa wird wegen seiner zentralen Rolle bei der Aggregation auch als Aggregationsrezeptor bezeichnet (Gawaz, 1999). Gleichwohl ist er auch maßgeblich am Vorgang der Adhäsion beteiligt. Der Aktivierungszustand dieses Rezeptors ist in dieser Arbeit ein wesentlicher Parameter bei der Beurteilung der thrombozytären Aktivierung. GP IIb-IIIa gehört zu den Integrinen, einer Gruppe von Adhäsionsrezeptoren, die Strukturen des Zytoskeletts mit der extrazellulären Matrix verbinden. Es ist das mengenmäßig am häufigsten vorkommende Membranglykoprotein der Thrombozyten und Bestandteil der Plasmamembran, des offenen kanalikulären Systems und der α-granula. Durchschnittlich bis Rezeptoren finden sich auf der Oberfläche eines Thrombozyten (Gawaz, 1999). Davon werden 30 % erst nach Aktivierung aus den intrazellulären Speichern freigesetzt. Der GP IIb-IIIa-Komplex kann in drei diskreten Funktionszuständen vorliegen: dem niedrigaffinen, dem aktivierten hochaffinen und dem ligandenbesetzten Funktionszustand. Nicht-aktivierte Thrombozyten tragen den nicht-aktivierten, ruhenden GP IIb- IIIa-Rezeptor im niedrigaffinen Funktionszustand auf ihrer Oberfläche. Dieser kann zwar immobilisiertes, nicht aber lösliches, plasmatisches Fibrinogen binden. Bei einer Aktivierung erfolgt eine rasche Konformationsänderung und die hochaffinen Fibrinogenbindungsstellen werden freigelegt. Der GP IIb-IIIa-Komplex befindet sich nun im aktivierten hochaffinen Funktionszustand. Durch die Bindung von löslichem Fibrinogen wird eine weitere Konformationsänderung induziert und der Rezeptor geht in den ligandenbesetzten Funktionszustand über. Diese Konformationsänderung reguliert Mechanismen, die an der transmembranen Signaltransduktion beteiligt sind und die zur irreversiblen Fibrinogenbindung an GP IIb-IIIa führen. Fibrinogen bindet hauptsächlich über zwei Aminosäuresignalsequenzen an den Rezeptor: über die RGD-Sequenz und die KQAGDV-Sequenz. Außer Fibrinogen besitzen zahlreiche andere Glykoproteine wie Fibronektin, Vitronektin, der vwf und Thrombospondin die RGD-Sequenz und können damit an den GP IIb-IIIa-Rezeptor binden. (Handin, 1995; Gawaz, 1999)

23 2.2 Hämostase 15 Die Funktionszustände des Rezeptors können mit Hilfe spezifischer Antikörper voneinander unterschieden werden (Abb. 2.6). Anti-CD41 bindet an den komplexierten Fibrinogenrezeptor unabhängig davon, ob dieser sich in einem ruhenden oder aktivierten Funktionszustand befindet. Der monoklonale Antikörper PAC-1 bindet ausschließlich an den aktivierten GP IIb-IIIa-Rezeptor sofern dieser noch kein Fibrinogen gebunden hat. Weitere Antikörper sind gegen ligandeninduzierte Bindungsstellen gerichtet (LIBS) und binden ausschließlich an den mit Fibrinogen besetzten Rezeptor. Außerdem werden Antikörper verwendet, die sich direkt gegen den gebundenen Liganden Fibrinogen richten (Anti-Fibrinogen). Abb. 2.6: Funktionszustände des Fibrinogenrezeptors GP IIb-IIIa. Mit spezifischen Antikörpern können die Funktionszustände unterschieden werden: Anti- CD41 = komplexierter Rezeptor, PAC1 = aktivierter Rezeptor, LIBS = ligandenbesetzter Rezeptor, Anti-Fib = gebundenes Fibrinogen. Modifiziert nach (Gawaz, 1999) Sekretion Der Thrombozyt beginnt während der Adhäsion und der Formänderung mit der Abgabe der in den Granula gespeicherten Substanzen (Abb. 2.7). Diese Freisetzungsreaktion wird Sekretion oder auch Degranulation genannt. Die Granula verschmelzen entweder mit dem offenen kanalikulären System und geben so ihren Inhalt in den Extrazellularraum ab oder die Granulamembran verschmilzt mit der Plasmamembran und die Sekretion erfolgt direkt nach außen. Die Sekretion beginnt, sobald der dafür notwendige Ca 2+ -Schwellwert überschritten wird. Durch diesen Prozess wird die Aktivierung deutlich verstärkt und die irreversible Phase der Aggregation eingeleitet. Noch zirkulierende Thrombozyten werden rekrutiert und aktiviert, die plasmatische Gerinnung angeregt und ebenso die Vasokonstriktion. Das Ausmaß der Degranulation lässt sich einerseits durch den immunologischen Nachweis der freigesetzten plättchenspezifischen Proteine, z. B. Plättchenfaktor 4 (PF4), bestimmen. Andererseits werden bei der Degranulation Glykoproteine auf der Oberfläche exponiert, die zuvor für eine Antikörpermarkierung unzugänglich im Thrombozyteninneren in den

24 16 2 Physiologie des Organs Blut Granulamembranen vorlagen. Ein Beispiel ist das P-Selektin (CD62P), welches in der Membran der thrombozytären α-granula inseriert ist und bei der Degranulation auf der Thrombozytenoberfläche expremiert wird. Sowohl die PF4-Freisetzung als auch die P- Selektin-Expression werden im Rahmen dieser Arbeit untersucht. Abb. 2.7: Schematische Darstellung der Ultrastruktur aktivierter Thrombozyten. Modifiziert nach (Gawaz, 1999) Blutgerinnung Der primäre hämostatische Thrombus ist relativ instabil. Es besteht die Gefahr einer erneuten Blutung, wenn der Pfropf beispielsweise bei nachlassender Vasokonstriktion herausgespült wird. Ziel der sekundären Hämostase ist daher der längerfristige Verschluss durch Bildung eines Fibrinfasernetzes. Durch die Anlagerung von Fibrin an den primären Thrombus werden die Thrombozyten quervernetzt. Anschließend zieht sich das Fibrin-Thrombozyten-Konglomerat zusammen, wodurch die Wundränder angenähert werden. In den stabilen sekundären Thrombus können Fibroblasten einwachsen, die den Thrombus bindegewebig umbauen und die Wunde endgültig verschließen. Der sekundäre Thrombus wird durch den fibrinstabilisierenden Faktor XIII vor frühzeitiger Fibrinolyse geschützt. Allgemein werden die verschiedenen Gerinnungsfaktoren mit römischen Ziffern bezeichnet. Meist handelt es sich um proteolytische Enzyme, die in inaktiver Form im Plasma vorliegen. Diese werden bei Einleitung der Gerinnung in kaskadenartig ablaufenden Reaktionsketten durch Abspaltung eines Molekülrestes aktiviert (Abb. 2.8).

25 2.2 Hämostase 17 Abb. 2.8: Schema der Blutgerinnung. HMWK: hochmolekulares Kininogen, PK: Präkallikrein. Nach (Lind, 1995) Die Bildung von Fibrin aus Fibrinogen wird durch Thrombin katalysiert. Thrombin entsteht aus Prothrombin (Faktor II). Katalysiert wird dieser Schritt durch den aktivierten Faktor Xa in Gegenwart von Ca 2+, Faktor Va und Phospholipid. Der Faktor Xa entsteht aus dem Faktor X nach Ablauf einer komplexen Kettenreaktion, an der verschiedene plasmatische und zelluläre Faktoren beteiligt sind. Auslöser der Gerinnungskaskade können plasmatische Faktoren oder Phospholipoproteine aus verletzten Zellen, z. B. Gefäß- oder Bindegewebszellen, sein. Beim Ablauf der Kettenreaktionen wird je nach Herkunft des auslösenden Faktors zwischen dem intrinsischen und dem extrinsischen System unterschieden. (Schmidt et al., 2000) Beim intrinsischen System startet der Prozess, wenn der plasmatische Faktor XII mit negativ geladenen Oberflächen in Kontakt kommt. Diese negativ geladenen Oberflächen können beispielsweise nach Verletzung freiliegendes Kollagen oder aber - wie in In-vitro-Systemen oder in der Biomaterialanwendung meist der Fall Materialoberflächen mit negativer Ladung sein (Hanson und Harker, 1996). An der Aktivierung von

26 18 2 Physiologie des Organs Blut Faktor XII sind außerdem weitere plasmatische Gerinnungsfaktoren (u.a. hochmolekulares Kininogen, Präkallikrein) beteiligt. Das intrinsische System führt über Zwischenschritte zur Bildung von Faktor IXa, der in Verbindung mit Ca 2+, Faktor VIIIa und von den Thrombozyten stammenden Phospholipiden (Plättchenfaktor 3) die Abspaltung des Faktors Xa bewirkt. Das extrinsische System läuft über wesentlich weniger Schritte ab und verläuft daher viel schneller. Aus den Gewebezellen stammende Phospholipoproteine (Gewebethromboplastin) verbinden sich mit Faktor VII. Dieser liegt dann in der aktivierten Form als Faktor VIIa vor und kann in Gegenwart von Ca 2+ den Faktor X aktivieren. Die ersten Beobachtungen zur Blutgerinnung stammen bereits aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. (Bauer und Mall, 1995). Es vergingen mehrere Jahrhunderte, ohne dass neue Erkenntnisse gewonnen wurden. Im 17. bis 19. Jahrhundert wurden dann wesentliche Stationen der Blutgerinnung entdeckt. Paul Morawitz fasste diese Forschungsergebnisse 1904 in dem bis heute bekannten klassischen Gerinnungsschema zusammen (Morawitz, 1904). Dieses Schema unterscheidet zwei Phasen der Gerinnung: Die Umwandlung von Prothrombin in Thrombin und die anschließende Überführung von Fibrinogen in Fibrin. Das Gerinnungsschema von Morawitz war der Grundstein zur plasmatischen Gerinnungstheorie, die im Verlauf des 20. Jahrhunderts um die Fibrinolyse, die Aktivatoren und die Inhibitoren erweitert wurde. Es wurden immer weitere Gerinnungsfaktoren entdeckt, von denen allerdings im Laufe der Zeit auch einige wieder gestrichen werden mussten, da sie sich als wissenschaftlicher Irrtum erwiesen (Jaenecke, 1996). Seit 1964 wird die Gerinnung als kaskadenförmiger Ablauf dargestellt. Dabei wurde der intrinsische Weg als der physiologisch relevante angesehen. Der extrinsische Weg wurde in den Veröffentlichungen zunächst nicht explizit aufgeführt, im Laufe der Jahre dann aber hinzugefügt (Lind, 1995). Das Schema wurde um den so genannten Crossover-Weg ergänzt (Abb. 2.8), nachdem erkannt wurde, dass Faktor VIIa den Faktor IX aktivieren kann. Der tatsächliche Ablauf der Blutgerinnung ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Derzeit werden zwei Modelle (Abb. 2.9) diskutiert, die beide von dem Grundgedanken ausgehen, dass die Gerinnung durch den Kontakt von Blut mit dem Gewebethromboplastin und durch die Aktivierung von Faktor VII initiiert wird. Der wichtigste Unterschied zwischen beiden Modellen besteht in der Darstellung der Mechanismen, die zur Aktivierung von Faktor IX führen. (Lind, 1995) Zum Verständnis der bei der Blutgerinnung ablaufenden Ereignisse hat in den letzten Jahren in besonderem Maße die Betrachtung der Fließeigenschaften des Blutes beigetragen. Die Komplexität der Gerinnungskaskade und insbesondere der im Kontaktsystem ablaufenden Reaktionen ist nur unter Einbeziehung der aus dem Blutfluss resultierenden Größen - wie beispielsweise der Transportkoeffizienten der Koagulationsfaktoren - zu erfassen (Basmadjian, et al., 1997).

27 2.2 Hämostase 19 Abb. 2.9: Alternative Modelle der Blutgerinnung. Links: Modell 1, nach (Mann et al., 1992); rechts: Modell 2, nach (Broze, 1992).

28 20 2 Physiologie des Organs Blut Fibrinolyse Die Fibrinolyse ist ein komplexer Vorgang, der zur Auflösung von Fibringerinnseln führt. Im Blut wird ständig eine gewisse Menge Fibrinogen in Fibrin umgewandelt. Dieser Vorgang hält sich mit der ebenfalls ständig ablaufenden Fibrinolyse die Waage, solange nicht eine zusätzliche Aktivierung des Gerinnungssystems stattfindet. Die Fibrinolyse vollzieht sich in drei Schritten (siehe Abb. 2.10). Am Ende der ersten Phase steht die Bildung des Plasminogenaktivators. Dieser Aktivator katalysiert im zweiten Schritt die Umwandlung von Plasminogen zu Plasmin. Plasmin ist das Schlüsselenzym der Fibrinolyse, welches im dritten Schritt Fibrin in lösliche Spaltprodukte spaltet. Abb. 2.10: Schema der Fibrinolyse. Nach (Kemkes-Matthes und Oehler, 2001) Bei der Fibrinolyse werden ebenfalls ein intrinsisches und ein extrinsisches System unterschieden. Diese Unterscheidung bezieht sich auf die erste Phase, die Bildung des Plasminogenaktivators. Beim intrinsischen System sind die Plasminogenaktivatoren Blutaktivatoren wie beispielsweise der Gerinnungsfaktor XII oder Kallikrein. Diese Blutaktivatoren bedürfen zu ihrer Wirksamkeit so genannter Proaktivatoren, die aus Blutzellen freigesetzt werden. Im extrinsischen System wirken vor allem aus dem Gewebe stammende Faktoren (t-pa, tissue-type Plasminogenaktivator). (Kemkes- Matthes und Oehler, 2001) Thrombosen und Embolien Der vollständige oder partielle Verschluss eines Gefäßes durch Bildung eines Gerinnsels aus Thrombozytenaggregaten und Fibrin wird als Thrombose bezeichnet. Der Begriff Thromboembolie umfasst das Ablösen und Verschleppen von Thrombusmaterial in andere Gefäßregionen. Der Embolus wird mit dem Blutstrom transportiert und kann, wenn der Gefäßdurchmesser zu eng wird, stecken bleiben. Bereits 1856

29 2.2 Hämostase 21 veröffentlichte Rudolf Virchow seine Ergebnisse zum pathogenetischen Geschehen, welches zur Thromboseentstehung führt (Virchow, 1856). Er formulierte die so genannte Virchow-Trias (Abb. 2.11). Diese umfasst die drei Faktoren, welche die Lokalisation und das Ausmaß eines Thrombus bestimmen. Letztlich lässt sich die Entstehung eines Thrombus zurückführen auf Veränderungen der Gefäßwand, auf Veränderungen der Blutzusammensetzung oder auf Veränderungen der Blutströmung. Die Interaktion dieser drei Faktoren determiniert die Art des Thrombus. Abb. 2.11: Virchow-Trias Schädigung der Gefäßwand Die Verletzung der Gefäßwand führt im Wesentlichen zu drei Vorgängen (siehe auch Abschnitt 2.2.1): 1. Mechanische und chemische Reize (z. B. aus Thrombozyten freigesetztes Thromboxan A2 und Serotonin) wirken auf die glatten Muskelzellen und lösen eine Vasokonstriktion aus. 2. Die Sekretion thrombozytenhemmender Substanzen (z. B. Prostazyklin und Stickstoffmonoxid) fällt weg. 3. Durch die Endothelschädigung werden thrombozytenaktivierende subendotheliale Strukturen (z. B. Kollagen, vwf) freigelegt. Erhöhung der Gerinnungsneigung des Blutes Die Steigerung der Gerinnbarkeit des Blutes wird als Hyperkoagulabilität bezeichnet. Hyperkoagulabilität ist zurückzuführen auf eine Änderung der Zusammensetzung des Gefäßinhaltes, d. h. des Blutes. Die Änderung der Blutzusammensetzung führt zu einer vermehrten Aktivierung des Gerinnungssystems, einer ungenügenden Inhibitorfunktion oder einer reduzierten Fibrinolyse. Die gesteigerte Gerinnungssystemaktivierung tritt beispielsweise nach Verletzungen, operativen Eingriffen oder im Zusammenhang mit Tumoren auf, wenn vermehrt thromboplastinhaltiges Gewebsmaterial in die Blutbahn geschwemmt wird. Gewebethromboplastin bewirkt die Umwandlung von

30 22 2 Physiologie des Organs Blut Prothrombin in Thrombin, einem der stärksten Aktivatoren der Thrombozytenaktivierung. Das Gerinnungssystem wird durch ein komplexes Zusammenspiel von Aktivatoren und Inhibitoren reguliert. Eine Störung des Inhibitorsystems führt beim Patienten ebenfalls vermehrt zu Thrombosen und Embolien. Besonders häufig tritt ein Antithrombin III-Mangel auf, beispielsweise bei Patienten mit schweren Leberschäden, bei Hungerzuständen aber auch nach Operationen und Traumen. Antithrombin III greift an mehreren Stellen in den Ablauf der Gerinnungskaskade ein und hemmt so die Bildung und Wirkung von Thrombin. Eine Steigerung der Gerinnbarkeit des Blutes durch Hemmung oder Störung der Fibrinolyse ist z. B. im Rahmen einer Diabetes mellitus, von Fettstoffwechselstörungen, aber auch bei Kortikoidtherapie zu beobachten. Veränderung der Blutströmung Virchow erkannte die Bedeutung fluiddynamischer Parameter beim thrombotischen Geschehen. Eine Änderung in diesen Parametern kann zu einer Zirkulationsstörung und als Folge zur Thrombose führen. In vielen Fällen wird die Thromboseentstehung fluiddynamisch durch die Behinderung des Blutabstroms bedingt. Ursache sind oft länger dauernde Zwangshaltungen beispielsweise bei Busfahrten, in Flugzeugen oder bei Bettlägerigkeit. Auch Hämatome, Operationswunden oder Tumore können eine Kompression von Blutgefäßen bewirken. Eine verminderte Zirkulation als Folge einer Herzinsuffizienz ist ebenfalls thrombotisch wirksam Antikoagulanzien Es werden drei Substanzgruppen unterschieden, die zur Hemmung der Blutgerinnung bzw. zur Vermeidung thrombotischer Ereignisse zum Einsatz kommen: Thrombozytenaggregationshemmer, Fibrinolytika und Antikoagulanzien (Stoll und Bohn, 1998). Thrombozytenaggregationshemmer werden vorwiegend bei thromboembolischen Erkrankungen der arteriellen Gefäße eingesetzt und verhindern die Bildung von Thromben. Fibrinolytika lösen bereits vorhandene Thromben wieder auf. Mit dem Begriff Antikoagulans werden Substanzen bezeichnet, die die Gerinnung hemmen. Die derzeit im klinischen Bereich und in In-vitro-Versuchen am häufigsten verwendeten Antikoagulanzien EDTA, Citrat, Heparin und Hirudin unterscheiden sich in ihrem Wirkmechanismus und ihrem Einfluss auf die plasmatischen und zellulären Komponenten des Blutes. Bei der Durchführung von In-vitro-Versuchen sind die Fragestellung und die zu untersuchenden Parameter ausschlaggebend für die Wahl des Antikoagulans. EDTA und Citrat EDTA und Citrat sind weit verbreitet, um die Gerinnung von Blutproben für die klinischen Routineuntersuchungen und die In-vitro-Forschung zu inhibieren. Beide Substanzen wirken als Chelatbildner und reduzieren die Verfügbarkeit des freien Calciums im Plasma. Freie Calciumionen sind ein wichtiger Kofaktor für viele Enzyme der

31 2.2 Hämostase 23 Gerinnungskaskade. Vorteil dieser Antikoagulanzien ist ihr geringer Einfluss auf die Aktivierung der Thrombozyten (Engstad et al., 1997). Untersuchungen zum Einfluss von Scher- und Sekundärströmungen auf den Status der plasmatischen Gerinnung oder die Aktivierung des Komplementsystems müssen aufgrund der inhibierenden Wirkung beider Substanzen auf die einzelnen Schritte dieser Kaskaden mit anderen Antikoagulanzien durchgeführt werden. Heparin Heparin ist das Standardantikoagulans bei der Prophylaxe und Therapie von Thrombosen und Embolien. Seit einigen Jahren findet es auch in der In-vitro-Forschung Verwendung. Heparin ist ein negativ geladenes Mukopolysaccharid (Jaenecke, 1996), welches pro Struktureinheit mehrere Moleküle Schwefelsäure enthält. Das Molekulargewicht der Heparinketten schwankt zwischen 3000 und Dalton. Heparin wird aus biologischem Material (Rinderlunge, Schweinemukosa, Rinder- und Schafdarm) gewonnen und ist derzeit noch nicht synthetisch herstellbar. Dies führt dazu, dass der Schwefelgehalt der Verbindungen und der Polymerisationsgrad variieren können. Heparin ist jedoch nicht nur chemisch sehr heterogen zusammengesetzt, es besitzt auch eine sehr komplexe, z.t. noch nicht vollständig aufgeklärte biologische Wirkung. Der wesentliche Hemmeffekt im Gerinnungssystem wird durch die Bindung von Heparin als Kofaktor an Antithrombin III vermittelt. Diese Interaktion führt zu einer Steigerung der Reaktionsfähigkeit und einer Beschleunigung der Reaktionsgeschwindigkeit von Antithrombin III. Antithrombin III inaktiviert in erhöhtem Maße irreversibel die für die Fibrinbildung benötigten Serinproteasen, v. a. Thrombin (siehe 2.2.3). Der Heparin- Antithrombin-Komplex inaktiviert aber auch weitere Gerinnungsenzyme wie die Faktoren XIIa, XIa, Xa und IXa. Heparinmoleküle binden außer an Antithrombin III auch an Endothelzellen und Makrophagen sowie verschiedenste Plasmaproteine einschließlich Fibronektin, Glykoproteine, Vitronektin, Plättchenfaktor 4 und den vwf (Jaenecke, 1996). Heparin besitzt im Vergleich zu Citrat einen stark Thrombozyten-aktivierenden Effekt (Engstad et al., 1997). Dies führt bei 1-5 % der Patienten zu der wichtigsten Komplikation der Heparin-Gabe: der Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT). Eine Thrombozytopenie bezeichnet einen Abfall der zuvor normwertigen Thrombozyten auf < /µl bzw. um mindestens 30 %. Insbesondere beim gefährlichen Typ II der HIT treten venöse und arterielle thrombotische Komplikationen mit hoher Letalität auf. (Maurin, 1995) Hirudin Hirudin wird als blutgerinnungshemmende Substanz seit 1957 aus den Speicheldrüsen von Blutegeln isoliert (Markwardt, 1957). Erst seit wenigen Jahren kann Hirudin rekombinant hergestellt werden und erlebt damit ein Comeback als Antikoagulans (Markwardt, 1991). Hirudin wird als Alternative zu Heparin eingesetzt, insbesondere bei Verdacht auf eine HIT (Maurin, 1995). In der In-vitro-Forschung ist das rekombinante Hirudin bisher allerdings noch nicht weit verbreitet. Hirudin ist ein aus 65

32 24 2 Physiologie des Organs Blut Aminosäuren bestehendes Protein, welches spezifisch an Thrombin bindet. Es inhibiert die Spaltung von Fibrinogen zu Fibrin, indem es gleichzeitig mit der Fibrinogenbindungsstelle und der katalytischen Seite des Enzyms Thrombin interagiert. Der Einfluss von Hirudin auf die Thrombozytenfunktion ist noch nicht vollständig untersucht. Hirudin scheint jedoch die Plättchenfaktor 4-Ausschüttung aus den Thrombozyten zu steigern (Engstad et al., 1997). Außerdem wird eine verminderte Thrombozytenadhäsion bei Antikoagulation mit Hirudin beschrieben (Schenk et al., 1996). 2.3 Komplementsystem Das Komplementsystem stellt einen unspezifischen humoralen Abwehrmechanismus bestehend aus ca. 20 Plasmaproteinen dar, der das spezifische Immunsystem ergänzt. Bestandteil des Komplementsystems sind die neun Komplementfaktoren, C1 bis C9. Die Ziffer bezeichnet dabei die Reihenfolge in der Entdeckung, nicht die Position in der Reaktionskette. Die Komplementfaktoren liegen ähnlich wie die Gerinnungsfaktoren als inaktive Proenzyme vor, die sich gegenseitig aktivieren. Weiterhin gehören zum Komplementsystem mindestens 11 Regulatorproteine, die die Aktivität des Komplementsystems beeinflussen. Die Synthese der Komplementfaktoren findet in den Hepatozyten, den Darmepithelzellen und in Makrophagen statt. Die wesentlichen physiologischen Auswirkungen der Komplementaktivierung sind: 1. Opsonierung: Durch Bindung von bestimmten Komplementproteinen an Fremd(zell)oberflächen werden diese besonders attraktiv für die Aufnahme durch phagozytierende Zellen. 2. Chemotaxis: Bei Aktivierung des Komplementsystems werden kleine Fragmente von den Komplementproteinen abgespalten (z. B. C3a und C5a), die eine gerichtete Zellwanderung der mit Rezeptoren ausgestatteten Phagozyten hervorrufen. 3. Zytolyse: Die Komplementproteine C5 bis C9 bilden im terminalen Schritt den so genannten lytischen Komplex. Es handelt sich dabei um einen hydrophoben Komplex, der in Lipiddoppelschichten von Fremdzellen inseriert und dort eine porenförmige Läsion darstellt. Die einleitende Aktivierung des Komplementsystems erfolgt im Wesentlichen über zwei unterschiedliche Wege, dem alternativen und dem klassischen Weg. Beide Wege führen zunächst zur Umwandlung von C3 durch eine C3-Konvertase und dann zur Bildung einer C5-Konvertase. Sie münden in einen gemeinsamen terminalen Reaktionsmechanismus zur Bildung des lytischen Komplexes (siehe Abb. 2.12). Der alternative Weg ist einfacher und phylogenetisch älter, allerdings erst später entdeckt worden. Die Auslösung bzw. Verstärkung der C3-Umwandlung wird durch bakterielle Stoffe aber auch durch Schlangengifte, Röntgenkontrastmittel oder Biomaterialoberflächen hervorgerufen. Der klassische Weg ist ein antikörperabhängiger Mechanismus. Die Immunglobuline (Ig), speziell IgM und IgG, binden an

33 2.3 Komplementsystem 25 Oberflächenantigene beispielsweise von Mikroorganismen. Die Antigen-Antikörper- Interaktion führt über die Komplementproteine C1, C2 und C4 zur Bildung der Konvertase, die die Spaltung von C3 durchführt. Abb. 2.12: Schematische Darstellung der wesentlichen Komponenten des Komplementsystems. Nach (Janeway und Travers, 1997) Die Produkte der Komplementaktivierung sind eng mit der Aktivierung der Blutzellen, insbesondere der Thrombozyten und Leukozyten, und der plasmatischen Gerinnung verknüpft (Johnson, 1994). Beispielsweise bindet der gebildete C5b-9 Komplex an die Thrombozyten und induziert die α-granula-ausschüttung und die Bildung von Mikropartikeln (Sims und Wiedmer, 1991). Ein weiteres Beispiel ist die Spaltung von Prothrombin in Thrombin durch die über den alternativen Weg gebildete C3-Konvertase. Dies ist eine der Ursachen dafür, dass Biomaterialien, die das Komplement aktivieren, als thrombogener angesehen werden als Materialien, die das Komplement nicht aktivieren (Hayashi et al., 1990). Eine Beschichtung der Biomaterialoberflächen beispielsweise mit Heparin führt zu einer deutlich verringerten Aktivierung des Komplementsystems und damit zu einer erhöhten Hämokompatibilität (Mottaghy et al., 1991; Kirschfink et al., 1993; Keldenich et al., 2000).

34 26 3 Hämorheologie 3 Hämorheologie Die Hämorheologie beschäftigt sich vorwiegend mit der Strömungsmechanik des Blutes. Sowohl der Einfluss der Blutbestandteile auf das Strömen des Blutes als auch der Einfluss der Strömung auf die Funktion der Blutbestandteile sind Gegenstand hämorheologischer Untersuchungen. Blut ist ein komplex zusammengesetztes System aus mehreren Phasen. Rheologisch gesehen stellt es eine Emulsion aus Blutzellen dar, welche im Blutplasma suspendiert sind. Die Blutzellen verhalten sich mechanisch gesehen analog zu Flüssigkeitstropfen, sind jedoch umhüllt von Membranen, die elastisches Festkörperverhalten aufweisen. Hierdurch erhalten auch die Blutzellen selbst komplexe mechanische Qualitäten. (Ernst, 1989) In diesem Kapitel werden zunächst in Abschnitt 3.1 einige physikalische Begriffe aus dem Bereich der Strömungslehre erläutert. Daran schließt sich Abschnitt 3.2 an, in dem auf die Problematik der Blutviskosität eingegangen wird. Abschnitt 3.3 behandelt den Einfluss der Erythrozyten auf das Fließverhalten des Vollblutes. In Abschnitt 3.4 wird auf die in vivo relevanten Blutströmungsverhältnisse eingegangen. Der Abschnitt 3.5 schließlich beschreibt die gestörte Strömung, d. h. das Auftreten von Strömungsseparation, Rezirkulationszonen und Sekundärströmung. 3.1 Begriffe und Definitionen aus der Strömungslehre Für das Verständnis der in dieser Arbeit diskutierten Ergebnisse werden einige Definitionen aus dem Bereich der Strömungslehre benötigt. Wichtige Begriffe, die bei der Betrachtung fluiddynamischer Prozesse eine Rolle spielen, sind die Scherrate, die Schubspannung und die Viskosität. Eine laminare Strömung wird als Folge der Verschiebung unendlich dünner Flüssigkeitsschichten gegeneinander verstanden. Abb. 3.1: Definition der Schubspannung. Dargestellt sind zwei benachbarte Flüssigkeitsschichten. A: Fläche, F: Kraft, v: Geschwindigkeit. Der Geschwindigkeitsgradient du/dx wird als Scherrate γ& (engl. shear rate, synonym Schergrad oder Schergeschwindigkeit) bezeichnet. Die Scherrate ist die Ableitung der Geschwindigkeit nach einer zur Geschwindigkeitsrichtung senkrechten Raumkoordinate. Die Einheit der Scherrate ist s -1. Die Verschiebung der Schichten mit der Geschwindigkeit v wird durch eine von außen tangential zur Fläche A einwirkende

35 3.2 Viskosität des Blutes 27 Kraft F verursacht (Abb. 3.1). Diese von außen aufzubringende Kraft pro Flächeneinheit ist die Schubspannung τ, die in 10-3 Pa bzw. mpa angegeben wird. Die Schubspannung ist nach Newton proportional zur Scherrate. Der Proportionalitätsfaktor ist die dynamische Viskosität η (in mpa s). Diese Beziehung drückt sich im Newtonschen Gesetz aus: τ = η & γ (3.1) 3.2 Viskosität des Blutes Die Viskosität des Blutes stellt eine komplexe, inkonstante Größe dar. Die Blutviskosität ist wie die Viskosität jeder anderen Flüssigkeit auch zunächst einmal temperaturabhängig. Daneben gibt es weitere Faktoren, die die Viskosität und damit die rheologischen Eigenschaften von Blut bestimmen. Die Abhängigkeit der Viskosität vom Gefäßdurchmesser wird als Fahraeus-Lindqvist-Effekt bezeichnet. Aufgrund der multifaktoriellen Beeinflussung der Blutviskosität wird häufig von der scheinbaren Viskosität des strömenden Blutes gesprochen (Goldsmith und Turitto, 1986) Newtonsche und nicht-newtonsche Flüssigkeiten Man unterscheidet bei den Flüssigkeiten die so genannten Newtonschen von den nicht-newtonschen Flüssigkeiten. Bei den Newtonschen Flüssigkeiten ändert sich die Scherrate linear mit der Schubspannung. Die dynamische Viskosität stellt eine temperaturabhängige Materialkonstante dar. Wird die in Gleichung (3.1) gegebene Beziehung von Schubspannung und Scherrate grafisch dargestellt, so ergibt sich eine so genannte Fließkurve. Die Fließkurve einer Newtonschen Flüssigkeit ist eine gerade Linie, die durch den Nullpunkt verläuft, und deren Steigung der Viskosität entspricht. Die Fließkurve einer nicht-newtonschen Flüssigkeit verläuft komplexer. Die Viskosität einer solchen Flüssigkeit ist keine Stoffkonstante, sondern wird durch die Strömungsbedingungen beeinflusst. Daher lässt sich das Verhältnis von Schubspannung und Scherrate nicht durch eine Gerade charakterisieren. (Ernst, 1989) Einfache Flüssigkeiten wie beispielsweise Wasser oder Öl zeigen ein Newtonsches Verhalten. Blut hingegen ist eine nicht-newtonsche Flüssigkeiten. Bei niedrigen Scherraten verhält sich die Viskosität von Vollblut inkonstant. Erst oberhalb einer Scherrate von 100 s -1 zeigt Blut ein annähernd Newtonsches Verhalten (Mottaghy et al., 1984). Vereinfachend kann gesagt werden, dass sich Blut beim langsamen Fließen hochviskös verhält, beim schnellen Fluss hingegen dünnflüssiger wird (Ernst, 1989). Ein ähnliches Verhalten zeigen beispielsweise auch Lackfarben. Diese Farben besitzen beim Aufstreichen auf die Wand eine niedrige Viskosität und sind dadurch gut streichfähig. Ursache dafür sind die hohen Schubspannungen, die beim Auftragen

36 28 3 Hämorheologie herrschen. Nach dem Auftrag hingegen herrschen nur niedrige Schubspannungen (durch die Schwerkraft). Die Farbe ist dann hochviskös und bildet keine Tropfen. Das nicht-newtonsche Verhalten von Vollblut hat seine Ursache in den Charakteristika der Erythrozyten, insbesondere in den Phänomenen der Verformbarkeit und der Aggregation. Auf diese Eigenschaften wird in Abschnitt 3.3 eingegangen Thixotropie Das nicht-newtonsche-verhalten von Blut bei niedrigen Scherraten ist nicht die einzige Besonderheit dieses Fluids. Auch bei konstanter Schubspannung kann sich die Viskosität mit der Zeit verändern. Eine solche Veränderung der Viskosität einer Flüssigkeit unter konstanten Versuchsbedingungen als Funktion der Zeit wird als Thixotropie bezeichnet. Ursache für die zeitliche Änderung der Blutviskosität ist der Aufbzw. Abbau von Strukturen innerhalb der Flüssigkeit. Diese Strukturen entstehen im Rahmen der hämostatischen Prozesse oder aufgrund von Aggregatbildungen beispielsweise bei den Erythrozyten. Bei konstanter niedriger Schubspannung können sich bei entsprechender Aggregationsneigung Erythrozytenaggregate bilden und die Viskosität des Blutes erhöht sich dann mit der Zeit. (Ernst, 1989) Einfluss des Hämatokrits Die Viskosität von Suspensionen hängt stark von der Konzentration der suspendierten Partikel ab. Auch die Viskosität von Blut ist abhängig von den darin suspendierten Blutzellen. Der Einfluss der Thrombozyten ist aufgrund der geringen Größe im Vergleich zu den anderen Blutzellen vernachlässigbar. Leukozyten entsprechen zwar größenmäßig den Erythrozyten, ihr Anteil ist aber so gering, dass auch sie nur wenig Einfluss auf die Blutviskosität ausüben. Den eindeutig größten Einfluss besitzen die Erythrozyten. Ein steigender Hämatokrit bedeutet eine Zunahme der Blutviskosität (Mottaghy et al., 1984). Bei einem gesunden Menschen liegt die Viskosität des Blutes in großen Blutgefäßen bei schneller Strömung und normalem Hämatokrit von ca. 45 % bei etwa 3 bis 4 mpa s (Schmidt et al., 2000). Die Plasmaviskosität beträgt ca. 1,2 mpa s. 3.3 Einfluss der Erythrozyten auf das Fließverhalten des Blutes Schnelle, streng lokalisierte Änderungen in der Zusammensetzung des Blutes werden als Heterophase-Effekte bezeichnet (Schmid-Schönbein, 1988b). Darunter fallen neben der Thrombozytenaggregation und adhäsion und der plasmatischen Gerinnung auch die durch die Erythrozyten induzierten Effekte. Für diese Arbeit sind insbesondere die fluiddynamischen Heterophase-Effekte von besonderem Interesse. Dabei werden die Komposition und damit die rheologischen Verhaltensweisen der Blutbestandteile durch die Strömung bedingt verändert.

