Seminar Kommutative Algebra und Varietäten 8 Dimensionstheorie I
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- Ida Weiß
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1 Seminar Kommutative Algebra und Varietäten 8 Dimensionstheorie I Gerrit Bauch Vorbemerkungen Inhalt dieses Seminars ist der erste Teil des Kapitels 11 des Buches Introduction to Commutative Algebra von M.F. Attiyah und I.G. MacDonald bis zu Korollar Verweise beziehen sich auf entsprechende Nummerierungen im obigen Buch. Mit dem Ziel in lokalen noetherschen Ringen drei äquivalente Definitionen der Dimension anzugeben, betrachten wir zunächst die Poincaré-Reihe auf einem graduierten endlich erzeugten Modul. In für uns relevanten Spezialfällen können wir fast alle ihrer Koeffizienten als Funktionswerte des sogenannten Hilbert-Polynoms angeben. Für einen zugrundeliegenden lokalen noetherschen Ring A mit maximalem Ideal m und einem m-primären Ideal q gehen wir dann zum assoziierten graduierten Ring G q (A) über, um die Länge von A/q n (als A-Modul) durch ein Polynom ausdrücken zu können. Der Grad dieses sogenannten charakteristischen Polynoms ist unabhängig von der Wahl von q. Damit sind wir in der Lage in noetherschen lokalen Ringen die Krulldimension mit dem Grad des charakteristischen Polynoms und der kleinsten Anzahl an Erzeugern eines m-primären Ideal identifiziert zu können. Hilbert Funktionen Wir geben uns zunächst folgende Angaben vor: Sei A = n=0 A n ein noetherscher graduierter Ring. Dann ist A 0 laut 10.7 ein noetherscher Ring und der Ring A ist als A 0 -Algebra endlich erzeugt. Seien seine Erzeuger x 1,..., x s, welche OE homogen vom Grad k 1,..., k s > 0 sind. Ferner sei M = n=0 M n ein endlich erzeugter graduierter A-Modul, welcher wiederum OE von den homogenen Elementen m i vom Grad r i = deg m i, i = 1,..., w, erzeugt sei. Lemma Für jedes n N ist M n ebenso ein endlich erzeugter A 0 -Modul. Beweis: Jedes m M n hat die Gestalt m = w i=1 a im i M n mit a i A, welche OE als homogen vom Grad n r i für i = 1,..., w angenommen werden können und a i = 0 für n < r i ist. Da A als A 0 -Algebra endlich erzeugt ist, lässt sich jedes solche a i m i (mit a i 0) mithilfe der (jeweils endlich vielen) Monome g i (x) = x e xes s mit e 1 k e s k s = n r i endlich über A 0 durch die Menge aller g i (x)m i generieren. 1
2 Definition Sei nun zusätzlich λ eine additive Z-wertige Funktion auf der Klasse der endlich erzeugten A 0 -Moduln (vgl. Vortrag 3). Dann verstehen wir unter der Poincaré Reihe von M in der Unbestimmten t die formale Potenzreihe 1 P (M, t) = λ(m n )t n n=0 Z[[t]] Wir treffen folgende Feststellung über die Gestalt von P (M, t): Satz 11.1 (Hilbert-Serre Theorem) Unter obigen Voraussetzungen ist P (M, t) eine rationale Funktion der Gestalt f(t)/ s für ein f(t) Z[t]. i=1 ( 1 t k i ) Beweis: Durch Induktion nach der Anzahl s der Erzeugern von A als A 0 -Algebra: Für s = 0 ist A n = 0 für n > 0 und somit A 0 = A. Da M nun als A0 -Modul endlich erzeugt ist, folgt M n = 0 und damit λ(m n ) = 0 für n > ν := max{r 1,..., r w }. Es folgt P (M, t) = ν n=0 λ(m n)t n Z[t]. Sei nun s > 0. Für jedes n N 0 ist dann φ n : M n M n+ks, m x s m ein wohldefinierter A-Modulhomomorphismus. Es bezeichne K n := Ker(φ n ) und L n+ks := M n+ks /Im(φ n ) für n 0, dann haben wir exakte Sequenzen: 0 K n inkl M n φ n Mn+ks proj L n+ks 0 Setze K := n K n, L := n L n = M/x s M wobei L n := M n, für 0 n k s 1, welche beide, als Untermodul bzw. Quotient von M, endlich erzeugte A-Moduln sind. Da beide von x s annulliert werden, sind sie insbesondere A 0 [x 1,..., x s 1 ]-Moduln. Wenden wir λ auf die exakte Sequenz an, folgt für jedes n N 0 : λ(k n ) λ(m n ) + λ(m n+ks ) λ(l n+ks ) = 0 Durch die Multiplikation von t n+ks und Summation über n N 0 folgt: (1 t ks )P (M, t) = P (L, t) t ks P (K, t) Anwendung der Induktionsvoraussetzung auf P (K, t) und P (L, t) und Division durch (1 t ks ) liefert die Behauptung. Definition Die Ordnung der Polstelle t = 1 der Poincaré-Reihe P (M, t) bezeichnen wir mit d(m). Fassen wir A als A-Modul auf ist dementsprechend d(a) definiert. 