«Wenn die eigenen vier Wände fremd werden»
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- Klaus Weiss
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1 «Wenn die eigenen vier Wände fremd werden» Zur Psychopathologie des Selbsterlebens bei Demenz Geriatrischer Dienst der Stadt Zürich - Christoph Held Die Alzheimerkrankheit betrifft alle Dimensionen des Lebens Veschlechterung Gedächtnis Orientierung Sprache Urteilsfähigkeit Aktivitäten des täglichen Lebens Motorik Verschlechterung Stimmung Verhaltens- störungen BPSD Zeit Lovestone & Gauthier (2001). Management of dementia. Dunitz. Jahre 1
2 Erfassungen der Demenz: Der Blick von «aussen» Kognition Alltagskompetenz Minimentalstatus, Uhr, CERAD Barthel-Index, RAI, BESA Kombination Kognition&ATL s Clinical Dementia Rating BPSD Verhaltensstörungen Depression Delir «Entwicklungsaltersstufen» Neuro Psychiatrisches Inventar Geriatrische DepressionsSkala, Cornell-Skala Delirium Observation Scale, Confusion Assessment Method Reisbergskala Verändertes Selbsterleben bei Demenz: Der Blick nach innen # Leistung, das geistige oder körperliche Erleben als eigenes Erleben erkennen und erleben zu können. (Vogeley 2007) 2
3 Psychopathologie der Ich-Störungen (Christian Scharfetter) Die Gewissheit der «Ich-erfahrung»: Ich bin#. Lebendig eigenständig im Vernehmen und Handeln einheitlich und zusammenhängend abgegrenzt von anderen Wesen/Dingen der Gleiche im Verlauf des Lebens Ich-Vitalität Ich-Aktivität Ich-Konsistenz Ich-Demarkation Ich-Identität Verändertes Selbsterleben: Störung der Ich-Identität Nicht mehr (genau) wissen, wer man ist, keine Gewissheit mehr über sich haben Aussagen der Bewohner: «Ich bin nicht mehr ich», «Wer bin ich?» «Ich bin nicht mehr der/die Gleiche», «Ich bin jung» «Ich bin schwanger» «Ich arbeite noch» etc. Beobachtungen der Pflegenden: Bewohner verirren sich in autobiographischen Zusammenhängen Bewohner können ihren Namen, Alter, familiäre Beziehungen, ihre Lebensdaten, schliesslich ihre ganze Autobiographie nicht mehr widergeben 3
4 Verändertes Selbsterleben: Ausmass der autobiographischen Desorientiertheit Vorname, Nachname, Alter Name der Lebenspartner Namen der Eltern Namen der Kinder Geburtsort, Kindheit Ausbildung, Adoleszenz Beruf, Militär Wohnorte Freizeitbeschäftigungen Zeitgeschehen ins eigene Leben einordnen Verändertes Selbsterleben: Störung der Ich-Vitalität Gefühl des Nicht mehr da seins, Nicht mehr in der Welt sein Aussagen der Patienten: «Ich bin nicht mehr da, Ich bin wie gestorben Lebe ich noch? Ich möchte sterben Ich bin tot Beobachtungen der Pflegenden: Bewohner ist oft wie in sich «versunken», Bewohner ist emotional «erstarrt» Bewohner ist von Energie anderer abhängig, lebt nur auf bei Kontakt und Aktivierung Bewohner hat «leeren», nicht mehr «zielgerichteten» Blick, schliesst häufig im Wachzustand seine Augen Achtung: Abgrenzung zur Depression 4
