2 Zensuren si nd gut quantifizierbar und auch außerhal b des Erziehungssystems anschlussfähig. So dienen sie: 1 ) den ausgewählten Schülern sel bst al
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- Maya Brauer
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1 1 Wi ntersemester 2006/07 Ri ngvorlesung: "Gesel lschaftl iche Entwickl ung, Sozial isation und Bi ldung" 3. Tei l "Bi ldungssoziologie"; PD Dr. Udo Thiedeke "Erziehung" Zusammenfassung: Sozial isation als lebenslanger Prozess des "Sozial machens" und "Sozialwerdens" verläuft zumeist ungeplant und mit konti ngenten (kaum abschätzbaren) Ergebnissen. Al lerdi ngs beschränkt sich die sozial isatorische Perspektive der Bi ldung nicht nur auf i ndividuel le Sel bstbi ldung, sondern weist auch ei ne Di mension der "Fremdbi ldung", bzw. "Aus-Bi ldung" besti mmter, gesel lschaftl ich erwünschter, Fähigkeiten und Eigenschaften bei den I ndividuen auf. [vgl. Folie 1 ] Vor allem muss in der modernen, funktional differenzierten Gesellschaft gezielt in Richtung auf Rol lenübernahme und -erfül lung hi n sozial isiert werden. Seit dem 1 8. Jhr. : wi rd diese gezielte Sozial isation als "Erziehung" bezeichnet. Erziehung soll daher, als eine gezielte Form der Sozialisation, mit der Absicht persönliche Fähigkeiten zur Übernahme gesellschaftlicher Rollen auszubilden, verstanden werden. [vgl. Folie 2] Der Soziologe Ni klas Luhmann hat darauf hi ngewiesen, dass sich Erziehung als exemplarische Kommuni kation entfaltet, die durch besti mmten 'Absichten' zur Sozial i- sation gekennzeichnet ist (2002: 54). Laut Luhmann lassen sich verschiedene Charakteristi ka der Erziehung festhalten. [vgl. Folie 3] Dabei entsteht mit der Erziehungskommuni kation ei n I nteraktionssystem zwischen Erziehenden und Zöglingen, das für sich genommen aber noch zu instabil und zufäll ig ist, um sichere Ausbi ldungsergebnisse zu garantieren. In der modernen Gesellschaft ist diese I nteraktion daher in ein Organisationssystem übergegangen. Es ist ei n Erziehungssystem entstanden, zu dem auch die Schule gehört. Bei der Erziehung in den Schulen kommt es darauf an, die Absichten der Sozialisation auf die gesel lschaftl ichen Anforderungen auszurichten. Erziehung in 'guter Absicht' erfordert aber immer auch Lob und Tadel. Erziehung ist daher selektiv. Sie unterscheidet gute und schlechte Zögl i nge, i n der Schule gute und schlechte Schüler, wofür sich organisatorisch das Zensurensystem herausgebi l- det hat.
2 2 Zensuren si nd gut quantifizierbar und auch außerhal b des Erziehungssystems anschlussfähig. So dienen sie: 1 ) den ausgewählten Schülern sel bst als Vergleichsmasstab i hrer Leistungen, 2) der Zugangsberechtigung zu andereren Organisationen (Schulen, Behörden, Betrieben) und 3) als Referenz für die Sozial isations- (gelungen/fehlgeschlagen) und Erziehungsergebnisse (brauchbar/unbrauchbar) der Fami l i- en. Es zeigen sich aber auch Defizite, weil die Zensuren auf den Lernerfolg von Stoff ausgerichtet si nd und schlecht erfassen, was i n der Schule auch gelehrt und gelernt werden muss: ei nerseits die Lernfähigkeit sel bst, andererseits veral lgemei nerte Sozial isationsfähigkeit. [vgl. Folie 4] I n der Schule kreuzen sich also diese Erwartungen und die Widersprüchl ichkeiten von I nteraktion und Organisation i n ei nem organisatorischen Rahmen, den besonders der Unterricht darstel lt. Der Unterricht ist daher zeitl ich, sozial, thematisch und räuml ich so strukturiert, dass vor al lem die Lehrenden dieses Spannungsverhältnis i m Si nne der Erziehungsziele moderieren können. [vgl. Folie 5] Da hierbei Rol lenungleichheiten auftreten, schei nt das Erziehungssystem auch soziale Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten zu verstärken und bei m "doi ng role" (bei m Einüben der Fähigkeit Rollen zu übernehmen) ein "doing class" (die Reproduktion schichtspezifischer Privi legien) zu vol lziehen. Auch empi rische Ergebnisse zu ungleichen Bi ldungschancen schei nen dies zu bestätigen. [vgl. Folie 6] Trotz al ler Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten i m Ei nzelfal l, hat das Erziehungssystem aber veral lgemei nerte Fähigkeiten zur Rol lenübernahme zu vermittel n und damit schichtspezifische Faktoren auszublenden (undoi ng class). Hierbei geht es um die Übernahme besonderer Normen, die für alle Schüler verbindlich gelten sollen und die der amerikanische Soziologe Robert Dreeben als "heimlichen Lehrplan" (1 969) bezeichnet hat. [vgl. Folie 7] Geschieht das nicht, so kommt es zur Kriti k, Skandal isierung und zur Änderung von Organisationsstrukturen des Erziehungssystems In der konkreten Unterrichtssituation wird daher die soziale Umwelt gefiltert und als Lernstoff adaptiert. Dabei findet nicht nur "undoing class" statt, sondern im "doing role" auch ein "undoi ng role", z. B. die Ausklammerung fami l iärer Rol len aus dem Unterricht statt.