1 Der Ring Z[[t]] der formalen Potenzreihen kann als Vervollständigung von Z[t] bezüglich des Ideals (t) aufgefasst werden. Hier genügt es bereits sich formale Potenzreihen als unendliche Tupel mit Einträgen in Z vorzustellen, deren Einträge als Koeffizienten einer Reihe geschrieben werden. Mittels koeffizientenweiser Addition und Konvolution (=Cauchy-Produkt) formen diese einen Ring. Es sind genau die formalen Potenzreihen invertierbar, deren Absolutglied eine Einheit in Z ist. 2
3 Korollar 11.2 Gilt in 11.1 insbesondere k i = 1, i = 1,.., s und bezeichnet d = d(m), dann ist λ(m n ) für fast alle n N ein Polynom in n mit rationalen Koeffizienten vom Grad 2 (d.h. es gibt ein Polynom g mit rationalen Koeffizienten, deg g = d 1 und g(n) = λ(m n ) für fast alle n N). Beweis: Nach 11.1 ist P (M, t) = f(t)/(1 t) s. Da 1 Z ist, können wir mittels Polynomdivision in f alle Vorkommen von (1 t) kürzen und s = d annehmen. Ist d = 0, so ist P (M, t) ein Polynom in t und somit fast alle λ(m n ) = 0, womit das Nullpolynom das Gewünschte erfüllt. Sei also d > 0. Dann ist f(t) = N k=0 a kt k, a k Z, N N mit f(1) 0. Per Induktion über d und Anwendung der Identität ( ( n+1 k+1) = n ) ( k + n k+1) für Binomialkoeffizienten erhält man ( ) d + k 1 (1 t) d = t k Setzen wir a k := 0, k > N, folgt mit dem Cauchyprodukt für formale Potenzreihen P (M, t) = k=0 k=0 k ( ) d + k ν 1 a ν t k Wir sind an dem Koeffizienten λ(m n ) interessiert, der für den Exponenten k = n in P (M, t) auftritt, welcher für n N gegeben ist durch: λ(m n ) = = n 1 ()! ( ) d + n ν 1 n N a ν N = N ( ) d + n ν 1 a ν a ν (d + n ν 1)... (n ν + 1) }{{} d 1 Stück Fassen wir die rechte Seite nun als Polynom in n auf, so ist der höchste Koeffizient gegeben durch N a ν/()! = f(1)/()! 0 in der n-potenz und die gewünschte Eigenschaft erfüllt. Definition Das Polynom, welches die λ(m n ) für große n beschreibt, heißt Hilbert-Polynom/Funktion von M bezüglich λ. Satz 11.3 Sei x A k kein Nullteiler in M (d.h. xm = 0 m = 0), dann gilt d(m/xm) = d(m) 1. Beweis: Modifiziere den Beweis von 11.1 in der Art, dass φ n die Multiplikation mit x beschreibe. Da x kein Nullteiler in M ist, ist K n = Ker φ n = 0, also K = 0 und damit d(l) = d(m) 1. Beachte L = M/xM als A-Moduln. Wir werden von nun an Fälle betrachten, in denen A 0 ein artinscher Ring ist und als additive Funktion die Länge l eines endlich erzeugten Moduls verwenden (vgl. Vortrag 6). 2 unter der Konvention, dass der Grad des Nullpolynoms 1 sei 3
4 Beispiel Sei A = A 0 [X 1,..., X s ] der Polynomring in den unabhängigen Unbestimmten X i über dem artinschen Ring A 0 mit der üblichen Graduierung. A n ist ein freier A 0 -Modul, erzeugt von den Monomen X e 1 1,..., Xes s vom totalen Grad n. Laut Kombinatorik gibt es ( ) s+n 1 s 1 solcher Monome. Wegen A n ( s+n 1 = A s 1 ) 0 folgt l(a n ) = l(a 0 ) ( ) s+n 1 s 1. Daher ist, unter der im Beweis von 11.2 verwendeten Identität, P (A, t) = l(a 0 )(1 t) s. Im Folgenden beschäftigen wir uns mit lokalen noetherschen Ringen. Die vorangegangenen Resultate werden durch den Übergang zum assoziierten graduierten Ring/Modul anwendbar. Satz 11.4 Sei A ein lokaler noetherscher Ring, m sein