5 Verändertes Selbsterleben: Störung der Ich-Aktivität Durchführung von Handeln und Denken ist ziellos und ohne Resultat: lack of purpousful behavior (D Amasio) Repetitive und stereotype Handlungen, Eindruck des «Gemachten» Aussagen der Patienten: «Was soll ich machen?» «Was muss ich machen?» «Es macht mit mir» Beobachtungen der Pflegenden: Bewohner wandern ziellos herum, machen ständig gleiche Bewegungen, streichen mit Händen Flächen und Kanten entlang, falten Papier, Stoffe etc. zusammen Bewohner rufen oder schreien, ohne dass ein erkennbarer Grund vorhanden ist, sprechen vor sich hin, wiederholen Sätze, pfeifen, geben Geräusche von sich Verändertes Selbsterleben Störung der Ich-Demarkation Sich schutzlos Einflüssen von aussen ausgesetzt fühlen, Durchlässig sein gegenüber Umgebung, sich nicht mehr abgrenzen können, Aussagen der Patienten: Die Tischnachbarin schaut mich böse an Etwas lauert im Raum Mit dieser Flasche auf dem Tisch stimmt etwas nicht Beobachtungen der Pflegenden: Bewohner beziehen irgendwelche Gespräche, Geräusche oder Ereignisse auf sich Bewohner erlebt, was er im TV sieht oder auf einem Bild sieht Capgras Syndrom: Bewohner erlebt seine Wohnung als fremde Wohnung Bewohner will sich ständig entkleiden, da die Kleidung «in ihn eindringt» 5
6 jverändertes Selbsterleben: Störung der Ich-Konsistenz Das Gefühl, die Überzeugung haben, auseinanderzubrechen, in einzelne Teile zu zerfallen, nicht mehr ein Ganzes zu sein Aussagen der Bewohner: «Ich fliege auseinander», «etwas zerbricht in mir» «viele sind in mir», «in mir ist ein Kind» «der Arm, das Bein gehört nicht zu mir» Bewohner beziehen Körpersymptome wie Schmerzen, Füllungsdruck von Blase und Enddarm, Hunger, Durst nicht mehr auf sich selbst Beobachtungen der Pflegenden: Bewohner umklammert sich, hält Extremitäten fest Bewohner will im Bett unter der Decke bleiben Bewohner will Mäntel, Jacken, Decken überziehen Veränderungen des Selbsterlebens sind bedeutsam bei der Pflege&Betreuung der Betroffenen: Beispiel Körperhygiene Wahrnehmung Körperhygiene wird oft nicht mehr (selbst)wahrgenommen bzw. nicht mehr auf sich selbst bezogen. Kommunikation Konfliktsituationen Die Bewohner können mit allgemeinen Sätzen, die sie nicht auf sich selbst beziehen, animiert werden, z. B. «Jetzt ist Waschzeit» oder «Wasser ist zum Waschen da».. Am häufigsten entstehen Konfliktsituationen bei der Körperpflege, weil die Abläufe nicht mehr auf sich selbst bezogen werden, und deswegen erschreckt z. B. Wasser. Tücher oder Kleider dringen in den Körper ein. 6
7 Bei dokumentierten Ich-Störungen streben die Pflegenden einen»ich-schonenden» Umgang mit den Betroffenen an Sie versuchen, das autobiographische «Ich» des Bewohners nicht ständig zu strapazieren Sie vermeiden Personal- und Possessivpronomen Vermeidung von selbstreflexiven Fragen und Antworten Anrede an den Bewohner anpassen Aufforderungen allgemein halten Keine Entscheidungen fordern Im gesamten Umgang mit den Betroffenen wird eine «Befreiung» von biographischer Überforderung angestrebt Man versucht, das «Biographische» nicht ständig zu triggern und zu wiederholen Abhängen von persönlichen Fotos und Erinnerungsbildern Allmähliches Entfernen von persönlichen Gegenständen und Möbel Umziehen in eine «biographiefreie» und «allgemeinere» Umgebung wie ein Pflegezentrum oder Altersheim «Geborgen sein» in neuen und «neutralen» Beziehungen, die nicht zu biographischer Überforderung führen 7
8 Während das Eigene bei dieser Krankheit so unerbittlich gelöscht wird, scheint das Fremde und Erworbene länger bestehen zu bleiben. 8
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