37 3.3 Einfluss der Erythrozyten auf das Fließverhalten des Blutes 29 Nachfolgend wird auf die Besonderheiten der Erythrozyten, die Ursache der meisten hämorheologischen Phänomene sind, eingegangen. Das bekannteste Beispiel eines fluiddynamischen Heterophase-Effekte ist die dargestellte Axialmigration der Erythrozyten (siehe Abschnitt 3.3.2) Erythrozytenflexibilität und -aggregation Der komplexe Aufbau des menschlichen Blutzirkulationsnetzwerkes führt mit sich, dass sich im Bereich der Makrozirkulation mehrere tausend Erythrozyten gleichzeitig in einem Gefäßquerschnitt aufhalten. Im Bereich der Mikrozirkulation hingegen bewegt sich teilweise eine einzelne Zelle durch eine Kapillare, deren Durchmesser erheblich geringer ist als der der ruhenden Zelle. Der Erythrozyt muss sich beim Eintritt in kleinere Gefäße innerhalb kürzester Zeit stark verformen. Dies ist nur aufgrund der extrem hohen Erythrozytenverformbarkeit möglich. Der Erythrozyt stellt aus rheologischer Sicht eine von einer viskoelastischen Membran umgebene visköse Flüssigkeit dar. Er verhält sich damit eher wie ein Flüssigkeitstropfen (Schmid-Schönbein et al., 1984). Lediglich das Zytoskelett im Zellinneren setzt der Deformierbarkeit einen Widerstand entgegen. Einen Zellkern, der dies ebenfalls täte, besitzt der Erythrozyt nicht. Der Erythrozyt ist im Gegensatz zu anderen Zellen zu einer so genannten Panzerketten-Rotation der Zellmembran um das Zytoplasma fähig (Fischer et al., 1978). Auch rigide Partikel können innerhalb eines Scherfeldes rotieren. Dabei handelt es sich jedoch um eine Rotation des gesamten Partikels und nicht um eine Rotation der Membran um das Innere. Die Deformation und die Membranrotation sind passive Vorgänge. Sie resultieren aus der von außen einwirkenden Schubspannung. Verformung und Membranrotation sind umso ausgeprägter, je größer die Schubspannung ist (Ernst, 1989). Die Erythrozytenflexibilität ist also eine Ursache für das nicht-newtonsche Verhalten des Fluids Blut. Es sind jedoch nicht nur die einzelnen Zellen, die das rheologische Verhalten von Blut bestimmen, sondern auch die Konglomerate aus roten Blutzellen. Die reversible Anlagerung von roten Blutzellen aneinander wird als Erythrozytenaggregation bezeichnet und findet statt, sobald die einwirkende Schubspannung einen Wert von ca. 0,05 Pa unterschreitet. Es bilden sich lange Aggregate, die die typische Form von so genannten Geldrollen aufweisen. Oberhalb der Schubspannung von etwa 0,05 Pa überschreiten die Strömungskräfte die Aggregationskräfte der Erythrozyten. Bestehende Erythrozytenaggregate werden gelöst. Das rheologische Verhalten des Blutes bekommt dann einen völlig anderen Charakter Axialmigration und Fahraeus-Lindqvist-Effekt Das in einem starren zylindrischen Rohr auftretende Geschwindigkeitsprofil (Poiseuille-Strömung) ist Ausgangspunkt nahezu aller hämorheologischer Betrachtungen (Goldsmith und Turitto, 1986). Bei einer laminaren Strömung, d. h. einer Strömung, bei der sich alle Flüssigkeitsteilchen parallel zur Gefäßachse bewegen, sind in einem zylindrischen Gefäß die Schichten gleicher Geschwindigkeit konzentrisch angeordnet

38 30 3 Hämorheologie (Schmidt et al., 2000). Teleskopartig verschiebt sich eine Schicht gegen die andere, wobei die unmittelbar an die Gefäßwand angrenzende Schicht an der Wand haftet (siehe Abb. 3.2). Es entsteht ein parabolisches Geschwindigkeitsprofil mit einem Geschwindigkeitsminimum in Wandnähe und einem Maximum im Axialstrom. Abb. 3.2: Parabolisches Geschwindigkeitsprofil in einem zylindrischen Gefäß. Nach (Schmid-Schönbein, 1988b) Die Scherrate, d. h. der Geschwindigkeitsgradient, ist in Wandnähe maximal und geht in der Gefäßachse zu Null. Bei Annahme einer konstanten Viskosität lässt sich damit die Verteilung der Schubspannung berechnen. Im Randbereich herrschen trotz geringer Geschwindigkeiten sehr hohe Schubspannungen. Hier wird also sehr viel Reibungsarbeit geleistet. Im Axialstrom herrschen sehr kleine Schubspannungen bei hohen Geschwindigkeiten. Die kinetische Energie ist dort verhältnismäßig hoch. In einem blutdurchströmten Gefäß werden die Erythrozyten aufgrund ihrer Rotationsbewegung aus der Randzone mit den hohen Schubspannungen in die Gefäßachse getrieben. Dieses Phänomen wird als Axialmigration der Erythrozyten bezeichnet. In der Gefäßachse treten zwar hohe Geschwindigkeiten auf, die auf die Zelle wirkende Schubspannung ist jedoch extrem niedrig oder sogar gleich Null. Die Rotationsbewegung ist entsprechend gering ausgeprägt. Aus energetischer Sicht bedeutet dies, dass durch dieses Verhalten der Verlust der kinetischen Energie innerhalb des Kreislaufs begrenzt wird (Ernst, 1989). Die sich ausbildende Strömung wird als Mehrschichtenströmung bezeichnet (Schmid-Schönbein, 1988b). In der Zentralschicht steigt der lokale Hämatokrit an und die Erythrozytenaggregation nimmt zu. Hier ist daher mit einer hohen lokalen Blutviskosität und einer hohen Dichte zu rechnen. Die Axialmigration der Erythrozyten konnte sowohl in vitro (Goldsmith, 1972) als auch in vivo (Tangelder et al., 1982) mit Hilfe von Fluoreszenztechniken nachgewiesen werden. Gleichzeitig bildet sich eine zellarme Randzone aus, die sozusagen als niedervisköse Gleitschicht ( Schmierschicht ) der Fortbewegung der zentralen Zellsäule dient (Schmidt et al., 2000). Auch die restlichen

39 3.4 In vivo relevante Blutströmungsverhältnisse 31 zellulären Bestandteile des Blutes, d. h. die Leukozyten und Thrombozyten reichern sich in der Randzone an (Chien et al., 1984). Dies entspricht im physiologischen Fall der endothelnahen Region, also dem Bereich, in dem diese Zellen auch ihre Funktionen erfüllen. Der gefäßnahe Plasmasaum ist ca. 5 µm dick. Bei Gefäßen, deren Durchmesser kleiner ist als 300 µm fällt der Plasmasaum größenmäßig ins Gewicht (Ernst, 1989). In diesen Gefäßen führt er zum so genannten Fahraeus-Lindqvist-Effekt, der besagt, dass mit abnehmendem Gefäßdurchmesser die scheinbare Viskosität des Blutes erniedrigt wird (Schmidt et al., 2000). In den Kapillaren erreicht die Viskosität des Blutes nahezu den Wert der Viskosität von Plasma. Der Fahraeus-Lindqvist-Effekt wird ebenfalls durch die Erythrozytenflexibilität begünstigt. Die Erythrozyten nehmen in den Kapillaren eine Glockenform an. Bei einem Kapillarendurchmesser unterhalb von 4 µm ist das Ende der Erythrozytenverformbarkeit erreicht und die Viskosität steigt wieder steil an. 3.4 In vivo relevante Blutströmungsverhältnisse Das Fließverhalten von Blut wird außer von den zuvor behandelten Fließeigenschaften auch von den gegebenen Fließbedingungen bestimmt. In Abb. 3.3 sind die Parameter, die die Fließbedingungen und die Fließeigenschaften und damit letztlich das Fließverhalten von Blut bestimmen, zusammengefasst. Abb. 3.3: Einfluss der Fließbedingungen und der Fließeigenschaften auf das Fließverhalten des Blutes. Modifiziert nach (Ernst, 1989) Die von Blut durchflossenen Gefäße können unter funktionellen, geometrischen oder fluiddynamischen Aspekten eingeteilt werden. Bei der funktionellen Betrachtungsweise werden beispielsweise die arterielle und die venöse Seite des Kreislaufs sowie die Endstrombahn mit den Kapillaren voneinander unterschieden. Die geometrische

40 32 3 Hämorheologie Sichtweise differenziert zwischen den großen Gefäßen (Durchmesser größer als 300 µm), der Übergangszone (Durchmesser zwischen ca. 300 und 8 µm) und den kleinsten Gefäßen (Durchmesser kleiner 8 µm). Bei Einbezug der Strömungsbedingungen kann wiederum in drei Bereiche aufgeteilt werden: der Bereich niedriger Schubspannungen (unter 0,01 Pa), der Bereich mittlerer Schubspannungen (zwischen 0,01 und 0,5 Pa) und der Bereich hoher Schubspannungen (über 0,5 Pa). (Ernst, 1989) Einen Überblick über die Fließbedingungen innerhalb der im menschlichen Körper vorkommenden Gefäße gibt Tab Tab. 3.1: Fließbedingungen im menschlichen Blutkreislauf. Die Werte sind entnommen aus (Goldsmith und Karino, 1992) und (Schmid-Schönbein, 1988b). Gefäß Durchmesser (mm) Mittlere Wand- Scherrate (s -1 ) Wand-Schubspannung (Pa) Aorta ascendens 23 43, ,5 Femoralarterie ,4 Aorta carotis communis 5,9 253 o. A. Sinus caroticus 5,2 240 o. A. Arteria carotis externa 3,8 331 o. A. Kleine Arterie 0, ,8 Arteriole 0, ,5 Kapillare 0, ,1 Venole 0,021 o. A. 0,2 Große Vene 6 o. A. 0,4 Vena cava 12,5 o. A. 1,3 3.5 Strömungsseparation, Rezirkulationszonen und Sekundärströmung Allmähliche und plötzliche Änderungen in der Gefäßgeometrie führen in der Regel zu einer Änderung des einfachen laminaren Strömungsprofils. In vielen Fällen kommt es so zu einer Strömungsseparation. Dies bedeutet, dass sich einige Flüssigkeitsteilchen nicht mehr im Hauptstrom weiterbewegen. Unter Umständen bewegen sich diese Teilchen in direkter Wandnähe sogar mit einer dem Hauptstrom

41 3.5 Strömungsseparation, Rezirkulationszonen und Sekundärströmung 33 entgegengerichteten Geschwindigkeit. Dies sei am Beispiel einer plötzlich auftretenden Verengung eines Gefäßes erläutert (Abb. 3.4). Bei einer niedrigen Fließgeschwindigkeit folgt die Flüssigkeit der Geometrie, kriecht sozusagen an der Wand entlang. Bei einer hohen Fließgeschwindigkeit folgen die meisten Flüssigkeitsteilchen aufgrund ihres Impulses und ihrer Energie dem Hauptstrom. Einige befinden sich jedoch abseits dieses Hauptstromes und bilden eine so genannte Rezirkulationszone in der eine Sekundärströmung vorliegt. Als Sekundärströmung wird eine Strömung bezeichnet, die der laminaren Strömung überlagert ist. Sekundärströmungen sind nicht mit turbulenter Strömung gleichzusetzen. Sie bezeichnen vielmehr eine weitere Strömungsform, die weder rein laminar noch turbulent ist (Goldsmith und Karino, 1992). Die Reibung zwischen den benachbarten Flüssigkeitsteilchen sorgt dafür, dass diese Teilchen in der Rezirkulationszone nicht stillstehen, sondern sich um sich selbst drehen. (Schmid-Schönbein, 1988b) Abb. 3.4: Rezirkulationszonen vor und hinter einer plötzlichen Gefäßverengung. Auch wenn der Verlauf der natürlichen, gesunden Blutbahn sehr komplex ist, werden Geometriesprünge weitgehend vermieden (Schmid-Schönbein, 1988b). Pathologische Veränderungen führen jedoch sehr oft zu solchen Situationen. Stenosen beispielsweise stellen geometrische Konfigurationen dar, die der in Abb. 3.4 schematisch dargestellten entsprechen. Ein weiteres Beispiel ist die von Goldsmith und Karino untersuchte unvollständig geöffnete Venenklappe (Goldsmith und Karino, 1992). Gleiches gilt auch für nicht komplett geöffnete (künstliche oder natürliche) Herzklappen (Schmid-Schönbein, 1988b). Auch in extrakorporalen Systemen treten immer wieder Geometriesprünge auf. Neben Erweiterungen und Verengungen sind dies beispielsweise so genannte T-Verbindungen, wo im rechten Winkel zum Hauptstrom ein Nebenstrom abzweigt (Goldsmith und Karino, 1992). In vivo gibt es ebenfalls verschiedene Formen der Gefäßabzweigung (T-Verbindung, J-Verbindung, Y-Bifurkation), die Rezirkulationszonen induzieren können (Goldsmith und Karino, 1992). Neben den Verzweigungen sind Kurven im Gefäßsystem prädestinierte Stellen für eine Strömungsseparation (Wotton und Ku, 1999). Für viele im Blut ablaufende Prozesse (Thrombozytenaggregation, plasmatische Gerinnung etc.) ist eine Kollision zwischen den Reaktionspartnern Voraussetzung. Die

42 34 3 Hämorheologie rein laminare Strömung verhindert nahezu perfekt die wiederholte Kollision zwischen Zellen und Enzymen (Schmid-Schönbein, 1988b). Es kommt zwar zu Kollisionen zwischen Blutzellen bzw. zwischen Blutzellen und Endothelzellen, nicht aber zu einem echten Kontakt. Sowohl die hohe Flexibilität der Erythrozyten als auch die zwischen allen Zellen wirkenden elektrostatischen Abstoßungskräfte sorgen dafür, dass bei einer Kollision die Kontaktzeit auf ein Minimum beschränkt wird bzw. sich die Zellen aufgrund ihrer Membranen mit den negativ geladenen Glykoproteinen gar nicht erst berühren. Über die Auswirkungen der Rezirkulationszonen auf den Zustand der zellulären und plasmatischen Komponenten des Blutes ist bisher wenig bekannt. Dies liegt u. a. daran, dass Rezirkulationszonen in vitro schwierig zu simulieren und gezielt zu untersuchen sind.

43 4.1 Biomaterialforschung 35 4 Hämokompatibilität von Biomaterialien Nachfolgend wird zunächst generell auf die Thematik der Biomaterialforschung eingegangen (Abschnitt 4.1). Wesentliche Begriffe werden erläutert und in die Problematik dieses Gebietes eingeführt. Der folgende Abschnitt 4.2 befasst sich mit dem für diese Arbeit relevanten Bereich der Hämokompatibilität. Der Abschnitt 4.3 beschreibt bestehende Testverfahren und Anforderungen, die an ein neu zu entwickelndes System zu stellen sind. 4.1 Biomaterialforschung Im Bereich der Biomaterialforschung werden eine Reihe Fachtermini, wie beispielsweise Biomaterial, Biokompatibilität oder Hämokompatibilität verwendet. Die Definitionen dieser Begriffe variieren z. T. von Autor zu Autor bzw. von Arbeitsgruppe zu Arbeitsgruppe erheblich. Eine mögliche Ursache dieser Problematik ist die extreme Interdisziplinarität, durch die sich das Forschungsgebiet auszeichnet. Bei der Bearbeitung einzelner Fragestellungen arbeiten Mediziner, Biologen, Physiker, Chemiker und Ingenieure Hand in Hand und jede Fachrichtung bringt ihr Vokabular und ihre Sichtweise in das Gesamtgebiet ein. Die Problematik wurde vor ca. 15 Jahren erkannt und seither wurden Arbeitsgruppen mit dem Ziel gebildet, die Terminologie im Bereich der Biomaterialforschung zu vereinheitlichen. In dieser Arbeit werden die Definitionen zugrundegelegt, die in folgenden Konferenzen zusammengetragenen wurden: - ESB Consensus Conference: Definitions in Biomaterials, 1986 von der Europäischen Gesellschaft für Biomaterialien (European Society for Biomaterials, ESB) organisiert, und - Consensus Conference on Biocompatibility (CCB), 1993 von Vertretern mehrerer internationaler Gesellschaften in Königswinter, Deutschland, abgehalten. Ein Biomaterial ist gemäß der dort festgelegten Definition ein Material, welches in einem Medizinprodukt verwendet wird und das in seiner Funktion in direktem Kontakt mit dem biologischen System steht. Die Biokompatibilität charakterisiert die Fähigkeit eines Materials, eines Implantates oder eines Systems in einer spezifischen Anwendung ohne klinisch signifikante Abwehrreaktion zu funktionieren. Bei der Hämokompatibilität wird der Aspekt der Biokompatibilität betrachtet, der sich mit der Interaktion von Blut und Biomaterial befasst. (de Putter et al., 1988; Gurland et al., 1994) In der Biomaterialforschung werden im Wesentlichen zwei Grenzflächen unterschieden: Biomaterial-Gewebe und Biomaterial-Blut. Einige Autoren, z. B. (Schmidt, 1999), differenzieren zusätzlich die Gewebsinteraktion in die Grenzflächen Biomaterial- Weichgewebe und Biomaterial-Knochen. Die Vielzahl der an den Interaktionen

44 36 4 Hämokompatibilität von Biomaterialien beteiligten Zelltypen und die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten machen deutlich, dass es nicht einfach ist, die Biokompatibilität eines Materials zu beurteilen. Hier sei nur ein Beispiel genannt, welches die Problematik verdeutlicht: Bei Einsatz eines künstlichen Bauchdeckenersatzes ist eine möglichst hohe Zellproliferation im Bereich des Biomaterials gewünscht. Zellen sollen in das Implantat migrieren und dort neues Bindegewebe produzieren. Bei einer Keratoprothese (Ersatz der Hornhaut) stellt die Besiedelung mit Zellen eine Komplikation dar, die das Implantat unbrauchbar werden lässt. 4.2 Blutkontakt und Hämokompatibilität Untersuchungen zur Grenzfläche Biomaterial-Blut nehmen einen weiten Raum in der Biomaterialforschung ein. Die ersten Kontakte zwischen Werkstoffen und Blut fanden im Rahmen der Bluttransfusionen statt. Seit der Entwicklung der Herzchirurgie, der Schaffung künstlicher Organe und dem routinemäßigen Einsatz extrakorporaler Systeme treten jedoch immer spezifischere Probleme beim Kontakt Biomaterial-Blut auf. Bei der extrakorporalen Blutzirkulation findet außerhalb des Körpers die Behandlung statt. Anschließend wird das Blut zurück perfundiert. Beispiele für eine extrakorporale Blutzirkulation sind die Hämodialyse, die künstliche Lunge (Oxygenator) oder der kardiopulmonale Bypass. Diesen Systemen ist gemeinsam, dass das Blut unterschiedliche Materialoberflächen und unterschiedliche Geometrien passieren muss. Eine etwas anders gelagerte Problematik ist bei Einsatz von Implantatwerkstoffen gegeben. Viele Implantate, z. B. künstliche Herzklappen oder Stents, stehen über lange Zeiträume in Kontakt mit Blut. Blut ist ein sehr reaktives Fluid, vergleichbar mit dem Salzwasser der Meere. Ebenso wie es schwer ist, Materialien zu finden, die über lange Zeiträume dem Meerwasser standhalten, gibt es wenige Materialien, die von der Flüssigkeit Blut nicht angegriffen werden. Natürlich spielt auch bei Implantaten die Geometrie, die ja wesentlich die Strömungsverhältnisse beeinflusst, eine wichtige Rolle. Die Beurteilung der Hämokompatibilität erweist sich als schwierig. Die oben gegebene Definition der Hämokompatibilität gibt wenig Aufschluss darüber, welches die Charakteristika eines hämokompatiblen Materials oder Systems sind. Es erweist sich als sinnvoll, bei der Beurteilung das Problem aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Hanson und Harker schlagen vor, sich an den Kriterien zu orientieren, die für ein Biomaterial gelten, welches nicht hämokompatibel ist (Hanson und Harker, 1996). Ein nicht hämokompatibles Biomaterial wird i. d. R. als thrombogen bezeichnet. Thrombogene Biomaterialien zeigen nach Hanson und Harker folgende Charakteristika: - Bildung eines Gerinnsels oder Thrombus bestehend aus verschiedenen Komponenten des Blutes, - Entstehung eines Embolus beispielsweise durch Ablösung eines Thrombus, - Zerstörung zirkulierender Blutkomponenten, - Aktivierung des Komplementsystems und anderer immunologischer Reaktionswege,

45 4.3 Testverfahren 37 - Denaturierung der Plasmaproteine. Ein entscheidende Rolle für die Thrombogenität eines Materials spielt die Proteinadsorption (siehe auch Abschnitt 8.3, Abb. 8.5). Die Wechselwirkungen der adsorbierten plasmatischen Proteine untereinander und mit der Materialoberfläche fördern oder verhindern die Bildung eines Thrombenbelages (Wintermantel und Ha, 1998). Allgemein scheinen Albumin adsorbierende Oberflächen eher thromboresistent, Fibrinogen, Gammaglobuline und Fibronektin adsorbierende eher thrombogen zu sein (Andrarde, 1985). Die Adsorption findet innerhalb sehr kurzer Zeit beim Kontakt von Blut mit dem Biomaterial auf der Materialoberfläche statt. Jedes Protein kann dabei seine native Konfiguration beibehalten, eine Konfigurationsänderung durchlaufen oder denaturiert werden (Colton et al., 1994). Die Zusammensetzung des Proteinlayers, der Status der einzelnen Proteine und die Wechselwirkungen zwischen Material und Proteinen sind kaum aufgeklärt. Der Adsorptionsvorgang wird u.a. von der Oberflächenenergie des Materials, der Benetzbarkeit, der Oberflächengüte und der Blutstromcharakteristik beeinflusst (Wintermantel und Ha, 1998). Das Ausmaß der Proteinadsorption hängt insbesondere von der Fließgeschwindigkeit des Blutes ab. Die Hämokompatibilität eines Biomaterials kann aufgrund des Zusammenspiels von Proteinadsorption und Thrombozytenadhäsion als ein so genanntes bioadhäsives Problem eingestuft werden. Die stattfindenden Prozesse sind mit denen der Biofilmbildung in wässrigen Lösungen, d. h. der Ansiedlung von Mikroorganismen auf Grenzflächen, vergleichbar. Wie bei der Biofilmbildung spielen auch bei der Hämokompatibilität die fluiddynamischen Bedingungen, wie die Fließgeschwindigkeit, das Strömungsprofil und das Verhältnis des Blutvolumens zur Materialoberfläche eine wichtige Rolle. (Schmidt, 1999) 4.3 Testverfahren Drei prinzipiell voneinander abweichende Testverfahren werden in der Biomaterialforschung angewandt: klinische Studien am Menschen, In-vivo-Tests im Tier und In-vitro-Testverfahren mit isolierten Zellen. In-vitro-Testverfahren sind als erste Teststufe unerlässlich. Die Übertragbarkeit auf die In-vivo-Situation muss jedoch immer genauestens geprüft werden. In-vitro-Testverfahren nehmen derzeit einen immer größeren Stellenwert ein (Schmidt, 1999). Dies geschieht, um die Zahl der Tierexperimente zu minimieren. Die Vergangenheit hat zudem gezeigt, dass die Übertragung der Ergebnisse, die im Tiersystem gewonnen wurden, aufgrund speziesspezifischer Unterschiede oftmals ebenso schwierig ist, wie die Übertragung der Ergebnisse aus den In-vitro-Studien. Vorteil der In-vitro-Systeme ist zudem, dass die Zahl der Parameter in den ohnehin komplexen biologischen Systemen deutlich reduziert wird. Bei den In-vitro-Testverfahren zur Untersuchung der Hämokompatibilität wird zwischen den Batch-Systemen und den dynamischen Systemen unterschieden (Schmidt,

46 38 4 Hämokompatibilität von Biomaterialien 1994). In all diesen Testverfahren wird sowohl frisches Vollblut als auch Plasma oder Serum als Testmedium eingesetzt. In den Batch-Systemen findet die Inkubation zwischen Testmedium und zu testendem Material unter statischen Bedingungen oder unter leichtem Schütteln oder Umschwenken statt. Fließbedingungen, wie sie in vivo oder in extrakorporalen Zirkulationen auftreten, werden nicht berücksichtigt. Dies ist ein großer Nachteil dieser Versuchsanordnungen, da viele der im fließenden Organ Blut auftretenden Prozesse in hohem Maße von den Strömungsbedingungen determiniert werden. Die dynamischen Systeme nehmen dementsprechend derzeit den weitaus größten Teil der In-vitro-Systeme zur Untersuchung der Hämokompatibilität ein. Die dynamischen Systeme basieren auf verschiedenen Grundprinzipien und können in drei Kategorien eingeteilt werden: Online-Systeme mit Einzelpassage, Offline-Systeme mit Einzelpassage und Rezirkulationssysteme. Bei den Online-Systemen mit Einzelpassage fließt das Blut des Spenders nach Venenpunktion direkt in das Testsystem. Das Blut wird bei diesen Verfahren nur minimal antikoaguliert und die Zeitspanne bis zum Erreichen des Testsystems ist minimal. In den Offline-Systemen mit Einzelpassage wird das Blut dem Spender entnommen, gegebenenfalls präpariert oder durch Zugabe von Medikamenten behandelt, und passiert dann einmal das Testsystem. Hiervon unterscheiden sich die Rezirkulationssysteme durch die mehrmalige Passage desselben Blutes durch das Testsystem. Die gesamte Bandbreite der dynamischen Systeme ist nahezu unüberschaubar. Daher sei hier nur kurz auf einige wesentliche Ansätze verwiesen. Baumgartner und Turitto (1976)entwickelten eine Perfusionskammer, mit der bereits früh die Kinetik der Thrombozytenadhäsion und die Thrombusbildung in vitro beobachtet werden konnte. Dintenfass experimentierte mit einem koaxialen Viskosimeter, welches eine Weiterentwicklung des Kegel-in-Kegel Viskosimeters darstellt (Dintenfass, 1969). Das Kapillar-Perfusionssystem von Groth ermöglichte die Beobachtung der Thrombozytenadhäsion und aktivierung während des Kontaktes mit Biomaterialoberflächen (Groth et al., 1994). Ebenfalls zur Untersuchung der Thrombozyten-Biomaterial-Interaktion wurde von Skarja et al. ein Kegel-Platte-System entwickelt (Skarja et al., 1997). Wichtigstes Merkmal dieser Anwendung war die Generierung einer gleichförmigen, konstanten Scherrate. Der Vergleich der oben aufgeführten und weiterer Testsysteme führt zu einigen Punkten, die bei der Entwicklung eines rheologischen Testsystems zur Untersuchung von Fragestellungen zum Thema Hämokompatibilität zu beachten sind: 1. Das Blutvolumen ist bei Versuchen mit Humanblut stark limitiert. Das Füllvolumen des Testsystems sollte deshalb möglichst klein sein. 2. Für eine umfassende Analytik wird eine bestimmte Blutmenge benötigt. Das Füllvolumen darf daher auch nicht zu klein bemessen sein, damit die erforderlichen Parameter bestimmt werden können. 3. Die Biomaterialoberfläche sollte auswechselbar sein.

47 4.3 Testverfahren Im Testsystem sollten möglichst keine oder nur wenige zusätzliche Oberflächenkontakte vorhanden sein, z. B. durch zuführende Schlauchstücke. 5. Es sollten keine zusätzlichen mechanischen Belastungen auftreten, z. B. durch Verwendung einer Rollerpumpe. 6. Scherrate und Scherdauer sollen variabel sein.

48 40 5 Das Taylor-Couette-System 5 Das Taylor-Couette-System Couette-Systeme finden seit Mitte des 20ten Jahrhunderts Anwendung in der Untersuchung des Fluids Blut. Sie wurden zunächst eingesetzt, um die Viskosität von Blut zu bestimmen (Charm und Kurland, 1969). Später wurde die Bedeutung der Taylor-Wirbel, die mit einem Taylor-Couette-System generiert werden können, für medizinische Fragestellungen erkannt. Die Überlagerung der laminaren Strömung durch Sekundärströmungen in Form von Taylor-Wirbeln wurde zur Steigerung der Sauerstoffaufnahme im Blut genutzt (Mottaghy et al., 1977; Mottaghy und Hanse, 1985). Auch für die Separation des Plasmas vom Vollblut stellen die Taylor-Wirbel eine geeignete Strömung dar (Beaudoin und Jaffrin, 1989). Eine neue Entwicklung ist die Nutzung der Taylor-Wirbelbildung im Heparinase I Bioreaktor (Ameer et al., 1999). Das Enzym Heparinase I wird dabei an Agarose-Kügelchen gebunden und das mit Taylor-Wirbeln behaftete Strömungsprofil für eine verbesserte Rezirkulation genutzt. Ziel ist, die Therapie der Antikoagulation mit Heparin zu verbessern. Die dargestellten Untersuchungen nutzen das Vorhandensein der Taylor-Wirbel, ohne nähere Aussagen über das Fließverhalten der Blutzellen bzw. über die Auswirkungen auf die Eigenschaften der Zellen zu treffen. In Abschnitt 5.1 werden nachfolgend die physikalischen Grundlagen der Taylor- Couette-Strömung und insbesondere der Taylor-Wirbelbildung erläutert. Der Abschnitt 5.2 stellt die notwendigen Grundlagen für die Berechung der so genannten Taylor-Zahl und der Scherrate dar. 5.1 Physikalische Grundlagen der Taylor-Couette-Strömung Die physikalische Beschreibung des Taylor-Couette-Systems soll nur in so weit dargestellt werden, als es für das Verständnis der in dieser Arbeit durchgeführten Experimente bzw. der daraus gezogenen Schlussfolgerungen notwendig ist. In den letzten Jahren wurden von Werely und Lueptow wichtige Erkenntnisse über das Strömungsverhalten von Fluiden im Taylor-Couette-System gewonnen (Werely und Lueptow, 1998; Werely und Lueptow, 1999). Die Problematik der Taylor-Couette-Strömung ist derzeit jedoch weder für physikalisch einfache Fluide noch für das komplexe biologische Fluid Blut vollständig geklärt Ebene und zylindrische Couette-Strömung Als ebene Couette-Strömung wird eine stationäre, laminare Strömung zwischen parallelen ebenen Wänden, die relativ zueinander verschoben werden, bezeichnet (Abb. 5.1, links). Bei der ebenen Couette-Strömung bildet sich, wenn die obere Platte mit der Geschwindigkeit U bewegt wird, ein lineares Strömungsprofil in der Flüssigkeit aus. Die Scherrate γ& ist über den Plattenabstand konstant: γ& = U d.

49 5.1 Physikalische Grundlagen der Taylor-Couette-Strömung 41 Die Strömung einer Flüssigkeit zwischen zwei konzentrischen rotierenden Zylindern wird als zylindrische Couette-Strömung bezeichnet (Abb. 5.1, rechts). Die zylindrische Couette-Strömung kann analog zur ebenen Couette-Strömung betrachtet werden. Dabei muss vorausgesetzt werden, dass die Spaltbreite (r A -r I ) sehr viel kleiner ist als der Radius des Innen- und Außenzylinders. Abb. 5.1: Schematische Darstellung der Couette-Strömung. Links: ebene Couette-Strömung; rechts: zylindrische Couette-Strömung Zylinderkoordinaten Für die Behandlung der zylindrischen Couette-Strömung erweist sich die Einführung von Zylinderkoordinaten (z, r, ϕ) als zweckmäßig. Ausgehend von einem rechtwinkeligen Koordinatensystem kann jeder beliebige Raumpunkt P durch diese drei Koordinaten beschrieben werden. Dabei stellt z die Achse in Richtung der Zylinderachse, r den Radius und ϕ den Azimutalwinkel dar (siehe Abb. 5.2). Die zeitlichen Ableitungen der durch diese Koordinaten festgelegten Ortsangaben eines Teilchens sind die Geschwindigkeiten in der jeweiligen Richtung. Daraus ergibt sich für jedes Teilchen eine Axialgeschwindigkeit z & = v, eine Radialgeschwindigkeit z r & = v und eine Azimutalgeschwindigkeit & ϕ = ω r. Abb. 5.2: Zylinderkoordinaten z, r, ϕ eines Raumpunktes P.

50 42 5 Das Taylor-Couette-System Strömungsformen im zylindrischen Couette-System Couette verwendete ursprünglich eine Apparatur mit rotierendem Außenzylinder und feststehendem Innenzylinder zur Viskositätsbestimmung von Flüssigkeiten (Couette, 1890). Bei feststehendem Außenzylinder (ω AZ = 0) und rotierendem Innenzylinder (ω IZ 0) wird die laminare Couette-Strömung oberhalb einer definierten Winkelgeschwindigkeit von paarweise gegensinnig rotierenden torusförmigen Wirbeln überlagert (Abb. 5.3). Dieses Phänomen wurde 1923 von Taylor untersucht (Taylor, 1923). Die entstehenden Wirbel werden daher auch als Taylor-Wirbel bezeichnet. Abb. 5.3: Taylor-Couette-Strömung zwischen zwei Zylindern. Links: laminare zylindrische Couette-Strömung; rechts: Wirbel-behaftete Taylor-Couette-Strömung. Im Spalt zwischen den beiden Zylindern können mit Hilfe der beiden unabhängig rotierenden Zylinder weitere Strömungsformen generiert werden. Kay und Elgar unterschieden zwischen der rein laminaren Strömung, der laminaren Strömung mit Taylor- Wirbeln, der rein turbulenten Strömung und der turbulenten Strömung mit Taylor-Wirbeln (Kay und Elgar, 1958). Mit Hilfe neuerer Untersuchungsmethoden konnten die einzelnen Strömungsbereiche weiter differenziert werden. Die gesamte Komplexität der derzeit untersuchten Strömungsformen im Taylor-Couette-System zeigt Abb Andereck et al. haben das Diagramm für ein Taylor-Couette-System mit einem Innenzylinder mit 5,250 cm Durchmesser und einem Außenzylinder mit 5,946 cm Durchmesser erstellt (Andereck et al., 1986). Bei anderen Geometrien treten die dargestellten Strömungsformen in qualitativ ähnlicher Weise auf. Die absoluten Werte verschieben sich jedoch. Aufgetragen sind in Abb. 5.4 die Reynolds-Zahlen der Flüssigkeit bei rotierendem Innenzylinder (Rei) bzw. bei rotierendem Außenzylinder (Rea). Dabei sind unter

51 5.1 Physikalische Grundlagen der Taylor-Couette-Strömung 43 Berücksichtigung der Achsensymmetrie fünf verschiedene Konstellationen denkbar, von denen in dieser Arbeit nur die ersten drei eine Rolle spielen: 1. Sowohl der Außen- als auch der Innenzylinder dreht nicht (Rea = 0, Rei = 0). 2. Nur der Außenzylinder dreht, der Innenzylinder nicht (Rei = 0). 3. Nur der Innenzylinder dreht, der Außenzylinder nicht (Rea = 0). 4. Beide Zylinder drehen in derselben Richtung. 5. Beide Zylinder drehen in entgegengesetzter Richtung. Abb. 5.4: Bereiche möglicher Strömungsformen im Spalt zwischen zwei rotierenden Zylindern. 3: spiralförmige Turbulenz, 4: merkmallose Turbulenz, 5: Diskontinuität, 6: sich durchdringende Spiralen, 7: Spiralen, 8: wellige Spiralen, 9: modulierte Wellen, 10: wellige Wirbelströmung, 11: turbulente Taylor-Wirbel, 12: Welligkeit, 13: Korkenzieher-Wellen, 14: wellige Wirbel, 15: wellige Einströmung, 16: wellige Einströmung + Drall, 17: Drall, 18: wellige Ausströmung. Nach (Andereck et al., 1986) Couette-Strömung mit Taylor-Wirbeln Das wesentliche Charakteristikum der Taylor-Couette-Strömung ist, dass ab einer kritischen Drehgeschwindigkeit des Innenzylinders bei stationärem Außenzylinder die laminare Strömung von einer Sekundärströmung überlagert wird. Die Ursache für dieses Verhalten ist die Zentrifugalkraft, die auf die Flüssigkeitsteilchen, die sich auf

52 44 5 Das Taylor-Couette-System der Innenbahn der Couette-Strömung befinden, wirkt. Diese Zentrifugalkraft muss größer sein als die Bremswirkung durch Flüssigkeitsreibung, damit die Flüssigkeitsteilchen vom Innen- zum Außenzylinder wandern. Da die Reibungskraft proportional zur Geschwindigkeitsdifferenz benachbarter Flüssigkeitselemente ist, während die Zentrifugalkraft quadratisch in der Geschwindigkeit ist, kann oberhalb einer kritischen Geschwindigkeit die Sekundärströmung entstehen. Eine wesentliche Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Sekundärströmung ist, dass eine Verdrängung weiter außen befindlicher Flüssigkeitselemente nach innen erfolgt. Vereinfacht dargestellt kann gesagt werden, dass aufgrund dieser Phänomene der durch die Zentrifugalkraft nach außen getriebenen und der nach innen verdrängten Flüssigkeitsteilchen die Wirbelbildung zustande kommt. (Taylor, 1923; Werely und Lueptow, 1998) Werely und Lueptow haben mit Hilfe der PIV (particle image velocimetry) das stationäre Geschwindigkeitsfeld zwischen Innen- und Außenzylinder für die mit den Taylor-Wirbeln behaftete Strömung vermessen und berechnet (Werely und Lueptow, 1998). In Abb. 5.5 wird die radiale und axiale Geschwindigkeit vektoriell und die Azimutalgeschwindigkeit mit Hilfe von Konturlinien (Linien gleicher Azimutalgeschwindigkeit, vergleichbar mit den Äquipotentiallinien aus der Elektrostatik) veranschaulicht. Die Azimutalgeschwindigkeit ist in Wandnähe des Innenzylinders gleich der Umdrehungsgeschwindigkeit. Sie sinkt bis zum Außenzylinder auf Null. Abb. 5.5: Radial-axiale Geschwindigkeitsvektoren und Konturlinien der Azimutalgeschwindigkeit. Dargestellt ist ein Schnitt in der r-z-ebene. Das Zentrum der drei Wirbel ist mit einem markiert. Der linke und rechte Wirbel drehen im, der mittlere Wirbel dreht gegen den Uhrzeigersinn. Nach (Werely und Lueptow, 1998) Betrachtung der Axialgeschwindigkeit vz Die Axialgeschwindigkeit, d. h. die Geschwindigkeit, mit der sich ein Teilchen entlang der z-achse bewegt, kann in der r-z-ebene in unterschiedlichen Bereichen der Wirbel entlang der r-achse betrachtet werden. Von besonderem Interesse sind ein Schnitt durch das Zentrum eines Wirbels und ein Schnitt zwischen zwei Wirbeln.

53 5.1 Physikalische Grundlagen der Taylor-Couette-Strömung 45 Zwischen zwei Wirbeln beträgt die Axialgeschwindigkeit über die gesamte Spaltbreite Null. Die Teilchen führen nur eine Bewegung in radialer Richtung, nicht aber in Richtung der z-achse aus (siehe auch die vektorielle Darstellung in Abb. 5.5). Komplexer ist die Betrachtung der Axialgeschwindigkeit, wenn der Schnitt durch das Wirbelzentrum führt. Abb. 5.6 zeigt, dass die Axialgeschwindigkeit direkt in Wandnähe der Zylinder Null beträgt. Der Betrag der Geschwindigkeit steigt vom Zylinder ausgehend stark an, erreicht ein Maximum und fällt im Wirbelzentrum wieder auf Null ab. Für die Scherrate dvz/dr, d. h. der Ableitung der Axialgeschwindigkeit nach der zur Geschwindigkeitsrichtung senkrecht stehenden Raumkoordinate r, ergibt sich folgendes Bild: In Wandnähe und im Wirbelzentrum steigt die Axialgeschwindigkeit schnell sehr stark an. Hier treten also maximale Scherraten auf. Abb. 5.6: Axialgeschwindigkeit entlang eines radialen Schnittes in der r-z-ebene durch das Wirbelzentrum. Die obere Grafik zeigt einen Wirbel und den für die Betrachtung der Axialgeschwindigkeit relevanten Schnitt. In der unteren Grafik ist die Axialgeschwindigkeit vz (auf die Oberflächengeschwindigkeit des Innenzylinders normalisierte Axialgeschwindigkeit) gegen die radiale Position im Spalt (normalisiert auf die Spaltbreite) aufgetragen. Modifiziert nach (Werely und Lueptow, 1998)

54 46 5 Das Taylor-Couette-System Betrachtung der Radialgeschwindigkeit vr Bei der Radialgeschwindigkeit stellen ein axialer Schnitt in der r-z-ebene entlang der Zylinderwand und ein axialer Schnitt in der r-z-ebene durch die Wirbelzentren markante Positionen dar. Direkt an der Wand muss aufgrund der durch die Zylinder aufgestellten Zwangsbedingung die Radialgeschwindigkeit der Teilchen Null betragen. Besäße die Bewegung der Teilchen eine radiale Komponente, so hieße dies, dass Teilchen im Zylinder verschwinden bzw. aus ihm hervortreten könnten. Abb. 5.7: Radialgeschwindigkeit entlang eines axialen Schnittes in der r-z-ebene durch die Wirbelzentren. Die obere Grafik zeigt den für die Betrachtung der Radialgeschwindigkeit relevanten Schnitt. In der unteren Grafik ist die Radialgeschwindigkeit vr (auf die Oberflächengeschwindigkeit des Innenzylinders normalisierte Radialgeschwindigkeit) gegen die axiale Position im Spalt (normalisiert auf den ringförmigen Spalt) aufgetragen. Modifiziert nach (Werely und Lueptow, 1998) Bei einem axialen Schnitt durch die Wirbelzentren (Abb. 5.7) zeigt sich, dass in den Zentren die Radialgeschwindigkeit Null beträgt. Zwischen zwei Wirbeln ist die Radialgeschwindigkeit maximal bzw. minimal. Der Betrag der Radialgeschwindigkeit bei der Strömung vom Innenzylinder weg ist aufgrund der Zentrifugalkraft höher als der Betrag der Radialgeschwindigkeit bei der Strömung auf den Innenzylinder zu. Bei Betrachtung der radialen Geschwindigkeitskomponente findet sich die maximale Scherrate dvr/dz, d. h. Ableitung der Radialgeschwindigkeit nach der Raumkoordinate z,

55 5.2 Berechnung von Taylor-Zahl und Scherrate 47 ebenfalls im Wirbelzentrum. Zwischen zwei Wirbeln ist die Scherrate gleich Null, da hier die Radialgeschwindigkeit ein Maximum bzw. Minimum durchläuft. Zusammenfassend lässt sich aus den Betrachtungen zur Axial- bzw. Radialgeschwindigkeit über die lokalen Geschwindigkeiten aussagen: - Im Wirbelzentrum ist vz = 0 und vr = 0. - In Wandnähe der Zylinder ist vz = 0 und vr = 0. - Im Bereich zwischen zwei Wirbeln, der Strömung vom IZ weg zum AZ hin erfolgt, ist vr maximal. - Bei einem radialen Schnitt durch das Wirbelzentrum ist vz maximal zwischen dem IZ und dem Wirbelzentrum bzw. dem AZ und dem Wirbelzentrum. Für die lokal wirkenden Scherraten, die vereinfachend der Steigung der jeweiligen Geschwindigkeitskurve entsprechen, ergibt sich daraus folgendes Bild: Die Scherraten im Wirbelzentrum und in Wandnähe sind maximal. Minimale Scherraten sind zwischen zwei Wirbeln, deren Strömung vom IZ weg zum AZ hin erfolgt, zu finden (vr maximal und dvr/dz = 0). Die Scherrate, die in den Ansätzen mit drehendem Innenzylinder angegeben wird, stellt nur die durchschnittliche Scherrate dar. 5.2 Berechnung von Taylor-Zahl und Scherrate Der Übergang von der laminaren Strömung zur Taylor-Wirbel-behafteten wird mit Hilfe der dimensionslosen Taylor-Zahl beschrieben. Oberhalb der so genannten kritischen Taylor-Zahl (Tc) setzt die Wirbelbildung ein (Schlichting, 1965). Ähnlich wie bei der Reynolds-Zahl wird mit der Taylor-Zahl das Verhältnis zwischen Trägheits- und Reibungsarbeit dargestellt. Die Taylor-Zahl kann mit Hilfe der Gleichung (5.1) berechnet werden (Mottaghy et al., 1982). In dieser Gleichung gibt r I den Radius des Innenzylinders und r A den Radius des Außenzylinders an. r m ist gegeben durch r ( ) m = ri + ra / 2. Weitere Variable sind: d: Spaltbreite, ω IZ : Winkelgeschwindigkeit des Innenzylinders, ρ: Dichte des Fluids, η: dynamische Viskosität. 0,5 1,5 Ta = ω ( r d ρ r ) / ( η r ) (5.1) IZ m I A Aus der Geometrie des Taylor-Couette-Systems und den Winkelgeschwindigkeiten der Zylinder kann nach Gleichung (5.2) die mittlere Scherrate γ& berechnet werden γ& = 2 ( r ω + r ω ) / ( r r ) (5.2) I IZ A AZ A I

56 48 5 Das Taylor-Couette-System Die Gleichung wurde von Couette aus der Navier-Stokes-Gleichung abgeleitet (Couette, 1890). Die Winkelgeschwindigkeit des Außenzylinders ω AZ ist Null, wenn nur der Innenzylinder rotiert. Berechnung der Taylor-Zahl für verschiedene Viskositäten Für jede Zylindergeometrie können bei einer bestimmten Winkelgeschwindigkeit die zugehörige Scherrate und Taylor-Zahl berechnet werden. Die Taylor-Zahl hängt dabei in komplexer Weise von der Viskosität des Fluids ab. Diese Zusammenhänge werden in Abb. 5.8 in einem Kurvenschardiagramm dargestellt. Aus einem solchen Diagramm kann die Taylor-Zahl bei einer ausgewählten Scherrate für unterschiedliche Viskositäten ermittelt werden. Das dargestellte Diagramm gilt für die Geometrien der in dieser Arbeit verwendeten PS-Zylinder (Durchmesser des Innenzylinders 3,57 cm, Durchmesser des Außenzylinders 3,89 cm). Die Viskosität wird gemessen in der Einheit mpa s. Wasser besitzt eine Viskosität von 1 mpa s. Aus dem Diagramm lässt sich nun am Beispiel Wasser die Taylor- Zahl für das in dieser Arbeit genutzte System mit den PS-Zylindern ermitteln. Entlang der 1 mpa s-kurve wird der Schnittpunkt mit der eingestellten Scherrate gesucht und die zugehörige Taylor-Zahl auf der y-achse abgelesen. Die Viskosität von Plasma besitzt einen Normbereich zwischen 1,1 und 1,35 mpa s (Ernst, 1989). Wie in Abschnitt 10.5 ausführlich diskutiert wird, liegt die Viskosität von humanem Vollblut im Bereich zwischen 3,5 und 7,8 mpa s. Abb. 5.8: Kurvenschardiagramm zur Ermittlung der Taylor-Zahl bei verschiedenen Viskositäten und Scherraten, berechnet für ein Zylinderpaar mit: Durchmesser IZ I = 3,57 cm, Durchmesser AZ A = 3,89 cm.

