1 Differentiation im Komplexen 1.1 Definition und einface Eigenscaften Die folgende Definition der komplexen Differenzierbarkeit mittels der komplexen Division ist eine folgenreice Verscärfung der Differentiation im R 2. Definition 1.1 Sei D C offen, z 0 D, f : D C. Die Funktion f eißt in z 0 komplex differenzierbar, wenn der Grenzwert 0 fz 0 + ) fz 0 ) in C existiert. Falls dieser Grenzwert existiert, nennen wir in Ableitung von f in z 0 und bezeicnen in mit f z 0 ). Ist f in jedem Punkt von D komplex differenzierbar, so eißt f olomorp auf D. Beispiele Wie im Reellen zeigt man, daß jede ganzrationale Funktion = Polynom) fz) = a n z n + a n 1 z n 1 +... + a 1 z + a 0, a i C auf C olomorp ist und dass für jeden Punkt z C gilt f z) = na n z n 1 + n 1)a n 1 z n 2 +... + 2a 2 z + a 1. Dagegen ist die Funktion fz) = z = konjugiert komplexe Zal zu z) in keinem Punkt komplex differenzierbar. Der Ausdruck fz + ) fz) = z + z ist nämlic 1 für R\{0} und 1 für ir\{0} und besitzt daer keinen Grenzwert für 0. Auc die Funktionen fz) = Rez, fz) = Imz, fz) = z sind nirgends komplex differenzierbar. Wie im Reellen beweist man, dass mit zwei Funktionen f,g auc deren Summe und deren Produkt in einem Punkt z D komplex differenzierbar bzw. auf D olomorp sind und dass = f ± g) z) = f z) ± g z), fg) z) = f z)gz) + fz)g z). Ist außerdem gz) 0 auf D, so ist auc f/g olomorp, und es gilt f/g ) z) = f z)gz) fz)g z) gz) 2. 3
Sind scließlic f und g auf D bzw. D olomorpe Funktionen und ist fd) D, so ist g f auf D olomorp, und es gilt die Kettenregel g f) z) = g fz) ) f z). Die komplexe Differenzierbarkeit läßt sic auc über eine Zerlegungsformel carakterisieren: f ist in z 0 D komplex differenzierbar genau dann, wenn ein α C r) und eine Funktion r mit 0 = 0 existieren so, dass fz 0 + ) = fz 0 ) + α + r) für alle aus Umgebung von 0. Mit dieser Zerlegungsformel siet man, dass die komplexe Differenzierbarkeit die Stetigkeit impliziert. 1.2 Die Caucy-Riemannscen Differentialgleicungen Sei z = x + iy und fz) = uz) + ivz) = ux,y) + ivx,y). Wir stellen einen Zusammenang zwiscen der komplexen Differenzierbarkeit von f in z und der Differenzierbarkeit von u und v in x,y) er. Satz 1.2 a) Ist f in z 0 D komplex differenzierbar, so sind u und v in x 0,y 0 ) partiell differenzierbar, und es gelten in diesem Punkt die Caucy-Riemannscen Differentialgleicungen u x = v y, u y = v x. 1.1) b) Sind u und v in z differenzierbare reelle Funktionen und gelten in x,y) ˆ=z D die Caucy-Riemannscen Differentialgleicungen 1.1), so ist die Funktion fz) = ux, y) + ivx, y) in z komplex-differenzierbar, und es gilt: f z) = u x x,y) + iv x x,y) = i u y x,y) + iv y x,y) ). 1.2) Beweis Sei f in z 0 D komplex differenzierbar, d.. der Grenzwert fz 0 + ) fz 0 ) 0 =: f z 0 ) 4
soll existieren. Lassen wir entlang der reellen Acse gegen 0 streben, d.. wälen wir = t R\{0}, so folgt f fz 0 + t) fz 0 ) z 0 ) ux 0 + t,y 0 ) + ivx 0 + t,y 0 ) ux0,y 0 ) + ivx 0,y 0 ) ) t 0 t ux0 + t,y 0 ) ux 0,y 0 ) + i vx ) 0 + t,y 0 ) vx 0,y 0 ) t ux 0 + t,y 0 ) ux 0,y 0 ) vx 0 + t,y 0 ) vx 0,y 0 ) + i ux 0 + t,y 0 ) ux 0,y 0 ) vx 0 + t,y 0 ) vx 0,y 0 ) + i = u x x 0,y 0 ) + iv x x 0,y 0 ) man beacte, dass eine Folge in C genau dann konvergiert, wenn die Folgen irer Real- und Imaginärteile in R konvergieren). Lassen wir dagegen entlang der imaginären Acse gegen 0 streben, d.. wälen wir = it mit t R\{0}, so folgt analog f fz 0 + it) fz 0 ) z 0 ) t 0 it ux 0,y 0 + t) + ivx 0,y 0 + t) ux0,y 0 ) + ivx 0,y 0 ) ) t 0 it = 1 i ux0,y 0 + t) ux 0,y 0 ) + i vx ) 0,y 0 + t) vx 0,y 0 ) t = 1 i uy x 0,y 0 ) + iv y x 0,y 0 ) ) = v y x 0,y 0 ) iu y x 