Fall 1: Pro oder Kontra-Fagott?
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- Carin Friedrich
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1 Fall 1: Pro oder Kontra-Fagott? 26
2 I. Sachverhalt 27
3 Fall 1: Pro oder Kontra-Fagott? 28
4 I. Sachverhalt Bearbeitervermerk: 1. Fertigen Sie bitte einen Vermerk an, in dem Sie (unter Verwendung der aktuellen Gesetzestexte) die Rechtslage am beurteilen und das zur Wahrnehmung der Interessen Ihrer Mandantin erforderliche Vorgehen erörtern 1. Die Angaben zum Wert des Instrumentes im Schreiben des Rechtsanwaltes Peter Grunner vom sind als richtig zu unterstellen. Entwerfen Sie bitte auch die nach dem Ergebnis Ihres Vermerks erforderlichen Schreiben an Dritte/Ihre Mandantin und/oder Schriftsätze an das Gericht. 2. Es ist davon auszugehen, dass a) die Formalien (in Bezug auf Ladungen, Zustellungen, Unterschriften, Vollmachten etc.) eingehalten wurden, b) die Brunnenstraße 11 zum Gerichtsbezirk Berlin-Mitte (AG Mitte/LG Berlin) gehört und Teltow zum Gerichtsbezirk Potsdam (AG/LG Potsdam), c) sowohl von der Mandantin als auch von Dritten keine weiteren Angaben zum Sachverhalt zu erlangen sind, d) die Kanzlei Dr. Böhner, für die Sie tätig werden, den Fall annimmt und von der Möglichkeit des 44 BRAO keinen Gebrauch macht. 3. Zugelassene Hilfsmittel: a) Schönfelder, Deutsche Gesetze b) Europarecht, Beck-Texte im dtv c) Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch d) Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung 1 Im Examen wird als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtslage der Tag der Bearbeitung der Klausur angegeben. 29
5 Fall 1: Pro oder Kontra-Fagott? II. Vorüberlegungen 78 II. Vorüberlegungen 1. Für die Lösung dieser Aufgabenstellung ist die Perspektive einer Anspruchsstellerin einzunehmen. Die Mandantin möchte ihre Rechte aus dem mit Herrn Ogi geschlossenen Kaufvertrag geltend machen. Als Aufbauvariante empfiehlt sich mithin ein Klausuraufbau aus Klägerperspektive, der den fallspezifischen Besonderheiten anzupassen ist: Der Klausuraufbau 1. Teil: Mandantenbegehren 2. Teil: Gutachten Klägerperspektive A. Materielle Rechtslage B. Prozessuale Rechtslage mit prozesstaktischen Erwägungen C. Anwaltliches Vorgehen Beklagtenperspektive A. Prozessuale Rechtslage B. Materielle Rechtslage C. Evtl. im Anschluss: (z.b. bei Widerklage) Prozessuale Rechtslage mit prozesstaktischen Erwägungen D. Anwaltliches Vorgehen 3. Teil: Schriftsatz/Schreiben Problematisch ist hier, dass aufgrund der Übereignung des Instrumentes an die Haftpflichtversicherung der Chorsängerin ein Rechtsverlust zu Lasten der Mandantin droht. Es ist daher nicht nur über ein reines Klageverfahren nachzudenken, sondern zu überlegen, wie eine kurzfristige Sicherung erreicht werden könnte. 3. Wichtig ist stets zu überprüfen, ob die im Gutachten verwendeten Überschriften auch tatsächlich mit den folgenden Ausführungen korrespondieren. In den anwaltlich ausgerichteten Klausuren des 2. Staatsexamens wird es nicht immer möglich sein, materielle und prozessuale Aspekte gänzlich voneinander zu trennen. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass die in der Praxis (und Klausur) sinnvollste Variante unmittelbar aus der materiellen Rechtslage und den damit einhergehenden prozessualen Möglichkeiten resultiert. Zudem verlangt es die adäquate Vertretung eines Mandanten v.a. auch, dass Überlegungen zur Beweisbarkeit der Tatsachen und Durchsetzbarkeit der in Rede stehenden Ansprüche angestellt werden. Dennoch sollte darauf geachtet werden, dass ein Gutachtenteil nicht etwa mit materielles Gutachten überschrieben wird, wenn dann rein prozessuale Erwägungen folgen und umgekehrt. 30