maximales Ideal, q ein m-primäres Ideal. Ferner sei M ein endlich erzeugter A-Modul und (M n ) n eine stabile q Filtration von M. Es bezeichne s die kleinste Anzahl an Erzeugern von q. Dann gilt i) M/M n hat für alle n N endliche Länge. ii) Für große n ist l(m/m n ) ein Polynom g in n mit deg g s. iii) Grad und höchster Koeffizient von g hängen nicht von der Wahl der Filtration (M n ) n ab. Beweis: i) Betrachte den assoziierten graduierten Ring G(A) = n=0 qn /q n+1 und den graduierten G(A)- Modul G(M) = n=0 M n/m n+1. G 0 (A) := A/q ist noethersch. A/q ist lokal, da das Bild von m in A/q gerade aus den Nicht-Einheiten von A/q besteht. A/q ist artinsch, da dim(a/q) = 0 ist: Denn das Urbild eines Primideals in A/q ist prim und liegt zwischen q und m und ist daher gleich m, da q m-primär ist. M ist als A-Modul noethersch und somit auch alle M n und folglich alle M n /M n+1. Da die M n /M n+1 von q annulliert werden, kann man sie als A/q-Moduln auffassen, als welche sie dann auch artinsch sind. Somit sind alle M n /M n+1 von endlicher Länge (nach 6.8). Durch die exakten Sequenzen 0 M n /M n+1 M/M n+1 M/M n 0 bekommen wir aus M/M 1 induktiv die Endlichkeit der M/M n, sowie zusätzlich die Formel l n := l(m/m n ) = n l(m i 1 /M i ) i=1 # ii) Seien x 1,..., x s Erzeuger von q über A. Dem Beweis von ii) entsprechend sind die Bilder x i der x i in q/q 2 Erzeuger von G(A) als A/q-Algebra, insbesondere sind sie homogen vom Grad 1. Ebenfalls nach ist G(A) noethersch und G(M) ein endlich erzeugter graduierter G(A)-Modul. Für große n ist daher l(m n /M n+1 ) ein Polynom f in n mit deg f = d(g(m)) 1 nach Korollar Mit der Beziehung aus i) folgt l n+1 l n = f(n). Setzt man l n als ein Polynom g vom Grad d(g(m)) an, kann man daraus die Koeffizienten sukzessive berechnen und bekommt so die gewünschte Eigenschaft. Die Behauptung folgt wegen d(g(m)) s aus der Form der Poincaré-Reihe in 11.2 (die x i erzeugen G(A) als Algebra über A/q). # 4
5 iii) Sei ( M n ) n eine beliebige andere stabile q-filtration des Moduls M und sei g das Polynom mit g(n) = l(m/ M n ) für große n. Da stabile Filtrationen begrenzte Differenz haben (10.6), gibt es ein n 0 N 0 sodass M n+n0 M n und M n+n0 M n n 0. Somit hat man g(n + n 0 ) g(n) g(n+n und gleichzeitig g(n + n 0 ) g(n). Also ist für große n: 0 ) g(n) 1 g(n) g(n+n 0 ) und somit = 1. Daher haben g und g den gleichen Grad und höchsten Koeffizienten. lim n g(n) g(n) Definition Unter obigen Voraussetzungen bezeichnen wir mit χ M q (n) das Polynom, welches l(m/m n ) bezüglich des m-primären Ideals q und der stabilen q-filtration (q n M) n für große n beschreibt. Ist insbesondere M = A schreiben wir kurz χ q und nennen dieses charakteristisches Polynom des m-primären Ideals q. Korollar 11.5 Ist in 11.4 M = A so ist für große n die Länge l(a/q n ) ein Polynom χ q mit deg χ q = d(g(a)) s, wobei s wie in 11.4 die kleinste Anzahl an Erzeugern von q bezeichne. Wir werden nun zeigen, dass deg χ q auch nicht von der Wahl des m-primären Ideals abhängt. Satz 11.6 Sei A ein lokaler noetherscher Ring mit maximalem Ideal m und q ein m-primäres Ideal. Dann gilt deg χ q (n) = deg χ m (n) Beweis: Nach Korollar 7.16 gibt es ein r N mit m r q m, damit auch m rn q n m n, woraus χ m (n) χ q (n) χ m (rn) für große n folgt. Da die die additive Funktion l ausschließlich Werte 0 annimmt, gilt deg χ q deg χ m. Es ist daher χ q (n) 0 < lim n χ m (n) lim χ m (rn) n χ m (n) = rdeg χm < Dies zeigt deg χ q = deg χ m. Definition und Bemerkung Für einen lokalen noetherschen Ring mit maximalem Ideal m setzen wir d(a) := deg χ q für ein beliebiges m-primäres Ideal q (z.b. m selbst). Diese Definition ist nach 11.6 unabhängig von der Wahl von q. Insbesondere ist dies gerade die Ordnung d(g m (A)) der Polstelle t = 1 der Poincaré-Reihe des zu A assoziierten graduierten Ringes G m (A). 5