0,y 0 ). Ein Vergleic der Real- bzw. Imaginärteile in den beiden letzten Bezieungen zeigt, dass u x = v y und u y = v x in z 0. b) Differenzierbarkeit von u und v in z eißt: es gibt Funktionen r und s mit,g) 0 r, g),g) = 0,,g) 0 s, g),g) = 0, so dass mit z = x,y) ux +,y + g) ux,y) = u x z),u y z) ) ) + r,g), g vx +,y + g) vx,y) = v x z),v y z) ) ) + s,g). g Wir multiplizieren die zweite Gleicung mit i, addieren sie zur ersten Gleicung und beacten dabei die Caucy-Riemannscen Differentialgleicungen: f z + + ig) ) fz) = u x z) + u y z)g + iv x z) + iv y z)g + r,g) + is,g) = u x z) + ig) + iv x z) + ig) + r,g) + is,g). 5
Also ist f z + + ig) ) fz) + ig Die Beauptung folgt nun aus r,g) +ig 0 + ig = u x z) + iv x z) + r,g) + ig + is,g) + ig.,g) 0 und der entsprecenden Bezieung für s. r, g),g) = 0, Beispiel Für die Funktion fz) = fx + iy) := x 3 y 2 + ix 2 y 3 gelten die Caucy- Riemannscen Differentialgleicungen im Punkt z 0 = x 0 + iy 0 genau dann, wenn u x x 0,y 0 ) = 3x 2 0y 2 0! = 3x 2 0y 2 0 = v y x 0,y 0 ) und u y x 0,y 0 ) = 2x 3 0y 0! = 2x 0 y 3 0 = v x x 0,y 0 ), d.. genau dann, wenn x 0 y 0 x 2 0 + y 2 0) = 0, d.. genau dann, wenn x 0 = 0 oder y 0 = 0. Die Funktion f ist also genau dann in z 0 C komplex differenzierbar, wenn z 0 auf der reellen oder imaginären Acse liegt. Insbesondere ist f auf keiner offenen Teilmenge von C olomorp. Folgerung 1.3 Sei D C ein Gebiet. Dann sind folgende Aussagen für eine Funktion f : D C äquivalent: a) f ist konstant auf D. b) f ist olomorp auf D und f z) = 0 z D. Beweis Wir zeigen nur die Implikation b) a). Aus f = 0 auf D und aus den Bezieungen 1.2) d.. f = u x + iv x = iu y + iv y ) ) folgt u x z) = u y z) = v x z) = v y z) = 0 für alle z D. Wie wir aus der reellen Analysis wissen, müssen u und v und somit auc f konstante Funktionen sein. Als weitere Anwendung der Caucy-Riemannscen Differentialgleicungen zeigen wir Satz 1.4 Eine komplexe Potenzreie ist im Inneren ires Konvergenzkreises olomorp. Beweis Sei fz) = k=0 a kz k eine Potenzreie mit Konvergenzradius R > 0, und sei f n z) := n k=0 a kz k ire n. Partialsumme. Die Real- und Imaginärteile von f bzw. f n seien u,v bzw. u n,v n. Offenbar ist f nz) = n k=1 ka kz k 1, und wir wissen bereits, dass die Reien k=0 a kz k und k=1 ka kz k 1 den gleicen 6
Konvergenzradius R besitzen. Folglic konvergieren die Funktionen f n bzw. f n auf jedem Kreis {z : z r} mit r < R gleicmäßig gegen die Funktion f : z k=0 a kz k bzw. gegen z k=1 ka kz k 1. Dann konvergieren aber auc die Realund Imaginärteile u n,v n,u nx,v ny,v nx,v ny dieser Funktionen auf {z : z r} gleicmäßig. Hieraus folgt, dass die Funktionen u, v für z < r differenzierbar sind und dass gilt u nx u x, u ny u y, v nx v x, v ny v y gleicmäßig. Das Besteen der Caucy-Riemannscen Differentialgleicungen für die Funktionen f n ziet daer das Besteen dieser Differentialgleicungen für die Funktion f nac sic: u x z) n u nx z) n v ny z) = v y z) und analog u y z) = v x z) für alle z < r. Scließlic ist wieder wegen der gleicmäßigen Konvergenz) die Funktion z k=1 ka kz k 1 und damit auc die Funktionen u x,u y,v x,v y stetig auf {z : z < r}. Da r < R beliebig war, eralten wir das Besteen der Caucy- Riemannscen Differentialgleicungen für f sowie die Stetigkeit der partiellen Ableitungen u x,...,v y in jedem Punkt z mit z < R. Nac Satz 1.2 ist f in {z : z < R} olomorp. Beispiel Insbesondere sind die durc e z := n=0 z n n!, sin z := 1) n 2n + 1)! z2n+1, cos z := n=0 n=0 1) n 2n)! z2n definierten Funktionen in der gesamten komplexen Ebene C olomorp. Solce Funktionen eißen auc ganze Funktionen. Weitere Beispiele für ganze Funktionen sind Polynome pz) = n k=0 a kz k und die Funktionen sin z := 1 2 ez e z ), cos z := 1 2 ez + e z ). Außerdem folgt aus dem Beweis von Satz 1.4, dass Regeln wie e z ) = e z, sin z = cos z, cos z = sin z auc im Sinne der komplexen Differentiation gültig bleiben. 1.3 Differenzierbarkeit im Reellen und im Komplexen Jede Funktion f : C C kann auc als Funktion f : R 2 R 2 betractet werden. Wir wollen uns den Unterscied zwiscen der Differenzierbarkeit der 7