6 II. Vorüberlegungen 4. Aus didaktisch-methodischen Gründen wurden in Fall 1 im materiellen Teil die Punkte: Schlüssigkeit, Erheblichkeit, Überlegungen zur Beweisbarkeit und im prozessualen Teil: Erwägungen zu unterschiedlichen Verfahrensarten (Klage, einstweiliger Rechtsschutz) sowie zum außergerichtlichen Schreiben ausführlich formuliert, um die Vorgehensweise in einem Gutachten-Vermerk zu verdeutlichen. In der Klausur können die Ausführungen kürzer ausfallen. 5. Datenliste : Abschluss des Kaufvertrages, Anzahlung durch Mandantin geleistet : Beschädigung des Kontrafagottes durch Chorfrau beim Brahms-Requiem Anruf und Info durch den Gegner : Mandantin bespricht sich mit Fagottbaumeister : Buß- und Bettag; gemeinsame Mugge: Mozart-Requiem und Absprache zwischen den Parteien : Telefonat mit Wilfried Reinicke : geplante Übergabe des Instrumentes (laut Kaufvertrag) : 1. Brief des GegenA : Telefongespräch mit GegenA (nach erfolglosen Versuchen zuvor) : 2. Brief des GegenA : Beratungsgespräch 6. Überlegungen zur Minderungsberechnung 82 Der Umfang des Minderungsanspruches ergibt sich aus 441 III BGB. Danach ist der Wert der Sache zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu bestimmen und zwar unter Berücksichtigung des Mangels und so, als sei sie mangelfrei. Diese Werte sind dann zum ursprünglich vereinbarten Kaufpreis ins Verhältnis zu setzen und zwar dergestalt, dass sich der geminderte Kaufpreis zum ursprünglichen Kaufpreis so verhält, wie der Wert der beschädigten Sache zum Wert der Sache ohne Beschädigung. Gesamtkaufpreis: A Wert vor Beschädigung: A (i.s.d. Versicherungsgutachtens) Wert nach Beschädigung: A (i.s.d. Versicherungsgutachtens) x = geminderter Kaufpreis x A = A A x = A 31
7 III. Gliederung des Vermerkes Fall 1: Pro oder Kontra-Fagott? 83 III. Gliederung des Vermerkes 1. Teil: Mandantenbegehren 2. Teil: Gutachten A. Materielle Rechtslage I. Anspruch der Mandantin gegen O auf Eigentumsübertragung und Übergabe des Heckel-Kontrafagottes aus dem Kaufvertrag i.s.d. 433 I BGB 1. Anspruch entstanden 2. Anspruch erloschen a) Aufhebungsvertrag aa) Darlegungs- und Beweislast bb) Beweismittel und -prognose cc) Ergebnis b) Untergang des Anspruches nach 275 I BGB II. Anspruch der Mandantin auf Minderung aus 434 I, 437 Nr. 2, 2. Alt., 441 BGB 1. Anwendbarkeit der Vorschriften über Sachmängel vor Gefahrübergang 2. Voraussetzungen und Umfang der Minderung a) Sachmangel i.s.d. 434 BGB b) Voraussetzungen des Rücktritts i.s.d. 323 BGB c) Kein Ausschluss des Minderungsanspruches i.s.d. 323 VI BGB d) Umfang des Minderungsanspruches III. Gesamtergebnis B. Zweckmäßigkeitsüberlegungen, Prozessuale Rechtslage/Prozesstakt. Erwägungen I. Außergerichtliches Anschreiben II. Klageverfahren 1. Zuständigkeit des Gerichts a) Sachliche Zuständigkeit b) Örtliche Zuständigkeit 2. Antragsformulierung im Hinblick auf die Einrede der 322, 320 BGB III. Einstweiliges Verfügungsverfahren nach 935 ZPO 1. Zulässigkeit a) Zuständigkeit des Gerichts b) Antrag i.s.d. 936, 920 ZPO c) Statthaftes Antragsziel 2. Begründetheit C. Anwaltliches Vorgehen 3. Teil: Schreiben und Schriftsatz A. Schreiben an den gegnerischen Anwalt B. Schriftsatz 32
8 IV. Lösung IV. Lösung IV. Lösung Vermerk 1. Teil: Mandantenbegehren Die Mandantin begehrt Übereignung und Übergabe des in dem Kaufvertrag mit Herrn Ogi (O) bezeichneten und sich bei O befindlichen Kontrafagottes in beschädigtem Zustand. Sie möchte einen im Verhältnis zum Schaden geminderten Kaufpreis zahlen. Zudem ist es ihr wichtig, dass das Instrument nicht an Dritte, in concreto hier die Hamburg-Direkt- Versicherung, übereignet wird Teil: Gutachten A. Materielle Rechtslage I. Anspruch der Mandantin gegen O auf Eigentumsübertragung und Übergabe des Heckel-Kontrafagottes aus dem Kaufvertrag i.s.d. 433 I BGB Der Mandantin könnte gegen O ein