57 6.1 Blutentnahme 49 6 Material und Methoden 6.1 Blutentnahme Eine standardisierte Blutentnahme ist wesentliche Voraussetzung zum Erzielen reproduzierbarer Messergebnisse. Für die Versuche wird soweit nicht anders angegeben gesunden Spendern Vollblut mittels Punktion einer Vena cubitalis mit einer 21-G-Nadel entnommen. Die Entnahme erfolgt beim sitzenden Probanden unter geringem Stau am Oberarm. Die ersten zwei Milliliter werden in eine mit Kalium-EDTA versetzten Monovette (Sarstedt, Nümbrecht) entnommen. Sie dienen zur Erstellung eines Differentialblutbildes, mit dem der Gesundheitsstatus des Spenders überprüft wird. Danach wird das für den Versuch verwendete Blut entnommen. So soll vermieden werden, dass das im Versuch eingesetzte Blut in Kontakt mit den Aktivatoren kommt, die bei der Verletzung des Endothels freigesetzt werden. Für den Versuch werden zwischen 80 und 100 ml Blut unter geringem Sog in zwei 50 ml Perfusor -Spritzen (Braun, Melsungen) entnommen, die mit 3,13 % Natrium Citrat versetzt sind (1:10 v/v). Für die in dieser Arbeit untersuchten Fragestellungen ist Citrat das am besten geeignete Antikoagulans, da es nur einen geringen Einfluss auf die Thrombozytenaktivierung hat (siehe Abschnitt 2.2.6). Auf Grund der nicht einheitlichen Literaturangaben hinsichtlich tageszeitlicher Schwankungen hämorheologischer Parameter (Ernst, 1989) wird die Blutentnahme am frühen Vormittag durchgeführt. Bei den Probanden handelt es sich vorwiegend um männliche Spender im Alter zwischen 19 und 43 Jahren. In einem Zeitraum von mindestens 14 Tagen vor dem Versuch dürfen die Spender keine Medikamente oder Hormone eingenommen haben, da diese oftmals zelluläre oder plasmatische Komponenten des Blutes beeinflussen. 6.2 Präparation von plättchenreichem und plättchenarmem Plasma In einigen Untersuchungen wird plättchenreiches Plasma (PRP) verwendet. Dieses wird nach einer modifizierten Methode von Rieger (Rieger et al., 1977) gewonnen, indem das wie unter Kapitel 6.1 beschrieben entnommene Citratblut zunächst 3,5 Minuten bei 300 g zentrifugiert wird. Der Überstand entspricht dem PRP. Für die Gewinnung des plättchenarmen Plasma (PAP) wird die verbliebene Suspension ein weiteres Mal für 10 Minuten bei 1500 g zentrifugiert. Der Überstand wird wiederum abgenommen. Nach Bestimmung der Thrombozytenzahl kann durch Mischung von PRP und PAP eine gewünschte Thrombozytenkonzentration eingestellt werden. Vor Versuchsbeginn werden PRP und PAP eine Stunde bei 37 C im Wasserbad gelagert. Diese Ruhezeit dient dazu, die durch die Präparation verursachten, reversiblen Schritte der Thrombozytenaktivierung rückgängig zu machen.

58 50 6 Material und Methoden 6.3 Hämatologische Parameter Differentialblutbild Die Erstellung des Differentialblutbildes erfolgt mit dem COULTER MAXM (Beckman Coulter GmbH, Krefeld). Das Differentialblutbild enthält die in Tab. 6.1 angegebenen Parameter. Die Parameter Thrombozyten-, Erythrozyten- und Leukozytenzahl, sowie der Hämatokrit und der Hämoglobingehalt gehen in die Versuchsauswertung ein. Tab. 6.1: Normalbereiche für Blutbildparameter beim Erwachsenen. Nach (Greiling und Gressner, 1995) Parameter Referenzbereich Einheit Leukozyten 4, /l Erythrozyten 4,2-6, /l Hämoglobin g/l Hämatokrit 0,41-0,46 l/l MCV 80,0-94,0 µm 3 MCH 27,0-32,0 pg MCHC g/l Thrombozyten /l Die Erythrozytenindizes Mittleres Zellvolumen der Erythrozyten (MCV), Mittlerer Hämoglobingehalt der Erythrozyten (MCH) und Mittlere Hämoglobinkonzentration der Erythrozyten (MCHC) dienen der Beurteilung des Gesundheitsstatus des Probanden. Abweichungen vom Normalwert lassen auf Anämien, z. B. infolge Eisenmangel, schließen. Im Differentialblutbild werden weiterhin eine Erythrozyten-Verteilungskurve, eine Thrombozyten-Verteilungskurve und ein Leukoplot dargestellt, die ebenfalls Aufschluss über eventuelle Abnormalitäten geben. Gemessen wird zunächst das EDTA-Blut. Die Blutwerte eines gesunden Spenders sollten im Bereich der in Tab. 6.1 angegebenen Referenzwerte liegen. Bei Messung des Citratblutes liegen die Werte aufgrund des Verdünnungseffektes um 10 % niedriger Plasma-Hämoglobin Das freie Hämoglobin im Plasma (PlHb) ist ein Maß für die Schädigung der Erythrozyten. Bestimmt wird der PlHb-Gehalt mit Hilfe der Cyanhämiglobinmethode (International Committee for Standardization in Haematology of the European Society

59 6.3 Hämatologische Parameter 51 of Haematology, 1965). Bei diesem Verfahren werden zunächst Hämoglobin (Fe 2+ ) und seine Derivate mit Kaliumhexacyanoferrat (III) zu Hämiglobin (Fe 3+ ) oxidiert. Hämiglobin bildet dann in einer zweiten Reaktion mit Kaliumcyanid Hämiglobincyanid. Hämiglobincyanid ist ein stabiles Derivat, welches ein breites Extinktionsmaximum um 540 nm besitzt (Zijlstra und van Kampen, 1960). Im Versuch werden 250 µl Plasma mit 1 ml Reaktionslösung für die Hämoglobinbestimmung, Diagnostica Merck KGaA, Darmstadt, inkubiert. Diese Lösung enthält sowohl Kaliumhexacyanoferrat (III) als auch Kaliumcyanid. Zur Bestimmung des PlHb wird die Extinktion des Hämiglobincyanids bei 540 nm gemessen. Zusätzlich müssen die Trübung, die vorwiegend durch Proteine und Lipoproteine bedingt ist, und die Eigenfarbe des Plasmas berücksichtigt werden. Zur Korrektur wird die Extinktion bei 680 nm gemessen und von der Extinktion bei 540 subtrahiert. Der PlHb-Gehalt wird mit Hilfe von Gleichung (6.1) berechnet (Richterich, 1971). PlHb = ( 680 E540 E ) MG VGes (6.1) d V ε P PlHb E 540, E 680 MG V Ges V P d ε Plasmahämoglobinkonzentration (g/l) Extinktion bei 540 bzw. 680 nm Molekulargewicht eines Hämoglobin-Monomers (MG = g/mol) Gesamtvolumen (V Ges = 1,25 ml) Volumen der Plasmaprobe (V P = 0,25 ml) Schichtdicke (d = 1 cm) Molarer Extinktionskoeffizient (ε = 10, cm 2 /mol) Hämolyseindex Im Bereich der Biomaterialforschung wurde zur Bewertung der Schädigung ein dimensionsloser Hämolyseindex IH eingeführt. Dieser Index gestattet es, die Ergebnisse verschiedener Arbeitsgruppen zum Ausmaß der Schädigung durch rheologische oder Materialparameter vergleichen zu können (Mueller et al., 1993). Im Gegensatz zum PlHb-Gehalt berücksichtigt der IH die spenderabhängige Variation von Hämatokrit und Hämoglobinkonzentration. Der IH wird an die jeweiligen Versuchsbedingungen angepasst berechnet. Bei der Untersuchung von Oxygenatoren beispielsweise muss der Einfluss der Blutflussrate sowie der Dauer der extrakorporalen Zirkulation bei der Bestimmung des IH berücksichtigt werden (Mottaghy, 1985). Für die in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen wird der IH gemäß Gleichung (6.2) nach Glasmacher et al. (Glasmacher et al., 1999) berechnet.

60 52 6 Material und Methoden IH Hkt PlHb % 1000 = Hb 100 % (6.2) IH Hämolyseindex (%) Hkt Hämatokrit (%) Hb Hämoglobinkonzentration im Vollblut (g/l) PlHb Plasmahämoglobinkonzentration (g/l) Die durch die Strömung induzierte Schädigung IH Strömung errechnet sich aus der Differenz zwischen dem IH des ungescherten Blutes und dem IH nach der Scherung. 6.4 Enzyme Linked Immunosorbent Assay (ELISA) Der Gehalt des Proteins Plättchenfaktor 4 (PF4) im Plasma wird enzymimmunologisch mit Hilfe des ELISA-Verfahrens nachgewiesen Grundprinzip Die Messung des PF4-Gehaltes beruht auf dem Grundprinzip des Sandwich-Assays. Auf einer Mikrotiterplatte sind spezifische Antikörper gegen eine antigene Determinante des zu untersuchenden Proteins fixiert. In der ersten Immunreaktion bindet das Protein in der Plasmaprobe an diesen Antikörper. In der zweiten Immunreaktion wird ein weiterer Antikörper gegen das Protein eingesetzt. Dieser Antikörper ist mit Peroxidase konjugiert. Es bildet sich ein Sandwich-Komplex aus wandgebundenem Antikörper, Protein und peroxidasekonjugiertem Antikörper. Je mehr Protein die Probe enthält, desto mehr peroxidasemarkierter Antikörper wird gebunden. Die gebundene Enzymaktivität wird in der Indikatorreaktion nach Zugabe des chromogenen Substrates o-phenylendiamin und H 2 O 2 über eine Farbreaktion bestimmt. Die Extinktionsmessungen zum Nachweis des Farbstoffes erfolgen mit dem ELISA-Reader Spektra Shell (SLT Labinstruments Deutschland GmbH, Crailsheim). Die Enzymaktivität ist proportional zur Antigen- d. h. zur Proteinkonzentration Plättchenfaktor 4 Plättchenfaktor 4 (PF4) wird als thrombozytenspezifisches Protein bei Aktivierung aus den α-granula ins Plasma sezerniert (siehe Abschnitt 2.2.2). Nach der Durchführung der Versuche wird die durch die Strömungs- und Scherverhältnisse induzierte PF4-Freisetzung bestimmt. Um eine weitere Thrombozytenaktivierung und damit PF4- Freisetzung bei der Probenaufarbeitung zu verhindern, wird das Blut sofort nach dem Versuch in Röhrchen gefüllt, die das Antikoagulanziengemisch Citrat-Theophyllin- Adenosin-Dipyridamol (CTAD) enthalten. Die Thrombozytenaktivierung wird auf zwei

61 6.5 Durchflusszytometrie 53 Wegen über das inhibitorisch wirksame intrazelluläre camp verhindert. Zum einen stimuliert das in den CTAD-Tubes (Sarstedt, Nümbrecht) enthaltene Adenosin die membranständige Adenylatcyclase (Mills und Smith, 1971). Dieses Enzym katalysiert die camp-bildung. Andererseits wird durch Theophyllin und Dipyridamol die camp- Phosphodiesterase gehemmt. Diese Phosphodiesterase katalysiert den Abbau von camp (Salzmann et al., 1972). Beide Mechanismen führen zu einer Erhöhung des intrazellulären camp-spiegels. Abb. 6.1 fasst den Wirkmechanismus zusammen. Abb. 6.1: Wirkungsprinzip der CTAD-Antikoagulanzienmischung Das gefüllte Röhrchen wird sofort in ein Eisbad gestellt und mindestens 15 min, höchstens jedoch eine Stunde inkubiert. Anschließend wird die Probe 30 min in einer Kühlzentrifuge (2-8 C) bei 2000 g zentrifugiert. Vom Plasmaüberstand wird das mittlere Drittel vorsichtig abpipettiert. Das obere Drittel enthält leichte Thrombozytenbestandteile und ist ebenso zu vermeiden wie die Flüssigkeit nahe der Zellschicht. Das CTAD-Plasma wird bis zur Durchführung des ELISA-Tests bei 80 C gelagert. Der Nachweis des PF4-Gehaltes in der Probe erfolgt nach Angaben des Herstellers mit dem Asserachrom PF4 Test (Roche Diagnostics, Mannheim). 6.5 Durchflusszytometrie Mit Hilfe der Durchflusszytometrie können Zellen anhand ihrer Oberflächenantigene identifiziert, charakterisiert und sortiert werden.

62 54 6 Material und Methoden Grundprinzip Die zu untersuchenden Zellen werden für die Durchflusszytometrie mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert. Dies geschieht durch den Einsatz von Antikörpern, die sich spezifisch gegen Antigene auf der Zelloberfläche richten und an die ein Farbstoff gekoppelt ist. Die angefärbte Zellsuspension wird durch die Kapillare des Zellsorters (fluorescent activated cell sorter, FACS) gedrückt. Die zugeführten Zellen werden von einer Trägerflüssigkeit erfasst. Sie werden auf einem definierten Weg durch den Messbereich geführt. Der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Partikeln wird durch die hydrodynamische Fokussierung vergrößert, so dass immer nur ein Partikel den gemeinsamen Fokus von Anregungslicht und Nachweisoptik passiert. Der Laserstrahl trifft auf jeden einzelnen Partikel. Photodetektoren erfassen verschiedene Parameter. Aus dem Beugungsmuster (Forward Scatter, FSC) wird die Größe der Zelle bestimmt. Dieser Parameter wird entlang der Achse des einfallenden Lichtes gemessen. Die Streuung des Lichtes in den Raumwinkel von 90 (Side Scatter, SSC) ist ein Maß für die Granularität der Zelle. Sowohl beim FSC als auch beim SSC wird Licht der Anregungswellenlänge des Lasers (Argon-Laser, 488 nm) gemessen. Abb. 6.2: Grundprinzip des Durchflusszytometers. Photodiode: FSC (Forward Scatter). Photomultiplier: SSC (Side Scatter), FL1, FL2, FL3 Bandpassfilter: 488/10, 530/30, 585/42. Langpassfilter: 650LP. Dichroitische Spiegel: DM 640LP, DM 560SP

63 6.5 Durchflusszytometrie 55 Weitere Photomultiplier, deren Anzahl vom Gerätetyp abhängt, messen die Emissionen verschiedener Fluoreszenzfarbstoffe. Das verwendete Gerät FACSCalibur (Becton Dickinson Immunocytometry Systems, Heidelberg) kann durch die Kombination verschiedener Filter und Spiegel drei unterschiedliche Fluoreszenzen erfassen (siehe Abb. 6.2). Die drei Fluoreszenzkanäle detektieren Wellenlängen in den Bereichen von nm (FL1), nm (FL2) und oberhalb von 640 nm (FL3). Die Gerätevoraussetzungen legen die Eigenschaften der messbaren Fluorochrome fest. Es sind nur solche Fluorochrome einsetzbar, die ein Absorptionsmaximum im Spektralbereich der anregenden Laserquelle besitzen. Zudem müssen die Fluorochrome in einem Spektralbereich emittieren, der vom Gerät gemessen werden kann. Werden mehrere Fluorochrome eingesetzt, so müssen sich die Emissionsmaxima so weit unterscheiden, dass sie von verschiedenen Detektoren des Gerätes getrennt erfasst werden können. Günstige Fluoreszenzfarbstoffe sind Fluorescein Isothiocyanat (FITC), Phycoerythrin (PE) und das Peridinin Chlorophyll Protein (PerCP). Die Emissionsspektren dieser Farbstoffe sind in Abb. 6.3 dargestellt. Abb. 6.3: Fluoreszenzbereiche der Photodetektoren und Emissionsspektren der Fluorochrome FITC, PE und PerCP. Wie Abb. 6.3 zeigt, tritt insbesondere bei den Farbstoffen FITC und PE eine Überlappung der Emissionsspektren auf. Da die Messungen stets mit diesen beiden Fluorochromen erfolgen, muss die spektrale Überstrahlung durch eine geeignete Kompensation korrigiert werden. Die Kompensation wird mit Hilfe unmarkierter bzw. FITCund PE-markierter Kügelchen (CaliBRITE beads, Becton Dickinson Immunocytometry Systems, Heidelberg) durchgeführt. Das verwendete FACSCalibur System besteht aus dem eigentlichen Durchflusszytometer und dem FACStation TM Data Management System (Becton Dickinson Immunocytometry Systems, Heidelberg). Das FACStation TM Data Management System beinhaltet einen Macintosh Computer mit der Macintosh System Software

64 56 6 Material und Methoden (Version 7.5.3), der CELLQuest TM Software (Version 3.0) für die Datenerfassung und der FACSComp TM Software (Version 3.0) zur Einstellung der Geräteparameter und zur Qualitätskontrolle. Die Datenanalyse erfolgt mit der Software WinMDI (Version 2.8, The Scripps Research Institute (TSRI), La Jolla, USA) Durchflusszytometrische Charakterisierung von Thrombozyten Mit Hilfe der Durchflusszytometrie können verschiedene Teilsequenzen der Thrombozytenaktivierung analysiert werden. Die Durchflusszytometrie ist u. a. geeignet zur Untersuchung thrombozytärer Antigene, oberflächengebundener Proteine, des Aktivierungszustandes der Thrombozyten, des intrazellulären Calciumspiegels, der thrombozytären Formänderung und der Mikropartikelbildung (Ruf und Patschke, 1995; Lazarus et al., 1995). Zur Durchführung der durchflusszytometrischen Charakterisierung der Thrombozyten wird ein modifiziertes Protokoll der Zweifarben-Vollblutmethode verwendet. Diese Methode wurde von Shattil und Mitarbeitern eingeführt (Shattil et al., 1987) und gilt derzeit als Standardmethode in der thrombozytären Einzelzell-Analyse (Gawaz, 1999). Die Methode besitzt den Vorteil, dass keine Lyse der Erythrozyten erforderlich ist. Zudem müssen keine Waschschritte durchgeführt werden und nach der Fixierung sind die Proben mehrere Stunden stabil (Hagberg und Lyberg, 2000). Bei der Zweifarben-Vollblutmethode dient der fluorochrommarkierte, plättchenspezifische, monoklonale Antikörper Anti-CD42b-PE (DAKO Diagnostika GmbH, Hamburg) der Identifikation der Thrombozyten. Anti-CD42b ist gegen ein Epitop auf der α-untereinheit von GP Ib gerichtet. Es bindet daran unabhängig vom Aktivierungszustand der Thrombozyten (Rossi et al., 2001). Ein zweiter markierter Antikörper ist aktivierungsspezifisch. Als zweiter Antikörper werden Anti-CD62P-FITC (Immunotech, Marseille), PAC1-FITC (Becton Dickinson Immunocytometry Systems, Heidelberg) oder Anti- Fibrinogen-FITC eingesetzt (DAKO Diagnostika GmbH, Hamburg) (Tab. 6.2). Tab. 6.2: Monoklonale Antikörper zur durchflusszytometrischen Charakterisierung von Thrombozyten Antikörper Fluorochrom Fluoreszenz Verwendung Anti-CD42b PE FL2 Identifikation der Thrombozytenpopulation Anti-CD62P FITC FL1 Degranulation der α-granula PAC1 FITC FL1 Nachweis des aktivierten Fibrinogenrezeptors Anti-Fibrinogen FITC FL1 Nachweis des gebundenen Fibrinogens an GP IIb-IIIa

65 6.5 Durchflusszytometrie 57 Eine erhöhte Bindung von Anti-CD62P weist auf die irreversible Degranulation der im Blut befindlichen Thrombozyten hin. Mit dem Antikörper PAC1 wird der aktivierte Fibrinogenrezeptor, der noch kein Fibrinogen gebunden hat, nachgewiesen. Der Nachweis des an den GP IIb-IIIa gebundenen Fibrinogens erfolgt mit Anti-Fibrinogen (siehe auch Abschnitt 2.2.2, Abb. 2.6). Mit der Auswahl der oben angegebenen Antikörper ist eine weitreichende Thrombozytenanalyse möglich. Gleichzeitig legt diese Antikörperkombination das zu verwendende Antikoagulans fest. Wie Tab. 6.3 zeigt, ist Citrat das einzige Antikoagulans, das für alle eingesetzten thrombozytären Marker geeignet ist. EDTA induziert die irreversible Dissoziation des Fibrinogenrezeptors GP IIb-IIIa (Gachet et al., 1992) und verhindert die Bindung von PAC1 an den Rezeptor (Shattil et al., 1986). Heparin ist generell für die Untersuchung des Thrombozytenstatus ungeeignet, da es die Plättchen aktiviert (Engstad et al., 1997). Tab. 6.3: Antikoagulation und Probenverarbeitung in Abhängigkeit von der Antikörperwahl. Nach (Golanski et al., 1996; Gachet et al., 1992; Hagberg und Lyberg, 2000) Antikörper Antikoagulans Probe EDTA Heparin Na-Citrat fixiert frisch Anti-CD42b (ja) nein ja ja ja Anti-CD61 ja nein ja ja ja Anti-CD62P (ja) nein ja (ja) ja PAC1 nein nein ja nein ja Anti-Fibrinogen nein nein ja (ja) ja Auch die Methode der Fixierung der fluoreszenzmarkierten Zellen ist durch die Antikörperwahl vorgegeben. Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, die Zellen erst zu fixieren und dann zu markieren ( fix then stain ) oder umgekehrt ( stain then fix ). PAC1 bindet jedoch nur stark vermindert an bereits fixierte Zellen (Shattil et al., 1986) und auch die Bindung von Anti-CD62P ist herabgesetzt (Becton Dickinson, 1998). Für die Fluoreszenzfärbungen werden zunächst je 5 µl der Antikörperlösungen mit PBS (0,2 µm filtriert) verdünnt. Das Endvolumen des PBS-Antikörpergemischs beträgt für jeden Ansatz 40 µl. Je 5 µl Vollblut vom Kontrollansatz bzw. von den Proben der Versuchsansätze werden innerhalb einer Minute nach Blutentnahme bzw. nach Versuchende zum PBS-Antikörpergemisch gegeben. Nach 17 Minuten Inkubation bei Raumtemperatur im Dunkeln werden die Proben mit 800 µl eiskaltem Paraformaldehyd verdünnt (1 % Paraformaldehyd in PBS, 0,2 µm filtriert) und fixiert. Die Verdünnung reduziert die nicht-gebundene Fluoreszenz auf ein Niveau, welches die durchflusszytometrische Analyse auch ohne Waschschritte erlaubt (Jackson und Jennings, 1989).

66 58 6 Material und Methoden Die Proben werden für mindestens 2 Stunden, maximal jedoch 24 Stunden dunkel bei 4 C fixiert, bevor die Messung mit dem Durchflusszytometer erfolgt. In einigen Fällen erfolgt eine Aktivierung der Thrombozyten mit Adenosin-5 - Diphosphat (ADP). Die Proben werden für zwei Minuten mit 30 µm ADP inkubiert. Nach dieser Inkubation werden 5 µl des ADP-stimulierten Blutes wie oben beschrieben fluoreszenzmarkiert. Identifikation der Thrombozytenpopulation Bei der Analyse der mit Hilfe der Durchflusszytometrie gewonnenen Daten können verschiedene Darstellungsformen der Messwerte ausgewählt werden. Beim so genannten Dotplot wird jede Zelle durch einen Punkt dargestellt. Diese Darstellungsform ermöglicht die zweidimensionale Auftragung. Im Histogramm hingegen wird nur die Verteilung eines Parameters sichtbar. Abb. 6.4 zeigt die durchflusszytometrische Analyse von Vollblut in beiden Darstellungsformen. Die Thrombozyten werden anhand der plättchenspezifischen Fluoreszenz (FL2) und ihres charakteristischen Streulichtverhaltens (FSC) identifiziert. Dies ermöglicht die selektive Bewertung der Thrombozytenpopulation. Abb. 6.4: Durchflusszytometrische Analyse von Vollblut (PLT: Thrombozytenpopulation, RBC und WBC: Population der roten und weißen Blutkörperchen). Links: Darstellung der Parameter Größe (FSC) und Granularität (SSC) im Dotplot; rechts: Darstellung der thrombozytenspezifischen Fluoreszenz (FL2, CD42b-PE) im Histogramm. Zuerst wird mit Hilfe der Darstellung im Histogramm ein Analysenfenster (Gate) definiert (Abb. 6.4, rechts). Innerhalb des Gates liegen die CD42b-positiven Zellen. In einer Dotplot-Darstellung werden dann nur die CD42b-positiven Zellen eingelesen (Abb. 6.5). Die Dotplot-Darstellung zeigt drei verschiedene Zellpopulationen,

67 6.5 Durchflusszytometrie 59 vgl. auch (Konstantopoulos et al., 1995). Die Population mit der höchsten CD42b-PE- Fluoreszenz besteht aus den Thrombozyten bzw. aus Thrombozytenaggregaten. Die mit PLT-RBC gekennzeichnete Population beinhaltet Thrombozyten, die mit Erythrozyten oder Leukozyten assoziiert sind. Diese Population zeigt eine geringere CD42b-PE- Fluoreszenz als die größenmäßig im selben Bereich liegenden Thrombozytenaggregate. Die dritte Population WBC wird von einigen Leukozyten mit erhöhter Autofluoreszenz gebildet. Für die weitere Auswertung werden die Populationen PLT-RBC und WBC mit Hilfe eines Gates eingegrenzt und ausgeschlossen. Abb. 6.5: Durchflusszytometrische Analyse der Zellen innerhalb des definierten Gates. (PLT: Thrombozyten, PLT-RBC: Thrombozyten assoziiert mit Erythrozyten, WBC: Leukozyten) Abb. 6.6: Durchflusszytometrische Analyse der Thrombozytenpopulation. Links: unstimulierte Zellen; rechts: stimulierte Zellen.

68 60 6 Material und Methoden Auswertung der Thrombozytenaktivierung Die Thrombozyten-Gesamtpopulation (PLT und PLT-Aggregate) wird in einen Dotplot eingelesen, bei dem die thrombozytenspezifische Fluoreszenz (FL2) gegen die aktivierungsspezifische Fluoreszenz (FL1) aufgetragen ist (Abb. 6.6). Dieser Dotplot wird in Quadranten unterteilt, indem mit Hilfe der Isotypenkontrolle die Basiswerte für die Autofluoreszenz der Zellen festgelegt wird. Der prozentuale Anteil der Zellen in den einzelnen Quadranten wird berechnet. Die Ereignisse in Quadrant I stellen die nichtaktivierten Thrombozyten dar, die in Quadrant II die aktivierten. Auswertung der Mikropartikel- und Aggregatbildung Die Unterteilung der Thrombozytenpopulation in Einzelzellen, Aggregate und Mikropartikel erfolgt nach dem von der Arbeitsgruppe Matzdorff veröffentlichten Protokoll (Matzdorff et al., 1998a; Matzdorff et al., 2000). Als Ausgangsprobe dient das unstimulierte Blut des Spenders. Zunächst wird die Gesamtpopulation der Thrombozyten durch Auswahl der entsprechenden Gates (siehe oben) bestimmt. Die ausgewählte Population wird in einem Dotplot, bei dem die thrombozytenspezifische Fluoreszenz (FL2) gegen die Zellgröße (FSC) aufgetragen ist, dargestellt (Abb. 6.7). Ein FSC- Schwellenwert wird festgelegt, so dass < 5 % der Ereignisse unterhalb dieses Schwellenwertes liegen. Diese Ereignisse werden definitionsgemäß als Mikropartikel bezeichnet. Ein weiterer FSC-Schwellenwert wird so gesetzt, dass 95 % der Ereignisse darunter liegen. Die restlichen 5 % der Ereignisse oberhalb dieses zweiten Schwellenwertes stellen Aggregate dar. Die durch Strömung oder andere Agonisten stimulierten Zellen werden mit den aus den unstimulierten Proben gewonnenen Schwellenwerten analysiert und die Zunahme der Mikropartikel- bzw. Aggregatbildung bestimmt. Abb. 6.7: Durchflusszytometrische Analyse der Mikropartikel- und Aggregatbildung.

69 6.6 Mikroskopische Beurteilung der Zylinderoberfläche Mikroskopische Beurteilung der Zylinderoberfläche Rasterelektronenmikroskopie (REM) Nach der Durchführung des jeweiligen Versuches werden Innen- und Außenzylinder mit je 80 ml isotonem PBS-Puffer gründlich gespült. Die beiden Zylinder werden wieder ineinander gesteckt. In den Spalt werden 8 ml Fixierlösung (Glutardialdehyd, 1,5 % in PBS-Puffer) eingefüllt und die Zylinder werden 30 Minuten bei Raumtemperatur inkubiert. Es wird PBS-Puffer als Lösungsmittel für das Glutardialdehyd gewählt, um die Isotonie der Fixierlösung mit den Zellen sicherzustellen. Aldehyde wirken vernetzend auf die Proteine der Zellen (Ohnsorge, 1978). Aus den Zylindern werden mit Hilfe eines MINIMOT-Feinbohrschleifers mit Trennsägeblättern (PROXXON GmbH, Niersbach) ca. 8 mm 2 große Stücke herausgeschnitten. Nun folgt das Waschen der Zylinderstücke und die schrittweise Entwässerung der Zellen. Diese ist notwendig, um die Vakuumbeständigkeit der Präparate zu gewährleisten. Wasser im Inneren fixierter Zellen würde unter den Vakuumbedingungen der REM anfangen zu sieden, was die Zellen zerstören könnte. Üblicherweise werden zur Entwässerung Ethanol- oder Azetonreihen mit aufsteigender Konzentration verwendet. Ethanol besitzt den Vorteil, dass es die Polystyroloberfläche nicht angreift. Die Zylinderstücke werden jeweils für wenige Minuten in einer aufsteigenden Alkoholreihe mit 20 %, 40 %, 60 %, 80 % und 100 % Ethanolgehalt inkubiert. Die Präparate werden anschließend über Nacht im Exsikkator getrocknet. Die fixierten und getrockneten Zylinderstücke werden mit vakuumbeständigem Kleber auf den Probentellern befestigt. Vor der rasterelektronenmikroskopischen Untersuchung werden die Präparate mit einem elektronenleitfähigen Überzug beschichtet (Gold-Bedampfung). Die rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen werden im Institut für Pathologie mit einem Elektronenmikroskop SEM 515 (Philips, Eindhoven) angefertigt. Standardmäßig werden Aufnahmen mit den Vergrößerungen 100, 300, 2400 und 5000 angefertigt. Die 100fache Vergrößerung dient der Analyse des Verteilungsmusters der Zellen. Mit den Vergrößerungen 2400 und 5000 wird der Aktivierungsgrad der Thrombozyten bestimmt. Die 300fache Vergrößerung wird zur Bestimmung der Anzahl adhärenter Thrombozyten pro Fläche ausgewertet. Hierzu wird zunächst ein Raster mit 96 je 1 cm 2 großen Feldern angefertigt. Die Gesamtgröße des Rasters entspricht der Größe der angefertigten Abzüge. Mit Hilfe eines Zufallsgenerators werden von diesen 96 Feldern 16 Felder ermittelt, die jeweils ausgewertet werden (Abb. 6.8). Das Raster wird über die auszuwertenden Fotos gelegt und die Zahl adhärenter Thrombozyten in den markierten Feldern wird ausgezählt. Von den erhaltenen 16 Werten wird der Mittelwert berechnet, der dann das Ergebnis für den jeweiligen Versuchsansatz darstellt.

70 62 6 Material und Methoden Abb. 6.8: Auswertung der REM-Bilder. Links: Raster mit den schwarz markierten Feldern, die ausgezählt werden; rechts: REM-Aufnahme in 300facher Vergrößerung Autofluoreszenzmikroskopie Für die autofluoreszenzmikroskopischen Aufnahmen werden die Zylinder zunächst wie in beschrieben mit der Glutardialdehydlösung inkubiert und 8 mm 2 große Stücke herauspräpariert. Diese Präparate werden im Exsikkator getrocknet. Nach der Trocknung erfolgt die mikroskopische Auswertung. Die Fluoreszenzaufnahmen der mit Glutardialdehyd fixierten Zellen erfolgen mit dem Flureszenzmikroskop DMRX (Leica Microsystems AG, Wetzlar). Mit der Bildverarbeitungssoftware Quantimet 600S (Leica Microsystems AG, Wetzlar) erfolgt die PC-gesteuerte Aufnahme. Eine 3CCD Color Video Kamera (Sony Deutschland GmbH, Köln) ermöglicht die direkte Digitalisierung der Bilder. Glutardialdehyd ruft bei Anregung mit Licht der Wellenlänge 450 bis 490 nm eine Autofluoreszenz der fixierten Zellen hervor. Nachteil des Verfahrens ist, dass eine Unterscheidung der Thrombozyten von den übrigen Zellen des Blutes nicht möglich ist. Dieses Verfahren wird daher in Kombination mit der REM eingesetzt. Mit der REM wird an mehreren Stichproben überprüft, ob ausschließlich Thrombozyten adhärieren. Ist diese Voraussetzung gegeben, kann mit der kostengünstigen Autofluoreszenzmikroskopie ein größerer Probenumfang bezüglich des Adhäsionsprofils untersucht werden. Die Auswertung adhärenter Thrombozyten auf Biomaterialoberflächen mit Hilfe der Autofluoreszenzmethode korreliert sehr gut mit den Ergebnissen der REM (Dresbach, 1997). 6.7 Lactat-Dehydrogenase-Bestimmung Die Lactat-Dehydrogenase (LDH) kommt in allen tierischen Zellen in relativ hoher Konzentration vor. Sie katalysiert reversibel die Reaktion Pyruvat + NADH + H + Lactat + NAD + wobei das Gleichgewicht auf der Seite von Lactat und NAD + liegt. Dieser Reaktionsschritt ist der letzte Schritt der Glykolyse. Eine Zerstörung der Zellmembran führt zur

71 6.7 Lactat-Dehydrogenase-Bestimmung 63 Freisetzung der LDH. Die freigesetzte LDH kann mit Hilfe eines optischen Tests nachgewiesen werden. Der Test wird nach der optimierten Standard-Methode der Deutschen Gesellschaft für klinische Chemie durchgeführt (Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie, 1972). Es wird der LDH-Testansatz MPR1 (Roche Diagnostics GmbH, Mannheim) verwendet. Der Ansatz beinhaltet die Substrate Pyruvat und NADH in einer gepufferten Lösung (ph 7,5). Nach Zugabe der zu messenden Probe kann die Oxidation von NADH + H + bei 340 nm photometrisch verfolgt werden. Der Extinktionsabfall E pro Minute ist direkt proportional zur Aktivität der LDH. Bei RT berechnet sich die LDH-Aktivität gemäß Herstellerangabe nach Gleichung (6.3). E IU = 4921 min (6.3) Bestimmung des plasmatischen LDH-Gehalts Die Bestimmung der plasmatischen Hämoglobinkonzentration lässt nur Rückschlüsse auf die Erythrozytenlyse zu. Der plasmatische LDH-Gehalt hingegen gibt Aufschluss über das Ausmaß der Schädigung aller Blutzellen (Voisin et al., 1985). Der LDH-Gehalt im Plasma wird sowohl für das ungescherte Blut als auch für das der Strömung ausgesetzte Blut bestimmt. Die Differenz zeigt die durch die Strömung verursachte Schädigung. Das Plasma wird zunächst abzentrifugiert. In einer Halbmikroküvette werden zunächst 50 µl Plasma mit 950 µl NaCl verdünnt. Die Reaktion wird im Photometer durch Zugabe von 150 µl LDH-Testansatz gestartet. Der Abfall der Extinktion wird über 2 Minuten protokolliert und die LDH-Aktivität nach (6.3) bestimmt Bestimmung der Thrombozytenadhäsion mit der LDH-Methode Die Zahl adhärierter Thrombozyten auf der Materialoberfläche ist ein wichtiger Messparameter dieser Arbeit. Besonders aussagekräftig ist hierbei die mikroskopische Beurteilung der Oberfläche (siehe 6.6). Die in beschriebene REM gibt detailliert Aufschluss nicht nur über Anzahl und Zusammensetzung der Zellen, sondern auch über den Grad der Aktivierung. Mit der in Abschnitt dargestellten kosten- und zeitsparenden Alternative der Autofluoreszenzmikroskopie können Anzahl und Verteilungsmuster der Thrombozyten einfach und schnell ermittelt werden. Beide Methoden erfordern jedoch die präparative Aufarbeitung der Zylinder. Die LDH-Methode (Tamada et al., 1995) wird eingesetzt, wenn die Zylinder nicht beschädigt werden sollen. Diese Methode besitzt gegenüber der Radioisotopenmarkierung oder der Antikörpermarkierung den Vorteil, dass sehr sicher, einfach und kostengünstig gearbeitet werden kann. Dennoch besitzt die LDH-Methode eine mit der Radioisotopenmarkierung mit 111 In vergleichbare Sensitivität und Reproduzierbarkeit (Tsai et al., 1999).

72 64 6 Material und Methoden Die Zylinder werden zur Bestimmung der Thrombozytenadhäsion mit der LDH- Methode zunächst gründlich mit PBS-Puffer gespült, um nicht-adhärente Zellen zu entfernen. Anschließend werden Innen- und Außenzylinder wieder ineinander gesetzt und fixiert. Die adhärenten Zellen werden nun mit 6 ml Lysis-Puffer (0,5 % Triton X-100 in PBS) eine Stunde bei RT lysiert. Zu 1 ml lysierter Zellen werden in einer Halbmikroküvette 150 µl LDH-Testansatz zugegeben und der Extinktionsabfall E über 2 Minuten gemessen. Die LDH-Aktivität pro ml soll in Relation zur Thrombozytenzahl gesetzt werden. Dazu werden definierte Mengen an Thrombozyten ebenfalls eine Stunde mit Lysis-Puffer inkubiert. Mit Hilfe dieser Ansätze wird eine Standardkurve erstellt, aus der bei ermitteltem E die Thrombozytenzahl abgelesen werden kann. 6.8 Proteinadsorption Innen- und Außenzylinder werden nach Ablauf der Versuchszeit mit je 80 ml PBS-Puffer gründlich gewaschen. Nicht-adsorbierte Proteine werden hierbei entfernt. In den Spalt zwischen den beiden wieder ineinander gesetzten Zylindern werden 6 ml Tris- Triton-Puffer (0,1 M Tris, 0,1 % Triton X-100, 6 % (v/v) Protease Inhibitor Cocktail (Sigma, Saint Louis)) gefüllt. Nach ca. sechsstündiger Inkubation bei RT wird das Eluat aliquotiert und bis zur weiteren Bearbeitung bei 20 C aufbewahrt Proteinbestimmung und fällung Die Bestimmung des Proteingehaltes im Eluat erfolgt mit dem Bio-Rad Protein Assay (Bio-Rad, München). Dieser Test beruht auf der bereits von Bradford (Bradford, 1976) beobachteten Tatsache, dass das Absorptionsmaximum des Farbstoffs Coomassie Brilliant Blue G-250 nach Bindung an die Aminogruppe von Proteinen von 465 nm hin zu 595 nm wechselt. Gegenüber anderen Testmethoden besitzt diese den Vorteil, dass ein Gehalt von 0,1 % des Detergens Triton X-100, welches standardmäßig für die Elution von Proteinen des Blutes von Biomaterialien verwendet wird, nicht stört. Als Standardprotein zur Erstellung einer Eichgeraden dient BSA. Die Proben werden nach der Proteinbestimmung für die weitere Untersuchung aufkonzentriert. Zu den eisgekühlten Proben wird 10 % v/v Trichloressigsäure (4 C) gegeben. Nach zehnminütiger Inkubation auf Eis werden die Proben 10 Minuten bei g zentrifugiert. Der Überstand wird verworfen und das ausgefällte Protein in Laemmli-Probenpuffer (siehe 6.8.2) aufgenommen. Es wird eine Proteinkonzentration von 1 mg/ml eingestellt SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophorese Die Auftrennung der von den Zylinderoberflächen eluierten Proteine erfolgt mit Hilfe der SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophorese (SDS-PAGE) nach Laemmli (Laemmli, 1970). Es werden Laemmli-Minigele mit einem Acrylamidgehalt im Trenngel von 10 % (w/v) verwendet, um insbesondere Proteine im Bereich von 50 bis

73 6.9 Verwendetes Taylor-Couette-System kda aufzutrennen. Zu diesen Proteinen gehört beispielsweise das Albumin (ca. 65 kda). Die Auftrennung größerer Proteine erfolgt über Trenngele mit einem Acrylamidgehalt von 7,5 %. Es werden je Ansatz 20 µg eluiertes Gesamtprotein aufgetragen. Die Gelelektrophoresen werden mit dem Mini-PROTEAN 3 Cell-System mit zugehörigem PowerPac (Bio-Rad, München) durchgeführt. Die Gele werden mit Coomassie Brilliant Blue-Lösung angefärbt. Der überschüssige Farbstoff wird mit Entfärbelösung entfernt, bis die Proteinbanden gut sichtbar sind. Die Gele werden mit dem Photosystem Gel Doc 2000 der Firma Bio-Rad digitalisiert und densitometrisch ausgewertet. Lösungen für die SDS-Gelelektrophorese und die Proteinfärbung Sammelgel (5 %): 26 % (v/v) Sammelgelpuffer (0,5 M Tris-HCl, 0,4 % (w/v) SDS, ph 6,8 bei RT), 5 % (w/v) Acrylamid/BIS-Acrylamid, 0,1 % (w/v) Ammoniumpersulfat, 0,1 % (v/v) TEMED Trenngel (7,5 % bzw. 10 %): 26 % (v/v) Trenngelpuffer (1,5 M Tris-HCl, 0,4 % (w/v) SDS, ph 8,8 bei RT), 7,5 % bzw. 10 % (w/v) Acrylamid/BIS-Acrylamid, 0,1 % (w/v) Ammoniumpersulfat, 0,1 % (v/v) TEMED Laemmli-Probenpuffer (LPP): 20 % (v/v) Glycerin, 4 % (w/v) SDS, 5 mm EDTA, 125 mm Tris-HCl, 5 % (v/v) Farbstofflösung (eine Spatelspitze Bromphenolblau gelöst in 10 ml 2%iger SDS-Lösung), ph 6,8 bei RT Elektrodenpuffer: 250 mm Tris-Base, 1,91 M Glycin, 1 % (w/v) SDS Coomassie Brilliant Blue-Lösung: 50 % (v/v) MeOH, 5 % (v/v) HAc, 0,05 % (w/v) Coomassie Brilliant Blue R-250 Entfärbelösung: 25 % (v/v) MeOH, 5 % (v/v) HAc 6.9 Verwendetes Taylor-Couette-System Beim dem eingesetzten Taylor-Couette-System handelt es sich um einen Prototypen, der speziell für die in dieser Arbeit abgehandelten Fragestellungen entwickelt wurde. Das Gerät wurde im Institut für Physiologie in Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Werkstätten des Universitätsklinikums Aachen konzipiert und angefertigt Aufbau des Taylor-Couette-Systems Das Taylor-Couette-System (Abb. 6.9, Abb. 6.10) besitzt eine zentrale Recheneinheit. Nach Eingabe der Zylindergeometrie kann die Scherrate manuell vorgegeben werden. Der Mikroprozessor berechnet die der Scherrate entsprechende Drehzahl des Innenzylinders bzw. die des Außenzylinders nach Gleichung (5.2). Über zwei Steuereinheiten werden die beiden Motoren vom Prozessor angesprochen. Die Übersetzung

74 66 6 Material und Methoden der Rotation zwischen Motor und Zylinderhalterung erfolgt über Treibriemen. Die Halterungen für den Innen- bzw. Außenzylinder dienen der Fixierung der Einmalzylinder aus Polystyrol. Diese Halterungen können durch die in Abschnitt beschriebenen mehrfach verwendbaren Zylinder mit den integrierten Halterungen ersetzt werden. Die obere und untere Halterung sowie die Motoren sind höhenverstellbar. Der Abstand zwischen dem Boden des Innenzylinders und dem des Außenzylinders ist justierbar. Abb. 6.9: Schematische Zeichnung des Taylor-Couette-Systems: 1: Zentrale Recheneinheit, 2: Schrittmotoren, 3: Halterung für den Innenzylinder, 4: Halterung für den Außenzylinder, 5: Stativ Abb. 6.10: Fotografie des verwendeten Taylor-Couette-Systems

75 6.9 Verwendetes Taylor-Couette-System Zylinder Als Referenzmaterial werden Einmalzylinder aus Polystyrol (PS) der Firma Greiner (Greiner GmbH, Frickenhausen) in unterschiedlichen Größen verwendet. Der Durchmesser des Zylinderpaares beträgt 3,57 cm für den Innenzylinder und 3,89 cm für den Außenzylinder. Vor dem Versuch werden die Zylinder zunächst mehrere Minuten in einer mit PBS-Puffer gefüllten Wanne gereinigt. Bevor die Zylinder luftgetrocknet werden, werden Salzreste des Puffers mit destilliertem Wasser entfernt. Weitere Messungen finden mit Zylinderpaaren aus Polymethylmethacrylat (PMMA), Polyvinylchlorid (PVC) und Teflon statt. Die Durchmesser der verwendeten Zylinder sind in Tab. 6.4 aufgeführt. Diese Zylinder wurden in den wissenschaftlichen Werkstätten des Universitätsklinikums Aachen speziell für die in der Arbeit dargestellte Anwendung angefertigt. Bei diesen Zylindern ist die Halterung direkt am Boden des Zylinderbechers angebracht. Vor und nach jedem Versuch werden diese mehrfach zu verwendenden Zylinder gründlich gereinigt. Mit einer 0,1 %igen Triton-Lösung werden evtl. adsorbierte Proteine abgelöst. Die Zylinder werden mehrmals für einige Minuten mit der Triton-Lösung inkubiert. Anschließend werden sie mit reichlich destilliertem Wasser gespült und im Ultraschallbad für ca. 10 Minuten von noch vorhandenen Rückständen befreit. Nach weiterem Spülen mit destilliertem Wasser werden die Zylinder staubfrei luftgetrocknet, bevor sie im Versuch eingesetzt werden. Tab. 6.4: Durchmesser von Zylindern aus verschiedenen Materialien ( I : Durchmesser Innenzylinder, A : Durchmesser Außenzylinder) Material I (cm) A (cm) PS 3,57 3,89 PMMA 2,11 2,47 PVC 2,06 2,51 Teflon 2,11 2,47 Berechnung der Kontaktfläche zwischen Zylinder und Flüssigkeit Zur Berechnung der Anzahl adhärenter Thrombozyten (LDH-Methode, siehe Abschnitt 6.7) bzw. der adsorbierten Proteinmenge (siehe Abschnitt 6.8) pro Zylinderfläche, muss die Kontaktfläche zwischen Zylinder und Flüssigkeit berechnet werden. Die Manteloberfläche eines Zylinders A M berechnet sich mit der Höhe h und dem Radius r nach Gleichung (6.4). Die Manteloberfläche addiert mit der Kreisfläche des Zylinderbodens A K, Gleichung (6.5), ergibt die Oberfläche A Z der verwendeten Zylinder, Gleichung (6.6).