Funktion f : R 2 R 2 im Punkt z R 2 und der komplexen Differenzierbarkeit von f : C C in z C klarmacen. Differenzierbarkeit von f : R 2 R 2 in z R 2 eißt, dass es eine lineare Abbildung A : R 2 R 2 genauer: eine R-lineare Abbildung) und eine Funktion r : R 2 R 2 r) mit 0 = 0 so gibt, dass fz + ) fz) = A + r) für alle aus Umgebung von 0 R 2. 1.3) Die Abbildung A wird dabei durc die reelle) Jacobimatrix ) ux z) u A ˆ= y z) v x z) v y z) 1.4) bescrieben. Komplexe Differenzierbarkeit von f : C C in z C können wir dagegen so deuten: Es gibt eine lineare Abbildung B : C C genauer: eine s) C-lineare Abbildung) und eine Funktion s : C C mit 0 = 0 so, dass fz + ) fz) = B + s) für alle aus Umgebung von 0 C. 1.5) Die Abbildung B wird dabei durc die komplexe) 1 1 Matrix f z) ) bzw. einfac durc die komplexe Zal f z) gegeben. Der wesentlice Unterscied zwiscen 1.3) und 1.5) bestet darin, dass wir in 1.3) durc eine R-lineare Abbildung A : R 2 R 2 und in 1.5) durc eine C-lineare Abbildung B : C C approximieren. ) a b Wir fragen uns nun, wann allgemein durc eine R-lineare Abbildung A = : c d R 2 R 2 eine C-lineare Abildung von C nac C induziert wird, wenn wir wie üblic x,y) T R 2 mit x + iy C identifizieren. Soll A C-linear sein, so gilt einerseits ) 0 Ai = A = 1 a b c d ) ) 0 = 1 und andererseits ) ) ) 1 a b 1 Ai = ia 1 = ia = i 0 c d 0 b d ) = b + id ) a = i = ia + ic) = c + ia. c Ein Vergleic von Real- ) und Imaginärteil liefert a = d und b = c. Nur Matrizen a b der Gestalt : R b a 2 R 2 liefern also C-lineare Abbildungen. Angewandt auf die Matrix 1.4) eißt das: 1.4) liefert nur dann eine C-lineare Abbildung, wenn u x z) = v y z) und u y z) = v x z), d.. wenn die Caucy-Riemannscen Differentialgleicungen erfüllt sind. Die Caucy-Riemannscen Differentialgleicungen sind also genau die Zusatzbedingung, die aus der Differenzierbarkeit im Reellen die komplexe Differenzierbarkeit mact. 8
1.4 Harmonisce Funktionen Die Caucy-Riemannscen Differentialgleicungen liefern eine ser einscränkende Bedingung dafür, wann eine im Reellen differenzierbare Funktion Realteil einer olomorpen Funktion ist. Satz 1.5 Ist f = u + iv in D olomorp und sind die Funktionen u,v zweimal stetig differenzierbar im Reellen), so gilt u xx + u yy = 0, v xx + v yy = 0 in D. Beweis Aus der Holomorpie von f folgt u x = v y und u y = v x. Erneutes Ableiten ergibt u xx = v yx, u xy = v yy, u yx = v xx, u yy = v xy und daer u xx + u yy = v yx v xy, v xx + v yy = u xy u yx. Nac dem Satz von H.A. Scwarz sind die recten Seiten dieser Identitäten gleic 0. Wir werden später seen, dass die geforderten Differenzierbarkeitseigenscaften von u und v bereits aus der Holomorpie von f folgen. Ist u eine reell) zweimal partiell differenzierbare Funktion, so erklärt man den Laplaceoperator durc u := u xx + u yy. Funktionen u mit der Eigenscaft u = 0 eißen armonisc oder Potentialfunktionen. Real- und Imaginärteil olomorper Funktionen sind also armonisce Funktionen wobei wir im Moment noc eine Zusatzbedingung fordern müssen). Beispielsweise sind armonisce Funktionen. Rez 2 ) = Rex + iy) 2 = x 2 y 2 =: ux,y) Ime z ) = Im e x cosy + i sin y) ) = e x sin y =: vx,y) 9