Anspruch auf Eigentumsübertragung und Übergabe des Heckel Kontrafagottes mit A-Stürze, Seriennummer 1056, Baujahr: 1973 nebst zwei S-Bögen und Gig-Bag aus dem mit O am geschlossenen wirksamen Kaufvertrag i.s.d. 433 I BGB zustehen Anspruch entstanden Der Vortrag der anspruchsstellenden Mandantin in Bezug auf das Bestehen des Kaufvertrages und Festhalten daran, trotz Beschädigung des Instrumentes, ist schlüssig, da er als wahr unterstellt geeignet ist, einen entsprechenden Anspruch der Mandantin aus dem mit O geschlossenen Kaufvertrag i.s.v. 433 BGB zu begründen. 2. Anspruch erloschen Fraglich ist, ob diesem schlüssigen Vorbringen aus Sicht der Mandantin ein erheblicher Vortrag des O entgegengesetzt werden könnte. Erheblich wäre das Vorbringen des Anspruchsgegners, wenn der von ihm vorgebrachte Tatsachenvortrag als wahr unterstellt, in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet ist, den durch den Anspruchssteller geltend gemachten Anspruch zu erschüttern. Fraglich ist daher, ob zwischen den Parteien ein Aufhebungsvertrag zustande gekommen ist
9 Fall 1: Pro oder Kontra-Fagott? a) Aufhebungsvertrag Über seinen Anwalt lässt O im Schreiben vom vortragen, dass die Mandantin aufgrund der Beschädigung des Instrumentes nicht mehr am Vertrag habe festhalten wollen, was sie am vor Zeugen geäußert habe, womit O einverstanden gewesen sei. Dieses Vorbringen des O in Bezug auf das Zustandekommen eines Aufhebungsvertrages ist insofern erheblich, als ein solcher, den durch die Mandantin geltend gemachten Anspruch aus dem Kaufvertrag erschüttern würde. aa) Darlegungs- und Beweislast Fraglich ist daher, wie die Darlegungs- und Beweissituation zwischen den Parteien zu beurteilen ist. Grundsätzlich hat jede Partei diejenigen Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich bei Anwendung der entsprechenden Normen eine für sie günstige Rechtsfolge ergibt. Mithin wäre es Aufgabe der Mandantin, die dem anspruchsbegründenden Kaufvertrag i.s.d. 433 BGB zu Grunde liegenden Tatsachen darzulegen, während es Aufgabe des O wäre, diejenigen Umstände darzulegen und zu beweisen, die in Bezug auf das Bestehen eines anspruchsvernichtenden Aufhebungsvertrages maßgeblich sind. Das Bestehen des Kaufvertrages wird von O nicht bestritten werden, er wird jedoch im Prozess einwenden, es sei am während einer gemeinsamen Mugge zu einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung gekommen. bb) Beweismittel und -prognose Als Beweismittel wird O insoweit seine Schwester als Zeugin anführen, die am Tage des etwaigen Abschlusses des Aufhebungsvertrages ebenfalls anwesend gewesen sei. Als Gegenbeweis kann die Mandantin lediglich Herrn Wilfried Reinecke als Zeugen anführen. Zwar war er bei dem Gespräch zwischen den Parteien selbst nicht anwesend, seiner Aussage könnte jedoch Indizwirkung zukommen. Die Mandantin hatte ihm gegenüber geäußert, dass sie das Instrument trotz Beschädigung abholen wolle, wenn er es für reparabel halte und Herr Reinicke bestätigte nach Rückfrage bei der Herstellerfirma, dass das Instrument nach einer Reparatur wieder voll funktionsfähig sein würde. Zudem hatte die Mandantin Herrn Reinicke nach dem Gespräch mit O, in dem sie O gegenüber erklärt hatte, am Kaufvertrag festhalten zu wollen, angerufen, um zu sagen, dass sie das Instrument jetzt nicht zur Reparatur bringen würde, sondern O das Instrument schätzen lassen wolle, um der Mandantin eine angemessene Kaufpreisreduzierung anbieten zu können. Dies hätte die Mandantin nicht gegenüber Herrn Reinicke geäußert, wenn sie tatsächlich nicht am Kaufvertrag hätte festhalten wollen. Als Partei des Rechtsstreites kann die Mandantin insoweit nicht, wie von ihr gewünscht, selbst aussagen. 34
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