76 68 6 Material und Methoden A M = h 2 π r (6.4) A K 2 = π r (6.5) A Z 2 = AM + AK = h π 2 r + π r (6.6) Für zwei ineinandergesetzte Zylinder (Abb. 6.11) ergibt sich die Gesamtoberfläche, die in Kontakt mit einer in den Spalt gefüllten Flüssigkeit steht, aus der Summe der Kontaktoberflächen von Innen- und Außenzylinder, Gleichung (6.7). 2 2 ( h r + r + 2 h r r ) A + ges = AI + AA = π 2 I I I A A A (6.7) A ges Kontaktoberfläche bei zwei ineinandergesetzten Zylindern A MI Manteloberfläche des Innenzylinders A MA Manteloberfläche des Außenzylinders A KI Kreisfläche des Bodens des Innenzylinders A KA Kreisfläche des Bodens des Außenzylinders A I Gesamtoberfläche des Innenzylinders (A I = A MI + A KI ) A A Gesamtoberfläche des Außenzylinders (A A = A MA + A KA ) h I Höhe des Flüssigkeitsspiegels in Kontakt mit dem Innenzylinder h A Höhe des Flüssigkeitsspiegels in Kontakt mit dem Außenzylinder r I Radius des Innenzylinders r A Radius des Außenzylinders Abb. 6.11: Couette-System mit zwei ineinander gesetzten Zylindern

77 6.10 Statistische Auswertung 69 Der Höhenunterschied zwischen Innen- und Außenzylinder ( h = h A h I ) wird im Versuch standardmäßig auf 1 mm eingestellt. In Gleichung (6.7) lässt sich somit h I durch das bekannte h ersetzen. Die Höhe h A wird über das bekannte Füllvolumen berechnet. Das Füllvolumen V z eines Zylinders wird berechnet nach Gleichung (6.8). Bei ineinandergesetzten Zylindern ergibt sich das Volumen (V ges ) zwischen den beiden Zylindern aus der Differenz der Volumina von Innen- und Außenzylinder, Gleichung (6.9). Das Volumen innerhalb des Spaltes entspricht dem Füllvolumen. V Z 2 = h π r (6.8) V ges = ( h ( r r ) + r h ) π A A I I (6.9) Durch Einsetzen und Umformen ergibt sich aus den Gleichungen (6.7) und (6.9) die Kontaktfläche zwischen den Zylindern und der Flüssigkeit in Abhängigkeit von der Füllhöhe: Vges 2 ri h 2 2 A = + + ges π π 2 ra ri 2 h ri (6.10) ( ra ri ) 6.10 Statistische Auswertung Für die einzelnen Fragestellungen werden zunächst die Nullhypothese (H 0 ) und die Alternativhypothese (H 1 ) aufgestellt. Die Alternativhypothese beinhaltet, dass der zu untersuchende Parameter einen Einfluss auf die Messgröße hat. Somit entspricht die Alternativhypothese der Forschungshypothese. Man unterscheidet zwischen der gerichteten und der ungerichteten Hypothese. Bei der ungerichteten (oder auch zweiseitigen) Hypothese wird nichts über die Richtung des Unterschiedes ausgesagt. Die gerichtete (auch einseitige) Hypothese wird formuliert, wenn aufgrund inhaltlicher Überlegungen bereits Kenntnisse über die Richtung eines möglichen Unterschiedes vorliegen. Die Nullhypothese geht davon aus, dass die Annahme der Alternativhypothese nicht zutrifft. Die bedeutet in der vorliegenden Arbeit, dass der variierte Parameter keinen Einfluss auf die Messgröße hat. Das Signifikanzniveau wird gemäß dem bei diesen Fragestellungen üblichen Wert auf α = 0,05 festgelegt. Bei einem signifikanten Ergebnis (p 0,05) wird zugunsten der Alternativhypothese entschieden und die Nullhypothese verworfen.

78 70 6 Material und Methoden Die Stichproben sind entsprechend des jeweiligen Ansatzes paarig (verbunden) oder unverbunden. Beispielsweise erfordert die Fragestellung, ob Taylor-Wirbel einen Einfluss auf den Grad der Thrombozytenaktivierung haben, paarige Stichproben, bei denen das Blut eines Spenders unter laminaren und unter mit Wirbeln behafteten Strömungsbedingungen untersucht wird. Als Signifikanztest wird der t-test verwendet. Der t-test geht von einer Normalverteilung der Prüfgröße aus, ist jedoch robust gegenüber Abweichungen von der Normalverteilung (Weiß, 1999). Mit Hilfe des Kolmogoroff-Smirnov-Anpassungstests mit Lilliefors-Schranken (KSA-Test) wird gegebenenfalls überprüft, ob eine Normalverteilung der Messwerte vorliegt (Bortz und Lienert, 1998). Der KSA-Test eignet sich als exakter Test besonders für kleinere Stichproben, während für Stichproben größeren Umfanges (n > 100) üblicherweise der Chi-Quadrat-Anpassungstest zur Prüfung auf Normalverteilung eingesetzt wird. Die statistische Auswertung (t-test, Berechnung von Mittelwerten, Standardabweichungen etc.) erfolgte ebenso wie die graphische Darstellung der Messwerte mit Hilfe des Programms Microsoft Excel 97.

79 7.1 Einfluss der Versuchsdauer 71 7 Voruntersuchungen zur Etablierung des Taylor-Couette- Systems Das Taylor-Couette-System sowie ein großer Teil der eingesetzten Analytik wurden im Rahmen dieser Arbeit in der Arbeitgruppe etabliert. Dies erforderte einige Voruntersuchungen, deren Ergebnisse in diesem Kapitel dargestellt werden. In Abschnitt 7.1 wird der Einfluss der Versuchsdauer untersucht. Abschnitt 7.2 beinhaltet die Ergebnisse zur Untersuchung der Erythrozytenschädigung im Taylor-Couette-System. Abschnitt 7.3 schließlich geht auf die Stimulierung der Thrombozyten mit ADP ein. Für dieses sowie die folgenden Kapitel gilt, dass bei der Darstellung der Ergebnisse zwischen Versuch und Ansatz unterschieden wird (siehe auch Abschnitt 16.3 im Anhang). Ein Versuch beinhaltet die Experimente, die mit dem Blut eines Spenders durchgeführt werden. Die einzelnen Experimente werden als Ansatz bezeichnet. Jeder Versuch ist somit aus mehreren Ansätzen zusammengesetzt. Für jede Fragestellung werden mehrere unabhängige Versuche mit dem Blut verschiedener Spender durchgeführt. Die Anzahl n dieser Versuche wird angegeben. Ebenfalls findet eine Unterscheidung zwischen Versuchsdauer und Scherdauer statt. Die Versuchsdauer umfasst die gesamte Zeitspanne von der Blutentnahme bis zur Beendigung des letzten Ansatzes. Die Scherdauer ist der Zeitraum, in dem sich das Blut zwischen den Zylindern befindet und der jeweilige Zylinder rotiert. 7.1 Einfluss der Versuchsdauer Für viele Fragestellungen wie beispielsweise dem Vergleich des Einflusses unterschiedlicher Scherdauer oder Scherraten ist es wichtig, möglichst viele Ansätze mit dem Blut eines Spenders durchführen zu können. Die entnommene Blutmenge von 80 bis 100 ml begrenzt diese Anzahl auf maximal 8 bis 12 Ansätze. Für die Durchführung eines Versuches diesen Umfanges ist eine Gesamtversuchsdauer von 90 bis 120 Minuten notwendig. Während dieser Zeit wird das Blut in der Perfusor -Spritze gelagert. Aufgrund der möglichen Sedimentation von Zellen zwischen den einzelnen Ansätzen wird die Spritze vor jedem Einfüllen des Blutes vorsichtig viermal umgeschwenkt. Sowohl die Lagerungsdauer über einen Zeitraum bis zu 120 Minuten als auch das Umschwenken der Spritze stellen äußere Einflüsse dar, die die Thrombozytenaktivierung beeinflussen können. Die Auswirkung der Versuchsdauer auf die analysierten Parameter wird bestimmt, indem zu Versuchsbeginn eine Kontrollprobe direkt aus der Spritze entnommen wird und ebenso zum Schluss, nachdem die einzelnen Ansätze durchgeführt sind. Für diese Kontrollen werden die Parameter analysiert und verglichen. Die Kontrolle zu Versuchsbeginn wird als NA (Nativ Anfang), die am Versuchende als NE (Nativ Ende) bezeichnet.

80 72 7 Voruntersuchungen zur Etablierung des Taylor-Couette-Systems In Abb. 7.1 ist der Einfluss der Versuchsdauer auf die Ausschüttung des Plättchenfaktors 4 und auf die Anzahl der im Blut befindlichen Thrombozyten dargestellt. Der durchschnittliche Plasmagehalt für PF4 liegt beim gesunden Spender bei 2,8 IU/ml mit einer Variation zwischen 1,0 und 8,9 IU/ml (Takahashi, et al., 1988). Der in dieser Arbeit gemessene durchschnittliche PF4-Gehalt in der NA-Probe liegt bei 2,81 IU/ml und variiert zwischen 0,84 und 6,18 IU/ml. Nach 90 bis 120 Minuten steigt der PF4- Spiegel im Plasma der NE-Probe auf einen Wert von durchschnittlich 17,72 IU/ml. Dieser Anstieg ist statistisch signifikant. Im Vergleich zu den PF4-Gehalten, die sich in den Versuchen durch die Scherung ergeben, und die Werte von bis zu 250 IU/ml erreichen, jedoch vernachlässigbar. Die Thrombozytenzahl ist ein wichtiger Marker in der Biomaterialforschung. Neben der Thrombozytenadhäsion sind Aggregation und Zelllyse Ursachen, die zum Abfall der Thrombozytenzahl führen (Lindhout, 1994). Die durchschnittliche Anzahl der Thrombozyten liegt sowohl in der NA-Probe als auch in der NE-Probe bei /µl. Die Lagerung in der Perfusor -Spritze über die gesamte Versuchsdauer hat somit keinen Einfluss auf den Parameter Thrombozytenzahl. Abb. 7.1: Einfluss der Gesamtversuchsdauer ( min) auf die PF4-Freisetzung und die Thrombozytenzahl (n=12). Die gestreiften Balken stellen das Ergebnis für die Messung der Probe NA, die gepunkteten für NE dar. ( p<0,05) Bei Untersuchungen zur scherinduzierten Aktivierung der Thrombozyten wurde schon früh besonderes Augenmerk auf die Entstehung von Aggregaten gelegt (Anderson et al., 1978). Auch in der Biomaterialforschung wurde die Entstehung von Aggregaten als Marker zur Beurteilung der Thrombogenität vorgeschlagen (Lane und Bowry, 1994). Die Messung der Aggregatbildung war zum damaligen Zeitpunkt nur mit Hilfe der Turbidometrie, der Aggregometrie oder dem Partikelzählgerät möglich. Diese Methoden besitzen entscheidende Nachteile (Konstantopoulos et al., 1995). Bei der Turbidometrie kann nicht mit Vollblut gearbeitet werden. Das Partikelzählgerät ist nicht in der Lage, zwischen Thrombozytenaggregaten und anderen Blutzellen zu differenzieren, kann also ebenfalls nicht bei der Untersuchung von Vollblut eingesetzt werden. Die Aggregometrie detektiert lediglich Makroaggregate. Lange Zeit konnte die Entstehung erster kleiner Aggregate bestehend aus nur wenigen Thrombozyten nicht detektiert

81 7.1 Einfluss der Versuchsdauer 73 werden und wurde als preaggregatorische Reaktion bezeichnet (Gear, 1981). Erst mit der Entwicklung der Durchflusszytometrie existiert ein sensitives Werkzeug zur Untersuchung scher- und materialinduzierter Aggregatentstehung, welches auch die preaggregatorische Reaktion erfasst (Matzdorff, 2000). Die Messung der Aggregatentstehung in der NA- und der NE-Probe mit Hilfe der Durchflusszytometrie zeigt, dass dieser Parameter nicht zeitsensitiv ist (Abb. 7.2). Abb. 7.2: Einfluss der Gesamtversuchsdauer ( min) auf die Entstehung von Mikropartikeln und Aggregaten (n=12). Gestreifte Balken: NA; gepunktete: NE. ( p<0,05) Ebenfalls keine durch Lagerung und Versuchszeit bedingte Änderung ist bei der Mikropartikelentstehung zu beobachten (Abb. 7.2). Mikropartikel entstehen in vivo und in vitro bei der Aktivierung von Thrombozyten. Verschiedene Erkrankungen gehen mit einer erhöhten Thrombozytenaktivierung und einer damit verbundenen Mikropartikelbildung einher (Nomura et al., 1995; Singh et al., 1995). Bei In-vitro-Versuchen führten der Einsatz der chemischen Stimuli Thrombin, Collagen und des Calcium-Ionophors A23187 (Barry et al., 1997) sowie hohe Schubspannungen oberhalb von 10 Pa (Miyazaki et al., 1996) zur Bildung von Mikropartikeln. Der Anteil der Einzelzellen bleibt unverändert, was aufgrund der Tatsache, dass weder Aggregate noch Mikropartikel entstehen, zu erwarten ist. Bei der Beurteilung der Thrombozytenaktivierung mit Hilfe der Durchflusszytometrie wird die Expression des Glykoproteins P-Selektin mit Hilfe des Antikörpers anti-cd62p nachgewiesen. Bei einer Gesamtversuchsdauer von 90 bis 120 Minuten zeigt sich für die Expression von CD62P kein Unterschied zwischen Versuchsbeginn und Versuchende (Abb. 7.3). Ein anderes Ergebnis ergibt die Untersuchung des Aktivierungszustandes des Fibrinogenrezeptors GP IIb-IIIa mit dem Antikörper PAC1 gegen den aktivierten, nicht ligandenbesetzten Rezeptor und mit dem Antikörper gegen den Liganden Fibrinogen. Der Anteil der Thrombozyten mit aktiviertem Fibrinogenrezeptor ohne gebundenem Fibrinogen steigt im Verlauf der Versuche signifikant von durchschnittlich etwa 11 % auf 26 %, der Anteil der Thrombozyten mit gebundenem Fibrinogen sogar von durchschnittlich 17 % auf 47 % an. Anders als bei der Ausschüttung von PF4 ist dieser Anstieg nicht vernachlässigbar, da er in der Größenordnung der

82 74 7 Voruntersuchungen zur Etablierung des Taylor-Couette-Systems Messwerte liegt. Der Schwellwert der intrazellulären Ca 2+ -Konzentration, oberhalb dessen es zur Fibrinogenrezeptoraktivierung kommt, liegt sehr niedrig (siehe Abb. 2.4). Die Dauer und Art der Lagerung in der Perfusor -Spritze sowie das leichte Umschwenken vor Einfüllen des Blutes in die Zylinder führen zur Überschreitung dieses Schwellwertes. Abb. 7.3: Einfluss der Gesamtversuchsdauer ( min) auf die durchflusszytometrisch ermittelten Parameter CD62P, Fib und PAC1 (n=12). Gestreifte Balken: NA; gepunktet: NE. ( p<0,05) 7.2 Erythrozytenschädigung im Taylor-Couette-System Eine wichtige Voraussetzung für die Durchführung der Versuche ist, dass keine Hämolyse stattfindet. Hämolyse ist als die Auflösung von Erythrozyten infolge der Zerstörung ihrer Zellmembran definiert. Unphysiologische Strömungssituationen können zu einer Erythrozytenschädigung führen. Einflussgebende Faktoren sind dabei Belastungsdauer, Scherrate bzw. Schubspannung, Turbulenzgrad und die Komplexität der Belastung (Paul, 2000). Unabhängig von der Strömung kann auch der Kontakt mit der Materialoberfläche hämolytisch wirken. Die ISO gibt daher die Messung der Hämolyse als ein Testverfahren zur Beurteilung der Biokompatibilität an. Bei der Hämolyse wird in hohem Maße ADP aus den Erythrozyten freigesetzt. Schon früh war bekannt, dass dieses freigesetzte ADP die Adhäsion der Blutplättchen an Oberflächen stimuliert (Born, 1966) und die Thrombozytenaggregation induziert (Born, 1967). Findet bei den Blutscherungsversuchen eine Hämolyse statt, so kann bei der Untersuchung der Aktivierung der Thrombozyten nicht mehr differenziert werden, welche Aktivierungsprozesse ursächlich durch die Strömung hervorgerufen werden und welche lediglich die Folge von Erythrozytenschädigungen sind. Das Ausmaß der Hämolyse wird wie in Abschnitt beschrieben mit Hilfe des Hämolyseindex IH bewertet. In Abb. 7.4 ist der IH gegen die Scherdauer aufgetragen. Bis zu einer Scherdauer von 20 Minuten ist keine Hämolyse feststellbar. Selbst die maximalen IH-Werte überschreiten 0,02 % nicht. Die IH-Werte liegen damit im

83 7.3 Stimulierung der Thrombozyten mit ADP 75 initialen Fehlerbereich der Messinstrumente. Erst oberhalb von 0,05 % besitzt die Angabe des mit Gleichung (6.2) berechneten IH praktische Relevanz (Paul, 2000). Die Messung des plasmatischen LDH-Gehaltes, die wie in Abschnitt beschrieben durchgeführt wird, bestätigt das Ergebnis. Es kann keine Freisetzung des Enzyms, die auf eine Schädigung von Blutzellen hinweisen würde, nachgewiesen werden. Auch hier liegen die Messergebnisse im Fehlerbereich der Analytik, sind somit gleich Null zu setzen. Abb. 7.4: Erythrozytenschädigung im Taylor-Couette-System unter Verwendung von PS- Zylindern. (γ& = 600 s -1, n = 5) 7.3 Stimulierung der Thrombozyten mit ADP Vom Aktivierungszustand der Thrombozyten ist die Stimulierbarkeit oder Sensitivität zu unterscheiden. Nach Ausübung eines bestimmten Reizes auf die Thrombozyten wird das Ausmaß der Aktivierung der Zellen untersucht. Der Aktivierungszustand gibt an, welche Wirkung der Stimulus, d. h. beispielsweise die Scherung, auf die Thrombozyten gehabt hat. Interessant ist aber auch, ob der Reiz Einfluss auf die Stimulierbarkeit der Zellen ausübt, d. h. ob die Zelle bzw. die Gesamtpopulation der Zellen nach Einwirkung des Stimulus noch zu den selben Leistungen befähigt ist, wie ohne Ausübung des Reizes. Beispielsweise werden die Thrombozyten nach Ex-vivo- Zirkulation in einem extrakorporalen Kreislauf mit Membranoxygenator insensitiv gegenüber ADP-Stimulierung (Addonizio et al., 1979). Die Sensitivität der Zellen wird mit Hilfe von Agonisten überprüft. In vivo und in vitro spielen die Agonisten Kollagen, Thrombin und ADP die größte Rolle bei der agonisteninduzierten Thrombozytenaktivierung. ADP ist der wahrscheinlich wichtigste Agonist der Thrombozytenaktivierung (Puri, 1999). ADP induziert die thrombozytäre Formänderung, die Aktivierung des Fibrinogenrezeptors, die Aggregation und den Influx bzw. die intrazelluläre Mobilisierung von Ca 2+. ADP gehört zu den so genannten schwachen Agonisten (Huang und Detwiler, 1986). Die Agonisten der Thrombozytenaktivierung werden in schwache, z. B. ADP, und starke, z. B. Thrombin, Agonisten unterteilt. Bei diesen beiden Gruppen unterscheiden sich die

84 76 7 Voruntersuchungen zur Etablierung des Taylor-Couette-Systems Signaltransduktionswege und dementsprechend die induzierten Antworten. Schwache Agonisten führen zum Formwandel und zur Aggregation. Die Sekretion können sie nur bedingt hervorrufen. ADP induziert beispielsweise im Vergleich zu Thrombin nur zu 50 % die Sekretion (Charo et al., 1977). Die meisten Untersuchungen wurden in der Vergangenheit mit plättchenreichem Plasma (PRP) durchgeführt. Neuere Arbeiten haben gezeigt, dass sich die Antwort der Thrombozyten auf die Gabe von ADP in Vollblut von der in PRP zum Teil unterscheidet (Jy et al., 1998). Der Anteil CD62P-positiver Aggregate nach ADP-Stimulation beispielsweise ist in Vollblut gegenüber PRP erhöht. In dieser Arbeit wird im Rahmen der Voruntersuchungen ermittelt, wie sich verschiedene ADP-Konzentrationen auf die Parameter der Thrombozytenaktivierung in Vollblut auswirken. Die mit Hilfe der Durchflusszytometrie bestimmten Parameter Fibrinogenrezeptoraktivierung, CD62P-Expression und Mikropartikel- bzw. Aggregatbildung werden nach Zugabe verschiedener ADP-Konzentrationen und 2- bzw. 5-minütiger Inkubation gemessen. Der Funktionszustand des Fibrinogenrezeptors nach Stimulation mit ADP wird bestimmt. Dabei wird zwischen dem aktivierten Rezeptor, der kein Fibrinogen gebunden hat (siehe Abb. 7.5, links) und dem ligandenbesetzten Rezeptor unterschieden (siehe Abb. 7.5, rechts). Es ergibt sich eine vergleichbare Dosis-Wirkungskurve. Der Kurvenverlauf nach 2-minütiger Stimulation ist vergleichbar mit dem nach 5-minütiger Stimulation. Bereits durch die Zugabe geringer Mengen ADP wird sowohl der Anteil der Thrombozyten mit aktiviertem, nicht mit Fibrinogen besetztem Rezeptor als auch der Thrombozyten, die Fibrinogen gebunden haben deutlich erhöht. Dies ist unter Umständen eine Folge der Versuchsdurchführung, bei der das Blut mit der ADP-Lösung gemischt wird. Das Pipettieren und vorsichtige Mischen stellen wahrscheinlich bereits aktivierende Schritte dar. Abb. 7.5: Aktivierung des Fibrinogenrezeptors bei Stimulation mit ADP. Links: PAC1-positive Thrombozyten; rechts: Anteil der Thrombozyten mit gebundenem Fibrinogen. Der eigentliche durch die steigende ADP-Konzentration bedingte Anstieg findet ab einer ADP-Konzentration von 0,1 µm statt. Oberhalb von 10 µm erreicht die Fibrinogenrezeptoraktivierung ihr Maximum: Bei beiden Parametern beträgt der Anteil

85 7.3 Stimulierung der Thrombozyten mit ADP 77 positiver Thrombozyten nahezu 95 %. Die Ergebnisse stimmen mit den aus der Literatur bekannten Untersuchungen überein. Michelson et al. erhielten für die Bindung von PAC1 nach 15-minütiger Stimulation von Vollblut mit verschiedenen ADP- Konzentrationen einen vergleichbaren Kurvenverlauf wie in Abb. 7.5 (links) dargestellt (Michelson et al., 1991). Jackson und Jennings bestimmten bei der 5-minütigen Stimulation von PRP eine mit Abb. 7.5 (rechts) vergleichbare Dosis-Wirkungskurve für die Bindung von Fibrinogen (Jackson und Jennings, 1989). Abb. 7.6: Expression von CD62P bei Stimulation mit ADP. Die Expression des Glykoproteins P-Selektin und damit die Bindung von anti- CD62P (Abb. 7.6) verläuft in vergleichbarer Weise wie die Aktivierung des Fibrinogenrezeptors. Zwischen einer ADP-Konzentration von 0,1 und 10 µm findet ein Anstieg statt, der oberhalb von ca. 30 µm sein Maximum erreicht. Der maximale Anteil CD62Ppositiver Thrombozyten nach ADP-Stimulation beträgt ca. 60 %. Abb. 7.7: Bildung von Mikropartikeln und Aggregaten bei Stimulation mit ADP (n = 2). Links: 2 min Stimulation mit ADP; rechts:5 min Stimulation mit ADP. ( : Einzelzellen; : Aggregate; : Mikropartikel) Durch die Zugabe von ADP auch in hohen Konzentrationen wird sowohl bei 2- als auch 5-minütiger Stimulation keine Mikropartikelbildung induziert (Abb. 7.7). Dies unterscheidet ADP von den Agonisten Thrombin und Kollagen und dem Calcium Ionophor A23187, die nach Inkubation zur Bildung von Mikropartikeln führen (u.a. Barry

86 78 7 Voruntersuchungen zur Etablierung des Taylor-Couette-Systems et al., 1997). Matzdorff et al. konnten zwar auch durch ADP-Gabe die Mikropartikelbildung steigern (Matzdorff et al., 1998b), allerdings wurde in diesen Versuchen PRP mit verschiedenen ADP-Konzentrationen bei 37 C unter Rühren (900 Upm) inkubiert. Es ist nicht auszuschließen, dass die Mikropartikelbildung ursächlich durch dieses Rühren bedingt war. Anders als die Mikropartikelbildung wird die Bildung von Aggregaten sehr wohl durch ADP induziert (Abb. 7.7). Auch hier findet ein Anstieg zwischen 0,1 und 10 µm statt. Der Anteil der Aggregate nimmt bis auf ca. 30 % zu. Die Zahl der Einzelzellen fällt dementsprechend auf bis zu ca. 70 % ab. 7.4 Diskussion In diesem Kapitel werden wichtige Randbedingungen für die nachfolgenden Messungen im Taylor-Couette-System untersucht. Die Untersuchungen zum Einfluss der Versuchsdauer auf die Messparameter zeigen, dass bei dem Abfall der Thrombozytenzahl, der Mikropartikel- und Aggregatbildung sowie der CD62P-Expression keine durch die Versuchszeit beeinflusste Änderung zu erwarten ist. Die PF4-Freisetzung wird hingegen beeinflusst, wenn auch in einem vernachlässigbaren Ausmaß. Kritischer Parameter ist die Ermittlung des Aktivierungszustandes des Fibrinogenrezeptors. Die Aktivierung dieses Rezeptors erfolgt sowohl strömungs- als auch zeitlich bedingt. Das Problem wird durch Permutation der verschiedenen Ansätze gelöst. Dies bedeutet, dass ein bestimmter Ansatz innerhalb der n Versuche an möglichst verschiedenen Positionen in der zeitlichen Reihenfolge stehen sollte. Gleichzeitig müssen zwei Ansätze, die direkt miteinander verglichen werden sollen (beispielsweise eine vorgegebene Scherrate mit und ohne Taylor-Wirbel) möglichst in direkter Abfolge durchgeführt werden. Nur so ist die Möglichkeit gegeben, den Einfluss auf den Aktivierungszustand des Fibrinogenrezeptors zu ermitteln. Die Untersuchungen zur Erythrozytenschädigung zeigen, dass das Taylor- Couette-System zumindest bei einer Scherdauer bis zu 20 Minuten und einer Scherrate bis zu γ& = 600 s -1 für Untersuchungen hinsichtlich der Scherung von Vollblut geeignet ist. Es findet im System keine Hämolyse statt, die die Ergebnisse zur Thrombozytenaktivierung beeinflussen würde. Die in Abschnitt 7.3 dargestellten Ergebnisse zur Untersuchung der Stimulierbarkeit der Thrombozyten mit ADP dienen als Vergleichswerte für weitere in dieser Arbeit dargestellte Untersuchungen beispielsweise zur Scherdauer (Kapitel 9) oder zum Einsatz antithrombozytärer Substanzen (Kapitel 12). Eine Absenkung beispielsweise der Aktivierbarkeit des Fibrinogenrezeptors auf unter 95 % würde darauf schließen lassen, dass durch die Versuchsbedingungen die Stimulierbarkeit der Zellen oder der Anteil stimulierbarer Zellen an der Thrombozytenpopulation verringert wurde. Eine 2- minütige Inkubation mit 10 bis 30 µm ADP reicht aus, die für diesen Agonisten spezifische maximale Thrombozytenaktivierung zu induzieren.

87 8.1 Vergleich unterschiedlicher Zylindermaterialien 79 8 Charakterisierung von Polystyrol als Referenzmaterial In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Untersuchungen dargestellt, die zur Etablierung der verwendeten Polystyrolzylinder als Referenzmaterial dienen. Die PS- Zylinder werden mit Zylindern aus anderen Materialien verglichen (Abschnitt 8.1). Die Thrombozytenadhäsion (Abschnitt 8.2) und die Adsorption plasmatischer Proteine (Abschnitt 8.3) auf der PS-Oberfläche werden charakterisiert. 8.1 Vergleich unterschiedlicher Zylindermaterialien Die Einmalzylinder aus PS werden hinsichtlich der Änderung der Thrombozytenzahl, der Thrombozytenadhäsion und der Thrombozytenaktivierung mit mehrfach zu verwendenden Zylindern aus PVC, Plexiglas (PMMA) und Teflon verglichen. Die Versuche werden mit plättchenreichem Plasma (PRP) durchgeführt, um die Zahl der adhärenten Thrombozyten mit Hilfe der LDH-Methode ermitteln zu können (siehe weiter unten). Das PRP beinhaltet eine mit dem Vollblut vergleichbare Anzahl an Thrombozyten und wird 10 Minuten bei einer Scherrate von γ& = 600 s -1 unter laminaren Strömungsbedingungen in den jeweiligen Zylindern geschert. Ein Vergleich der Thrombozytenzahl nach Scherung (Abb. 8.1) zeigt, dass bei Kontakt mit PS die Zahl im Plasma verbleibender Thrombozyten bei nahezu 100 % bleibt. Bei Kontakt mit Zylinderoberflächen aus Plexiglas oder Teflon ist ein geringer Abfall der Thrombozytenzahl zu verzeichnen. Lediglich nach Scherung in den PVC- Zylindern fällt die Zahl der Thrombozyten etwas stärker auf durchschnittlich 93 % der vor Versuchsbeginn ermittelten Zellzahl ab. Abb. 8.1: Anteil verbleibender Thrombozyten im PRP (links) und Thrombozytenadhäsion auf den Oberflächen (rechts) nach Scherung in Zylindern verschiedener Materialien. (γ& = 600 s -1, t = 10 min, n = 4) Die Untersuchung der Anzahl adhärenter Thrombozyten auf den Oberflächen der verschiedenen Zylinder mit Hilfe der LDH-Methode unterstützt das durch die

88 80 8 Charakterisierung von Polystyrol als Referenzmaterial Zellzählung gewonnene Bild. Auf der PS-Oberfläche adhäriert lediglich eine geringe Anzahl Thrombozyten (durchschnittlich 2, Thr/cm 2 ). Die Adhäsion auf den anderen Oberflächen verläuft konform zum ermittelten Thrombozytenzahlabfall. PVC weist die dichteste Zelladhäsion mit im Mittel 22, Thr/cm 2 auf. Auf Plexiglas und Teflon findet eine durchschnittliche Adhäsion von 8, bzw Thr/cm 2 statt. Als Parameter für die Aktivierung der Thrombozyten wird die Ausschüttung des Granulaproteins PF4 untersucht. Für alle Materialien ergibt sich ein in etwa gleicher PF4-Gehalt im Plasma (Abb. 8.2). Die Ausschüttung von PF4 ist - wie in dieser Arbeit mehrfach gezeigt wird - oft eng mit der Adhäsion der Thrombozyten gekoppelt. Adhärente Zellen können fortgeschritten aktiviert sein und sezernieren dann PF4. Bei den hier dargestellten Versuchen sind keine adhäsionsbedingten Unterschiede im PF4- Gehalt detektierbar, d. h. trotz erhöhter Thrombozytenadhäsion auf den PVC-Zylindern ist keine erhöhte PF4-Ausschüttung zu beobachten. Dies liegt möglicherweise daran, dass der Prozentsatz adhärenter Blutplättchen sehr niedrig ist. Auch wenn sich die adhärenten Zellen in einem frühen Aktivierungsstadium befinden, ist die Auswirkung der Adhäsion auf die PF4- Ausschüttung gering. Abb. 8.2: PF4-Gehalt im PRP nach Scherung in Zylindern verschiedener Materialien. (γ& = 600 s -1, t = 10 min, n = 4) Die erhöhten PF4-Werte im Vergleich zu den Basiswerten der Spender (siehe Kapitel 7.1) können sich zwar durch die Scherung ergeben, grundsätzlich sind aber die Werte der PF4-Ausschüttung bei Versuchen mit PRP nicht mit den Werten für Versuche mit Vollblut vergleichbar. Bei der Gewinnung des PRP erfolgen diverse Zentrifugationsschritte etc., die ebenfalls eine Zellaktivierung hervorrufen können. 8.2 Thrombozytenadhäsion auf den PS-Oberflächen Parallel zu den Versuchen mit PRP (Abschnitt 8.1) finden für die PS-Zylinder auch Versuche mit Vollblut statt. Hierbei zeigen sich bemerkenswerte Unterschiede hinsichtlich der Anzahl verbleibender Thrombozyten im Blut nach Materialkontakt. Bei 10-minütiger laminarer Scherung mit einer Scherrate von γ& = 600 s -1 fällt die

89 8.2 Thrombozytenadhäsion auf den PS-Oberflächen 81 Thrombozytenzahl im Vollblut auf ca. 60 % des Ausgangswertes ab. Bei Scherung des PRP verbleiben hingegen nahezu 100 % der Blutplättchen im Plasma. Die Zahl adhärenter Thrombozyten wird für die Vollblut-Versuche mit Hilfe der REM bestimmt, für die Versuche mit PRP mit Hilfe der LDH-Methode. Die auf diese Weise ermittelten Werte (Tab. 8.1) bestätigen die Ergebnisse der Zellzahlmessung: In den Ansätzen mit Vollblut können auf der PS-Zylinderoberfläche (454,8 ± 126,4) 10 4 Thr/cm 2 nachgewiesen werden, in den Versuchen mit PRP lediglich (2,38 ± 0,28) 10 4 Thr/cm 2. Neben diesen beiden Messwerten enthält die Tabelle drei weitere Werte zum Vergleich. Tab. 8.1: Thrombozytenadhäsion auf PS-Oberflächen (PRP: plättchenreiches Plasma). Ansatz Thr pro Fläche ( 10 4 Thr/cm 2 ) Versuchsbedingungen Abschätzung 800 Annahme: aktivierte Thrombozyten Abschätzung 3) 2500 Annahme: ruhende Thrombozyten, Dichtestpackung PRP 1), 4) 31,9 ± 0,27 Statisch, 1 h bei 37 C, PS-Mikrotiterplatten PRP 1) 2,38 ± 0,28 Dynamisch (γ& = 600 s -1 ), 10 min bei RT, PS-Zylinder Vollblut 2) 68,23 ± 20,4 Statisch, 10 min bei RT, PS-Zylinder Vollblut 2) 454,8 ± 126,4 Dynamisch (γ& = 600 s -1 ), 10 min bei RT, PS-Zylinder 1) Adhäsion gemessen mit der LDH-Methode 2) Adhäsion bestimmt mit Hilfe der REM 3) Literaturangabe (Brash et al., 1976) 4) Literaturangabe (Grunkemeier et al., 1998) Eine mathematische Abschätzung soll zeigen, mit wie vielen Thrombozyten ein Quadratzentimeter Fläche maximal besetzt sein kann, wenn davon ausgegangen wird, dass ein Zellmonolayer ausschließlich aus Thrombozyten gebildet wird. Diese Annahme wird für die in dieser Arbeit verwendeten PS-Zylinder getroffen. Sie basiert auf der Auswertung der REM-Aufnahmen (Abb. 8.3), die stets ausschließlich adhärente Thrombozyten, nicht aber Erythrozyten oder Leukozyten zeigt. Der Durchmesser der adhärenter, aktivierter Thrombozyten variiert zwischen 3 und 4 µm (Gawaz, 1999). Dieser Literaturwert kann anhand der REM-Aufnahmen bestätigt werden. Für die Abschätzung wird von einem mittleren Durchmesser von 3,5 µm ausgegangen. Dies berücksichtigt, dass sich viele Thrombozyten in einem aktivierten Stadium befinden. Auf einem Quadratzentimeter Fläche finden somit ca Thrombozyten

90 82 8 Charakterisierung von Polystyrol als Referenzmaterial nebeneinander Platz (ohne Berücksichtigung einer möglichen Dichtestpackung kugelförmiger Objekte). Nach der zehnminütigen Scherung mit Vollblut (Scherrate von γ& = 600 s 1 ) erreicht die Thrombozytenadhäsion mehr als die Hälfte dieses Wertes. Eine von Brash et al. durchgeführte Abschätzung berücksichtigt die stattfindenden Aktivierungsvorgänge nicht und geht von ruhenden, kugelförmigen Thrombozyten ohne Spreizung oder Pseudopodienbildung und einer Dichtestpackung aus. Diese Abschätzung ergibt eine maximale Bedeckung mit Thr/cm 2 (Brash et al., 1976). Abb. 8.3: REM-Aufnahmen von der Thrombozytenadhäsion auf der PS-Oberfläche des Innenzylinders nach laminarer Scherung von Vollblut. Links: Präparat in 300facher Vergrößerung; rechts: Präparat in 2400facher Vergrößerung. Die Tab. 8.1 enthält weiterhin zum Vergleich einen experimentellen Literaturwert. Grunkemeier et al. haben eine Adhäsion von (31,9 ± 0,27) 10 4 Thr/cm 2 auf PS nach Inkubation mit PRP gemessen (Grunkemeier et al., 1998). Der Nachweis erfolgte ebenfalls mit der LDH-Methode. Das PS liegt in dieser Arbeit in Form von Mikrotiterplatten vor. Die Inkubation erfolgte unter statischen Bedingungen über eine Stunde bei einer Temperatur von 37 C. Im Rahmen dieser Arbeit finden auch Versuche unter statischen Bedingungen statt. Wie bei den dynamischen Versuchen werden 6,5 ml Vollblut zwischen die Zylinder gefüllt und dort zehn Minuten ohne Rotation der Zylinder bei Raumtemperatur inkubiert. Unter diesen Bedingungen adhärieren (68,23 ± 20,4) 10 4 Thr/cm 2. Die Adhärenz wird mit Hilfe der REM ermittelt. Bei der Inkubation von Vollblut zwischen den Zylindern ohne Scherung des Blutes (γ& = 0 s -1 ) adhärieren im gleichen Zeitraum von zehn Minuten deutlich weniger Thrombozyten. Ein Betrachtung des Aktivierungsstadiums der adhärenten Zellen zeigt, dass sich die unter statischen Bedingungen adhärierten Thrombozyten zum großen Teil in weit fortgeschrittenen Aktivierungsstadien befinden (Abb. 8.4).

91 8.3 Proteinadsorption 83 Abb. 8.4: REM-Aufnahmen unter statischen Bedingungen adhärierter Zellen. Die Aufnahmen zeigen die Oberflächen der Außenzylinder von zwei unabhängigen Versuchen mit verschiedenen Spendern. (γ& = 0 s -1, t = 10 min, Vergrößerung 2400 ) 8.3 Proteinadsorption Die Adsorption von Plasmaproteinen auf der Oberfläche von Biomaterialien spielt eine wichtige Rolle in der Beurteilung der Thrombogenität des Materials. Die Proteinadsorption findet unmittelbar beim Kontakt des Blutes mit der Oberfläche statt. Die aus dem Vollblut adsorbierten Proteine können direkt die Bildung von Thrombin induzieren (Rollason und Sefton, 1992; Lane und Bowry, 1994). Daneben finden weitere komplexe Interaktionen zwischen den plasmatischen (Gerinnung, Komplementsystem) und zellulären (Thrombozyten, Phagozyten, Immunzellen) Bestandteilen des Blutes statt, die zur Bildung aktivierter Zellen und chemisch aktiver Mediatoren führen (Abb. 8.5). Diese reaktiven Bestandteile können auf ihrem Weg durch den menschlichen Körper an unvorhersehbaren Stellen zu Komplikationen führen. Untersuchungen haben gezeigt, dass alle wichtigen plasmatischen Proteine an der Bildung des Proteinlayers beteiligt sind (Mulzer und Brash, 1989). Es wurde jedoch noch kein Protein identifiziert, das eine führende Rolle bei der Thrombusbildung einnimmt. Studien, in denen die Adsorption einzelner isolierter Proteine und die Interaktion dieser adsorbierten Proteine mit den Thrombozyten untersucht wurden, weichen in ihren Ergebnissen stark von den Ergebnissen der mit Vollblut durchgeführten Studien ab. Derzeit wird daher das Augenmerk weniger auf die Rolle einzelner, in dem komplexen Multiprotein-System Vollblut nicht identifizierbarer Proteine gelegt (Lane und Bowry, 1994). Vielmehr interessieren der Gesamtgehalt des adsorbierten Proteins und evtl. auftretende Veränderungen in der Komposition des Proteinlayers. Von Elam und Nygren konnte ein materialabhängiger Zusammenhang zwischen der Menge des adsorbierten Proteins und der Aktivierung der Thrombozyten festgestellt werden (Elam und Nygren, 1992).

