1 Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Bleibt alles im Rahmen Programm: 1 ) Vorbemerkung 2) Die Rahmenanalyse 3) I m Theater der Rollen 4) Zusa
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1 Sommersemester 07 Zusammenfassung zur Vorlesung: "Soziale I nteraktion" PD Dr. Udo Thiedeke Bleibt alles im Rahmen?
2 1 Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Bleibt alles im Rahmen Programm: 1 ) Vorbemerkung 2) Die Rahmenanalyse 3) I m Theater der Rollen 4) Zusammenfassung 1 ) Vorbemerkung - Bei der pragmatischen Al ltagsmethode des symbol ischen I nteraktionismus fal len nicht nur die Fül le an Symbol beziehungen auf, sondern auch der Zeitbedarf, den es erfordern würde, al le I nteraktionen symbol isch auszuhandel n und zu i nterpretieren, wenn man ei n komplexes symbol isches Objekt, etwa ei ne Organisation, symbol isch erfassen wol lte. - Hier stel lt sich wiederum die alte soziologische Frage: wie ist soziale Ordnung möglich? - An dieser Stel le gewi nnt der sog. dramaturgische Ansatz des I nteraktionismus, wie i hn der Soziologe Ervi ng Goffman vertrat, an Bedeutung. - Goffman setzt an den symbolischen Rahmen von I nteraktionen an, die für die I n- teragierenden als I nteraktionsordnungen sowohl überi ndividuel le, orientierende, als auch i nteraktive, gestaltende Qual itäten haben. - I neraktionsordnungen werden hier also in einer Rahmenanalyse untersucht. 2) Die Rahmenanalyse - Erving Goffman wurde in Manvile (Kanda) geboren. Nach dem Studium an der University of Toronto und an der University of Chicago, sowie nach ei nem Aufenthalt an der University of Edinburgh promovierte er in Soziologie übernahm er eine Assistenzprofessur an der University of California (Berkely), wo er zum ordentl ichen Professor i n Soziologie berufen wurde wechselte er an die University of Pennsylvania, wo er sechzigjähig starb. - Ervi ng Goffman verfolgte mit sei ner Rahmenanalyse das Ziel ei ne I nteraktionsethologie (I nteraktionsverhaltensforschung) vorzulegen. - Dazu entwickelt er ei nen verfremdenden Bl ick auf Face-to-face-I nteraktionsverhältnisse, der i hm die Kriti k ei nbrachte soziale Verhäl nisse zynisch zu beschrei ben. Zugleich weisen seine Abeiten aber einen sehr anschaulichen und deskriptiven Blickwinkel auf, der ihnen ein großes Publikum sicherte.
3 2 - Aufgrund des deskri ptiven Zugangs von Goffman und sei ner kritischen Haltung gegenüber Theorien, fäl lt es schwer, sei ne Rahmenanalyse systematisch vorzustel len. - Zumi ndest kann man aber zwei durchgängige Beobachtungsstrategien ausmachen. Zum ei nen ist das die Perspektive der Inkongruenz, bei der z. B. Begriffe und Vorstellungen von außerhal b der Soziologie, i n die Soziologie i mportiert werden. Zum anderen handelt es sich um die Verfremdung der Wirklichkeit, etwa i ndem ' normale' Sachverhalte anhand i hrer Abweichungen beleuchtet werden. [siehe Folie 1 ] - Hier ist festzustel len, dass Goffman Anlei hen bei Georg Si mmel ni mmt. So verweist sei n Konzept der I nteraktionsrahmen auf Si mmels "Formen der Vergesel lschaftung". - Dieser Sichtweise gerahmter I nteraktionen legt Goffman zudem die sozial phänomenologische Ei nsicht zu Grunde, dass wi r Situationen typisiert erfassen. Von Wi l l iam James überni mmt er hi ngegen die pragmatistische Fragestel l ung, unter welchen Bedingungen wir etwas für wirklich halten? - Daraus resultiert für Goffman, dass wi r uns bei m Aufei nandertreffen grundsätzl ich i n einer fragwürdigen sozialen Wirklichkeit bewegen. So schreibt er in dem auf Deutsch erschienen Buch "Rahmenanalyse" (Origi nal 1 974): "Ich gehe davon aus, daß Menschen, die sich gerade i n ei ner Situation befi nden, vor der Frage stehen: was geht hier eigentlich vor? Ob sie nun ausdrücklich gestellt wi rd, wenn Verwi rrung und Zweifel herrschen, oder sti l lschweigend, wenn normale Gewißheit besteht - die Frage wird gestellt, und die Antwort ergibt sich daraus, wie die Menschen weiter in der Sache vorgehen. " (1 977: 1 6) - Die Art und Weise, wie es i n sozialen Situationen weitergeht und wie diese Situationen i hre Defi nition erhalten, verweist dann auf die Rahmen, bzw. die I nteraktionsordnung der I nteraktionsituation. - Bei m Rahmenkonzept bezieht sich Goffman auf den Kyberneti ker, Systemtheoretiker und Ökologen Gregory Bateson, der in seinem Aufsatz "A Theory of Play and Phantasy" damit das ' Ei nklammern' ei ner Situationsdeutung mei nte. - Für Goffman si nd die I nteraktionsrahmen daher situative Organisationspri nzi pien, an denen sich die I nteragierenden orientieren, die sie aber auch versuchen in ihrem Sine zu manipulieren und etwa für Täuschungen einzusetzen. - I nsgesamt hält Goffman drei Organisationspri nzi pien für soziale Rahmen fest: 1 ) Soziale Begegnungen; 2) Routi nen; 3) Verhaltensregel n. [vgl. Folie 2]