6 Dimensionstheorie von lokalen noetherschen Ringen Sei im Folgenden A ein lokaler noetherscher Ring, m sein maximales Ideal. Es bezeichne δ(a) := min{s N 0 x 1,..., x s A, sodass (x 1,..., x s ) m-primär ist} sowie dim A wie üblich die Krulldimension von A. Unser Ziel ist es die Gleichheit δ(a) = d(a) = dim(a) zu zeigen. Dies erreichen wir mittels der Abschätzungen: δ(a) d(a) dim(a) δ(a). Aus 11.5 folgt bereits die erste Ungleichung. Satz 11.7 δ(a) d(a) Satz 11.8 Sei M ein endlich erzeugter A-Modul und x A kein Nullteiler in M und M := M/xM. Dann gilt deg χ M q deg χ M q 1 Beweis: Wir setzen zunächst N := xm. Da x kein Nullteiler in M ist, ist M N, m xm ein bijektiver A-Modulhomomorphismus, also N = M als A-Moduln. Setze N n := N q n M. Für jedes n N ist dann eine exakte Sequenz wie folgt gegeben: 0 N/N n M/q n M M /q n M 0 Nach dem Artin-Rees-Lemma ist (N n ) n eine stabile q-filtration von N, somit ist l(n/n n ) für große n ein Polynom g in n und es gilt: χ M q (n) = χ M q (n) g(n) Wegen obiger Isomorphie haben nach 11.4iii) die Polynome g und χ M q Term. den gleichen führenden Korollar 11.9 Ist A ein lokaler noetherscher Ring und x kein Nullteiler in A, so ist d(a/(x)) d(a) 1 Beweis: Setze M = A in
7 Satz d(a) dim A Beweis: Induktion über d = d(a). Ist d = 0, so ist das Polynom χ q = l(a/m n ) konstant für große n, insbesondere also m n = m n+1 für ein n. Die Anwendung des Nakayama Lemmas (2.6) liefert für dieses n die Gleichheit m n = (0). Da A als noethersch vorausgesetzt war, folgt damit aus 6.11, dass A artinsch ist. Also ist dim A = 0 nach 8.5. Sei nun d > 0. Betrachte eine beliebige Kette p 0 p 1... p r von Primidealen in A. Sei x p 1 \ p 0, A := A/p 0 und x das Bild von x in A. Da x 0 ist und A nullteilerfrei, folgt mit 11.9 d(a /(x )) d(a ) 1 Wie im Beweis von 11.4i) ist das Bild m von m das maximale Ideal des lokalen noetherschen Rings A. Wegen m n Ker ϕ, falls ϕ : A A /m n, a (a+p 0 )+m n, ist A /m n homomorphes Bild von A/m n. Somit gilt l(a /m n ) l(a/m n ) und damit d(a ) d(a), also d(a /(x )) d(a) 1 = Nach Induktionsvoraussetzung ist die Länge jeder Kette von Primidealen in A /(x ) kleiner oder gleich als. Die Bilder der obigen Primidealkette formen in A /(x ) eine Kette von Primidealen der Länge r 1. Es gilt also r 1, somit r d und folglich dim A d Korollar Die Krulldimension eines lokalen noetherschen Ringes A ist endlich. Beweis: Das charakteristische Polynom von A bezüglich des maximalen Ideals hat endlichen Grad. Oder zusätzlich mit 11.7: Das maximale Ideal ist endlich erzeugt. Definition und Bemerkung Sei A ein beliebiger Ring, p A ein Primideal. Unter der Höhe von p verstehen wir das Supremum der Länge von Primidealketten p 0... p r = p. Dies ist gerade die Krulldimension des lokalen Rings A p, da sich solche Primidealketten 1:1 auf die Lokalisierung übertragen. Korollar In einem noetherschen Ring A hat jedes Primideal endliche Höhe. Insbesondere erfüllt die Menge aller Primideale die absteigende Kettenbedingung. Beweis: Sei p A ein Primideal. Dann ist A p ein lokaler noetherscher Ring, hat also nach endliche Dimension. Mit obiger Bemerkung folgt die endliche Höhe von p. Der Beweis der noch ausstehenden Abschätzung dim A δ(a) liefert uns das Dimensionstheorem für lokale noethersche Ringe. Der Beweis hierfür und direkte Folgerungen aus dem Dimensionstheorem werden im nächsten Vortrag vorgestellt. 7
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