92 84 8 Charakterisierung von Polystyrol als Referenzmaterial Abb. 8.5: Wechselwirkungen der auf Biomaterialoberflächen adsorbierten Proteine mit zellulären und plasmatischen Bestandteilen des Blutes. Modifiziert nach (Colton et al., 1994) Proteinadsorption auf der Oberfläche der PS-Zylinder Nach Durchführung des Blutscherungsversuches wird das gesamte auf der Zylinderoberfläche adsorbierte Protein eluiert. Versuche mit laminaren Strömungsbedingungen zeigen, dass die adsorbierte Menge Gesamtprotein bei einer Steigerung der Scherdauer zwischen 1 und 20 min ebenso leicht ansteigt wie bei der Erhöhung der Scherrate von 400 s -1 bis hin zu 700 s -1. Die SDS-PAGE zeigt keine Unterschiede im Verteilungsmuster der einzelnen Banden bei Variation von Scherdauer bzw. Scherrate. Bei einer Scherrate von 600 s -1 und einer Scherdauer von 10 min wird ein Vergleich zwischen der Proteinadsorption bei laminarer Strömung und bei Strömung mit Taylor-Wirbeln durchgeführt. Es adsorbiert deutlich weniger Gesamtprotein auf der PS-Zylinderoberfläche, wenn das Blut der mit Sekundärströmung behafteten Taylor- Couette-Strömung ausgesetzt ist (Abb. 8.6).

93 8.3 Proteinadsorption 85 Abb. 8.6: Gesamtproteinadsorption auf der Oberfläche der PS-Zylindern bei laminarer Strömung und Strömung mit Taylor-Wirbeln. (γ& = 600 s -1, t = 10 min, n = 5) Die Separation der eluierten Proteine beim Vergleich von laminarer bzw. Taylor-Wirbel behafteter Strömung zeigt ein unterschiedliches Verteilungsmuster (Abb. 8.7). Dies lässt auf eine unterschiedliche Zusammensetzung des Proteinlayers bei den beiden Strömungsformen schließen. In der Abbildung sind die entsprechenden Gele für zwei Spender dargestellt. Es handelt sich dabei um 10 %ige SDS-Gele. Diese eignen sich vorwiegend, um Proteine mit Molmassen zwischen ca. 50 und 100 kda zu untersuchen. Es werden 6 Banden in diesem Bereich ausgewählt (B1 - B6), die quantifiziert werden. Abb. 8.7: SDS-PAGE des von den PS-Zylindern eluierten Proteins. L: laminare Strömung, TW: Strömung mit Taylor-Wirbeln, S: Standard, B1-B6: Kennzeichnung von Banden, die im weiteren ausgewertet werden.

94 86 8 Charakterisierung von Polystyrol als Referenzmaterial Um die optisch erfassbaren Unterschiede zu quantifizieren, werden die gefärbten Gele fotografiert und digitalisiert. Mit Hilfe der Bio-Rad Software erfolgt eine densitometrische Auswertung der elektrophoretischen Trennergebnisse. Der Grauwert des Hintergrundes wird mit Hilfe der Valley-to-Valley -Funktion subtrahiert (Abb. 8.8). Hierbei werden die Bandenminima miteinander verbunden. Für verschiedene Spender werden die in Abb. 8.7 dargestellten Banden B1 bis B6 sowohl für die Proteine nach laminarer Strömung (L) als auch nach Strömung mit Taylor-Wirbeln (TW) densitometriert. Die relative Konzentration eines Proteins der Bande B entspricht den Verhältnissen der markierten Flächen im Densitogramm. Abb. 8.8: Densitogramm der SDS-PAGE. Die Abb. zeigt exemplarisch für einen Spender die aus der SDS-PAGE ermittelten Grauwerte (in Counts) in Abhängigkeit von der Laufstrecke des Proteins (in cm). B1 bis B6 entspricht den in Abb. 8.7 gekennzeichneten Banden. Oben: Eluat nach laminarer Strömung. Unten: Eluat nach Strömung mit Taylor-Wirbeln. Die Gesamtfläche der untersuchten Banden wird mit Hilfe der Bio-Rad Software gleich 100 % gesetzt. Für die einzelnen Banden wird der prozentuale Anteil an der Gesamtfläche angegeben (Abb. 8.9). Während Bande 1 ein Protein darstellt, das bei beiden Strömungssituationen in gleichem Maße adsorbiert, adsorbieren die in den Banden 2, 4 und 6 repräsentierten Proteine bei Strömung mit Taylor-Wirbeln weniger als bei laminarer. Das in Bande 5 dargestellte Protein scheint hingegen bei Strömung mit Taylor-Wirbeln einen größeren Anteil am Gesamtprotein einzunehmen. Dies zeigt sich, wenn auch nicht so deutlich, ebenfalls für das Protein der Bande 3. Dieses Protein zeigt das gleiche Laufverhalten wie ebenfalls aufgetragenes gereinigtes humanes Albumin. Ob es sich tatsächlich um Albumin handelt, müsste beispielsweise mit Hilfe der Western Blot Analyse - nachgewiesen werden.

95 8.4 Diskussion 87 Abb. 8.9: Prozentuale Verteilung der Bandenfläche. Weiße Balken: Proteineluat nach laminarer Strömung; schwarze Balken: Eluat nach Strömung mit Taylor-Wirbeln. (γ& = 600 s -1, t = 10 min, n = 5) 8.4 Diskussion Native Blutgefäße sind in Aufbau und Funktion äußerst komplex. Bisher ist es in der Biomaterialforschung nicht gelungen, diese Komplexität umfassend nachzubilden. Somit sind die derzeit verwendeten Materialien im Vergleich zum nativen Blutgefäß beim Kontakt mit Blut inkompatibel (Ratner, 1993). Das Ausmaß der Inkompatibilität variiert jedoch von Material zu Material erheblich. PS ist ein in der Literatur für vergleichende hämorheologische oder Biomaterialuntersuchungen häufig verwendetes Material (Gemmell, 1998; Tsai et al., 1999). Es eignet sich aufgrund seiner geringen Thrombogenität insbesondere für Fragestellungen, die sich mit der Thrombozytenaktivierung befassen. Zeichen für die geringe Thrombogenität ist beispielsweise, dass bei Kontakt von recalzifiziertem Blutplasma mit PS-Oberflächen keine Kontaktaktivierung, d. h. keine Steigerung der enzymatischen Aktivität der an der sekundären Hämostase beteiligten Plasmaenzyme Kallikrein und Faktor XIIa, stattfindet (Grunkemeier et al., 1998). Untersuchungen haben weiterhin gezeigt, dass die Adhäsion der Thrombozyten bei Kontakt mit PS in ähnlicher Weise verläuft wie die bei Kontakt mit extrazellulärer Matrix. Beim gesunden Spender zeigt sich nach 2-minütiger Scherung bei einer Scherrate von 1800 s -1 ein vergleichbares Verteilungsmuster der Thrombozyten auf PS und auf mit extrazellulärer Matrix beschichteten Oberflächen (Shenkman et al., 2000). Die in der Literatur dargestellten Materialvergleiche beziehen sich auf PS, welches in den unterschiedlichsten Formen vorliegt. Bei der Untersuchung der Interaktion von Blut mit PS wird dieses beispielsweise in Form von Kügelchen (Mikrobeads) eingesetzt (Gemmell, 1998). Andere Arbeitsgruppen verwenden Mikrotiterplatten aus PS, in die das Blut oder PRP gefüllt wird (Grunkemeier et al., 1998). Bei nicht-statischen, d. h. rheologischen Untersuchungen liegt PS meist in planer Form vor (Shenkman et al., 2000). Ein erster Vergleich der PS-Zylinder mit Zylindern aus anderen Materialien zeigt, dass PS auch in zylindrischer Form die geringste Thrombozytenadhäsion induziert.

96 88 8 Charakterisierung von Polystyrol als Referenzmaterial Mit Hilfe verschiedener Methoden kann Aufschluss über die Anzahl adhärenter Thrombozyten auf der Oberfläche der Zylinder gewonnen werden. Eine indirekte Methode ist die Zählung der verbleibenden Thrombozyten im Vollblut bzw. im Plasma. Diese Methode wird in der Literatur vielfach zur Beurteilung der Biomaterialthrombogenität eingesetzt (Lindhout, 1994). Sie besitzt den entscheidenden Nachteil, dass nicht differenziert werden kann, ob der Abfall der Thrombozytenzahl nach Materialkontakt tatsächlich durch die Adhäsion der Zellen zustande kommt, da ein Abfall der Thrombozytenzahl außer durch Adhäsion auch durch Mikropartikel- oder Aggregatbildung hervorgerufen werden kann. Auch die Bindung von Thrombozyten an Leukozyten oder Erythrozyten reduziert die Anzahl der vom Zählgerät im Blut detektierten Blutplättchen. Die Bestimmung der Thrombozytenzahl kann also nur ein erster Hinweis auf eine mehr oder weniger ausgeprägte Adhäsion sein. Zur Bestätigung des Grades der Adhäsion werden die LDH-Methode oder die Mikroskopie (je nach Fragestellung REM oder Autofluoreszenzmikroskopie) herangezogen. Vorteil der LDH-Methode ist, dass sie keine Herauspräparation von Zylinderstücken erfordert. Sie eignet sich somit gut für die vergleichende Untersuchung der mehrfach zu verwendenden Zylinder aus den verschiedenen Materialien. Nachteil der Methode ist allerdings, dass adhärente Thrombozyten nicht von anderen adhärenten Blutzellen unterschieden werden können. Um diese Methode zur Beurteilung der Thrombozytenadhäsion einsetzen zu können, müssen die anderen Blutzellen zuvor eliminiert werden, d. h. der Versuch muss mit PRP durchgeführt werden. Die Ergebnisse zur Thrombozytenadhäsion auf PS bei Verwendung von PRP und die bei Verwendung von Vollblut zeigen, dass der Adhäsionsprozess unter den beiden Bedingungen kaum miteinander vergleichbar ist. Unter gleichen Versuchsbedingungen adhärieren aus dem Vollblut fast 100 mal mehr Thrombozyten pro cm 2. Auf dieses Phänomen wird im Rahmen der in Kapitel 11 dargestellten Untersuchungen vertieft eingegangen. Deutliche Unterschiede gibt es auch im Adhäsionsverhalten bei Variation der Strömungsbedingung. Nach Inkubation unter statischen Bedingungen beträgt die Zahl adhärenter Thrombozyten pro Fläche nur etwa ein Drittel bis ein Viertel von der unter dynamischen Bedingungen. Die Untersuchungen mit dem Blut verschiedener Spender zeigen, dass sich bei den unter statischen Bedingungen adhärierten Thrombozyten viele der Zellen im Stadium V (siehe Abschnitt 2.2.2) befinden, d. h. eine vollständig gespreizte Form angenommen haben. Goodman et al. haben die materialabhängige Thrombozytenadhäsion im Hinblick auf die Formänderung untersucht (Goodman et al., 1989). Sie fanden heraus, dass Thrombozyten 10 Minuten oder weniger benötigen, um das maximale Ausmaß der Formänderung zu erreichen. Auf einigen Materialien werden vollständig gespreizte Thrombozyten auch erst nach 30 Minuten gefunden oder aber trotz mehrstündiger Inkubation gar nicht wie dies bei einem Polyurethan mit aufgepfropften Polyethylenoxid (PEO)-Ketten der Fall ist. Die PEO-Ketten besitzen endständige Monoaminogruppen, die die Adsorption von Blutbestandteilen verringern (Wintermantel und Ha, 1998). Das Beschichten eines Polymers mit einer sogenannten bioaktiven Gruppe ist ein Ansatz in der Biomaterialforschung, der eine signifikante

97 8.4 Diskussion 89 Steigerung der Hämokompatibilität verspricht. Dieses als Oberflächenmodifikation bezeichnete Verfahren wird ebenfalls mit Heparinmolekülen durchgeführt (Mottaghy et al., 1989a; Mottaghy et al., 1989b). Auch die Beschichtung der Oberfläche mit Heparin senkt die Thrombogenität deutlich ab (Mottaghy et al., 1991). Die Thrombogenität der Oberfläche steht in engem Zusammenhang mit der Schicht der adsorbierten Proteine (siehe Abschnitt 8.3). Diese Proteinschicht variiert von Material zu Material (Wintermantel und Ha, 1998). In dieser Arbeit wird daher für die ausgewählten PS-Zylinder quantitativ die adsorbierte Menge Protein pro Fläche in µg/cm 2 ermittelt. Mit Hilfe der Methode der SDS-PAGE kann in dieser Arbeit zudem gezeigt werden, dass laminare Strömung und Strömung mit Taylor-Wirbeln zu unterschiedlichen Proteinverteilungsmustern führen. In ähnlicher Weise, d. h. ebenfalls um zwei Verhältnisse rein qualitativ miteinander zu vergleichen, wurde die Methode bereits eingesetzt, um Unterschiede bei der Proteinadsorption auf positiv bzw. negativ geladenen Oberflächen zu zeigen (Shelton et al., 1988). Die Arbeitsgruppe von Veerman nutzte die SDS-PAGE, um den adsorbierten Proteinlayer auf knochenersetzenden Biomaterialien in vivo und in vitro zu vergleichen (Veerman et al., 1987). Die Aufschlüsselung des Beitrages einzelner Proteine zum Adsorptionsgeschehen erfordert weitere proteinanalytische Methoden und ist nicht Gegenstand dieser Arbeit.

98 90 9 Einfluss der Scherdauer auf die Aktivierung der Thrombozyten 9 Einfluss der Scherdauer auf die Aktivierung der Thrombozyten In diesem Kapitel wird der Einfluss der Scherdauer bei laminarer Strömung auf die Parameter der thrombozytären Aktivierung untersucht. Zunächst wird die Anzahl der im Blut befindlichen Thrombozyten und die Freisetzung des α-granula Proteins PF4 bestimmt (Abschnitt 9.1). Anschließend werden die Ergebnisse, die sich aus der Messung der durchflusszytometrischen Parameter Aktivierung des Fibrinogenrezeptors und Expression von CD62P ergeben, aufgeführt (Abschnitt 9.2). Die Bildung von Mikropartikeln und Aggregaten in Abhängigkeit von der Scherdauer ist Gegenstand von Abschnitt 9.3. Der Abschnitt 9.4 stellt die aus den REM-Untersuchungen gewonnenen Ergebnisse dar. Die Scherdauer wird zwischen 1 und 20 Minuten variiert. Auch die Schädigung der Erythrozyten ist für diese Zeiten erfasst worden. Da es eine wichtige Vorbedingung für die Versuche zur Thrombozytenaktivierung ist, dass keine Hämolyse auftritt, werden die Ergebnisse zur Erythrozytenschädigung bereits in dem Kapitel, welches sich mit den Voruntersuchungen befasst, dargestellt (siehe Abschnitt 7.2). Die Versuche zur Scherdauer wurden bei einer ausgewählten Scherrate von γ& = 600 s -1 mit laminaren Strömungsverhältnissen durchgeführt. Diese Scherrate besitzt im Rahmen dieser Arbeit einen besonderen Stellenwert, der sich aus den in Abschnitt 10.4 dargestellten Ergebnissen ergibt. Die jeweiligen Ansätze der n Versuche wurden in permutierender Reihenfolge durchgeführt. 9.1 Abfall der Thrombozytenzahl und PF4-Freisetzung Bereits nach einminütiger laminarer Scherung bei γ& = 600 s -1 fällt die Anzahl der Thrombozyten auf durchschnittlich 92 % des Ausgangswertes ab (Abb. 9.1). Bei Erhöhung der Scherzeit fällt dieser Wert weiter ab, bis er schließlich nach ca. 15 Minuten ein Plateau erreicht. Der Anteil der Thrombozyten beträgt nun nur noch etwa 47 % des Ausgangswertes. Eine Erhöhung der Rotationszeit auf 20 Minuten führt zu keinem weiteren Abfall in der Thrombozytenzahl. Die Ausschüttung von PF4 aus den Granula verläuft in analoger Weise. Bereits nach einer Minute Rotation erhöht sich der Basiswert von durchschnittlich 2,8 IU/ml auf ca. 18 IU/ml. Nach 15 Minuten Rotation wird ein PF4-Plasmagehalt von etwa 250 IU/ml erreicht. Dieser Wert wird auch bei 20-minütiger Rotation nicht mehr überstiegen.

99 9.2 Aktivierung des Fibrinogenrezeptors und Expression von CD62P 91 Abb. 9.1: Einfluss der Scherdauer auf den Anteil verbleibender Thrombozyten im Blut (links) und auf die PF4-Freisetzung (rechts). (γ& = 600 s -1, n = 5) 9.2 Aktivierung des Fibrinogenrezeptors und Expression von CD62P Bei der Untersuchung des Aktivierungszustandes von GP IIb-IIIa mit Hilfe der Durchflusszytometrie ergibt sich ein anderes Bild (Abb. 9.2). Schon bei einminütiger Rotation steigt der prozentuale Anteil PAC1-positiver Thrombozyten ebenso wie der prozentuale Anteil der Thrombozyten mit gebundenem Fibrinogen signifikant auf 35 bzw. 38 % an. Auf diesem Niveau hält sich der Aktivierungszustand. Eine Steigerung der Rotationszeit auf bis zu 20 Minuten verändert den prozentualen Anteil der Thrombozyten bei beiden Parametern nicht. Auffällig ist eine große Schwankung der Messergebnisse insbesondere bei den kurzen Rotationszeiten. Abb. 9.2: Einfluss der Scherdauer auf die Aktivierung des Fibrinogenrezeptors GP IIb-IIIa. Links: PAC1-positive Thrombozyten; rechts: Fibrinogen-positive Thrombozyten. ( ) direkt nach Scherung, ( ) nach 2 min Stimulation mit 30 µm ADP. (γ& = 600 s -1, n = 5) Der Anteil der PAC1-positiven Thrombozyten nimmt mit etwa 40 % nach der Scherung einen etwas höheren Wert an als er allein durch die Versuchsdauer von 90 bis 120 Minuten bedingt erreicht (siehe Abschnitt 7.1). Der Anteil der PAC1-positiven Thrombozyten, der sich durch den Faktor Zeit ergibt, beträgt durchschnittlich nur 26 %. Anders ist dies beim prozentualen Anteil der Thrombozyten mit gebundenem Fibrinogen. In den Proben, die allein durch den Versuchszeitraum und nicht durch eine

100 92 9 Einfluss der Scherdauer auf die Aktivierung der Thrombozyten Scherung stimuliert werden, beträgt dieser Anteil durchschnittlich 47 % (siehe Abb. 7.3). Er kann jedoch auch Werte bis zu 78 % erreichen und liegt damit weit über dem durch die laminare Scherung provozierten Wert (etwa 30 bis 40 %). Die Thrombozytenpopulation, die der Scherung ausgesetzt war, wird mit Hilfe des Agonisten ADP auf ihre Stimulierbarkeit hin untersucht. Nach Scherung können über 95 % der Thrombozyten mit ADP so stimuliert werden, dass sich der GP IIb-IIIa in einem aktivierten Zustand befindet bzw. so, dass der Rezeptor Fibrinogen bindet. Die maximale Stimulierbarkeit wird somit durch die Scherung nicht herabgesetzt, sondern eher noch minimal um ca. 3 bzw. 7 % erhöht. Die Expression von CD62P bei der im Blut befindlichen Thrombozytenpopulation ist nach der laminaren Scherung signifikant erhöht (Abb. 9.3). Von ursprünglich etwa 5 % als Basiswert steigt der Anteil auf durchschnittlich ca. 10 bis 14 % an. Die Versuchsdauer induziert keinen Anstieg der CD62P-Expression (Abb. 7.3), wohl aber die Scherung. Dabei ist im Zeitraum zwischen 1 und 20 Minuten kein von der Scherdauer abhängiger Effekt zu beobachten. Nach einer ADP-Stimulierung ist bei den gescherten Thrombozyten ein signifikant höherer Prozentsatz CD62P-positiver Zellen zu verzeichnen als bei den ungescherten. Abb. 9.3: Einfluss der Scherdauer auf die Expression von CD62P. (γ& = 600 s -1, n = 5) 9.3 Bildung von Aggregaten und Mikropartikeln Die Bildung von Thrombozytenaggregaten bzw. Mikropartikeln wird mit Hilfe der in Abschnitt beschriebenen durchflusszytometrischen Analyse untersucht. Von jedem Ansatz erfolgt eine Doppelbestimmung, so dass sich bei 5 unabhängigen Versuchen die Daten aus insgesamt 10 Messwerten ergeben. Beide Parameter werden wie die Voruntersuchungen gezeigt haben nicht von der Versuchsdauer beeinflusst. Bei der Mikropartikelbildung ist zunächst bis zu einer Scherdauer von 10 Minuten keine Änderung zum Basiswert von etwa 4,8 % zu beobachten (Abb. 9.4). Bei längerer Rotationszeit von 20 Minuten steigt der Wert auf durchschnittlich 6,5 % an. Eine Auswertung mit Hilfe des t-testes ergibt, dass dieser Anstieg der Mikropartikelbildung

101 9.4 Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen 93 nach 15 bzw. 20 Minuten im Vergleich zum Basiswert statistisch signifikant ist. Noch deutlicher ist die Zunahme der gebildeten Aggregate in Abhängigkeit von der Scherdauer. Ausgehend von etwa 5 % Aggregaten in der ungescherten Probe steigt der Anteil bereits nach nur 1 Minute Scherdauer signifikant an. Nach einer Scherdauer bis zu 10 Minuten nimmt der Anteil deraggregate auf durchschnittlich 10 % zu und bei 20- minütiger Scherung schließlich auf durchschnittlich 12,5 %. Die Zahl der Einzelzellen nimmt bei zunehmender Scherdauer signifikant ab. Abb. 9.4: Einfluss der Scherdauer auf die Entstehung von Aggregaten (oben, links) und Mikropartikeln (oben, rechts). (γ& = 600 s -1, n = 5) 9.4 Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen Nach Durchführung der Blutscherungsversuche wurden die Zylinder für die REM präpariert. In Abb. 9.5 sind für die durchgeführten Versuche repräsentative REM- Aufnahmen von den Oberflächen der Außenzylinder abgebildet. Für die Innenzylinder ergibt sich ein vergleichbares Bild. Dargestellt sind die REM-Aufnahmen eines Versuches mit verschiedenen Scherdauern. Nach einminütiger Scherung durch Rotation des Außenzylinders befinden sich die adhärenten Thrombozyten in einem frühen Stadium der Pseudopodienbildung. Sie liegen durchweg in der dendritischen bzw. der gespreizt dendritischen Form vor (Stadium II und III; Abb. 2.5). Dieses Stadium ist noch reversibel.

102 94 9 Einfluss der Scherdauer auf die Aktivierung der Thrombozyten Abb. 9.5: Thrombozytenadhäsion bei verschiedenen Scherdauern. Die Abbildung zeigt REM- Aufnahmen (Vergrößerung 2400 ) vom Außenzylinder nach 1- bis 20-minütiger Scherung bei γ& = 600 s -1 und laminarer Strömung. Nach 2-minütiger Scherung ist bei einigen der adhärenten Zellen eine beginnende Lamellipodienbildung zu beobachten. Diese Zellen gehen in das nur noch bedingt reversible Stadium IV über und nehmen eine gespreizte Form an. Nach 5 Minuten laminarer Scherung besitzt ein Großteil der adhärenten Thrombozyten diese Form. Einige Zellen haben die vollständig gespreizte Form (Stadium V) angenommen. Dieses Stadium ist endgültig irreversibel. Der Anteil adhärenter Zellen in diesem Stadium nimmt bei einer Scherdauer von 10 Minuten weiter zu. Auf den ersten Blick geht die Zahl der Thrombozyten pro Fläche bei 15- bzw. 20-minütiger Scherung zurück. Dieser Eindruck täuscht jedoch, wie eine weitere Vergrößerung bzw. die genaue Untersuchung der REM-Aufnahmen zeigt. Lediglich die Zahl der erkennbaren Zellkörper geht zurück,

103 9.5 Diskussion 95 was an dem fortschreitenden Übergang der Thrombozyten in das vollständig gespreizte Stadium liegt. Während bei der 1- bis 5-minütigen Scherung zwischen den adhärenten Zellen immer noch Bereiche der Zylinderoberfläche unbedeckt bleiben, verschwinden diese nun völlig. Bei 15 Minuten Scherdauer ist die Zylinderoberfläche vollständig bedeckt. Soweit die REM-Aufnahmen dies erkennen lassen, bildet sich ein Monolayer aus. Eine quantitative Auswertung erweist sich insbesondere nach 15- bzw. 20-minütiger Scherung als schwierig. Die Bestimmung der Anzahl adhärenter Thombozyten erfolgt durch Auszählung der Zellkörper. Diese sind jedoch bei den hohen Scherzeiten nur noch vereinzelt erkennbar. 9.5 Diskussion Inhalt dieses Kapitels ist die Untersuchung des Einflusses der Scherdauer auf die Aktivierung der Thrombozyten. Die laminare Scherung im Taylor-Couette-System stellt einen äußeren Reiz dar. Bei zunehmender Verstärkung eines Reizes erhöht sich die intrazelluläre Ca 2+ -Konzentration des Thrombozyten, was wiederum den Aktivierungsgrad der Zellen beeinflusst. Der Reiz besteht in diesem Fall aus zwei Komponenten, die in der dargestellten Versuchsdurchführung untrennbar miteinander verknüpft sind. Dies ist zum einen die Scherung als solche, d. h. die rein aufgrund der Strömungsmechanik auf die Zellen ausgeübten Kräfte. Zum anderen gibt es in diesem System die Komponente des Materialkontaktes mit den Zylinderoberflächen. Eine zunehmende Scherdauer erhöht zwar die Zeitspanne, in der die Scherkräfte auf die Zellen wirken, gleichzeitig wird aber auch die Kontaktwahrscheinlichkeit und die Kontaktdauer zum Material erhöht. Die Adhäsion der Thrombozyten beginnt bereits in der ersten Minute der Scherung. Die Adhäsion wird wahrscheinlich über den GP IIb-IIIa Rezeptor vermittelt. Dieser Rezeptor wird bereits nach kurzer Scherzeit aktiviert. Dies entspricht der Erwartung, da Adhäsion und Fibrinogenrezeptoraktivierung frühe Ereignisse der Thrombozytenaktivierung mit niedrigem intrazellulären Ca 2+ -Schwellwert sind (Abb. 2.5). Eine kurze Scherzeit von 1 bis 2 Minuten reicht allerdings noch nicht für eine weitreichende Formänderung der Zellen aus. Nach 10 Minuten hingegen sind viele Thrombozyten adhärent und in einem fortgeschrittenen Stadium der Formänderung. Dies macht sich auch am PF4-Plasmagehalt bemerkbar. Thrombozyten, die das Stadium V einnehmen, setzen den Inhalt ihrer α-granula und damit PF4 frei. Sowohl die Freisetzung von PF4 als auch die Expression von CD62P sind Marker, die sich auf die Ausschüttung der α-granula beziehen. PF4 ist ein Inhaltsstoff, während CD62P als integraler Bestandteil der α-granulamembran erst nach Degranulation zugänglich wird (Berman et al., 1989). Die Expression von CD62P und die Freisetzung von PF4 in Abhängigkeit von der Scherdauer verlaufen jedoch nicht konform. Bei dem Marker CD62P ist außer dem signifikanten initialen, durch die Scherung bedingten Anstieg kein weiterer von der Scherdauer abhängiger Anstieg zu beobachten. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen diesen beiden Parametern, die als Marker für dasselbe Ereignis,

104 96 9 Einfluss der Scherdauer auf die Aktivierung der Thrombozyten nämlich die Ausschüttung der α-granula, gemessen werden: Die Expression von CD62P spiegelt nur den Zustand der noch im Blut befindlichen Thrombozyten wieder, während der PF4-Plasmagehalt eine Aussage über die Degranulation aller, also sowohl der adhärenten als auch der im Blut befindlichen Thrombozyten zulässt. Dies bedeutet, das nur ein geringer Anteil (etwa 10 bis 14 %) der im Blut verbleibenden Thrombozyten degranuliert und dieser Anteil auch bei steigender Scherdauer in etwa gleich bleibt. Die Zahl adhärenter Zellen, die ihre Granula ausschütten, nimmt jedoch bis zu einer Scherdauer von 15 Minuten zu. Der PF4-Gehalt steigt dementsprechend weiter an. Nach 15 Minuten ist die Zylinderoberfläche mit einem dichten Zellmonolayer bedeckt. Unter Umständen verhindert diese Thrombozytenschicht die Adhäsion weiterer Zellen. Nach Stimulation mit ADP findet bei einem etwas höheren Prozentsatz der gescherten Thrombozyten im Vergleich zu den ungescherten die Sekretion statt. Die intrazelluläre Ca 2+ -Konzentration ist also nach Scherung und ADP-Gabe etwas höher als nur nach ADP-Gabe. Dabei handelt es sich vermutlich nicht um einen Effekt, der auf den Freisetzungsreaktionen von Agonisten aus den Granula der gescherten Zellen beruht. In diesem Fall müsste der Anteil CD62P-positiver Zellen mit und ohne ADP-Gabe entsprechend dem Verlauf der PF4-Freisetzung bis zu einem Maximum weiter ansteigen. Die Messergebnisse zur Aktivierung des Fibrinogenrezeptors können in ähnlicher Weise interpretiert werden, wie die zur CD62P-Expression. Die durchflusszytometrischen Parameter geben in dieser Arbeit immer nur den Status der im Blut befindlichen Thrombozyten wieder, sagen aber nichts über den Zustand adhärenter Zellen aus. Es ist anzunehmen, dass die absolute Zahl der Thrombozyten mit aktiviertem Fibrinogenrezeptor bei zunehmender Scherdauer beständig zunimmt. Viele dieser Zellen adhärieren jedoch. Der prozentuale Anteil im Blut bleibt in etwa gleich. Bei der Untersuchung der Versuchsdauer nimmt der prozentuale Anteil der PAC1-positiven besonders aber der Fibrinogen-positiven Thrombozyten im Blut nach 90 bis 120 Minuten deutlich zu (Abb. 7.3). Dabei ist jedoch kein Abfall der Thrombozytenzahl, d. h. keine Adhärenz der Zellen zu verzeichnen. Die zunehmende Aggregatbildung unterstützt die Annahme, dass der Fibrinogenrezeptor scherdauerabhängig aktiviert wird. Bei dem Anteil der Mikropartikel ist erst nach 15-minütiger Aktivierung ein Anstieg zu beobachten, also erst dann, wenn die Thrombozytenadhäsion, die PF4-Ausschüttung und die Aggregatbildung ihr Maximum erreicht haben. Für die weiteren Versuche wird eine 10-minütige Scherdauer gewählt. Nach dieser Scherzeit sind die Effekte deutlich erkennbar. Die PF4-Ausschüttung hat in etwa ein halbmaximales Niveau erreicht. In diesem Bereich sind Unterschiede besonders gut detektierbar.

105 10.1 Sekundärströmungen im Blut Einfluss von Sekundärströmungen auf die Thrombozytenaktivierung Im Rahmen dieser Arbeit wird mit Hilfe des Taylor-Couette-Systems das komplexe Geschehen der Sekundärströmung simuliert. Dank der Arbeiten von Werely und Lueptow ist die komplexe Strömungssituation bei der Taylor-Wirbelbildung gut beschrieben (Werely und Lueptow, 1998; Werely und Lueptow, 1999). Mit Hilfe neuer analytischer Methoden werden Parameter der thrombozytären Aktivierung untersucht. Das Taylor-Couette-System ist mit einer Recheneinheit ausgestattet, die es ermöglicht, Scherraten in einem Bereich von 0 bis maximal 1000 s -1 zu untersuchen. Diese Angaben beziehen sich auf die Geometrie des PS-Zylinderpaares. Mit dem Taylor-Couette-System ist es möglich, Untersuchungen in einem niedrigen, einem mittleren oder einem höheren Scherbereich durchzuführen. Der niedrige Scherbereich beinhaltet die Besonderheit, dass sich das Blut wie eine nicht-newtonsche Flüssigkeit verhält (siehe Abschnitt 3.2.1). Im Rahmen dieser Arbeit wird der mittlere Scherbereich zwischen 400 und 700 s -1 untersucht, in dem sich das Blut wie eine Newtonsche Flüssigkeit verhält. Diese Scherraten sind insbesondere im arteriellen Kreislauf von hoher physiologischer Bedeutung (Kroll et al., 1996). In diesem Kapitel wird zunächst der Stand der Forschung hinsichtlich der Untersuchung von Sekundärströmungen im Blut dargestellt (Abschnitt 10.1). Der Abschnitt 10.2 fasst die Beobachtungen, die im Rahmen dieser Arbeit mit dem verwendeten Taylor-Couette-System zur Wirbelbildung in Vollblut gemacht wurden, qualitativ zusammen. Im Abschnitt 10.3 werden die Ergebnisse einer 10-minütigen Blutscherung bei einer Scherrate von γ& = 600 s -1 mit laminarer Strömung der bei einer Strömung mit Taylor-Wirbeln gegenübergestellt. Voruntersuchungen ergaben für diese Scherrate besonders deutliche Unterschiede zwischen beiden Strömungsformen. Nach der umfassenden Untersuchung der thrombozytären Aktivierung bei dieser Scherrate, erfolgt in Abschnitt 10.4 der Vergleich der Messwerte, die bei verschiedenen Scherraten bei Rotation des Innen- bzw. Außenzylinders ermittelt wurden Sekundärströmungen im Blut Bereits in den 70er Jahren fand eine erste Sensibilisierung für die Problematik im Blut auftretender Sekundärströmungen statt. Damals wurde mit Hilfe von Plexiglasmodellen und Wasser die Strömung in Blutgefäßen simuliert und visualisiert (Pinchak und Ostrach, 1976). Mitte der 80er Jahre gelang es, natürliche, transparente Blutgefäße zu präparieren und in ihnen die zuvor simulierten Strömungsverhältnisse zu prüfen (Karino und Motomiya, 1983). Bis heute setzen sich allerdings nur wenige Veröffentlichungen mit den Auswirkungen der Sekundärströmungen auf die einzelnen zellulären und plasmatischen Komponenten des Blutes auseinander. Pionierarbeit auf diesem

106 98 10 Einfluss von Sekundärströmungen auf die Thrombozytenaktivierung Gebiet leisteten Goldsmith und Karino, die phänomenologisch den Einfluss von Wirbeln auf das Verhalten der Erythrozyten und eine mögliche Thrombozytenaggregatbildung (Goldsmith und Karino, 1977) untersuchten. Die Wirbel wurden dabei in einem Glasrohr, dessen Durchmesser sich übergangslos von 150 µm auf 500 µm verbreitert, erzeugt. Im Institut für Physiologie der RWTH-Aachen wurden in den 70er und 80er Jahren ebenfalls umfangreiche theoretische und praktische Untersuchungen zur Problematik durchgeführt (z. B. Schmid-Schönbein und Wurzinger, 1986; Schmid-Schönbein, 1988b). Aus diesen Untersuchungen resultierte eine Aufspaltung des komplexen Geschehens der Sekundärströmung in mehrere Einzelreaktionen (Schmid-Schönbein, 1988a). Es wurden In-vitro-Experimente entwickelt, in denen gezielt ein bestimmter Aspekt der Sekundärströmung, d. h. eine Einzelreaktion, untersucht werden kann. Ein Beispiel sind die so genannten Staupunktkammern, mit denen gezielt das Auftreten von Staupunkten simuliert wird (Affeld et al., 1995). Staupunkte sind ebenso wie erhöhte laminare Schubspannungen und lokale Rezirkulationszonen Charakteristika von Sekundärströmungen (Schmid-Schönbein, 1988a). Im Bereich der Biomaterialforschung traten Sekundärströmungen in den 90er Jahren verstärkt in den Blickpunkt des Interesses. Bei der Konstruktion von zentrifugalen Blutpumpen mit geringen hämolytischen und thrombogenen Wirkungen wurde besonderes Augenmerk auf das Auftreten der Sekundärströmungen gelegt (Sakuma et al., 1993). Ebenfalls Anfang der 90er Jahre konnte das Auftreten von Sekundärströmungen in der Aorta carotis communis eines gesunden Menschen in vivo nachgewiesen werden (Caro et al., 1992). Ziel der meisten Untersuchungen war die Visualisierung der Sekundärströmung. Methoden wie die MR-Angiographie (Caro et al., 1992) und die Visualisierung mit High-Speed-Videokameras (Sakuma et al., 1995) wurden eingesetzt. Mitte der 90er Jahre fand ein Übergang von der Visualisierung hin zur Entwicklung mathematischer Modelle und numerischer Analysen statt. Diese Berechnungen sollten entweder Aufschluss über das Auftreten von Sekundärströmungen in vivo geben (Sidik und Mazumdar, 1994) oder mit Hilfe von Computersimulationen schwer messbare Sekundärströmungen beispielsweise im Bereich bestimmter künstlicher Herzklappen detektieren (Shim und Chang, 1997) Qualitative Beobachtung der Taylor-Wirbelbildung Die PS-Zylinder besitzen den Vorteil, dass sie durchsichtig sind und die Strömung zwischen den Zylindern beobachtet werden kann. Zunächst werden Vorversuche mit einer Dextranlösung durchgeführt. In der Dextranlösung befinden sich mit May- Grünwald-Farbstoff angefärbte Latexpartikel. Mit Hilfe einer High-Speed-Kamera wird die Bewegung der Partikel aufgenommen. Die Strömung wird durch Drehung des Innenzylinders hervorgerufen. Ab einer bestimmten Umdrehungszahl kann eine Bewegung auf einer spiralförmigen Bahn beobachtet werden.

107 10.3 Vergleich von laminarer Strömung und Strömung mit Taylor-Wirbeln 99 Anschließend werden Versuche mit Vollblut durchgeführt. Der Innenzylinder rotiert mit zunehmender Umdrehungsgeschwindigkeit, bis das Auftreten eines gleichmäßigen Musters im Blut beobachtet werden kann (Abb. 10.1). Helle Banden, deren Dicke in etwa dem Spaltdurchmesser von 1,6 mm entspricht, wechseln sich ab mit schmaleren dunklen Banden. Diese Beobachtung steht in Übereinstimmung mit der Theorie, die besagt, dass der Durchmesser der Taylor-Wirbel etwa der Spaltbreite entspricht (Taylor, 1923). Das Strömungsverhalten der einzelnen Zellen kann aufgrund der starken Absorption des Hämoglobins der Erythrozyten nicht untersucht werden. Es ist anzunehmen, dass die dunklen Banden den Bereich zwischen zwei Wirbeln darstellen. Die dunklere rote Färbung deutet auf eine erhöhte Erythrozytenkonzentration hin. Abb. 10.1: Bei Rotation des Innenzylinders auftretendes Bandenmuster in Vollblut. Die Pfeile zeigen auf die dunkleren Banden Vergleich von laminarer Strömung und Strömung mit Taylor- Wirbeln Nach der rein qualitativen Beobachtung der induzierten Strömung erfolgt die Messung verschiedener Parameter thrombozytärer Aktivierung bei einer Scherrate von γ& = 600 s -1. Die Wirbel sind nach den qualitativen Beobachtungen bei dieser Scherrate stabil Thrombozytenadhäsion und PF4-Freisetzung Die Auswertung der Differentialblutbilder des Blutes nach Scherung ergibt, dass bei Scherung mit laminarer Strömung die Anzahl der Thrombozyten um etwa 40 % im Vergleich zum ungescherten Blut abfällt (Abb. 10.2). Nach einer Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln sinkt die Thrombozytenzahl weniger stark. Der Anteil im Blut befindlicher Thrombozyten beträgt immerhin noch etwa 73 %. Der Unterschied zwischen dem Anteil gescherter Thrombozyten nach laminarer Strömung und nach Strömung mit Taylor-Wirbeln ist statistisch signifikant. Die Auswertung mit Hilfe des

108 Einfluss von Sekundärströmungen auf die Thrombozytenaktivierung gepaarten zweiseitigen t-testes ergibt einen Wert von p = 1, Eine REM- Untersuchung der PS-Zylinderoberfläche zeigt, dass der Thrombozytenzahlabfall in erster Linie durch eine Adhäsion der Zellen verursacht wird. Entsprechend ist die Adhäsion nach laminarer Strömung signifikant höher (p = 0,018). Es adhärieren dabei (45,5 ± 12,6) 10 5 Thr/cm 2. Nach Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln adhärieren nur (30,5 ± 15) 10 5 Thr/cm 2, also rund ein Drittel weniger. Abb. 10.2: Anteil im Blut befindlicher (n = 20) und auf der Oberfläche adhärenter (n = 5) Thrombozyten bei laminarer Strömung (weiße Balken) und Strömung mit Taylor- Wirbeln (schwarze Balken). (γ& = 600 s -1, t= 10 min; * p<0,05) Die erhöhte Adhäsion nach laminarer Strömung wird begleitet von einer stärkeren Freisetzung des α-granulaproteins PF4 (Abb. 10.3). Im Plasma werden nach laminarer Strömung (108,5 ± 41,3) IU/ml detektiert. Bei der Strömung mit Taylor- Wirbeln werden (64,9 ± 39,1) IU/ml von den adhärenten und im Blut befindlichen Thrombozyten sezerniert. Der gepaarte zweiseitige t-test zeigt auch bei diesem Parameter eine statistische Signifikanz (p = 8, ). Abb. 10.3: PF4-Freisetzung bei laminarer Strömung (weiße Balken) und Strömung mit Taylor-Wirbeln (schwarze Balken). (γ& = 600 s -1, t= 10 min; n = 15; * p<0,05)

109 10.3 Vergleich von laminarer Strömung und Strömung mit Taylor-Wirbeln Ergebnisse der Durchflusszytometrie Mit Hilfe der Durchflusszytometrie werden die Mikropartikel- und Aggregatbildung, sowie die CD62P-Expression und die Aktivierung des GP IIb-IIIa-Rezeptors untersucht. Nach einer Scherung mit einer mit Taylor-Wirbeln behafteten Strömung ist der Anteil der Mikropartikel im Vergleich zum Basiswert von 5 % (siehe Abschnitt 6.5.2) nicht erhöht (Abb. 10.4), sondern liegt im Durchschnitt bei (4,9 ± 0,9) %. Die laminare Strömung führt mit (5,7 ± 0,9) % zu einer stärkeren Bildung von Mikropartikeln. Der Unterschied ist als signifikant anzusehen (p = 0,017). Die Signifikanz wurde mit Hilfe des gepaarten zweiseitigen t-testes ermittelt, nachdem mit Hilfe des KSA- Testes die Normalverteilung der Messwerte zur Mikropartikelentstehung überprüft wurden. Die Auswertung des prozentualen Anteils gebildeter Aggregate zeigt ein anderes Verhalten (Abb. 10.4). Beide Strömungsformen führen im Vergleich zum Basiswert von 5 % beim ungescherten Blut (siehe Abschnitt 6.5.2) zu einer signifikanten Erhöhung. Mit (10,7 ± 3) % liegt der Anteil nach Scherung mit der Strömung mit Taylor- Wirbeln höher als nach Scherung mit laminarer Strömung mit (9,9 ± 2,2) %. Der Unterschied ist auf der Basis des t-testes nicht signifikant. Abb. 10.4: Mikropartikel- und Aggregatentstehung bei laminarer Strömung (weiße Balken) und Strömung mit Taylor-Wirbeln (schwarze Balken). Die gestrichelte Linie kennzeichnet den Basiswert beider Parameter beim ungescherten Blut. (γ& = 600 s -1, t= 10 min; n = 16; * p<0,05) Die Expression des P-Selektins wird durch die Scherung im Vergleich zum ungescherten Blut erhöht (Abb. 10.5). Der Anteil der Thrombozyten, die CD62P auf ihrer Oberfläche expremieren, steigt von etwa 5 % beim ungescherten Blut auf durchschnittlich (10,2 ± 2,3) % nach Scherung mit laminarer Strömung und (12,2 ± 5,0) % nach Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln an. Auch bei diesem Parameter zeigt sich auf der Grundlage der durchgeführten Versuche im t-test keine Signifikanz. Der Anteil der Thrombozyten mit aktiviertem Fibrinogenrezeptor liegt nach der wirbelbehafteten Strömung höher als nach laminarer (Abb. 10.5). Bei den laminar gescherten Thrombozyten weisen (28,2 ± 11,3) % den Fibrinogenrezeptor im aktivierten, nicht ligandenbesetzten Zustand, der mit PAC1 nachgewiesen wird, auf.