4 3 - An diesen Organisationspri nzi pien setzen die Rahmenanalyse, aber auch die situative I nteraktionsordnung an - etwa indem deutlich wird, was an welchen Orten getan wird, auf welch Wiederholungen und Routinen man sich einstellen kann und welche Regel n Vertrautheit und I rritation unterscheiden. - Die Organisationspri nzi pien der I nteraktionsordnungen rahmen somit die I nteraktionssituationen i n typischer Weise. - Was bedeutet das aber für die I nteraktionsmögl ichkeiten der I ndividuen? Wie werden sie in Form gebracht oder bringen sich selbst in Form? 3) I m Theater der Rol len - I m Si nne der I nkongruenzperspektive werden die I nteragierenden hier als Gestalter von Rol len verstanden, die sie, wie i n ei nem Theater, i m I nteraktionsrahmen spielen. - Wenn man anderen begegnet, betrit man eine bestimmte Bühne, nimmt man eine bestimmte Rolle ein und spielt mit in einem Stück. - I m Theater der Rollen zeigen wir demnach nicht unser 'wahres Selbst'. Diese Dramatisierung unseres Sel bst l iegt i n der i nteraktionistischen Sichtweise nahe, wei l wi r sozial phänomenologisch die anderen nur typisiert erfassen können und wei l wi r pragmatisch die Welt, i n der wi r handel n, ungefragt akzeptieren, solange unser Handeln in ihr funktioniert. - Goffman fügt dem hi nzu, dass wi r auch deshal b als "Schauspieler" i nteragieren, weil wir unser ' Gesicht wahren wollen'. [vgl. Folie 3] - Deshalb spielen wir Rollen und verhalten uns möglichst konform zu den vorgegebenen Rahmen. Aber auch das Publ i kum 'spielt mit'. Es akzeptiert, dass die I nteragierenden etwas vorspielen und dass man besser nicht so genau nachfragt, damit al le ihr Gesicht wahren können und die sozialen I nteraktionen und ihre Ordnungen weiterlaufen und weiter bestehen. - Damit diese I nszenierungen funktionieren (denn nur sie halten die soziale Ordnung aufrecht) ist es wichtig, dass die "Hinterbühne", auf der das Selbst in Szene gesetzt und die I nteraktion vorbereitet werden, sowohl für die Rol lenspielenden als auch für das Publikum von der "Vorderbühne", auf der man das Stück zeig, mögl ichst getrennt blei ben. [siehe skizzenhaft für die dramaturgische I nteraktionsordnung Fol ie 4] 4) Zusammenfassung - Goffman versteht i n sei nem 'dramaturgischen' Ansatz die I nteraktionsordnungen als situative Ordnungsrahmen, die wie Bühnen wi rken, auf denen wi r al le Theater spielen und dies auch akzeptieren, wei l sonst die Mögl ichkeiten zur sozialen Sel bstvermittl ung verloren gi ngen.
5 4 Literatur Erving Goffman, 1 976: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. 3. Aufl. München (1 959) Ervi ng Goffman, 1 977: Rahmen-Analyse. Ei n Versuch über die Organisation von Al l- tagserfahrungen. Übers. v. Hermann Vetter. Frankfut/M. (1 974)
6 Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Bleibt alles im Rahmen? Folie 1 Grundsätzl iche Beobachtungsstrategien i n Ervi ng Goffmans "dramaturgischen Anatz" 1. Die Perspektivität der I nkongruenz ("perspective by i ncongruity" Burke, 1 954) -> Verwendung nichtsoziologischer Model le i n der Soziologie. Z. B. Die Übertragung der Theater-Metapher auf die soziologische Rol lenanalyse. 2. Die Verfremdung der Wi rkl ichkeit -> ' Normale' soziale Sachverhalte werden anhand von Abweichungen gezeigt. Bsp. : Darstel lung des I nteraktionsverhaltens von Betrügern oder Stigmatisierten.
7 Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Bleibt alles im Rahmen? Folie 2 Organisationspri nzi pien von "I nteraktions-rahmen" 1. Soziale Begegnungen (encounter). -> Das Auftreten anderer l iefert i n "zenrierten" oder "nicht-zentrierten" Face-to-face-I nteraktionen Hi nweise auf die Organisation der I nteraktionssituation. 2. Routi nen -> Anhaltspunkte für die Unterstel lung ei ner Ordnung l iefern die häufigen Wiederhol ungen symbol isch akzentuierter I neraktionen. 3. Verhaltensregel n -> "Substanziel le" oder "zeri moniel le" Hi ntergrundannahmen über den typischen Verlauf von I nteraktionen wi rken als "I nteraktionsgrammati k".
8 Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Bleibt alles im Rahmen? Folie 3 Gründe für die Verschleierung des "wahren Selbst" in sozialen I nteraktionen - Sozial phänomologische Begründung: Wi r können die 'wahren' I ntensionen anderer nie verstehen und i nteragieren aufgrund von Typisierungen. - Pragmatistische Begründung: Unser Al ltagshandel n ist am Wissen unhi nterfragter ' Standardweltsichten' orientiert. - Dramaturgische Begründng: Wi r si nd bemüht i n I nteraktionen unser "soziales Gesicht" zu wahren.
9 Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Beibt alles im Rahmen? Folie 4 Schematische Übersicht 'dramaturgischer' I nteraktionen verdeckte Hi nterbühne offene Vorderbühne I nteraktionsrahmen verdeckte Hi nterbühne Akteur A i nszenierte i nszenierte Akteur B mit 'wahrem' Rolle Rolle mit 'wahrem' Sel bst A B Sel bst I nszenierung dramaturgische I nteraktion I nszenierung
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