3 3 Literaturhi nweise: Zur Erziehung und zum Erziehungssystem: Ni klas Luhmann, 2002: Das Erziehungssystem der Gesellschaft, posthum hrsg. v. Dieter Lenzen. Frankfurt/M. Zur Ungleichheit der Bildungschancen: Jürgen Zinnecker, Ludwig Stecher, 2006: Gesel lschaftl iche Ungleichheit i m Spiegel hierarchisch geordneter Bildungsgänge. Die Bedeutung ökonomischen, kulturel len und ethnischen Kapitals der Fami lie für den Schulbesuch der Kinder, in: Werner Georg (Hrsg.): Soziale Ungleichheit i m Bi ldungssystem. Eine empi risch theoretische Bestandsaufnahme. Konstanz. S Zum "undoing class" an I nternaten: Herbert Kalthoff, 2006: Doing/undoi ng class i n exklusiven I nternatsschulen. Ein Beitrag zur empi rischen Bildungssoziologie, i n: Werner Georg (Hrsg.): Soziale Ungleichheit i m Bi ldungssystem. Ei ne empi risch theoretische Bestandsaufnahme. Konstanz. S Zu den Normen des "hei mlichen Lehrplans": Robert Dreeben, 1 979: Was wi r i n der Schule lernen. Frankfurt/M. "Shortcuts" aus dem Alltag der Erziehung: Frank McCourt, 2006: Tag und Ncht und auch i m Sommer. Eri nnerungen. München.
4 3. Erziehung Fol ie 1 Orientierungsdi mensionen der Bi ldung 1 ) Sel bstbi ldung > Das I ndividuum erfährt Sozial isation und eignet sich Wissen und Erfahrungen selbst an (Bildung des Subjekts). 2) Fremdbi ldung > Dem I ndividuum werden Wissen und Erfahrungen vermittelt, um besti mmte Fähigkeiten oder Eigenschaften auszuprägen (Aus-Bi ldung der Person).
5 3. Erziehung Fol ie 2 Soziologische Defi nition der "Erziehung" "Erziehung" mei nt ei ne gezielte Form der Sozial isation, mit der Absicht persönliche Fähigkeiten zur Übernahme gesellschaftlicher Rollen auszubi lden.
6 3. Erziehung Fol ie 3 Charakteristi ka der "Erziehung" nach Ni klas Luhmann Erziehungsabsicht Ergänzung oder Korrektur der Sozial isation Rol lenasymmetrie von Erziehenden und Erzogenen Gesel lschaftl iche I nstitutional isierung Soziale Selektivität Unmittel barkeit der I nteraktionen Reflexion der Vermittl ung
7 3. Erziehung Fol ie 4 Expl izite und i mpl izite Erziehungsziele der Organisation "Schule" Expl izites Erziehungsziel : Erlernen und Beherrschen des Lehrstoffs > selektive Erfolgskontrol le über Zensuren I mpl izites Erziehungsziel : Erziehung zur Lernfähigkeit (Ausbi ldung ei ner spezifischen Fähigkeit zur Aufmerksamkeit) Erziehung zur Sozial isationsfähigkeit (Ausbi ldung ei ner general isierten Fähigkeit zur Ei nordnung i n wechsel nde gesel lschaftl iche Erwartungslagen) > general isierte Erfolgskontrol le über schul ische ' Karrieren'
8 3. Erziehung Fol ie 5 Organisatorische Rahmung der Erziehungsi nteraktionen i m "Unterricht" Zeitl iche Organisation Begi nn, Ende und Abfolge des Unterrichts si nd periodisch festgelegt. Soziale Organisation Wer zur Klasse gehört ist selektiv festgelegt. Thematische Organisation Explizite und implizite Erziehungsinhalte sind sachlich definiert. Räuml iche Organisation Wo der Unterricht stattfi ndet ist lokal abgegrenzt.
9 3. Erziehung Fol ie 6 Antei l der Schüler/Schüleri nnen an Schularten (Sekundarstufe I) nach ausgewählten Strukturmerkmalen Strukturmerkmale Antei l Antei l Antei l Hauptschüler/ i nnen Realschüler/ i nnen Gymnasiasten/ i nnen Sozioökon. Status + 1 2% 21 % 67% Sozioökon. Status 44% 38% 1 8% Beide Eltern Abitur 1 4% 1 4% 71 % Kei n Elterntei l Abitur 34% 42% 24% Ei nhei mische Fami l ie 23% 33% 45% Ei ngewanderte Fami l ie 45% 27% 28% Schüleri nnen 21 % 25% 54% Schüler 35% 38% 27% Lernumgebung + 1 7% 27% 56% Lernumgebung 34% 32% 34% (nach: Zi nnecker/stecher, 2006 S. 296)
10 3. Erziehung Fol ie 7 Die zentralen Normen des "doing role" im Schulunterricht nach Robert Dreeben 1 ) Norm der Unabhängigkeit Lernerwartung: Es wi rd eigenständiges und sel bstverantwortl iches Handel n erwartet. Erziehung: Leistungen werden persönl ich erbracht und zugerechnet. 2) Norm der Leistung: Lernerwartung: Aufgaben sind aktiv zu erfüllen und nach verallgemeinerten Bewertungsstandards zu beurtei len. Erziehung: I ndividuel le Bewertung nach vergleichbaren Maßstäben. 3) Norm der Universal ität: Lernerwartung: Unabhängig von i hrer Herkunft haben al le Zugang zu gesel lschaftl ichen Rol len. Erziehung: Ei nübung von Fremd- und Sel bstkategorisierung. 4) Norm der Spezifizität: Lernerwartung: Bewertung und Erwartungserfül l ung haben aufgrund von ei ngegrenzten Kriterien zu erfolgen. Erziehung: Vermittlung der Selektivität von Leistungsanforderungen.
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