110 Einfluss von Sekundärströmungen auf die Thrombozytenaktivierung Thrombozyten, die der wirbelhaltigen Strömung ausgesetzt waren, zeigen mit (33,9 ± 15,8) % eine höhere Rezeptoraktivierung. Signifikanz ergibt sich für den Unterschied bei der Bindung des Liganden Fibrinogen an den Rezeptor (p = 0,02). Bei einem Anteil von (54,2 ± 8,8) % der Thrombozyten, die den Taylor-Wirbeln ausgesetzt waren, wird gebundenes Fibrinogen nachgewiesen. Die laminar gescherten Thrombozyten haben nur zu (35,6 ± 19,8) % Fibrinogen gebunden. Abb. 10.5: Expression von CD62P und Aktivierung des Fibrinogenrezeptors bei laminarer Strömung (weiße Balken) und Strömung mit Taylor-Wirbeln (schwarze Balken). (γ& = 600 s -1, t= 10 min; n = 13; * p<0,05) Rasterelektronenmikroskopisches Verteilungsmuster adhärenter Thrombozyten Für n = 5 Versuche mit dem Blut verschiedener Spender werden nach der Scherung REM-Aufnahmen von den Innen- und Außenzylindern angefertigt. Nach der Scherung mit laminarer Strömung und der Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln ergeben sich typische Verteilungsmuster der adhärenten Thrombozyten, die sich voneinander unterscheiden. Wie die zuvor dargestellten REM-Untersuchungen zeigen auch die Bilder dieser Versuche ausschließlich adhärente Thrombozyten, nicht aber andere Blutzellen. Das Verteilungsmuster der Zellen wird daher bei den weiteren Versuchen zu dieser Fragestellung mit Hilfe der Autofluoreszenzmikroskopie kontrolliert. Diese Kontrollen bestätigen das Auftreten der für die jeweiligen Strömungssituationen typischen Verteilungsmuster. Bei der laminaren Strömung sind die Thrombozyten gleichmäßiger angeordnet als nach Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln (Abb. 10.6). Es ist keine Textur oder Vorzugsrichtung erkennbar. Die Zellen adhärieren in einem mehr oder weniger dichten Zellmonolayer. Die Thrombozyten auf den Innen- und Außenzylindern zeigen keine Unterschiede im Grad ihrer Aktivierung (Abb. 10.6, rechts). Sie liegen zumindest im Aktivierungsstadium III vor. Der größte Teil der Zellen befindet sich in den fortgeschrittenen Stadien IV und V, liegt also in gespreizter oder vollständig gespreizter Form vor. Die Formveränderung ist somit weitgehend irreversibel.

111 10.3 Vergleich von laminarer Strömung und Strömung mit Taylor-Wirbeln 103 Innenzylinder, 300 Innenzylinder, 5000 Außenzylinder, 300 Außenzylinder, 5000 Abb. 10.6: REM-Aufnahmen vom Innen- bzw. Außenzylinder nach 10-minütiger Scherung bei laminarer Strömung und γ& = 600 s -1 (Aktivierungsstadien vgl. Abb. 2.5). Nach der Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln befinden sich die adhärenten Thrombozyten auf der Oberfläche des Innen- und Außenzylinders in einem Aktivierungszustand, der mit dem nach Scherung mit laminarer Strömung vergleichbar ist (Abb. 10.7). Es zeigt sich ein bestimmtes Verteilungsmuster mit einer Vorzugsrichtung der Zellanordnung. Die in dieser Arbeit gezeigten REM-Aufnahmen besitzen alle die gleiche Orientierung. Die Proben werden in quadratischer Form aus den Zylindern präpariert. Der Richtungsverlauf auf den Fotografien von oben nach unten entspricht im Versuch der Flussrichtung des Blutes von links nach rechts. Die REM-Aufnahmen nach Scherung mit der wirbelbehafteten Strömung lassen zwischen den adhärenten Zellen immer wieder freie Flächen erkennen. Die hohen Auflösungen zeigen, dass es sich dabei um die nicht bedeckte Oberfläche der PS-Zylinder handelt. Der Maßstab auf den Bildern macht deutlich, dass die Größenordnung der Textur im Bereich von einigen µm liegt. Die Textur ist also nicht direkt auf die Formation der Taylor-Wirbel zurückzuführen, da diese einen Durchmesser von 1,6 mm besitzen und somit um einige Größenordnungen größer sind.

112 Einfluss von Sekundärströmungen auf die Thrombozytenaktivierung Innenzylinder, 300 Innenzylinder, 5000 Außenzylinder, 300 Außenzylinder, 5000 Abb. 10.7: REM-Aufnahmen vom Innen- bzw. Außenzylinder nach 10-minütiger Scherung bei Strömung mit Taylor-Wirbeln und γ& = 600 s Einfluss unterschiedlicher Scherraten In den folgenden Abschnitten werden die Ergebnisse der Untersuchungen bei 10-minütiger Scherung mit verschiedenen Scherraten zwischen 400 und 700 s -1 dargestellt. Bei der Auswahl dieser Scherraten wurde beachtet, dass 1. eine physiologische Relevanz der Scherraten besteht und 2. das Blut sich im Bereich dieser Scherraten wie eine Newtonsche Flüssigkeit verhält, damit von einer annähernd konstanten Viskosität ausgegangen werden kann. Die Strömung wird für die verschiedenen Scherraten entweder durch Rotation des Außenzylinders oder durch Rotation des Innenzylinders erzeugt. Die Abbildungen beinhalten für die Scherraten jeweils die Messwerte, die nach Scherung mit beiden Strömungsformen ermittelt wurden. Die in Abschnitt 10.3 diskutierten Ergebnisse zur Scherung mit einer Scherrate von γ& = 600 s -1 sind zum Vergleich ebenfalls in diesen Grafiken enthalten. Für die Scherraten γ& 600 s -1 wurden n = 8 Versuche durchgeführt. Bei γ& = 600 s -1 entspricht die Zahl der jeweiligen Versuche den Werten, die in den Beschriftungen der Abbildungen in Abschnitt 10.3 aufgeführt sind.

113 10.4 Einfluss unterschiedlicher Scherraten Hämolyse Der IH als Maß für eine mögliche Hämolyse wurde nach der jeweiligen Scherung ermittelt (Abb. 10.8). Die Abbildung zeigt den IH in Abhängigkeit von der Scherrate bei Rotation des Außenzylinders sowie des Innenzylinders. Zu beachten ist die Skalierung der Ordinate. Abb. 10.8: Einfluss der Scherrate auf die Erythrozytenschädigung. Weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln. Alle Messwerte überschreiten den Wert für den IH von 0,01 % nicht, liegen also im Fehlerbereich der angewandten Methode (siehe Abschnitt 7.2). Dies bedeutet, dass bei den untersuchten Scherraten keine nennenswerte Erythrozytenschädigung auftritt Abfall der Thrombozytenzahl und PF4-Freisetzung Die Bestimmung der Anzahl im Blut befindlicher Thrombozyten nach Scherung sowie der Ausschüttung von PF4 ergibt ein zunächst unerwartetes Bild (Abb. 10.9). Der Anteil der Thrombozyten, der sich nach Scherung mit laminarer Strömung im Blut befindet, sinkt bei steigender Scherrate von etwa 70 % bei γ& = 400 s -1 auf unter 60 % bei γ& = 700 s -1. Nach der Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln hingegen fällt die Thrombozytenzahl zunächst bei 400 s -1 auf unter 60 % im Durchschnitt ab. Bei steigender Scherrate ist der Thrombozytenzahlabfall nicht mehr so ausgeprägt und der Anteil nach Scherung im Blut verbleibender Thrombozyten beträgt bei einer Scherrate von 700 s -1 etwa 70 %. Der Vergleich beider Strömungsformen zeigt zunächst bei γ& = 400 s -1 einen statistisch signifikant stärkeren Thrombozytenzahlabfall nach Scherung mit Taylor- Wirbeln. Bei einer Scherrate von 500 s -1 kann kein Unterschied hinsichtlich des Abfalls der Thrombozytenzahl festgestellt werden. Ab einer Scherrate von 550 s -1 kehrt sich das Verhältnis um: Bei dieser sowie den höheren Scherraten verbleiben signifikant mehr Thrombozyten nach Scherung mit Taylor-Wirbeln im Blut.

114 Einfluss von Sekundärströmungen auf die Thrombozytenaktivierung Abb. 10.9: Anzahl im Blut befindlicher Thrombozyten und PF4-Ausschüttung in Abhängigkeit von der Scherrate. Weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln. (* p<0,05 verglichen mit laminarer Strömung, n = 8 bzw. bei γ& = 600 s -1 n = 20 (Abb. links) und 15 (Abb. rechts)) Der Thrombozytenzahlabfall wird, wie die REM-Aufnahmen (siehe Abschnitt ) bestätigen, durch die Adhäsion der Zellen auf den Zylinderoberflächen hervorgerufen. Diese adhärenten Zellen befinden sich in einem fortgeschritten aktivierten Stadium. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich die PF4-Freisetzung aus den α-granula analog zur Zelladhäsion verhält (Abb. 10.9). Je mehr Thrombozyten adhärieren, desto mehr PF4 wird sezerniert. Bei γ& = 400 s -1 überwiegt der PF4-Gehalt im Plasma signifikant nach Scherung mit Taylor-Wirbeln. Die Scherrate 500 s -1 ruft nicht nur einen Thrombozytenzahlabfall in gleichem Maße hervor, sondern auch eine PF4-Ausschüttung in gleicher Höhe. Bei γ& 550 s -1 induziert die durch Rotation des Außenzylinders erzeugte laminare Strömung eine signifikant stärkere Sekretion des α-granulainhaltes Ergebnisse der Durchflusszytometrie Mit Hilfe der Durchflusszytometrie wird mit dem Antikörper PAC1 und durch den Nachweis des gebundenen Fibrinogens der Aktivierungszustand des Fibrinogenrezeptors nach Scherung untersucht. Der Anteil PAC1-positiver Thrombozyten im Blut ist bei der Scherrate γ& = 550 s -1 nach Scherung mit Taylor-Wirbeln signifikant höher als nach Scherung mit rein laminarer Strömung (Abb , links). Eine signifikant erhöhte Fibrinogenbindung nach Scherung mit Taylor-Wirbeln im Vergleich zur Scherung mit laminarer Strömung ist bei einer Scherrate von γ& = 550 s -1 messbar (Abb , rechts). Verglichen mit dem ungescherten Blut sind alle in Abb (links und rechts) dargestellten Messwerte statistisch signifikant erhöht. Die Ergebnisse zur Untersuchung des Aktivierungszustandes des Fibrinogenrezeptors weisen wie auch die nachfolgend dargestellten Ergebnisse zur Expression von CD62P auf die Problematik hin, dass bei diesen durchflusszytometrischen Parametern auf der Grundlage des kleinen Stichprobenumfanges nur vereinzelt Signifikanzen nachgewiesen werden können. Auf diese Problematik soll im Rahmen der generellen Diskussion (Abschnitt 13.2) eingegangen werden.

115 10.4 Einfluss unterschiedlicher Scherraten 107 Abb : Aktivierung des Fibrinogenrezeptors in Abhängigkeit von der Scherrate. Gestreifter Balken: ungeschertes Blut; weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln. (* p<0,05 verglichen mit laminarer Strömung, n = 8, bei γ& = 600 s -1 n = 13) Die Expression von CD62P (Abb ) ist bei allen im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Scherraten sowohl nach Scherung mit Taylor-Wirbeln als auch nach Scherung mit laminarer Strömung signifikant höher als beim ungescherten Blut. Bei γ& = 400 s -1 und γ& = 700 s -1 ist die CD62P-Expression durch die Scherung mit Taylor- Wirbeln signifikant stärker induziert als durch die laminare Strömung. Abb : Expression von CD62P in Abhängigkeit von der Scherrate. Gestreifter Balken: ungeschertes Blut; weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln. (* p<0,05 verglichen mit laminarer Strömung, n = 8, bei γ& = 600 s -1 n = 13) Ebenfalls mit Hilfe der Durchflusszytometrie wird das Ausmaß der Aggregatund Mikropartikelbildung bei den verschiedenen Scherraten überprüft (Abb ). Im Vergleich zum ungescherten Blut entstehen bei allen untersuchten Scherraten bei beiden Strömungsformen statistisch signifikant mehr Aggregate. Die Mikropartikelbildung ist hingegen nur bei Scherung mit laminarer Strömung im Vergleich zum ungescherten Blut bei allen Scherraten signifikant höher. Bei Scherung mit der Strömung mit Taylor- Wirbeln ist bei den Scherraten γ& 500 s -1 zwischen ungeschertem und geschertem Blut kein Unterschied hinsichtlich der Mikropartikelbildung festzustellen.

116 Einfluss von Sekundärströmungen auf die Thrombozytenaktivierung Eine erhöhte Aggregatbildung ist bei den gewählten Scherraten verstärkt nach Strömung mit Taylor-Wirbeln zu beobachten. Eine signifikanter Unterschied zwischen den beiden Strömungsformen zeigt sich bei Scherraten von 400 und 500 s -1. Im Gegensatz dazu wird ein höherer Anteil an Mikropartikeln in der Thrombozytenpopulation bei den meisten Scherraten nach Scherung mit der laminaren Strömung gemessen. Bei einer Scherrate von 400 s -1 werden im Durchflusszytometer in etwa gleich viele Mikropartikel nach beiden Strömungsverhältnissen sichtbar. Signifikant mehr Mikropartikel durch Scherung mit laminarer Strömung sind bei γ& 550 s -1 zu verzeichnen. Abb : Bildung von Aggregaten (links) und Mikropartikeln (rechts) bei verschiedenen Scherraten. Gestreifter Balken: ungeschertes Blut; weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln. (* p<0,05 verglichen mit laminarer Strömung, # p<0,05 verglichen mit ungeschertem Blut (nur für die Mikropartikelbildung dargestellt, zur Signifikanz der Aggregatbildung siehe Text), n = 8, bei γ& = 600 s -1 n = 16) Rasterelektronenmikroskopisches Verteilungsmuster adhärenter Thrombozyten In Abb sind repräsentative REM-Aufnahmen von den Oberflächen der PS-Innenzylinder nach Scherung des Blutes abgebildet. Für die Scherraten von 400, 600 und 700 s -1 werden die Verteilungsmuster der adhärenten Thrombozyten jeweils nach Scherung mit laminarer Strömung denen nach Scherung mit der Strömung mit Taylor- Wirbeln gegenübergestellt. Nicht von allen Versuchen wurden REM-Aufnahmen angefertigt. Bei den nicht mit Hilfe der REM untersuchten Zylinderoberflächen wurde das Adhäsionsmuster mittels Autofluoreszenzmikroskopie bestätigt. Bei der durch Rotation des Außenzylinders generierten laminaren Strömung ergibt sich für die Scherraten von 400 bis 600 s -1 ein einheitliches Verteilungsmuster. Gleiches gilt bei Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln für eine Scherrate von 400 s -1 und je nach Spender von 500 s -1. Bei Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln wird bei γ& 550 s -1 eine Textur sichtbar. Bei laminarer Strömung bekommt die Zelladhäsion bei einer Scherrate von 700 s -1 eine Vorzugsrichtung. Die Bedeckung der Fläche ist dabei jedoch wesentlich stärker als bei Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln.

117 10.4 Einfluss unterschiedlicher Scherraten 109 γ& = 400 s -1, laminare Strömung γ& = 400 s -1, Strömung mit Taylor-Wirbeln γ& = 600 s -1, laminare Strömung γ& = 600 s -1, Strömung mit Taylor-Wirbeln γ& = 700 s -1, laminare Strömung γ& = 700 s -1, Strömung mit Taylor-Wirbeln Abb : REM-Aufnahmen von der Oberfläche der PS-Innenzylinder nach Scherung mit laminarer Strömung (links) bzw. mit Strömung mit Taylor-Wirbeln (rechts) bei Scherraten von 400 s -1 (oben), 600 s -1 (Mitte) und 700 s -1 (unten). (Vergrößerung 300 ) Nicht dargestellt sind die Verteilungsmuster nach Scherung mit den Scherraten 500 s -1 und 550 s -1. Bei diesen Scherraten ist nach laminarer Strömung das Verteilungsmuster entsprechend dem bei den Scherraten von 400 bzw. 600 s -1 mit laminarer Strömung. Bei der Strömung mit Taylor-Wirbeln zeigen sich bei der Scherrate von 500 s -1 interindividuelle Unterschiede im Verteilungsmuster der adhärenten Thrombozyten. Je nach Spender entspricht die Textur eher der bei der Scherrate von 400 s -1

118 Einfluss von Sekundärströmungen auf die Thrombozytenaktivierung beobachteten gleichmäßigen Verteilung oder der bei 600 s -1 beobachteten Textur mit der zu beobachtenden Vorzugsrichtung. Bei einer Scherrate von 550 s -1 ist die bei der Scherrate von 600 s -1 beobachtete Textur zu erkennen. Die 5000fachen Vergrößerungen (hier nicht dargestellt) zeigen die adhärenten Thrombozyten bei allen Ansätzen in Aktivierungsstadien, die mit den in Abb und Abb dargestellten vergleichbar sind Diskussion Die in diesem Kapitel dargestellten Ergebnisse geben Aufschluss über den Einfluss von Sekundärströmungen auf die Thrombozyten. Einige Aspekte werden nachfolgend diskutiert. Auf einen Teil der Ergebnisse wird in der generellen Diskussion (Kapitel 13) unter Berücksichtigung der in den anderen Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse eingegangen. Ebenfalls im Rahmen der generellen Diskussion (Abschnitt 13.2) wird auf die in diesem sowie den folgenden Kapiteln zu beobachtende Problematik der hohen Varianz durchflusszytometrischer Messergebnisse eingegangen Berechnung der Taylor-Zahl in Abhängigkeit von der Scherrate und der Blutviskosität Die Taylor-Zahl einer nicht-newtonschen Flüssigkeit hängt in komplexer Weise von der Viskosität ab. Wie in Abschnitt 3.2 dargestellt, ist die Blutviskosität von verschiedenen Parametern abhängig. Die scheinbare Viskosität von Vollblut nimmt in vitro mit zunehmender Scherrate ab, bis sie bei γ& 200 s -1 einen relativ konstanten Wert annimmt (Goldsmith und Turitto, 1986). In Abhängigkeit vom Spender variiert die Viskosität zwischen 3,5 und 5,4 mpa s (Kunsch et al., 1989; Goldsmith und Turitto, 1986). Die Absenkung der Temperatur auf Raumtemperatur (RT) erhöht die Viskosität bis zu einem Faktor von 1,45 (Altman und Dittmer, 1971). Aus diesen Überlegungen geht hervor, dass eine maximale Schwankungsbreite zwischen 3,5 und 7,8 mpa s angenommen werden kann. In der Literatur wird für In-vitro-Versuche bei 25 C eine mittlere Viskosität von (4,7 ± 0,5) mpa s für Vollblut angegeben (Fisher und Meiselman, 1991). In Abb ist ein Kurvenschardiagramm, vergleichbar mit dem in Abschnitt 5.2 erläuterten, dargestellt, aus dem die Taylor-Zahl bei den ausgewählten Scherraten für unterschiedliche Viskositäten ermittelt werden kann. Die Scherrate variiert in dieser Arbeit zwischen 400 und 700 s -1. In dem Diagramm ist in grau der so genannte Arbeitsbereich eingezeichnet. Dies ist der Bereich, in dem mit den oben geschilderten Überlegungen zur Viskosität, den gewählten Scherraten und der Geometrie des Systems die gesuchte Taylor-Zahl ermittelt wird. Die Kurve für die durchschnittliche Viskosität für In-vitro-Versuche bei RT von 4,7 mpa s ist ebenfalls eingezeichnet. Weiterhin sind zwei Taylor-Zahlen hervorgehoben. Dies ist einmal die kritische Taylor- Zahl (Tc). Oberhalb der kritischen Taylor-Zahl geht die laminare Strömung in die Strömung mit Taylor-Wirbeln über. Für Vollblut gesunder Spender liegt dieser Wert bei

119 10.5 Diskussion ,7 ± 0,9 (McMillan et al., 1987). Frühere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass unterhalb einer Taylor-Zahl von 100 im Fluid Blut Instabilitäten bei der Wirbelbildung auftreten (Mottaghy und Hanse, 1985). Daher ist die Taylor-Zahl 100 ebenfalls gekennzeichnet. Entlang der 4,7 mpa s-kurve ist der Schnittpunkt mit der Taylor-Zahl 100 ersichtlich. Die zugehörige Scherrate kann auf der x-achse abgelesen werden. Aus Abb geht hervor, dass erst oberhalb einer Scherrate von 500 s -1 stabile Taylor-Wirbel zu erwarten sind. Es gilt somit bei den Untersuchungen zwischen dem Einfluss stabiler und instabiler Sekundärströmungen, die die laminare Strömung überlagern, zu unterscheiden. Abb : Bestimmung der Taylor-Zahl in Abhängigkeit von Scherrate und Viskosität für die Geometrien der in dieser Arbeit verwendeten PS-Zylinder. Grau: Arbeitsbereich (Erläuterung: siehe Text) Einfluss der Sekundärströmung in Abhängigkeit von der Scherrate Experimentelle Untersuchungen zum Verhalten der Thrombozyten in Bereichen mit Sekundärströmung liegen in der Literatur nur wenige vor. Die tatsächlichen Zusammenhänge zwischen Sekundärströmung und Thrombusbildung sind derzeit noch ungeklärt (Wootton und Ku, 1999). Die in den vorangegangenen Abschnitten dargestellten Ergebnisse zeigen, dass die Scherung von Blut durch Rotation des Innenzylinders im Vergleich zur Scherung durch Rotation des Außenzylinders in Abhängigkeit von der Scherrate zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. In Tab ist der Einfluss der Strömung mit Rotation des Innenzylinders auf die Parameter thrombozytärer Aktivierung bei einer Scherrate von 400 s -1 und bei 600 s -1 zusammengestellt. Diese Scherraten wurden aufgrund der in Abschnitt dargestellten Überlegung, dass bei einer Scherrate von 500 s -1 ein Übergang von instabilen hin zu stabilen Taylor-Wirbeln zu erwarten ist, ausgewählt. Die Scherrate 400 s -1 repräsentiert somit den Bereich instabiler Wirbelbildung, die

120 Einfluss von Sekundärströmungen auf die Thrombozytenaktivierung Scherrate 600 s -1, die sich zudem durch eine höhere Anzahl n der Versuche auszeichnet, den Bereich stabiler Wirbelbildung. Bei Scherung mit einer Strömung mit Taylor-Wirbeln und einer Scherrate von 400 s -1 fällt die Zahl der Thrombozyten im Blut stärker ab, die Zahl adhärenter Thrombozyten ist größer und es wird mehr PF4 freigesetzt als bei Scherung mit gleicher Scherrate und laminarer Strömung. Die Messwerte dieser Parameter zeigen bei der Scherrate 600 s -1 eine genau gegenteilige Tendenz und sind dann bei laminarer Strömung im Vergleich zur Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln signifikant erhöht. Die Umkehr der Parameter findet bei einer Scherrate von etwa 500 s -1 statt (siehe Abb. 10.9). Dies ist nun aber die Scherrate, nach der nach obigen Überlegungen das Auftreten stabiler Taylor-Wirbel zu erwarten ist. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass der Einfluss stabiler Sekundärströmung im Vergleich zur instabilen Sekundärströmung die Thrombozytenadhäsion und -aktivierung in unterschiedlicher Weise beeinflusst. Für die stabilen Taylor-Wirbel sind die Scherraten und Geschwindigkeitsverteilungen beschrieben (siehe Abschnitt 5.1.4). Instabile Wirbelbildung gehört zu den physikalisch schwer fassbaren chaotischen Systemen. Der Hauptteil dieser Arbeit betrachtet die Bildung der stabilen Taylor-Wirbel im Vergleich zur rein laminaren Strömung. Tab. 10.1: Beeinflussung einzelner Parameter nach Rotation des Innenzylinders im Vergleich zur laminaren Strömung mit Rotation des Außenzylinders. (t= 10 min; IZ: Innenzylinder; TW: Taylor-Wirbel) γ& = 400 s -1 (Rotation IZ) γ& = 600 s -1 (Rotation IZ) Stabile TW - + Thr.-Zahl (Abb. 10.9) Adhäsion (siehe Text) PF4-Freisetzung (Abb. 10.9) Mikropartikel (Abb ) n. s. Aggregate (Abb ) n. s. Fibrinogen + (Abb ) n. s. PAC1 + (Abb ) n. s. n. s. CD62P-Expression (Abb ) n. s. : niedriger im Vergleich zur Strömung mit Rotation des AZ; : höher im Vergleich zur Strömung mit Rotation des AZ; n. s.: Unterschied statistisch nicht signifikant

121 10.5 Diskussion 113 Thrombozytenaggregatbildung Die scherinduzierte Thrombozytenaggregation (SIPA, shear-induced platelet aggregation) wird von der durch Agonisten wie Thrombin oder ADP induzierten unterschieden (Goldsmith et al., 1976; Ruggeri, 1993). Der molekulare Mechanismus der SIPA ist derzeit noch weitgehend ungeklärt (Fujitani et al., 1997). Bekannt ist, dass in Abhängigkeit von der Scherrate zwei verschiedene Mechanismen unterschieden werden können. Bei niedrigen Scherraten findet eine direkte Interaktion von Fibrinogen mit dem Rezeptor GP IIb-IIIa statt. Bei hohen Scherraten initiiert die Interaktion eines anderen Proteins, des von Willebrand Faktors (vwf), mit dem Rezeptor GP Ib die SIPA (Ikeda et al., 1991). Der vwf ist ein multimeres Plasmaprotein und besitzt die Eigenschaft, unter Einfluss steigender Scherkräfte die Form eines gestreckten Filamentes anzunehmen (Kroll et al., 1996). Mit zunehmender Formänderung steigt die Affinität des Proteins zu den Oberflächenrezeptoren (Ruggeri, 1993). Die Interaktion des vwf mit GP Ib führt zu einem transmembranen Einstrom von Ca 2+ -Ionen und einer Aktivierung der Proteinkinase C. Letztlich resultiert dies in einer Aktivierung des Fibrinogenrezeptors GP IIb-IIIa (Abb ). Abb : Scherinduzierte Thrombozytenaggregation unter so genanntem high shear stress. Modifiziert nach (Ruggeri, 1993) Viele Autoren geben nicht die Scherrate, sondern die Schubspannung an, die sich aus der Scherrate multipliziert mit der Viskosität ergibt. Die Schubspannung besitzt die Einheit Pa. Im Bereich der hämorheologischen Forschung wird auch heute noch häufig die veraltete Einheit dyn/cm 2 verwendet. Dabei entspricht 1 Pa 10 dyn/cm 2. Mit η = 4,7 mpa s ergibt sich für die Scherrate von 400 s -1 eine Schubspannung von 1,88 Pa bzw. 18,8 dyn/cm 2 und für 600 s -1 eine Schubspannung von 2,82 Pa bzw. 28,2 dyn/cm 2. Schubspannungen unterhalb von etwa 12 dyn/cm 2 werden von den meisten Autoren als so genannter low shear stress bezeichnet (Kroll et al., 1996). Oberhalb von etwa 50 dyn/cm 2 sprechen viele Autoren vom so genannten high shear stress (Slack et al., 1993). Eine einheitliche Festlegung existiert nicht. Verwirrung stiften zudem die uneinheitlichen Versuchsbedingungen. Obwohl die Angabe der Schubspannung den Faktor Viskosität beinhaltet, werden die Werte aus Messungen mit Vollblut und PRP, bei 37 C und Raumtemperatur etc. miteinander verglichen, ohne auf die damit

122 Einfluss von Sekundärströmungen auf die Thrombozytenaktivierung verbundene Viskositätsänderung einzugehen. Ebenso wird nur selten auf das nicht- Newtonsche Verhalten von Blut bei niedrigen Scherraten eingegangen. In der vorliegenden Arbeit kann eine stärkere Aggregatbildung nach Scherung mit rotierendem Innenzylinder beobachtet werden. Besonders deutlich sind die Unterschiede bei den Scherraten 400 und 500 s -1. Bei höheren Scherraten steigt der Anteil der Aggregate bei laminarer Strömung weiter an, bei der Strömung mit Taylor-Wirbeln fällt er geringfügig ab bzw. stagniert. Aussagen über den Mechanismus der Aggregatbildung können auf der Grundlage der vorliegenden Daten nicht getroffen werden. Es gilt jedoch zu beachten, dass die Untersuchungen in einem Scherbereich stattfinden, in dem wahrscheinlich der Übergang zwischen den geschilderten Aggregationsmechanismen stattfindet. Aufschluss darüber, welcher Mechanismus der Aggregatbildung bei den verschiedenen Strömungsformen bzw. Scherraten vorliegt, könnten beispielsweise Untersuchungen mit dem Blut von Patienten mit einem angeborenen Funktionsdefekt des vwf, dem von-willebrand-jürgens-syndrom, oder des Rezeptors GP Ib, Bernard- Soulier-Syndrom, geben. Thrombozytenadhäsion In der Literatur werden immer wieder Annahmen zur Thrombozytenadhäsion und -aktivierung in Bereichen mit Sekundärströmung getroffen. Diese beruhen in der Regel auf theoretischen Überlegungen. Anderson et al. beispielsweise gehen davon aus, dass Sekundärströmungen die Interaktion mit der Oberfläche fördern (Anderson et al., 1978). Skarja et al. führen Untersuchungen zur Thrombozytenadhäsion mit dem Kegel- Platte-System durch (Skarja et al., 1997). Bei der Interpretation ihrer Ergebnisse setzen sie als wesentliche Annahme voraus, dass jede Art von Sekundärströmung zu einem erhöhten Thrombozytentransport und damit zu einer erhöhten Ablagerung von Thrombozyten führt. In der vorliegenden Arbeit kann gezeigt werden, dass Sekundärströmungen in Form von stabilen Taylor-Wirbeln zu einer verminderten Adhäsion führen. Es gibt verschiedene Ansätze, diese Beobachtung zu erklären. Wie in Abschnitt dargestellt, treten bei der Strömung mit Taylor-Wirbeln hohe Scherraten im Bereich der Zylinderwände auf. Die Geschwindigkeit direkt in Wandnähe geht zu Null. Durch hohe Scherraten werden auf adhärente Zellen große Kräfte ausgeübt (Madras et al., 1971). Madras et al. diskutieren in ihrer Arbeit, dass diese Kräfte auf die nur schwach adhärenten Zellen wirken und diese ablösen, bevor größere Aggregate entstehen, bzw. zur Ablösung kleiner Thromben führen können. Gegen die Annahme, dass durch die Taylor-Wirbel verursacht die Ablösung adhärenter Zellen erfolgt, sprechen folgende Beobachtungen, die im Rahmen dieser Arbeit gemacht wurden: 1. Es wurden Versuche durchgeführt, bei denen bei Drehung des Innenzylinders die Scherrate langsam von 0 auf 600 s -1 erhöht wurde. Bei diesen Versuchen ist das Strömungsprofil zunächst laminar, bevor es nach Überschreiten der kritischen Taylor-Zahl wirbelbehaftet wird. Die Ergebnisse entsprechen bei

123 10.5 Diskussion 115 diesen Versuchen den Ansätzen mit laminarer Strömung, d. h. bei denen der Außenzylinder gedreht wurde. 2. In weiteren Versuchen fand ein Wechsel bezogen auf die Drehung von Innenund Außenzylinder statt. Nach 5-minütiger Rotation des Innenzylinders (γ& = 600 s -1 ) wurde dieser gestoppt und der Außenzylinder gedreht (ebenfalls 5 Minuten, γ& = 600 s -1 ). Ebenso fand zunächst eine 5-minütige Rotation des Außenzylinders, dann die 5-minütige Rotation des Innenzylinders statt. Die Messergebnisse entsprechen wiederum den Ergebnissen, die bei ausschließlicher Rotation des Außenzylinders erzielt wurden. In den dargestellten Fällen bleiben die unter den laminaren Bedingungen adhärierten Thrombozyten auch nach anschließender Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln adhärent. Die höheren Scherraten in Zylinderwandnähe führen nicht zu einer Zellablösung. Eine weitere Möglichkeit, die verminderte Adhäsion und das abweichende Aktivierungsverhalten der Thrombozyten nach Scherung mit stabilen Taylor-Wirbeln im Vergleich zur laminaren Strömung zu erklären, ist die Annahme fluiddynamisch induzierter Heterophase-Effekte (Schmid-Schönbein, 1988b). Bereits Goldsmith und Karino beobachteten, dass die roten Blutzellen aus dem Zentrum von Wirbeln migrieren (Goldsmith und Karino, 1977). Wie bei der laminaren Strömung kann angenommen werden, dass die Erythrozyten vermindert in Bereichen mit hoher Schubspannung anzutreffen sind. Aufgrund der in Abschnitt erläuterten rotatorischen und translatorischen Bewegungen driften sie aus den Wirbelzentren und der Zylinderwandnähe in die Bereiche niedriger Schubspannungen. Zurück bleibt das erythrozytenarme Plasma mit den rigiden Bestandteilen des Blutes, die von den Erythrozyten in diese Bereiche gedrängt werden (Aarts et al., 1988). Bei der laminaren Strömung, die durch Rotation des Außenzylinders erzeugt wird, werden die Thrombozyten ebenfalls in die Nähe der Zylinderwand gedrängt. Bei den stabilen Taylor-Wirbeln allerdings ist ein Großteil der Thrombozyten im Zentrum der Wirbel fernab der Zylinderwände regelrecht eingefangen. Entscheidend für die geschilderte Vorstellung vom Verhalten der Thrombozyten ist der Einfluss der Erythrozyten. Dieser Einfluss wird im Rahmen der in Kapitel 11 dargestellten Versuche näher untersucht. Ähnlich wie die Aggregation wird auch die Adhäsion in Abhängigkeit von der Scherrate bzw. der Schubspannung über unterschiedliche Mechanismen vermittelt. Wie in Abschnitt dargestellt, erfolgt die Adhäsion bei niedrigen Scherraten über Interaktion des Fibrinogenrezeptors mit dem Fibrinogen auf der Oberfläche. Bei hohen Scherraten interagiert der Rezeptor GP Ib unter Beteiligung der Glykoproteine V und IX mit dem immobilisierten vwf (Gawaz, 1999). Der Adhäsionsmechanismus kann durch Inhibierung der Rezeptoren, wie in Kapitel 12 dargestellt, überprüft werden. Das Verteilungsmuster der adhärenten Thrombozyten oberhalb einer Scherrate von 550 s -1 unterscheidet sich bei den beiden Strömungsformen deutlich. Auf diese Beobachtung wird in der generellen Diskussion (Kapitel 13) eingegangen.

124 Einfluss von Sekundärströmungen auf die Thrombozytenaktivierung Sekretion der α-granula Die Degranulation der Thrombozyten wird mit Hilfe von zwei Methoden gemessen. Der Plasmagehalt des aus den α-granula freigesetzten PF4 wird mit einem ELISA- Test bestimmt, die Expression des Proteins CD62P mit Hilfe der Durchflusszytometrie. Obwohl es sich in beiden Fällen um Marker handelt, die Aufschluss über das Ausmaß der Ausschüttung der α-granula geben, besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Parametern aufgrund der eingesetzten Methoden. Der ELISA-Test lässt Rückschlüsse auf die Degranulation sowohl der adhärenten als auch der im Blut befindlichen Thrombozyten zu. Mit der Durchflusszytometrie wird nur der Anteil noch im Blut befindlicher Thrombozyten, die ihre α-granula ausgeschüttet haben, detektiert. Die beiden Parameter müssen daher nicht notwendigerweise dasselbe Verhalten zeigen. Eine vermehrte Adhäsion, die verbunden ist mit einer starken Aktivierung der Thrombozyten und somit mit einer erhöhten Degranulation, führt zu einem hohen PF4-Plasmagehalt. Die im Blut verblieben Thrombozyten können sich jedoch in einem früheren Aktivierungsstadium befinden, so dass nur bei einem geringen Anteil dieser Zellen eine CD62P-Expression nachgewiesen werden kann. Eine gleichzeitige Betrachtung der Thrombozytenadhäsion, der PF4-Sekretion und der CD62P-Expression erscheint daher nicht nur sinnvoll, sondern notwendig, um eine Aussage sowohl über den Aktivierungszustand adhärenter als auch über den noch im Blut befindlicher Thrombozyten machen zu können. Dieses Ergebnis steht in Übereinstimmung mit dem in der Literatur veröffentlichten Vergleich zwischen der CD62P-Expression und der Ausschüttung von ß-Thromboglobulin, einem Protein, das wie PF4 Inhaltsstoff der α-granula der Thrombozyten ist (Cenni et al., 1997). Die Autoren stellen in ihrer Arbeit heraus, dass die Expression von CD62P insbesondere in der frühen Phase der Thrombozytenaktivierung ein sehr sensitiver Parameter ist. Sobald jedoch eine vermehrte Thrombozytenadhäsion wie auch in der vorliegenden Arbeit auftritt, ist dieser Parameter als alleiniges Kriterium für eine thrombozytäre Aktivierung unzureichend.

125 11.1 Versuchsdurchführung Variation des Hämatokrits Die Schlüsselrolle bei der Thrombusbildung spielen die Thrombozyten. Dennoch sind es die Erythrozyten, die auf makroskopischer Ebene das Fließverhalten des Blutes bestimmen und auf mikroskopischer Ebene die Bewegungen der Thrombozyten und auch der Leukozyten determinieren (Goldsmith und Turitto, 1986). Es ist daher naheliegend, die durch die Sekundärströmung verursachten Mechanismen der Thrombozytenadhäsion und -aktivierung (Kapitel 10) dahingehend zu untersuchen, ob sie durch das rheologische Verhalten der Erythrozyten bedingt werden. Den Einfluss der Erythrozyten auf die im Taylor-Couette-System stattfindenden physiologischen Abläufe zeigt bereits der Vergleich von PRP und Vollblut. Die Untersuchung der Thrombozytenadhäsion (Abschnitt 8.2) ergibt, dass unter laminaren Strömungsbedingungen aus dem PRP fast keine Thrombozyten adhärieren. Im Gegensatz dazu adhärieren aus dem Vollblut unter gleichen Versuchsbedingungen etwa 40 % der Zellen. Der Einfluss der Erythrozyten kann durch eine Variation des Hämatokrits gezielt untersucht werden. Diese Untersuchung beruht auf einer Trennung der Blutzellen durch Zentrifugation und anschließender Resuspension der Zellen in nativem Plasma (Mottaghy et al., 1984). Bei der Resuspension kann der Erythrozytenanteil, d. h. der Hämatokrit, eingestellt werden. In diesem Kapitel wird zunächst die Versuchsdurchführung beschrieben (Abschnitt 11.1). Daran schließt sich die Darstellung der erzielten Ergebnisse an (Abschnitt 11.2). In Abschnitt 11.3 werden die Ergebnisse diskutiert Versuchsdurchführung Bei Einstellung verschiedener Hämatokritwerte wird zunächst in einem ersten Zentrifugationsschritt das PRP und in einem zweiten das PAP gemäß der in Abschnitt 6.2 beschriebenen Methode gewonnen. Nach dem zweiten Zentrifugationsschritt wird von der verbleibenden Zellsuspension vorsichtig der Buffy coat abgesaugt. Buffy coat bezeichnet die gelbliche leukozytenhaltige Schicht, die sich nach der Zentrifugation zwischen dem Plasma und den Erythrozyten befindet. Zurück bleiben die sedimentierten Erythrozyten. Von den drei Zellfraktionen PRP, PAP und Erythrozytenkonzentrat werden Differentialblutbilder erstellt. Das Differentialblutbild zeigt die Anzahl der jeweiligen Zellen an. Anhand des Differentialblutbildes wird überprüft, ob die Präparation entsprechend durchgeführt wurde, so dass nur noch die gewünschte Zellpopulation im Ansatz enthalten ist. Vor Versuchsbeginn wird eine einstündige Ruhezeit bei 37 C für Erythrozyten, PRP und PAP eingehalten, um die durch die Präparation induzierten reversiblen Aktivierungsmechanismen rückgängig zu machen. Erythrozyten, PRP und PAP werden dann in entsprechenden Verhältnissen gemischt, so dass eine gleichbleibende Thrombozytenzahl bei Variation der Erythrozytenmenge, d. h. des Hämatokrits, erreicht wird. Dies bedeutet, dass jeder Ansatz das gleiche Volumen PRP enthält.

126 Variation des Hämatokrits Daneben wird die berechnete Menge Erythrozytenkonzentrat zugegeben und jeder Ansatz mit PRP auf das gleiche Endvolumen aufgefüllt. Die von einem Spender gewonnene Blutmenge reicht maximal zur Durchführung von 8 Ansätzen aus. Für jeden Hämatokritwert wird ein Ansatz mit Scherung unter laminaren Strömungsbedingungen und ein Ansatz mit Scherung bei einer Strömung mit Taylor-Wirbeln durchgeführt. Dies bedeutet, dass der Versuch für jeweils 4 verschiedene Hämatokritwerte durchgeführt wird. Es finden n = 5 Versuche mit dem Blut verschiedener Spender bei einem eingestellten Hämatokrit von 0 % (entspricht einer Mischung von PRP und PAP ohne Erythrozyten), 25 %, 35 % und 45 % statt. Bei einem Versuch können aufgrund eines größeren zur Verfügung stehenden Zellvolumens zwei weitere Ansätze bei einem Hämatokrit von 10 % durchgeführt werden. Der tatsächliche Hämatokrit jeder Zellmischung wird nach Durchführung des Versuches mit einer ungescherten Probe überprüft. Er schwankt außer bei 0 % aus versuchstechnischen Gründen um maximal ± 3 %. Für die gepaart durchgeführten Versuche mit laminarer Strömung und mit Strömung mit Taylor-Wirbeln ist der Hämatokrit jedoch immer gleich, da beide Ansätze immer nacheinander mit der gleichen Zellmischung erfolgen. Die Reihenfolge, d. h. ob mit oder ohne Taylor-Wirbel, wechselt auch bei diesen Versuchen Ergebnisse Die thrombozytäre Aktivierung wurde für die eingestellten Hämatokritwerte sowohl bei einer Scherung mit laminarer Strömung als auch bei einer Scherung mit einer Strömung mit Taylor-Wirbeln untersucht. Die Scherung fand 10 Minuten in den PS- Zylindern mit einer Scherrate von γ& = 600 s -1 statt. Nachfolgend wird bei der Darstellung der Ergebnisse Bezug auf bereits zuvor dargestellte Ergebnisse aus Versuchen mit nativem Blut genommen. Dabei wird zur Abgrenzung von den Versuchen mit eingestelltem Hämatokrit der Begriff Vollblut verwendet Abfall der Thrombozytenzahl und PF4-Freisetzung Der Abfall der Thrombozytenzahl und die Freisetzung von PF4 wurden für die verschiedenen Hämatokritwerte untersucht (Abb. 11.1). Bei den Ansätzen ohne Erythrozyten ist weder nach Scherung mit laminarer Strömung noch nach Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln ein Abfall der Thrombozytenzahl zu beobachten. Die bereits in zuvor dargestellten Versuchen gezogene Schlussfolgerung, dass in Abwesenheit der roten Blutzellen fast keine Thrombozytenadhäsion stattfindet, wird hier bestätigt. Bereits bei Vorhandensein eines geringen Erythrozytenanteils von 10 % ändert sich dies. Die Anzahl der Thrombozyten im Fluid nimmt bei steigendem Hämatokrit bei beiden Strömungsformen immer weiter ab. Der Anteil von durchschnittlich etwa 60 bis 70 % bei einem Hämatokrit von 45 % entspricht dem mit Vollblut gemessenen Anteil. Bei einem Hämatokritwert von 25 % kann der bei Vollblut beobachtete statistisch signifikante Unterschied im Thrombozytenzahlabfall zwischen laminarer Strömung und

127 11.2 Ergebnisse 119 Strömung mit Taylor-Wirbeln bestätigt werden (siehe Abb. 10.2). Der Anteil der Thrombozyten im Fluid ist hier ebenfalls nach Scherung mit Taylor-Wirbeln höher als nach Scherung mit laminarer Strömung. Mit zunehmendem Hämatokrit wird signifikant mehr PF4 aus den α-granula freigesetzt. Die bei Vollblut gemachte Beobachtung, dass bei der laminaren Strömung eine stärkere α-granula-sekretion stattfindet, kann in diesen Versuchsansätzen nicht bestätigt werden. Insgesamt können bei den jeweiligen Hämatokriten keine signifikanten Unterschiede in der PF4-Freisetzung zwischen laminarer Strömung und Strömung mit Taylor-Wirbeln beobachtet werden. Abb. 11.1: Anteil der nach Scherung verbleibenden Thrombozyten und PF4-Freisetzung in Abhängigkeit vom Hämatokrit. Weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln. (γ& =600 s -1, t= 10 min, n = 5, bei Hkt 10 %: n = 1) Aggregat- und Mikropartikelbildung Die Untersuchung der Aggregatbildung bei verschiedenen Hämatokriten (Abb. 11.2) zeigt einen zunehmenden Anteil von Aggregaten an der Thrombozytenpopulation bei steigender Erythrozytenzahl. Bei der Verwendung von PRP ist der Anteil der Aggregate im Vergleich zum Vollblut signifikant herabgesetzt. Er liegt unter dem mit Vollblut gesetzten Basiswert von 5 %. Bei einem Hämatokrit von 45 % entspricht der Anteil der Aggregate nach der Scherung in etwa dem mit Vollblut induzierten Niveau. Der Anteil der Aggregate ist bei diesem Hämatokrit nach Scherung signifikant höher als der Anteil des ungescherten Blutes. Ein signifikanter Unterschied in der Aggregatentstehung nach Scherung mit laminarer Strömung bzw. mit Strömung mit Taylor-Wirbeln ist nicht zu beobachten. Die Mikropartikelbildung zeigt bei der Strömung mit Taylor-Wirbeln keine Abhängigkeit vom Hämatokrit (Abb. 11.2). Im Gegensatz zu den Untersuchungen mit Vollblut (siehe Abb ) sind bei den Versuchen mit dem eingestellten Hämatokrit die Messwerte zur Mikropartikelbildung nach Scherung alle signifikant erhöht im Vergleich zum ungescherten Vollblut.

128 Variation des Hämatokrits Abb. 11.2: Aggregat- und Mikropartikelbildung bei verschiedenen Hämatokritwerten. Weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln. (# p<0,05 verglichen mit ungeschertem Vollblut (nur für die Aggregatbildung dargestellt, zur Signifikanz der Mikropartikelbildung siehe Text), γ& =600 s -1, t= 10 min, n = 5) Expression von CD62P und Aktivierung des Fibrinogenrezeptors Bei der Untersuchung der CD62P-Expression tritt ein unerwartetes Ergebnis auf (Abb. 11.3). Der höchste Anteil CD62P-positiver Thrombozyten ist nach Scherung des PRP zu finden. Bis zu 30 % der Thrombozyten weisen im gescherten PRP das P-Selektin auf. Dieser Wert ist statistisch signifikant höher als der Anteil CD62Ppositiver Thrombozyten nach Scherung in Anwesenheit von Erythrozyten, d. h. sowohl im Vergleich zu den Ansätzen mit dem eingestellten Hämatokrit > 0 als auch im Vergleich zum Vollblut (siehe Abb. 10.5). Der Anteil sinkt bei den höheren Hämatokriten auf durchschnittlich 10 bis 15 % ab. Dies entspricht in etwa dem Anteil im gescherten Vollblut. Abb. 11.3: Expression von CD62P bei verschiedenen Hämatokritwerten. Weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln. (# p<0,05 verglichen mit unter gleichen Bedingungen geschertem Vollblut, γ& =600 s -1, t= 10 min, n = 5, bei 10 % Hkt: n = 1) Der Anteil der Thrombozyten mit aktiviertem, nicht ligandenbesetztem Fibrinogenrezeptor nimmt mit steigendem Hämatokrit zu (Abb. 11.4, links). Der Anteil der

129 11.3 Diskussion 121 Thrombozyten, die PAC1 binden, liegt im PRP im Durchschnitt unter 10 %. Sowohl im PRP als auch bei einem Hämatokrit von 25 % werden nach der Scherung statistisch signifikant weniger PAC1-positive Thrombozyten nachgewiesen als nach Scherung des Vollblutes (durchschnittlich 28 %, Abb. 10.5). Der Anteil PAC1-positiver Thrombozyten steigt bei einem Hämatokrit von 35 bis 45 % auf durchschnittlich 20 %. Der Nachweis des an den Rezeptor gebundenen Fibrinogens (Abb. 11.4, rechts) ergibt weder beim Vergleich der Hämatokritwerte untereinander noch beim Vergleich mit Vollblut (Abb. 10.5) einen statistisch signifikanten Unterschied. Abb. 11.4: Aktivierung des Fibrinogenrezeptors. Nachweis des nicht ligandenbesetzten aktivierten Rezeptors PAC1 (links) und des Rezeptors mit gebundenem Fibrinogen (rechts) bei verschiedenen Hämatokritwerten. Weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln. (# p<0,05 verglichen mit unter gleichen Bedingungen geschertem Vollblut, γ& =600 s -1, t= 10 min, n = 5, bei 10 % Hkt: n = 1) 11.3 Diskussion Ziel der in diesem Kapitel dargestellten Versuche ist die Klärung der Fragestellung, inwieweit die in Kapitel 10 diskutierten Ergebnisse auf das rheologische Verhalten der Erythrozyten zurückzuführen sind. Bei der Scherung von Vollblut mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln zeigt sich verglichen mit der laminaren Strömung eine verminderte Adhäsion, eine geringere PF4-Freisetzung, eine niedrigere Mikropartikelund vermehrte Aggregatbildung und eine stärkere Aktivierung des Fibrinogenrezeptors. Die Variation des Hämatokrits soll Aufschluss darüber geben, ob diese Unterschiede ursächlich zurückzuführen sind auf: a) den direkten Einfluss der Strömung auf die Thrombozyten oder b) den Einfluss der Strömungsverhältnisse auf das Fließverhalten der Erythrozyten, welches dann wiederum die Thrombozytenaktivierung beeinflusst Berechnung der Taylor-Zahl bei Variation des Hämatokrits Zunächst soll betrachtet werden, ob bei einer Scherrate von γ& = 600 s -1 für die verschiedenen Hämatokritwerte tatsächlich das Auftreten stabiler Taylor-Wirbel zu

130 Variation des Hämatokrits erwarten ist. Voraussetzung dafür ist, dass die Taylor-Zahl von 100 überschritten wird. Die Taylor-Zahl wird, wie in Abschnitt 5.2 dargestellt, in Abhängigkeit von der Viskosität berechnet. Die Blutviskosität η und der Hämatokrit (Hkt) sind annähernd über eine logarithmische Funktion miteinander verknüpft (Ernst, 1989): + log η = K + K Hkt (11.1) In dieser Gleichung sind K und K + spezifische Konstanten der Blutprobe, die von der Plasmaviskosität, den rheologischen Eigenschaften der Blutzellen und den Scherbedingungen abhängen. Bei diesen Konstanten gibt es eine hohe interindividuelle Abhängigkeit. Die niedrigste Viskosität tritt bei einem Hämatokrit von 0 % auf. Der Literaturwert für die Viskosität von PRP bei 25 C beträgt 1,8 mpa s (Fisher und Meiselmann, 1991). In Abb sind die Taylor-Zahlen in Abhängigkeit von der Scherrate sowohl für Vollblut (mit η = 4,7 mpa s) als auch für PRP (mit η = 1,8 mpa s) aufgetragen. Es ist zu erkennen, dass für die hier untersuchten Hämatokritwerte die Taylor-Zahl 100 bei einer Scherrate von γ& = 600 s -1 überschritten wird. Abb. 11.5: Taylor-Zahlen von Vollblut und PRP in Abhängigkeit von der Scherrate. Die Schubspannung τ hängt ebenfalls von der Viskosität ab, Gleichung (3.1). Da die Viskosität von Vollblut etwa um den Faktor 2,6 höher liegt als die von PRP, ist auch die auf das Vollblut wirkende Schubspannung bei der Scherrate von γ& = 600 s -1 um diesen Faktor größer. Das Vollblut wird somit bei einer Scherrate von γ& = 600 s -1 einer Schubspannung von 2,82 Pa ausgesetzt, das PRP hingegen nur einer Schubspannung von 1,08 Pa. Damit die Thrombozyten in beiden Ansätzen vergleichbaren Schubspannungen ausgesetzt wären, müsste die Scherrate beim Ansatz mit PRP 1567 s -1 betragen. Hier tauchen zwei Probleme auf: einerseits ist der Mikroprozessor des verwendeten Taylor-Couette-Systems auf eine maximale Scherrate von 1000 s -1 ausgelegt. Dieses

131 11.3 Diskussion 123 Problem ließe sich technisch durch den Wechsel des Mikroprozessors lösen. Schwerwiegender jedoch ist die Problematik, dass bei der hohen Scherrate von 1567 s -1 eine Taylor-Zahl weit oberhalb von 400 erreicht wird. Damit geht die Strömung bei Rotation des Innenzylinders in eine turbulente Strömung über. Umgekehrt kann die Schubspannung für die Ansätze mit Vollblut nicht der der Ansätze von PRP angepasst werden, da sonst die Taylor-Zahl von 100 unterschritten werden Einfluss des Hämatokrit auf die Thrombozytenadhäsion und -aggregation im Taylor-Couette-System In Abwesenheit der Erythrozyten tritt im Taylor-Couette-System sowohl bei Scherung mit laminarer Strömung als auch bei Scherung mit der Strömung mit Taylor- Wirbeln nahezu keine Thrombozytenadhäsion auf. Für Bereiche mit laminarer Rohrströmung ist dieses Phänomen gut untersucht. Es ist zurückzuführen auf die Anreicherung der Erythrozyten in Bereichen niedriger Schubspannung. Die Erythrozyten hinterlassen in den Bereichen mit hohen Schubspannungen ein erythrozytenarmes Plasma. Neben ihrer translatorischen Bewegung besitzen Erythrozyten im Scherfeld eine rotatorische Eigenbewegung (Brash et al., 1976). Diese erzeugt lokale Fluidbewegungen, die die Diffusion der Thrombozyten steigern. Bei der laminaren Rohrströmung führt dies dazu, dass die Thrombozyten regelrecht aus dem Zentrum der axialen Strömung vertrieben werden und sich in Wandnähe im erythrozytenarmen Plasma anreichern ( platelet skimming, (Aarts et al., 1988)). Es ist naheliegend, auch bei der Strömung im Taylor-Couette-System ein derartiges Verhalten zu vermuten. Tatsächlich bestätigt die Untersuchung der Thrombozytenzahl in Abhängigkeit vom Hämatokrit dies. Je höher der Hämatokrit ist, desto mehr Thrombozyten adhärieren bei beiden Strömungsformen. Die Sekretion von PF4 steigt ebenfalls bei beiden Strömungsformen mit zunehmendem Hämatokrit. Der niedrigste PF4-Wert wird bei einem Hämatokrit von 0 %, d. h. in PRP gemessen. Im Vergleich zu den Basiswerten von 2,8 IU/ml liegt dieser PF4-Wert mit durchschnittlich 30 IU/ml allerdings auch schon sehr hoch. Viele Thrombozyten haben ihre Granula entleert. Da nach Scherung des PRP keine Adhärenz feststellbar ist, müssen die Thrombozyten nach der Sekretion im Fluid verblieben sein. Dies drückt sich tatsächlich in einem hohen Messwert für die CD62P-Expression aus. Der Anteil CD62P-positiver Thrombozyten in der Flüssigphase fällt bei steigendem Hämatokrit wahrscheinlich infolge der zunehmenden Adhärenz der fortgeschritten aktivierten Thrombozyten statistisch signifikant ab. Bei Betrachtung des Anteiles der Thrombozyten, die Fibrinogen gebunden haben, zeigt sich, dass dieser Anteil bei den unterschiedlichen Hämatokritwerten in etwa gleich bleibt (Abb. 11.4, rechts), obwohl der Anteil PAC1-positiver Thrombozyten signifikant ansteigt (Abb. 11.4, links). Bei der Variation des Hämatokrits treten deutliche Unterschiede hinsichtlich der Anteile adhärenter und aggregierter Zellen bei den verschiedenen Hämatokritwerten auf (Abb und Abb. 11.2). Sowohl die Adhäsion als auch die Aggregation werden, wie in Kapitel 12 gezeigt wird, über den

132 Variation des Hämatokrits Fibrinogenrezeptor vermittelt. Dabei bildet das Fibrinogenmolekül eine Brücke zwischen den Thrombozyten bzw. dem Thrombozyten und der Oberfläche. Dies erklärt, dass der im Durchflusszytometer gemessene Anteil der Thrombozyten mit gebundenem Fibrinogen trotz steigendem Anteils PAC1-positiver Thrombozyten in etwa gleich bleibt. Der tatsächliche Anteil Fibrinogen-positiver Zellen erhöht sich bei steigendem Hämatokrit ebenfalls, die adhärenten Zellen werden jedoch nicht erfasst. Die Variation des Hämatokrits soll u. a. Aufschluss darüber geben, welche Parameter thrombozytärer Aktivierung in direkter Weise von der Sekundärströmung beeinflusst werden. Bei einem Parameter, bei dem im PRP nach Scherung mit der laminaren Strömung bzw. mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln keine Unterschiede auftreten, ist vermutlich die Rheologie der Erythrozyten die Ursache der Änderung. Die unterschiedlich wirkenden Kräfte bei den beiden Strömungsformen beeinflussen diesen Parameter nicht in direkter Weise. In Tab wird der Einfluss der Strömung mit Taylor-Wirbeln auf die untersuchten Parameter in den Ansätzen PRP und natives Vollblut miteinander gegenübergestellt. Im PRP kann kein Unterschied in den Parametern thrombozytärer Aktivierung nach Scherung unter laminaren Strömungsbedingungen und nach Scherung mit Taylor-Wirbeln beobachtet werden. Erst im Vollblut, d. h. bei Anwesenheit der Erythrozyten und Leukozyten führt die wirbelbehaftete Strömung zu signifikant anderen Ergebnissen als die laminare. Tab. 11.1: Abhängigkeit einzelner Parameter vom Hämatokrit. (γ& =600 s -1, t= 10 min; TW: Taylor-Wirbel) PRP Vollblut Stabile TW + + Thr.-Zahl (Abb. 11.1) 0 (Abb. 10.9) Adhäsion (siehe Text) 0 (siehe Text) PF4-Freisetzung (Abb. 11.1) = (Abb. 10.9) Mikropartikel (Abb. 11.2) = (Abb ) Aggregate (Abb. 11.2) 0 (Abb ) n. s. Fibrinogen + (Abb. 11.4) n. s. (Abb ) PAC1 + (Abb. 11.4) n. s. (Abb ) n. s. CD62P-Expression (Abb. 11.3) = (Abb ) n. s. : niedriger nach Strömung mit TW im Vergleich zu laminar; : höher nach Strömung mit TW im Vergleich zu laminar; =: nach Strömung mit TW bzw. laminarer Strömung gleich; 0: Parameter ändert sich im Vergleich zum ungescherten Blut nicht; n. s.: statistisch nicht signifikant

133 11.3 Diskussion 125 Die Ergebnisse der Versuche mit einem eingestellten Hämatokrit insbesondere bei dem physiologischen Hämatokritwert von 45 % zeigen verglichen mit den Ergebnissen der Versuche mit Vollblut (Kapitel 9 und 10) eine scheinbare Inkonsistenz. Die Unterschiede in der Thrombozytenaktivierung zwischen Scherung mit laminarer Strömung und Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln treten bei den Ansätzen mit eingestelltem Hämatokrit nicht so deutlich zu Tage wie bei den Untersuchungen mit Vollblut. Signifikanzen können nur vereinzelt beobachtet werden, was nicht zuletzt auch an der geringen Anzahl durchgeführter Versuche liegen kann (siehe hierzu auch Abschnitt 13.2 der generellen Diskussion). Bei dem Vergleich der Ergebnisse, die in den Versuchen mit eingestelltem Hämatokrit erzielt wurden, mit denen aus den Versuchen mit nativem Vollblut dürfen einige nachfolgend diskutierte Punkte nicht außer acht gelassen werden. So muss beispielsweise berücksichtigt werden, dass die Blutzellen unterschiedliche Vorgeschichten besitzen. Durch die Präparationsschritte (Zentrifugation, Pipettieren etc.), die bei Variation des Hämatokrits notwendig sind, werden die Zellen vorstimuliert. Die Ruhephase dient dazu, die reversiblen Schritte rückgängig zu machen. Bereits sekretierte Substanzen, z. B. Aktivatoren wie ADP, verbleiben dennoch im Plasma und können ihre stimulierende oder aber auch inhibierende Wirkung entfalten. Diese Prozesse sind nicht steuerbar und können von Präparation zu Präparation unterschiedlich verlaufen. Die Versuche mit Variation des Hämatokrits beinhalten somit diese Unterschiede zusätzlich zu den interindividuellen, spenderabhängigen. Weiterhin gilt zu beachten, dass in den Ansätzen mit eingestelltem Hämatokrit die Leukozyten fehlen. Diese Zellen bilden den Hauptbestandteil des Buffy coats, der im Rahmen der Präparation entfernt wurde. Die Zentrifugationsschritte führen zu einer Verklebung dieser Zellen, die daher nicht ohne weiteres den Ansätzen wieder zugefügt werden können. Aufgrund der zahlenmäßigen Unterlegenheit der Leukozyten gegenüber den Erythrozyten um etwa 2 Größenordnungen werden die Leukozyten bei hämorheologischen Betrachtungen oft vernachlässigt. In den letzten Jahren wird jedoch immer mehr erkannt, dass die Eigenschaften und Verhaltensweisen des Blutes nur dann hinreichend erklärt werden können, wenn möglichst viele im Idealfall alle Blutbestandteile und ihre Wechselwirkungen in die Betrachtungen einbezogen werden. Die Leukozyten verhalten sich wie auch die Thrombozyten in der Blutströmung im Gegensatz zu den Erythrozyten wie rigide Partikel (Ernst, 1989). Es ist zu erwarten, dass sich im Taylor-Couette-System beim nativen Vollblut Leukozyten und Thrombozyten in den Bereichen mit hoher Schubspannung, d.h. in den Wirbelzentren und in Zylinderwandnähe, befinden. In Bereichen hoher Schubspannungen können Leukozyten aktiviert werden und bilden Pseudopodien aus. Die Bewegung der Leukozyten nimmt einen taumelnden Charakter an und die Kollisionsfrequenz mit benachbarten Zellen steigt (Ernst, 1989). Leukozyten interagieren mit den Thrombozyten über die Bindung eines Glykoproteinrezeptors, dem so genannten PSGL-1 (P-selectin glycoprotein ligand-1), an das Membranprotein P-Selektin (CD62P) der α-granula der

134 Variation des Hämatokrits Thrombozyten (Doré, 1998). Taylor et al. führten Kollisionsanalysen mit einer Teilpopulation der Leukozyten, den Neutrophilen, durch und konnten dabei zeigen, dass die Adhäsionseffizienz dieser Zellen bei Scherraten zwischen 400 und 800 s -1 ein Maximum besitzt (Taylor et al., 1996). Ebenso ergab die Untersuchung der Aggregationskinetik ein Maximum in diesem Bereich. Die Messungen der vorliegenden Arbeit wurden in eben diesem Scherbereich durchgeführt. Die Untersuchungen von Taylor et al. bezogen sich auf das L-Selektin, einem dem P-Selektin verwandten Adhäsionsmolekül. Sollte der für die Interaktion mit den Thrombozyten verantwortliche Rezeptor ebenfalls ein Aktivierungsmaximum bei Scherraten zwischen 400 und 800 s -1 besitzen, so ist denkbar, dass die Leukozyten eine entscheidende Rolle bei der Thrombozytenaktivierung unter dem Einfluss der Taylor-Wirbelströmung spielen. Das Fehlen der Leukozyten würde die scheinbare Inkonsistenz der Daten aus den Kapiteln 9, 10 und 11 erklären. Die Hypothese, dass die Leukozyten neben den Erythrozyten ausschlaggebend für das Aktivierungsverhalten der Thrombozyten in der Taylor-Wirbelströmung sind, kann überprüft werden, indem die Leukozyten-Thrombozyten-Interaktionen untersucht werden (siehe Kapitel 13.4, Ausblick). Diese Untersuchungen sind sehr aufwendig und müssen vorwiegend mit Hilfe der Durchflusszytometrie erfolgen (Doré, 1998; Gemmell et al., 1995). Wie im Rahmen dieser Arbeit gezeigt wird, sind gerade bei den durchflusszytometrischen Parametern umfangreiche Stichprobenumfänge notwendig, um verlässliche Ergebnisse zu erhalten (siehe Abschnitt 13.2). Eine durchflusszytometrische Analyse sowie eine Inhibierung der Leukozyten- Thrombozyten-Interaktionen kann allerdings nur Aufschluss über den biochemischen Einfluss der Leukozyten geben, nicht aber über den rein physikalischen, den sie als rigide Partikel ausüben. Die Untersuchung des physikalischen Einflusses stellt somit ein weiteres Problem dar, für das noch kein zufriedenstellender Lösungsansatz gefunden wurde.

135 12.1 Antithrombozytäre Substanzen Einsatz antithrombozytärer Substanzen Nachfolgend wird die Wirkung antithrombozytärer Substanzen bei Scherung des Blutes im Taylor-Couette-System untersucht. Als antithrombozytär werden Substanzen bezeichnet, wenn sie diskrete Mechanismen der Thrombozyten beeinflussen (Gawaz, 1999). Einige Autoren verwenden die Begriffe Plättcheninhibitor (Terres, 1999) oder Thrombozytenfunktionshemmer (Kemkes-Matthes und Oehler, 2001), wodurch eine stärkere Abgrenzung zu anderen gerinnungsbeeinflussenden Mitteln, die oftmals ganz allgemein unter dem Begriff antithrombotische Substanz gefasst werden, erreicht wird. Im klinischen Bereich hat die Therapie mit plättchenhemmenden Substanzen im Wesentlichen das Ziel, durch Hemmung der Bildung unerwünschter Thromben die thrombotischen Komplikationen kardiovaskulärer Erkrankungen zu verhindern (Terres, 1999). In In-vitro-Studien werden diese Substanzen eingesetzt, um die Mechanismen der Thrombozytenaktivierung, die durch einen bestimmten Reiz wie hier im Taylor- Couette-System ausgelöst werden, näher zu untersuchen. In Abschnitt 12.1 wird auf die Wirkungsweise antithrombozytärer Substanzen, insbesondere der in dieser Arbeit verwendeten, eingegangen. Abschnitt 12.2 stellt die Ergebnisse dar, die sich hinsichtlich der Adhäsions- und Aktivierungsmechanismen der Thrombozyten im Taylor-Couette-System unter Verwendung dieser Substanzen ergeben. Der aus diesen Versuchen erhaltene Erkenntnisgewinn wird in Abschnitt 12.4 diskutiert Antithrombozytäre Substanzen Aus pharmakologischer Sicht können die derzeit verwendeten antithrombozytären Substanzen in fünf Gruppen unterteilt werden (Tab. 12.1). Die Einteilung erfolgt hinsichtlich des Wirkmechanismus. Bei den beiden in der Tabelle zuerst genannten Mechanismen, der Erhöhung der zyklischen Nukleotide und der Interaktion mit dem Arachidonsäuremetabolismus, beeinflussen die Substanzen intrazelluläre Aktivierungsschritte. Die Interaktion mit den Aktivierungsrezeptoren, die Hemmung der Aggregation und die Inhibition der Adhäsion stellen Inhibitionsmechanismen dar, bei denen die antithrombozytären Substanzen direkt im Bereich der Zelloberfläche angreifen. Der klinisch am besten untersuchte Thrombozytenfunktionshemmer ist die Acetylsalicylsäure (ASS). ASS wurde bereits 1887 von dem deutschen Chemiker F. Hoffmann synthetisiert und ist ursprünglich für einen anderen Indikationsbereich vorgesehen. Eine Wirkung auf die Thrombozyten wurde 1954 erstmals beschrieben. ASS hemmt irreversibel die thrombozytäre Zyklooxygenase. Diese katalysiert die Bildung der zyklischen Endoperoxide aus der Arachidonsäure. Das verminderte Angebot an zyklischen Endoperoxiden führt zu einer herabgesetzten Synthese von Thromboxan A2 (TxA2). TxA2 wird unter normalen Bedingungen bei Aktivierung vom Thrombozyten

136 Einsatz antithrombozytärer Substanzen freigesetzt und verstärkt den Aktivierungsvorgang. Dieser Weg ist aber nur einer von mehreren möglichen. Auch nach ASS-Gabe bleibt die Fähigkeit zur Adhäsion und Sekretion bei den Thrombozyten erhalten. Für die gezielte Untersuchung einzelner Mechanismen ist diese Substanz nicht geeignet. Ebenfalls ungeeignet sind Substanzen wie Ticlopidin oder Clopidogrel, die erst nach einer Umwandlung beispielsweise in der Leber durch ihre aktiven Metabolite wirken. (Terres, 1999; Gawaz, 1999) Tab. 12.1: Wirkungsweise der antithrombozytären Substanzen. Modifiziert nach (Gawaz, 1999) Mechanismus 1. Erhöhung der zyklischen Nukleotide - Aktivierung der Adenylatzyklase - Hemmung der Phosphodiesterase - Aktivierung der Guanylylzyklase Substanz (Beispiele) Prostaglandin E1 (PGE1), Prostazyklin (PGI2) Theophyllin NO 2. Interaktion mit dem Arachidonsäuremetabolismus - Hemmung der Zyklooxygenase - Hemmung der Thromboxansynthetase - Antagonisierung des TxA2-Rezeptors Acetylsalicylsäure Dazoxibene Ridogrel 3. Interaktion mit Aktivierungsrezeptoren - Blockierung des ADP-Rezeptors - Hemmung des Thrombinrezeptors - Hemmung des Serotoninrezeptors Ticlopidin, Clopidogrel Peptidantagonisten Ketanserin 4. Hemmung der Aggregation - Blockierung des Fibrinogenrezeptors GP IIb-IIIa Pentamidin Echistatin Abciximab 5. Inhibition der Adhäsion - Blockierung des vwf-rezeptors - Blockierung des Kollagenrezeptors Rekombinantes vwf-fragment Antikörper, Peptide Für die Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit wurden aufgrund ihrer Wirkweisen, die nachfolgend erläutert werden, die antithrombozytären Substanzen

137 12.1 Antithrombozytäre Substanzen 129 Pentamidin, Echistatin und Prostaglandin E1 (PGE1) ausgewählt. Diesen Substanzen ist gemeinsam, dass sie ohne Metabolisierung über distinkte Mechanismen wirken GP IIb-IIIa-Antagonisten Pentamidin und Echistatin blockieren als Antagonisten die Fibrinogenbindung an den Fibrinogenrezeptor GP IIb-IIIa. Somit wird die Bildung von Aggregaten und eine Adhäsion, sofern diese über den Fibrinogenrezeptor und nicht einen alternativen Mechanismus vermittelt wird, gehemmt. Es handelt sich um die Hemmung der gemeinsamen terminalen Schritte der thrombozytären Aktivierungswege. Unabhängig von der Art der Aktivierung wird die Thrombozytenfunktion eingeschränkt. Die Blockade des GP IIb-IIIa-Rezeptors wird derzeit als eine der erfolgsversprechendsten Strategien in der Vermeidung thrombotischer Komplikationen angesehen (Peter et al., 1998). Das Wirkprinzip aller derzeit verfügbaren Fibrinogenrezeptorantagonisten ist identisch (Gawaz, 1999). Viele der Antagonisten enthalten genau wie die physiologischen Adhäsionsproteine eine RGD-Aminosäuresequenz, über die sie an den Rezeptor binden (Stoll und Bohn, 1998). Die einzelnen Substanzen unterscheiden sich hinsichtlich pharmakologischer Eigenschaften wie der Halbwertzeit und hinsichtlich der Spezifität. Die niedermolekularen GP IIb-IIIa-Antagonisten sind meist sehr spezifisch für den thrombozytären Fibrinogenrezeptor. Substanzen wie das klinisch häufig eingesetzte Abciximab kreuzreagieren auch mit anderen Integrinrezeptoren (Gawaz, 1999). Anders als für die Bindung des Liganden Fibrinogen braucht sich der GP IIb-IIIa-Rezeptor für die Bindung der meisten Antagonisten nicht in einem aktivierten Zustand zu befinden (Jennings und White, 1998). Die Antagonisten binden an den aktivierten und den nicht aktivierten Rezeptor gleichermaßen und überführen ihn damit in den aktivierten, ligandenbesetzten Konformationszustand. Im klinischen Einsatz befinden sich derzeit drei GP IIb-IIIa-Rezeptorantagonistentypen: 1. GP IIb-IIIa blockierende monoklonale Antikörper, 2. Peptid-Liganden, die eine RGD- oder KGD-Sequenz enthalten und sich von den Disintegrinen der Schlangengifte herleiten und 3. Liganden, die keine Peptide sind und die die Struktur des RGD- bzw. KGD-Motivs nachahmen (Schneider et al., 2000; Dickfeld et al., 2001). Pentamidin gehört zu den nicht-peptidischen Antagonisten. Es handelt sich um ein aromatisches Diamidin mit antiparasitären Eigenschaften. Pentamidin wird seit ca bei der Behandlung einer Vielzahl protozoischer Erkrankungen verwendet. In tropischen Ländern wird Pentamidin in großem Maße zur Behandlung von Trypanosomenund Leishmania-Infektionen eingesetzt. Die Hauptverwendung findet es in diesen Breitengraden derzeit in der Prophylaxe und Therapie einer durch den Erreger Pneumocystis-carinii verursachten Lungenentzündung, der Pneumocystis-carinii-Pneumonie (PCP). Die PCP ist eine der Hauptkomplikationen bei HIV-infizierten Patienten (Drake et al., 1985). Seit einigen Jahren ist die antithrombozytäre Wirkung von Pentamidin bekannt (Cox et al., 1992). Pentamidin bindet an die RGD-Bindestelle des GP IIb-IIIa-Rezeptors und inhibiert damit die Fibrinogenbindung. Die antithrombozytäre Wirkung von Pentamidin ist eine unerwünschte Nebenwirkung, die bei den Patienten

138 Einsatz antithrombozytärer Substanzen nach Inhalation von pentamidinhaltigen Aerosolen zu bronchialen Blutungen führen kann. Echistatin ist ein Inhibitor des GP IIb-IIIa-Rezeptors, der zu den so genannten Disintegrinen gehört. Disintegrine sind eine Klasse von RGD-haltigen Proteinen, die im Giftsekret bestimmter Schlangen gefunden werden. Disintegrine verhindern bei der extrakorporalen Zirkulation sowohl in vitro (Musial et al., 1990) als auch in vivo (Shigeta et al., 1992) erfolgreich die Thrombozytenaktivierung. Das Protein Echistatin besteht aus 49 Aminosäureresten und wird aus dem Gift der Viper Echis carinatus gewonnen (Gan et al., 1988). Neben der RGD-Sequenz enthält es eine weitere Sequenz aus 4 Aminosäuren (Prolin-Arginin-Asparagin-Prolin), die ebenfalls Bestandteil des humanen Fibrinogens ist Aktivierung der Adenylatzyklase Der Einsatz von Prostaglandinen, zu denen das Prostazyklin (PGI2) und das Prostaglandin E1 (PGE1) gehören, spielt eine besondere Rolle bei der extrakorporalen Zirkulation. Prostaglandine inhibieren die Interaktion zwischen den Thrombozyten und der Biomaterialoberfläche und führen so zu einer Reduktion von Blutungskomplikationen und der Mortalität während und nach der extrakorporalen Zirkulation (Kozek- Langenecker, 1999). Sowohl PGI2 (Bey et al., 1982) als auch PGE1 (Addonizio et al., 1979) wurden bereits frühzeitig in der Biomaterialforschung eingesetzt, um beispielsweise den Thrombozytenzahlabfall bei der extrakorporalen Zirkulation zu reduzieren. PGI2 besitzt eine geringe Halbwertzeit von 2-3 min bei physiologischem ph-wert und ist sehr empfindlich gegenüber ph-wert Schwankungen (Mottaghy, 1985). PGE1 ist stabiler und wird daher bevorzugt bei In-vitro-Versuchen zur Thrombozytenadhäsion im Vergleich mit den neueren GP IIb-IIIa-Antagonisten untersucht (Gemmell, 1998; Shenkman et al., 2000). PGE1 führt nach Bindung an einen Rezeptor zu einer Aktivierung der intrazellulären thrombozytären Adenylatzyklase. Die Adenylatzyklase katalysiert die Umsetzung von ATP in das inhibitorisch wirksame Nukleotid camp. Nahezu alle thrombozytären Aktivierungsmechanismen werden durch camp über größtenteils noch unbekannte Mechanismen inhibiert (Huang und Detwiler, 1986). Auch die Aktivierung des Fibrinogenrezeptors wird durch PGE1 gehemmt. PGE1 hat jedoch keinen direkten blockierenden Effekt am GP IIb-IIIa-Komplex Versuchsdurchführung Es werden n = 3 Versuche mit verschiedenen Spendern durchgeführt. Von jedem Spender werden 4 25 ml Blut in 4 unterschiedlichen Perfusor -Spritzen entnommen. Die inhibitorisch wirksamen Substanzen werden vor der Blutentnahme dem Antikoagulans Citrat in den unten angegebenen Konzentrationen zugefügt. Drei der Spritzen enthalten das jeweilige Antikoagulans-Inhibitor-Gemisch. Die vierte Spritze dient zur

139 12.3 Ergebnisse 131 Kontrolle und beinhaltet nur das Antikoagulans. Voruntersuchungen zeigten, dass innerhalb der ersten 5 Minuten die maximale antithrombozytäre Wirkung entfaltet wird und diese auch über einen Versuchszeitraum von 90 Minuten erhalten bleibt. Die einzusetzenden Konzentrationen wurden auf der Grundlage der in der Literatur veröffentlichten IC50-Werte der einzelnen Substanzen ausgewählt. Der IC50-Wert wird aus der Dosis-Wirkungskurve einer Substanz bestimmt. Er gibt die Konzentration der Substanz an, bei der eine 50 %ige Inhibierung auftritt. Die in der Literatur aufgeführten IC50-Werte beziehen sich in der Regel auf PRP. Bei Verwendung von Vollblut wird mit vergleichbaren Konzentrationen oft die gleiche Wirkung wie bei PRP erzielt (Cook et al., 1993). Pentamidin besitzt einen IC50-Wert von 1,1 µm in Bezug auf die durch ADP induzierte Thrombozytenaggregation (Cox et al., 1992). Dies bedeutet, dass bei Zugabe von 1,1 µm Pentamidin die durch ADP induzierte Aggregation halbmaximal inhibiert wird. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden 25 µm Pentamidin eingesetzt, um eine maximale Inhibierung des GP IIb-IIIa-Rezeptors zu erreichen. Der IC50-Wert von Echistatin wird mit 33 nm für die ADP-stimulierte Aggregation von PRP angegeben (Garsky et al., 1989). Bernabei et al. führten ihre Versuche mit Vollblut mit einer Echistatin-Konzentration von 60 nm durch (Bernabei et al., 1995). In dieser Arbeit wird der GP IIb-IIIa-Rezeptor mit 100 nm Echistatin inhibiert. Die Aggregation, ATP-Ausschüttung und Thromboxan-Bildung humaner Thrombozyten wird mit PGE1-Konzentrationen zwischen 10 und 100 nm halbmaximal inhibiert (Ney et al., 1991). In der vorliegenden Arbeit wurden 10 µm PGE1 eingesetzt. Dies entspricht der von Gemmell gewählten Konzentration für In-vitro-Versuche (Gemmell, 1998) Ergebnisse In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse, die in den Scherversuchen bei Einsatz der antithrombozytären Substanzen erhalten wurden, dargestellt. Die Scherung fand in den PS-Zylindern für 10 Minuten mit einer Scherrate von γ& = 600 s -1 sowohl bei laminarer Strömung als auch bei Strömung mit Taylor-Wirbeln statt. Zunächst wird der Einfluss auf eine mögliche Hämolyse untersucht. Daran schließen sich die Ergebnisse zur thrombozytären Aktivierung an. Abschließend werden REM-Aufnahmen der Zylinderoberflächen nach Kontakt mit dem inhibierten Blut gezeigt Einfluss antithrombozytärer Substanzen auf die Hämolyse Der Einsatz der antithrombozytären Wirkstoffe Echistatin, PGE1 und Pentamidin hat keine schädigende Wirkung auf die Erythrozytenmembran, die sich in einem gesteigerten Hämolyseindex bemerkbar machen würde (Abb. 12.1). Für die beiden GP IIb-IIIa-Antagonisten Echistatin und Pentamidin ist dies aufgrund der hohen Spezifität zu erwarten. Beide Inhibitoren beeinflussen nur den Fibrinogenrezeptor.

140 Einsatz antithrombozytärer Substanzen Auswirkungen auf intrazellulär ablaufende Mechanismen sind derzeit nicht bekannt. Anders ist dies bei PGE1, welches vielfältige, teilweise unbekannte Wirkungen auch auf andere Zellen wie die Endothelzellen oder die Erythrozyten ausübt. Beispielsweise steigert PGE1 die Bindung von Insulin an die Erythrozytenmembran und hat über die damit verbundenen Mechanismen Auswirkungen auf die Membranviskosität (Dutta- Roy et al., 1991). Abb. 12.1: Einfluss antithrombozytärer Substanzen auf die Erythrozytenschädigung (γ& = 600 s -1, t= 10 min; n =3). Gestreifte Balken: ungeschertes Blut; weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln Einfluss auf die Thrombozytenzahl, die PF4-Ausschüttung sowie die Bildung von Aggregaten und Mikropartikeln In diesem Abschnitt wird der Einfluss der verwendeten antithrombozytären Substanzen auf die Zahl der im Blut verbleibenden Thrombozyten, die Freisetzung von PF4 aus den α-granula sowie die Bildung von Aggregaten und Mikropartikeln untersucht. Abb. 12.2: Anteil verbleibender Thrombozyten im Blut (links) und PF4-Ausschüttung (rechts) bei Einsatz antithrombozytärer Substanzen (* p<0,05 verglichen mit laminarer Strömung, γ& = 600 s -1, t= 10 min; n =3). Die Messwerte der Ansätze mit Inhibitoren unterscheiden sich für beide Messparameter sowohl bei laminarer Strömung als auch bei der Strömung mit Taylor-Wirbeln signifikant von den jeweiligen Kontrollwerten. Gestreifte Balken: ungeschertes Blut; weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln

141 12.3 Ergebnisse 133 Der Einsatz von 100 nm Echistatin führt zu einer vollständigen Inhibierung sowohl des Thrombozytenzahlabfalls (Abb. 12.2, links) als auch der PF4-Ausschüttung (Abb. 12.2, rechts). Die Bildung von Aggregaten wird ebenfalls vollständig verhindert (Abb. 12.3, Mitte, links). Sowohl durch die Scherung mit den unterschiedlichen Strömungsprofilen als auch durch ADP-Zugabe entstehen keine Aggregate. Abb. 12.3: Bildung von Aggregaten (Mitte) und Mikropartikeln (unten) bei Einsatz antithrombozytärer Substanzen (* p<0,05 verglichen mit laminarer Strömung, γ& = 600 s -1, t= 10 min; n =3 in Doppelstimmung). Links: direkt nach Scherung; rechts: nach Scherung und Stimulation mit ADP (30 µm). Weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln Bei der Mikropartikelbildung sieht es zunächst so aus, als ob diese bei Inhibitor- Behandlung, insbesondere bei Einsatz von Echistatin, erhöht vorliegen (Abb. 12.3, unten, links). Dies kann auch bei den anderen Inhibitoren in Ansätzen beobachtet werden und wird in Abschnitt 12.4 diskutiert. Die Inhibierung mit 25 µm Pentamidin

142 Einsatz antithrombozytärer Substanzen wirkt sich in ähnlicher Weise aus wie die Inhibierung mit Echistatin. Lediglich die PF4- Ausschüttung nach Scherung ist geringfügig erhöht (Abb. 12.2, rechts). Bei Vorbehandlung des Blutes mit PGE1 findet unter Einfluss der laminaren Strömung ein Abfall der Thrombozytenzahl auf ca. 80 % des Ausgangswertes statt (Abb. 12.2, links). Nach Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln sinkt die Thrombozytenzahl lediglich um durchschnittlich 6 %. Die Analyse der PF4-Ausschüttung nach Einsatz von PGE1 ergibt für beide Strömungssituationen keine wesentliche Erhöhung des PF4-Gehaltes (Abb. 12.2, rechts). Die mit PGE1 inhibierten Thrombozyten bilden keine Aggregate (Abb. 12.3, Mitte, links), der initial festgelegte Basiswert wird nicht überschritten. Durch Stimulation mit ADP kann allerdings bei diesen Thrombozyten die Aggregatbildung signifikant gesteigert werden (Abb. 12.3, Mitte, rechts). Dies geschieht aber in einem statistisch signifikant geringeren Umfang als bei der Kontrolle. Bei der Mikropartikelbildung ist bei dem mit PGE1 behandelten Blut eine ähnliche Tendenz wie bei der unbehandelten Kontrolle festzustellen (Abb. 12.3, unten, links). Nach der Scherung mit laminarer Strömung liegt der Anteil der Mikropartikel signifikant höher als nach der Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln Einfluss auf die CD62P Expression und die Bindung von PAC1 Bei der Untersuchung der CD62P-Expression (Abb. 12.4) und der Bindung von PAC1 (Abb. 12.5) treten deutliche Unterschiede zwischen den verwendeten Inhibitoren auf. In den Abbildungen werden jeweils links die Messwerte nach Scherung dargestellt. Durch eine gestrichelte Linie werden die Basiswerte ungescherter Kontrollen gekennzeichnet (Abschnitt 7.1). Rechts werden in den Abbildungen die Messungen nach zusätzlicher ADP-Stimulation gegenübergestellt. Zu beachten ist in beiden Abbildungen die unterschiedliche Skalierung der rechten und linken Grafik. Abb. 12.4: Expression von CD62P bei Einsatz antithrombozytärer Substanzen (γ& = 600 s -1, t= 10 min; n =3). Links: CD62P-positive Thrombozyten direkt nach Scherung; rechts: CD62P-positive Thrombozyten nach Scherung und Stimulation mit ADP (30 µm). Weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln

143 12.3 Ergebnisse 135 Bei den nicht inhibierten, ungescherten Kontrollen beträgt der durchschnittliche Anteil CD62P-positiver Thrombozyten etwa 6 %. Im Vergleich zu diesem Basiswert liegt die CD62P-Expression bei den mit PGE1 inhibierten Thrombozyten signifikant niedriger (Abb. 12.4, links). Durch Stimulierung mit dem Agonisten ADP wird der Anteil der CD62P-positiven Thrombozyten zwar erhöht, liegt mit etwa 15 % aber signifikant unterhalb des Anteils von über 60 % in der gescherten, stimulierten Kontrolle (Abb. 12.4, rechts). Nach der Scherung zeigen die PGE1-behandelten Thrombozyten nur eine geringe Aktivierung des Fibrinogenrezeptors (Abb. 12.5, links). Diese ist durch eine ADP-Stimulation induzierbar (Abb. 12.5, rechts). Abb. 12.5: Bindung von PAC1 an den Fibrinogenrezeptor bei Einsatz antithrombozytärer Substanzen (γ& = 600 s -1, t= 10 min; n =3). Links: PAC1-positive Thrombozyten direkt nach Scherung; rechts: PAC1-positive Thrombozyten nach Scherung und Stimulation mit ADP (30 µm). Weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln Im Gegensatz dazu kann bei den Thrombozyten, die mit den GP IIb-IIIa-Antagonisten behandelt wurden, die CD62P-Expression durch ADP-Gabe signifikant stimuliert werden (Abb. 12.4, rechts), die Bindung von PAC1 aber nur unwesentlich (Abb. 12.5, links). Dies ist auch zu erwarten, da diese Inhibitoren sowohl an den aktivierten als auch den nicht-aktivierten Rezeptor binden. PAC1 steht in Kompetition mit dem Inhibitor und kann wie auch der eigentliche Ligand Fibrinogen nicht an den bereits blockierten Rezeptor binden. Die CD62P-Expression ist bei Verwendung von Pentamidin als GP IIb-IIIa-Antagonisten in etwa so hoch wie bei Einsatz von Echistatin und kann durch ADP auf das Maximum der Kontrolle gesteigert werden. Bei den Echistatinbehandelten Proben hingegen liegt der Anteil CD62P-positver Thrombozyten nach ADP-Gabe etwa 20 % unterhalb dieses Maximalwertes. Der Anteil gebundenen Fibrinogens wurde ebenfalls mit Hilfe der Durchflusszytometrie überprüft (Abb. 12.6). Der Basiswert der ungescherten, nicht behandelten Thrombozyten ist wiederum durch eine gestrichelte Linie gekennzeichnet. Dieser Basiswert liegt bei durchschnittlich 16 %. Bei Verwendung von PGE1 und Pentamidin nach Scherung mit beiden Strömungsformen sowie bei Einsatz von Echistatin nach laminarer Strömung binden nur etwa 1 bis 2 % der Thrombozyten Fibrinogen. Nach Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln wurde bei den mit Echistatin

144 Einsatz antithrombozytärer Substanzen inhibierten Thrombozyten ein geringer Anteil mit gebundenem Fibrinogen detektiert (etwa 6 %). Auch dieser Wert liegt weit unterhalb des Basiswertes. Eine Stimulation mit ADP wurde bei diesen Ansätzen nicht durchgeführt. Abb. 12.6: Nachweis von gebundenem Fibrinogen bei Einsatz antithrombozytärer Substanzen (γ& = 600 s -1, t= 10 min; n =3). Weiße Balken: laminare Strömung; schwarze Balken: Strömung mit Taylor-Wirbeln Rasterelektronenmikroskopische Untersuchung Die Oberflächen der in dieser Versuchsreihe verwendeten PS-Zylinder wurden mit Hilfe der REM untersucht. Auf den Zylindern, die dem mit den GP IIb-IIIa-Antagonisten Pentamidin (Abb. 12.7) und Echistatin (Abb. 12.8) inhibierten Blut ausgesetzt waren, finden sich nur vereinzelt Zellen. Die Abbildung der Oberfläche, die mit dem mit Pentamidin inhibierten Blut in Kontakt kam, zeigt einen adhärenten Erythrozyten. Die Adhärenz von Erythrozyten oder Leukozyten kann im Rahmen dieser Arbeit nur sehr selten beobachtet werden. Abb. 12.7: REM-Aufnahme von der Oberfläche der PS-Außenzylinder bei Einsatz von Pentamidin. Links: 300fache Vergrößerung, rechts: Ausschnitt aus der linken Abb. in 2400facher Vergrößerung. Zu sehen sind ein Erythrozyt sowie ein Thrombozyt im Aktivierungsstadium III. (γ& = 600 s -1, laminar)

145 12.3 Ergebnisse 137 Die wenigen adhärenten Zellen, die nach Inhibierung mit Echistatin beobachtet werden können, befinden sich alle in der ersten Phase der Aktivierung mit gerade einsetzender Pseudopodienbildung (Stadium II). Die adhärenten Zellen nach Pentamidin- Inhibierung sind geringfügig mehr aktiviert. Die meisten Thrombozyten befinden sich in Stadium II (Abb. 12.8), einige in Stadium III und liegen somit in der gespreizt dendritischen Form vor. Auf dem Innen- und dem Außenzylinder zeigen sich hinsichtlich der Bedeckung der Oberfläche mit adhärenten Thrombozyten in den Versuchen mit Einsatz der Inhibitoren keine Unterschiede. Ebenfalls sind keine Unterschiede nach Scherung des Blutes mit laminarer Strömung bzw. nach Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln festzustellen. Abb. 12.8: REM-Aufnahme von der Oberfläche der PS-Außenzylinder bei Einsatz von Echistatin. Links: 300fache Vergrößerung, rechts: 2400fache Vergrößerung. Die Abbildung zeigt einen adhärenten Thrombozyten im frühen Aktivierungsstadium II. (γ& = 600 s -1, laminar) Die REM-Aufnahmen der PS-Zylinderoberfläche bei Einsatz von PGE1 (Abb. 12.9) zeigen, dass der in Abschnitt dargestellte statistisch signifikante Thrombozytenzahlabfall durch eine Adhäsion der Zellen zustande kommt. Die Innenund Außenzylinder weisen auch bei diesen Ansätzen eine vergleichbare Bedeckung mit den Zellen auf. Der erhöhte Thrombozytenzahlabfall in den Proben nach laminarer Scherung macht sich in den REM-Aufnahmen bemerkbar. Hier sind nach laminarer Strömung mehr adhärente Thrombozyten pro Fläche zu sehen als nach der Strömung mit Taylor-Wirbeln. In den Versuchen ohne Einsatz antithrombozytärer Substanzen geht eine Steigerung der Adhäsion mit einer Erhöhung der PF4-Ausschüttung einher. Die Analyse der PF4-Ausschüttung nach Einsatz von PGE1 ergibt trotz vermehrter Adhäsion keine Erhöhung des PF4-Gehaltes. Dies ist auf den niedrigen Aktivierungsstatus der Thrombozyten zurückzuführen. Im Vergleich zum unbehandelten Blut befinden sich wesentlich mehr Thrombozyten in den Aktivierungsstadien II und III, dafür jedoch keine im Stadium IV oder gar im finalen Stadium V (vgl. auch Abb und Abb. 10.6).

146 Einsatz antithrombozytärer Substanzen γ& = 600 s -1, laminar γ& = 600 s -1, Taylor-Wirbel Abb. 12.9: Adhärente Thrombozyten bei Einsatz von PGE1. REM-Aufnahmen vom Außenzylinder. Links: 300fache Vergrößerung, rechts: 2400fache Vergrößerung. Die Abbildungen zeigen adhärente Thrombozyten in den frühen Aktivierungsstadien II und III Diskussion Die Ergebnisse der Kapitel 10 und 11 lassen den Schluss zu, dass beim Auftreten von Taylor-Wirbeln die Thrombozyten aufgrund der Erythrozyten in die Mitte der Wirbel und in Zylinderwandnähe gedrängt werden. Die lokalen Scherraten sind dort deutlich höher als die durchschnittliche (siehe Abschnitt 5.1.4). Wie in Abschnitt dargestellt, hängt der Adhäsionsmechanismus wiederum von der Strömungssituation ab. Bei niedrigen Scherraten wird die Adhäsion über den Fibrinogenrezeptor vermittelt, bei hohen über den vwf-rezeptor (Kemkes-Matthes und Oehler, 2001). Durch Einsatz der GP IIb-IIIa-Antagonisten Echistatin und Pentamidin wird hier gezeigt, dass sowohl die Adhäsion auf den PS-Zylindern bei der laminaren Strömung als auch bei der Strömung mit Taylor-Wirbeln über den Fibrinogenrezeptor stattfindet. Die Bildung der Thrombozytenaggregate wird erwartungsgemäß ebenfalls über den Fibrinogenrezeptor vermittelt. Bei einer Blockierung des GP IIb-IIIa-Rezeptors bzw. der Mechanismen, die zur Aktivierung dieses Rezeptors führen, findet keine

147 12.4 Diskussion 139 Aggregatbildung statt. Durch ADP-Gabe kann bei den mit PGE1 inhibierten Thrombozyten die Aktivierung des Fibrinogenrezeptor induziert werden. Es findet dann auch eine Aggregatbildung statt. Diese ist aber gegenüber der bei der Kontrolle allein durch die Scherung induzierten Aggregatentstehung reduziert. Die beiden wesentlichen Erkenntnisse, der in diesem Kapitel vorgestellten Ergebnisse, lassen sich damit wie folgt zusammenfassen: 1. Bei laminarer Strömung und bei der Strömung mit Taylor-Wirbeln findet die Adhäsion über ähnliche Mechanismen statt. 2. Die Adhäsion auf den PS-Zylindern wird über den Fibrinogenrezeptor vermittelt. Im Rahmen der in diesem Kapitel dargestellten Messungen unter Einsatz der Inhibitoren wurde bei der rasterelektronenmikroskopischen Untersuchung der in den Versuchen eingesetzten PS-Zylinder eine interessante Beobachtung gemacht: Nach Scherung des mit Echistatin behandelten Blutes sind bei einem Versuch auf der Oberfläche einiger PS-Zylinder fädige Strukturen zu sehen (Abb ). Bei der Inhibierung der Bindung von Fibrinogen an den Rezeptor steht im Blut eine größere Menge dieses Proteins zur Verfügung. Dieses kann im Rahmen des plasmatischen Gerinnungsprozesses zu Fibrinpolymeren umgesetzt werden (siehe Abschnitt 2.2.3). Die Annahme, dass die Inhibierung der Fibrinogenbindung den Anteil von Fibrinpolymeren im Blut erhöht, wird durch die Beobachtung der fädigen Strukturen auf der Zylinderoberfläche unterstützt. Abb : REM-Aufnahme der PS-Oberfläche eines Außenzylinders nach Kontakt mit Echistatin inhibiertem Blut (γ& = 600 s -1, t= 10 min). Zu sehen sind fädige Proteinstrukturen und ein bikonkaver Erythrozyt (Diskozyt). 5000fache Vergrößerung Diese Strukturen konnten in der Arbeitsgruppe bereits bei der Untersuchung anderer Biomaterialien wie beispielsweise auf Kapillaren von Oxygenatoren oder auf Schlauchoberflächen beobachtet werden (Scheidt, H., Institut für Physiologie der RWTH-Aachen, pers. Mitteilung).

148 Einsatz antithrombozytärer Substanzen Die Erhöhung der Verfügbarkeit von Fibrinogen nach Einsatz von GP IIb-IIIa- Antagonisten steht auch in Zusammenhang mit einer von Rossi et al. durchgeführten Studie mit dem klinisch relevanten GP IIb-IIIa-Antagonisten Abciximab (Rossi et al., 2001). Die Autoren untersuchen in ihrer Arbeit die CD62P-Expression bei mit 10 µm ADP aktivierten Thrombozyten. Dabei können sie bei den aktivierten Thrombozyten, deren GP IIb-IIIa-Rezeptor mit Abciximab blockiert wurde, eine erhöhte CD62P-Expression im Vergleich zu den ADP-aktivierten Thrombozyten ohne Fibrinogenrezeptorantagonist zeigen. Die Autoren schließen daraus, dass die GP IIb-IIIa-Blockade die α- Granula-Sekretion nicht inhibiert, sondern evtl. sogar steigert. Ihr Interpretationsansatz geht dahin, dass die Blockade des GP IIb-IIIa-Rezeptors die Verfügbarkeit von Fibrinogen im Blut erhöht (Rossi et al., 2001). Fibrinogen wiederum soll über einen Weg, der unabhängig von der Bindung an GP IIb-IIIa ist, die Degranulation steigern können. Die im Rahmen dieser Arbeit erhaltenen Daten unter Verwendung der GP IIb- IIIa-Antagonisten Pentamidin und Echistatin können diese Hypothese nicht bestätigen. Wie bei Verwendung von Abciximab kann hier eine erhöhte Verfügbarkeit von Fibrinogen vermutet werden. Dennoch ist die CD62P-Expression nicht erhöht. Die durch ADP-Stimulation hervorgerufene CD62P-Expression in der mit Pentamidin behandelten Probe entspricht der CD62P-Expression in der Kontrolle, was die grundsätzliche Funktionalität dieses Aktivierungsmechanismus zeigt. Dieses Ergebnis steht in Übereinstimmung mit den Untersuchungen zum GP IIb-IIIa-Antagonisten Orbofiban(a), einem Antagonisten, der ebenso wie Pentamidin keine Peptidstruktur besitzt (Schneider et al., 2000). Auch bei diesem Inhibitor verändert sich die CD62P-Expression nach ADP- Stimulierung nicht. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann gezeigt werden, dass bei Verwendung des Antagonisten Echistatin die CD62P-Expression nach ADP-Stimulierung deutlich herabgesenkt wird. Aus diesen Ergebnissen ist zu schließen, dass die unterschiedlichen GP IIb-IIIa-Antagonisten, z. B. Pentamidin, Echistatin aber auch Abciximab, in unterschiedlicher Weise die α-granula-sekretion beeinflussen.

149 12.4 Diskussion Generelle Diskussion Inhalt dieser Arbeit sind die Entwicklung eines Taylor-Couette-Systems, in dem sowohl eine laminare Strömung als auch eine Strömung mit Sekundärströmung erzeugt werden können, sowie die Charakterisierung des Einflusses beider Strömungsformen auf die Thrombozyten. Diese Ziele werden im Verlauf der 6 Kapitel des Ergebnisteils in dieser Arbeit verfolgt. Jedes Kapitel für sich behandelt einen Teilaspekt der Etablierung des Taylor-Couette-Systems bzw. der Untersuchung des Einflusses von Sekundärströmungen auf die Komponenten humanen Blutes. Polystyrol wird als Referenzmaterial eingeführt. Die Thrombozytenadhäsion und die Proteinadsorption nach Kontakt der PS- Zylinder mit Blut werden untersucht sowie die Versuchsbedingungen wie Versuchsdauer und Scherzeit evaluiert. Zentraler Gegenstand der Arbeit ist die Untersuchung des Einflusses von Sekundärströmungen auf die Thrombozytenaktivierung (Kapitel 10). In Abhängigkeit von der Scherrate werden unterschiedliche Ergebnisse beim Vergleich laminarer und mit Sekundärströmung behafteter Strömung erzielt. Diese Unterschiede werden darauf zurückgeführt, dass erst in einem bestimmten Scherbereich im Taylor-Couette-System stabile Taylor-Wirbel entstehen. Die stabilen Taylor-Wirbel werden in dieser Arbeit als ein standardisiertes Beispiel für die in vivo und in vitro auftretenden Sekundärströmungen untersucht. Die Strömung mit den stabilen Taylor-Wirbeln führt im Vergleich mit der laminaren Strömung nicht zu der erwarteten erhöhten Thrombozytenadhäsion. Im Gegenteil adhärieren bei gleicher mittlerer Scherrate mehr Thrombozyten nach Scherung mit laminarer Strömung. Auch weitere Parameter thrombozytärer Aktivierung verhalten sich nicht entsprechend der in der Literatur dargestellten Annahmen zum Einfluss von Sekundärströmungen (siehe Abschnitt 13.3). Aus den Ergebnissen in Kapitel 10 ergeben sich die Fragen, welchen Beitrag die Erythrozyten zum Ablauf thrombozytärer Aktivierung im Bereich von Sekundärströmungen leisten und welche Rolle der Fibrinogenrezeptor GP IIb-IIIa im thrombotischen Geschehen spielt. Diesen Fragen wird durch Variation des Hämatokrits und den Einsatz antithrombozytärer Substanzen nachgegangen. Aus den Untersuchungen ergeben sich eine Reihe interessanter Teilergebnisse, die im Rahmen der spezifischen Diskussion zu jedem Kapitel erörtert werden. Im folgenden Abschnitt werden zunächst die Eigenschaften des evaluierten Taylor-Couette-System diskutiert (Abschnitt 13.1). Abschnitt 13.2 widmet sich der kritischen Betrachtung der durchflusszytometrischen Messparameter. Im Rahmen der generellen Diskussion wird in Abschnitt 13.3 unter Einbezug der Ergebnisse der einzelnen Kapitel eine Vorstellung von den fluiddynamischen Vorgängen in Bereichen stabiler Wirbelbildung und der damit verbundenen Aktivierung der Thrombozyten gegeben. Abschließend findet ein Ausblick auf die Fragestellungen und Projekte, die sich auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Arbeit ergeben, statt (Abschnitt 13.4).

150 Generelle Diskussion 13.1 Das Taylor-Couette-System als hämorheologisches Testsystem Auch nach mehr als 30 Jahren Biomaterialforschung und einer noch längeren Zeit der Erforschung thrombozytärer Vorgänge bleiben viele Vorgänge und Mechanismen im Blut unverstanden. Ein Beispiel dafür ist der Zusammenhang zwischen Sekundärströmung und Thrombusbildung, der derzeit noch wenig aufgeklärt ist (Wootton und Ku, 1999). Zur Untersuchung bedarf es geeigneter Testsysteme und einer geeigneten Analytik. Das eingesetzte Taylor-Couette-System eignet sich in besonderer Weise für Invitro-Untersuchungen zum Einfluss von Sekundärströmungen. In den vergangenen Jahren konnten die Strömungs- und Scherbedingungen bei den Taylor-Wirbeln berechnet, simuliert und visualisiert werden (Werely und Lueptow, 1998; Werely und Lueptow, 1999). Mit ein und demselben Taylor-Couette-System können eine laminare Strömung und eine Scherung mit definierten Sekundärströmungen erzeugt werden. Zur Generierung der Strömung wird kein zusätzliches System wie beispielsweise eine Rollerpumpe benötigt. Dies stellt bei einigen anderen In-vitro-Systemen wie beispielsweise dem Strömungsmodell von Groth et al. (1994) eine Komplikation dar, da in solchen Bereichen eine zusätzliche Belastung der Blutkomponenten auftritt. Der Kontakt mit verschiedenen Fremdoberflächen wird auf ein Minimum beschränkt, da beide Zylinder aus demselben Material bestehen. Es werden keine zusätzlichen Schläuche, Konnektoren etc. zur Befüllung des Systems benötigt wie dies beispielsweise bei dem von Paul eingesetzten Couette-System der Fall ist (Paul, 2000). Das zu untersuchende Material kann variiert werden, da die Zylinder einschließlich der Zylinderhalterungen ausgetauscht werden können. Die Zylinder können kommerziell bezogen oder bei besonderem Interesse speziell angefertigt werden. Einmalmaterial eignet sich u. a. besonders gut, da damit REM-Untersuchungen möglich sind. Bei der Entwicklung geeigneter In-vitro-Modelle findet eine zunehmende Reduktion des Füllvolumens statt. Es ist wünschenswert, dass mit dem Blut eines Spenders oder Patienten möglichst viele vergleichende Untersuchungen durchgeführt werden können. Diese Blutmenge ist insbesondere beim Patienten und bei Kindern stark limitiert. Die Entwicklung neuer analytischer Methoden gestattet es, auf der Grundlage eines geringen Probenvolumens eine Vielzahl von Parametern messen zu können. Vor allem die Durchflusszytometrie kommt mit einer minimalen Blutmenge aus. Für die Messung der Sekretion der α-granula beispielsweise wird mittlerweile oftmals die CD62P-Expression nachgewiesen und nicht mehr so häufig die Freisetzung granulärer Proteine. Für den Nachweis der CD62P-Expression mit Hilfe der Durchflusszytometrie werden wenige µl Blut benötigt. Die Messung des PF4-Plasmagehaltes mit Hilfe des ELISA-Testes hingegen erfordert etwa 3 ml Blut. Das eigentliche ELISA-Verfahren kommt zwar ebenfalls mit µl-mengen aus, zuvor sind jedoch Zentrifugationsschritte etc. durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass diese Verfahren nicht alternativ, sondern ergänzend eingesetzt werden sollten (siehe Abschnitt 13.2). Die Betrachtung eines einzelnen Parameters wie der CD62P-Expression lässt eine völlig andere

151 13.2 Kritische Betrachtung der durchflusszytometrischen Ergebnisse 143 Interpretation hinsichtlich der Aktivierung der Thrombozyten zu, als die Gesamtbetrachtung von CD62P-Expression, PF4-Freisetzung und Thrombozytenadhäsion. Das Füllvolumen des verwendeten Testsystems darf somit nicht zu klein gewählt werden, um eine weitreichende Analyse zu ermöglichen. Die in dieser Arbeit gewählte Menge von 6,5 ml stellte das Optimum für die durchzuführenden Versuche dar. Aufgrund der Flexibilität des Systems ist es jedoch möglich, durch Auswahl kleinerer bzw. größerer Zylinder das Volumen zu variieren und neuen Fragestellungen anzupassen. Für die veränderten Geometrien muss eine Neubestimmung der Taylor-Zahlen erfolgen. In der Biomaterialforschung werden derzeit immer noch statische In-vitro- Systeme zur Testung der Hämokompatibilität eingesetzt. Harmand und Briquet (1999) beispielsweise vergleichen Schläuche aus vier verschiedenen Materialien, die bei kardiopulmonaren Bypass-Operationen verwandt werden, mit Hilfe eines statischen Invitro-Systems. Bei keinem dieser Materialien können sie eine Thrombozytenaktivierung feststellen. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit machen jedoch deutlich, dass Versuche, die mit statischen Systemen durchgeführt werden, keinen Aufschluss über die beim dynamischen Kontakt im Blut stattfindenden Prozesse geben. Die Untersuchung der PS-Zylinder unter statischen Bedingungen ergab beispielsweise eine drastisch reduzierte Thrombozytenadhäsion verglichen mit der Adhäsion am selben Material unter dynamischen Bedingungen (Abschnitt 8.2). Die durchgeführten Untersuchungen zeigen ebenfalls, dass nur bei Einbeziehung aller Blutbestandteile die Aussicht besteht, die Komplexität der Wechselwirkungen innerhalb des Blutes zu erfassen. Sowohl das Fehlen der Erythrozyten als auch das Fehlen der Leukozyten wirkt sich auf die thrombozytäre Aktivierung aus. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse sind auch die Hämokompatibilitätsuntersuchungen, die mit plättchenreichem Plasma durchgeführt werden, kritisch zu betrachten (vgl. z. B. Grunkemeier et al., 1998) Kritische Betrachtung der durchflusszytometrischen Ergebnisse Die in dieser Arbeit dargestellten Ergebnisse der durchflusszytometrischen Untersuchungen weisen große Varianzen auf. Signifikanzen können auf der Grundlage des gewählten Stichprobenumfanges nur vereinzelt nachgewiesen werden. Größere Stichprobenumfänge erhöhen die Chance für ein signifikantes Ergebnis. Grundsätzlich existieren 4 wechselseitig voneinander abhängige Einflussgrößen des Signifikanztests: das Signifikanzniveau, die Effektgröße, die Teststärke und der Stichprobenumfang (Bortz und Lienert, 1998). Bei gleichem gewählten Signifikanzniveau kann je nach Effektgröße des untersuchten Parameters der optimale Stichprobenumfang stark variieren. In der vorliegenden Arbeit ist der gewählte Stichprobenumfang geeignet, um beispielsweise bei den Parametern Thrombozytenzahl bzw. PF4-Ausschüttung Signifikanzen nachzuweisen. Bei den durchflusszytometrischen Untersuchungen (insbesondere beim Nachweis der Fibrinogenrezeptoraktivierung und der CD62P-Expression) hinge-

152 Generelle Diskussion gen reicht der Stichprobenumfang dafür vielfach nicht aus. Eine grobe Abschätzung (vgl. Bortz und Lienert, 1998) zeigt, dass bei Annahme einer mittleren Effektgröße ein optimaler Stichprobenumfang von etwa n = 50 notwendig ist, um bei einem Signifikanzniveau von α = 0,05 mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 % (entspricht einer Teststärke von 0,8) ein signifikantes Ergebnis zu erhalten. Dies entspricht bei ganzjährig wöchentlich durchgeführten Versuchen einer Gesamtversuchsdauer von einem Jahr. Bei einer kleinen Effektgröße erhöht sich der Stichprobenumfang sogar auf mehr als 300. Aus Gründen der Versuchsökonomie sollten daher Alternativstrategien wie beispielsweise die ergänzende Untersuchung verschiedener Parameter in Erwägung gezogen werden, um Aussagen hinsichtlich der Hämokompatibilität einer Anwendung machen zu können. Auch andere Autoren sind sich dieser Problematik bewußt. In der Thrombozytenfunktionsdiagnostik werden durchflusszytometrische Untersuchungen seit Einführung der Methodik Ende der achtziger Jahre aufgrund ihrer Vorteile (geringes benötigtes Probenvolumen, im Vergleich zu ELISA-Tests schnell durchführbar) geschätzt (Gawaz, 1999). Dennoch tauchen diese Parameter in den von verschiedenen Arbeitsgruppen ausgesprochenen Empfehlungen hinsichtlich der Thrombozytentests zur Bestimmung der Biokompatibilität bisher nicht auf. Diese Empfehlungen legen immer noch vorwiegend die Bestimmung der Thrombozytenzahl und den Nachweis der aus den Granula freigesetzten Stoffe für die Bewertung zugrunde (Lindhout, 1994; Sefton et al., 2000). Die Arbeitsgruppe von Michael Sefton, deren Mitarbeiter in den letzten 10 Jahren wesentliche Veröffentlichungen auf dem Gebiet der durchflusszytometrischen Untersuchung der Hämokompatibilität publiziert haben (z. B. Yeo et al., 1993; Gemmell et al., 1995; Gemmell, 1998), kommt im vergangenen Jahr zu dem Schluss, dass insbesondere der Nachweis des P-Selektins und der GP IIb-IIIa-Expression zur Festlegung der Hämokompatibilität in der Vergangenheit überbewertet wurden (Sefton et al., 2001). Die Ergebnisse der durchflusszytometrischen Untersuchungen in dieser Arbeit sind nicht als Einzelergebnisse zu betrachten, sondern im Kontext der Gesamtarbeit. Bei den einzelnen Fragestellungen werden neben den durchflusszytometrischen Untersuchungen stets auch die aussagekräftigeren Parameter wie beispielsweise die PF4-Freisetzung gemessen. Die in dieser Arbeit gezogenen Schlussfolgerungen beruhen auf den signifikanten Unterschieden. Weiterhin sind die Ergebnisse der einzelnen Kapitel in Beziehung zu setzen. So stützen beispielsweise die in Abschnitt dargestellten Ergebnisse zur Expression von CD62P (Abb. 12.4), zur Bindung von PAC1 (Abb. 12.5) sowie zum Nachweis von gebundenem Fibrinogen (Abb. 12.6) allesamt die in Kapitel 10 dargestellten Tendenzen für die Scherrate 600 s -1 hinsichtlich der Unterschiede zwischen diesen Parametern bei den beiden eingesetzten Strömungsformen.

153 13.3 Scherung des Blutes im Taylor-Couette-System 145 Mikropartikel- und Aggregatbildung In dieser Arbeit wird eine Analyse der Thrombozytenpopulation gemäß des von der Arbeitsgruppe Matzdorff veröffentlichten Protokolls (Matzdorff et al., 1998a; Matzdorff et al., 2000) durchgeführt. Die Mikropartikel bzw. Aggregate werden auf der Basis ihrer Größe (FSC) und ihrer thrombozytenspezifischen Fluoreszenz (CD42b) von der Hauptpopulation unterschieden (siehe Abschnitt 6.5.2). Mit dem unstimulierten Blut gesunder Spender wird zum einen der FSC-Schwellwert festgelegt, unterhalb dessen die positiven Ereignisse als Mikropartikel bezeichnet werden, zum anderen der FSC- Schwellwert, oberhalb dessen die Ereignisse als Aggregate definiert werden. Die Autoren verweisen darauf, dass es sich dabei um willkürliche Festlegungen handelt (Matzdorff et al., 1998a). Diese Vorgehensweise hat sich für In-vitro-Versuche bewährt, in denen relative Änderungen untersucht werden (siehe z. B. auch Hughes et al., 2000). Bei einigen Fragestellungen ist es unumgänglich, nicht die relativen Änderungen hinsichtlich Mikropartikel- und Aggregatbildung zu ermitteln, sondern die absoluten. Standard-Durchflusszytometer wie das in dieser Arbeit verwendete sind allerdings nur auf die Ermittlung relativer Änderungen ausgelegt (Matzdorff et al., 1998a). Bei der Bestimmung der absoluten Zahl muss daher auf andere Methoden ausgewichen werden. Zum Nachweis der schon rein optisch gut zu identifizierenden Aggregate existieren bereits seit vielen Jahren diverse aggregometrische Verfahren (Gawaz, 1999). Die Identifikation der Mikropartikel erweist sich als deutlich schwieriger. Eine Möglichkeit stellt die spezifische Markierung der Mikropartikel mit Annexin V mit anschließender durchflusszytometrischer Analyse dar (Nomura et al., 2000). Dieses Verfahren konnte in dieser Arbeit nicht angewandt werden, da sowohl die Fixierung der Probe als auch die vorhandenen Erythrozyten die Annexin V-Färbung stören (Matzdorff et al., 1998a) Scherung des Blutes im Taylor-Couette-System Die Ergebnisse dieser Arbeit werden nachfolgend in die aus der Literatur bekannten Konzepte der Hämorheologie eingegliedert. Auf der Grundlage dieser Konzepte werden die thrombozytäre Adhäsion und Aktivierung nach Scherung im Taylor- Couette-System diskutiert Einzelreaktionen der Sekundärströmung im Taylor-Couette-System Sekundärströmungen sind in vitro und in vivo vor allem unter pathologischen Bedingungen unvermeidbar. Sie sind gekennzeichnet durch lokale Rezirkulationszonen, Staupunkte und Bereiche mit annähernd laminarer Strömung (Schmid-Schönbein, 1988a). Diese Einzelreaktionen treten je nach Gestalt der Strombahn und Fließbedingungen in qualitativ und quantitativ variablen Kombinationen auf. Die einzelnen Komponenten wurden in bisherigen In-vitro-Systemen isoliert untersucht. Beispielsweise wird in der Staupunktkammer gezielt das Auftreten der Staupunktströmung simuliert (Affeld et al., 1995). In den Systemen von Karino und Goldsmith werden die Vorgänge

154 Generelle Diskussion in Rezirkulationszonen untersucht (Goldsmith und Karino, 1977). Für die Bereiche laminarer Strömung gibt es eine Vielzahl von Systemen. Das am besten untersuchte ist die laminare Rohrströmung. Erkenntnisse, die aus den Untersuchungen der Teilreaktionen stammen, tragen zur Entstehung eines Gesamtbildes von den in Bereichen mit Sekundärströmung ablaufenden Mechanismen und Wechselwirkungen bei. Im Rahmen dieser Arbeit wird mit dem Taylor-Couette-System ein System vorgestellt, welches das gesamte komplexe Zusammenspiel der Bereiche annähernd laminarer Strömung, der lokalen Rezirkulationszonen und der Staupunkte beinhaltet (Abb. 13.1). Abb. 13.1: Aufspaltung der Taylor-Couette-Wirbelströmung in die Teilaspekte lokale Staupunkte, Rezirkulationszonen und Bereiche annähernd laminarer Strömung Fluiddynamische Heterophase-Effekte und Grenzschichtbildung im Taylor-Couette-System Grundlage der nachfolgenden Diskussion sind zwei Konzepte zur Fluiddynamik des Blutes. Dies ist zum einen die Vorstellung über die im Blut auftretenden fluiddynamischen Heterophase-Effekte und zum anderen das Konzept der Grenzschichtbildung. Die in der laminaren Rohrströmung auftretenden fluiddynamischen Heterophase-Effekte des Blutes wurden im Rahmen dieser Arbeit bereits dargestellt. Sie werden hier noch einmal zusammengefasst. Bei Abwesenheit von Erythrozyten verhalten sich Thrombozyten und Leukozyten in der Strömung wie quasi rigide Partikel. Eine maximale Konzentration dieser rigiden Partikel wird in der Rohrströmung bei einem Radius von 0,6 R (mit R = Tubusdurchmesser) gefunden. In der Achse ist die Konzentration deutlich niedriger, in Wandnähe sogar gleich Null (Abb. 13.2, links). Bei Erhöhung der Scherrate von 240 auf 1200 s -1 bleibt dieser Effekt qualitativ gleich, wird jedoch in

155 13.3 Scherung des Blutes im Taylor-Couette-System 147 seiner Ausprägung verstärkt (Aarts et al., 1988). Erythrozyten zeigen ein für deformierbare Partikel typisches Verhalten. Der lokale Hämatokrit in Wandnähe ist gleich Null und steigt zur Achse hin an. In axialer Position kann der lokale Hämatokrit deutlich über dem durchschnittlichen Hämatokrit liegen. In Wandnähe befindet sich erythrozytenarmes Plasma. Die Erythrozyten erzeugen durch ihre rotatorische Eigenbewegung lokale Fluidbewegungen, die zu einer Erhöhung der kinetischen Energie der Thrombozyten führen. Damit ändert sich die räumliche Verteilung der Thrombozyten in Anwesenheit von Erythrozyten (Abb. 13.2, rechts). Eine maximale Thrombozytenkonzentration tritt bei Anwesenheit von Erythrozyten in direkter Wandnähe auf. Dieser als platelet skimming bezeichnete Vorgang erscheint aus physiologischer Sicht durchaus sinnvoll. Die Adhäsion der Thrombozyten beispielsweise am Subendothel beschädigter Gefäße setzt voraus, dass die Blutplättchen zur Gefäßwand transportiert werden. Sowohl Thrombozyten als auch Leukozyten müssen in dem Bereich der Gefäßwand ihre Funktion erfüllen. Daher wäre es ungünstig, wenn sich diese Zellen insbesondere bei großen Gefäßen im axialen Strom bewegen würden. Die auf den Gastransport spezialisierten Erythrozyten üben ihre Funktion in erster Linie in einem Kapillarnetz aus, indem sie aufgrund des geringen Gefäßdurchmessers in ständigem Kontakt mit der Gefäßwand stehen. Abb. 13.2: Radiale Verteilung der Thrombozyten- ( ) und Erythrozytenkonzentration ( ) in Abwesenheit (links) und in Anwesenheit (rechts) von Erythrozyten. Modifiziert nach (Aarts et al., 1988) Die Vorstellung, dass sich die Erythrozyten in Bereichen niedriger Schubspannungen und hoher Geschwindigkeiten anreichern und die rigiden Partikel in die Bereiche hoher Schubspannungen gedrängt werden, ergibt übertragen auf das Taylor- Couette-System folgendes Bild: In Zylinderwandnähe und in der Mitte der Wirbel treten die größten Schubspannungen auf. Dort sind folglich die geringsten Hämatokritwerte und die höchsten Thrombozytenkonzentrationen zu erwarten. Die niedrigsten Schubspannungen wirken im Bereich zwischen den Wirbeln. Hier ist eine maximale Erythrozytendichte anzunehmen. Diese Annahme wird von der Beobachtung gestützt, dass im Fluid Blut bei Scherung mit der Strömung mit Taylor-Wirbeln in einem Abstand, der dem Wirbeldurchmesser entspricht, schmale Banden in einem dunkleren Rot auftreten

156 Generelle Diskussion (siehe Abschnitt 10.2). In Abb sind die erwarteten fluiddynamischen Heterophase- Effekte im Taylor-Couette-System schematisch dargestellt. Eine Überprüfung der erwarteten Verteilung der Blutzellen im Taylor-Couette- System durch Visualisierung der Blutströmung ist nicht ohne weiteres realisierbar. Aarts et al. führten die oben dargestellten Versuche mit so genannten Ghosts durch, d.h. Erythrozyten, denen der größte Teil ihres Hämoglobins entzogen wurde. Bei der Arbeit mit nativem Vollblut und den derzeit angewandten Methoden (z.b. Laser-Doppler- Technik) ist es nicht möglich, Aussagen über die Verteilungswahrscheinlichkeit der Thrombozyten zu treffen, da die Erythrozyten bzw. das in ihnen enthaltene Hämoglobin zu viel Licht adsorbieren. Im Taylor-Couette-System ergibt sich zudem die Schwierigkeit, dass das Wirbelzentrum durch die umgebenden torusförmigen Wirbel verdeckt wird. Bei der Untersuchung mit den Ghosts ist ein hoher präparativer Aufwand nötig. Das PRP und die Ghosts werden, ähnlich wie bei den Untersuchungen zur Variation des Hämatokrits, getrennt hergestellt und anschließend im gewünschten Verhältnis gemischt. Bei der Präparation gehen plasmatische und zelluläre Bestandteile wie beispielsweise die Leukozyten verloren. Die Bedeutung der Leukozyten für das im Taylor- Couette-System auftretende Strömungsprofil wurde bereits ausführlich in Abschnitt diskutiert. Abb. 13.3: Fluiddynamische Heterophase-Effekte im Taylor-Couette-System. Grau schattiert sind die Bereiche, in denen eine erhöhte Erythrozytenkonzentration und wenige Thrombozyten zu erwarten sind. Die Pfeile kennzeichnen die Bereiche mit der niedrigsten Schubspannung, in denen eine maximale Erythrozytendichte anzunehmen ist. Für die weiteren Betrachtungen soll das zweite verwendete Konzept der Grenzschichtbildung eingeführt werden. Dieses Konzept ist zurückzuführen auf Prandtl, der es bereits 1904 für den Bereich der Aero- und Hydrodynamik aufgestellt hat (Affeld et al., 1995). Viele Jahre später wurde dieses Konzept auf die Blutströmung übertragen (Goldsmith und Turitto, 1986). Die Grundidee besteht darin, eine Strömung in zwei Bereiche zu unterteilen. Der eine Bereich befindet sich in direkter Nähe zur Oberfläche.

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