FÜR KINDER SUCHTKRANKER ELTERN HILFE SYSTEMATISIEREN

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Transkript:

FÜR KINDER SUCHTKRANKER ELTERN HILFE SYSTEMATISIEREN Positionspapier der Landesstelle für Suchtfragen der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg e.v.

HINTERGRUND Kinder suchtkranker Eltern sind bekanntermaßen hohen gesundheitlichen und psychosozialen Belastungen ausgesetzt. Sie sind die größte bekannte Risikogruppe für spätere Suchtstörungen. Sie weisen darüber hinaus oft auch andere psychische Problemen im Kinder- und Jugendalter als auch im späteren Erwachsenenalter auf. In einer Vielzahl von Studien 1 wurden diese Zusammenhänge belegt. Z.B. wird für Söhne von alkoholkranken Vätern ein bis zu sechsfach höheres Risiko zur Suchtentwicklung beschrieben. Insgesamt geht man davon aus, dass etwa ein Drittel der Kinder aus suchtbelasteten Familien später selber eine Sucht entwickeln und ein weiteres Drittel andere psychische Störungen aufbauen. Ein Drittel wird als psychisch gesund beschrieben. Der Hintergrund dieser Gefährdung ist sowohl in einem Anteil genetischer Belastung als auch in dem besonderen Familienklima einer Suchtfamilie zu suchen. Das Familienklima wird beschrieben mit emotionaler Kälte, Bindungsunsicherheit und allgemein instabilen Verhältnissen. Eine elterliche Suchterkrankung geht häufig mit einem dysfunktionalen Erziehungsstil, der auch Vernachlässigung und Gewalt umfasst, einher. Betroffene Kinder wachsen in der Regel in einem Multiproblemkontext auf, von dem sie stark überfordert sind. 2 Hinzu kommt die frühe Lernerfahrung der Kinder, dass Probleme und Konflikte ihre Antwort im Suchtmittelkonsum finden. Betroffene Kinder reagieren auf diese Belastungen mit besonderen Regeln: Gefühlskon trolle, Rigidität, Schweigen, Verleugnung, Isolation, Überverantwortung. Ein besonderer Bedarf an möglichst frühzeitiger Unterstützung ist bei Fachleuten unbestritten. 1 vergl. Klein, in: Thomasius, 2005 2 Vergl. N. Wieland, M. Klein, Substanzbezogene Störungen und traumatische Erfahrungen in der Kindheit; in: Suchttherapie, 2/2018 2

Hilfebedarf In Baden-Württemberg gehen wir von rund 150.000 betroffenen Kindern unter 15 Jahren aus (jedes 7. Kind). Für das Jahr 2015 wurde von der LSS dokumentiert, dass insgesamt 7.335 Kinder im gemeinsamen Haushalt mit einem suchtkranken Elternteil leben. Nach einer Stichtagserhebung 2016 der LSS 1 zur psychosozialen Betreuung von Substituierten durch die Suchtberatungsstellen, wurden 1.117 minderjährige Kinder im Haushalt von substituierten Eltern dokumentiert und weitere 694 Kinder der erfassten Klient/-innen leben in Fremdbetreuung. Da insgesamt bei weitem nur ein kleiner Anteil der suchtkranken Menschen Hilfe in den Beratungs- und Behandlungsstellen aufsucht, ist es mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, Kinder aus Suchtfamilien, deren Eltern keine Hilfe annehmen, zu erreichen. 15,4 Prozent der Kinder- und Jugendlichen in Deutschland 2 sind mindestens zeitweise von einer Alkoholstörung eines Elternteils belastet. Etwa 60.000 Kinder leben mit opiatabhängigen Eltern zusammen. Jedes dritte Kind in einer alkoholbelasteten Familie erfährt regelmäßig physische Gewalt 3 als Opfer und/oder Zeuge und fast 50 Prozent aller kinderpsychiatrischen Patienten 4 einer ambulanten Praxis haben ein suchtkrankes Elternteil. Eine Studie 5 in der Jugendhilfe belegt, dass bei fast 40 Prozent der Fälle von Hilfen zur Erziehung eine Suchtbelastung in der Herkunftsfamilie vorliegt. Fachkräfte aus der Jugendhilfe bestätigen einen Handlungsbedarf. Die Zusammenhänge zwischen Traumatisierung und Sucht sind ebenfalls evident. 6 Eine transgenerationale Dynamik zwischen Suchterkrankung, Trau ma erleben, Suchtentwicklung und erneut Traumata produzieren, verdeutlicht den Hilfebedarf. 1 In der Stichtagserhebung 2016 der LSS werden 62,2 Prozent der KV dokumentierten Substitutionsfälle in Baden-Württemberg dokumentiert 2 NACOA, Kinder aus suchtbelasteten Familien, Berlin 2006 3 Klein & Zobel, 2001 4 Rosen-Runge, 2002 5 Hinze, Jost, 2005 6 Vergl. N. Wieland, M. Klein, Substanzbezogene Störungen und traumatische Erfahrungen in der Kindheit; in: Suchttherapie, 2/2018 3

Kinder suchtkranker Eltern erreichen Kinder suchtkranker Eltern müssen als Risikogruppe für die Suchtprävention an erster Stelle stehen. Für die Suchtprävention gilt, je früher die Prävention ihre Zielgruppen erreicht, umso wahrscheinlicher ist ein langfristiger Präventionserfolg. Das gilt ganz besonders auch für Kinder suchtkranker Eltern. Die Kinder, deren Eltern Beratung und Behandlung zu Ihrer Suchterkrankung annehmen, können gut über die Sucht hilfe, Suchtmedizin oder Psychiatrie erreicht werden. Die Landesstelle für Suchtfragen hat sich in der Vergangenheit dafür stark gemacht, dass die Zusammenarbeit zwischen Suchthilfe und Jugendhilfe qualitativ und quantitativ verbessert wird. 7 Diese projekthaften Entwicklungen, müssen in den bestehenden Hilfestrukturen verankert werden. Geeignet sind dafür verbindliche Vereinbarungen zwischen Jugendhilfe und Suchthilfe, die die fallbezogene Zusammenarbeit beschreiben und systematisieren. Bei Fragen des Kindeswohls im konkreten Fall ist zur Risikoeinschätzung die insoweit erfahrenen Fachkraft 8 einzubeziehen. Der größere Teil der betroffenen Kinder jedoch lebt mit suchtbetroffenen Eltern zusammen, die keine Hilfe aufsuchen oder die Suchterkrankung nicht als solche wahrnehmen. Um diese Kinder früh zu erreichen, brauchen wir ein starkes, verbindliches Netzwerk der Institutionen, die mit den Kindern in dauerndem Kontakt sind. Das sind in erster Linie Kitas, Schulen und Einrichtungen der Jugendhilfe (inkl. offene Jugendarbeit). Insbesondere die Jugendhilfe ist wegen ihrer hohen Prävalenz von Familien mit Suchtkontext gefordert. 7 Projekt SCHULTERSCHLUSS und SCHULTERSCHLUSS II; www.suchtfragen.de/projekte; Landesförderung 8 8a und 8b SGB VIII 4

Je besser eine inhaltlich-fachliche Abstimmung der Wissensbestände und Handlungskonzepte gelingt, umso wirksamer können die Hilfen für Kinder und ihre ( ) suchtkranken Eltern gestaltet werden. Um dies gewähr leisten zu können, ist eine institutionalisierte Form der Kooperation zwischen den beteiligten Hilfesystemen erforderlich. 9 Die Landesstelle für Suchtfragen setzt sich dafür ein, dass in der Suchthilfe und in der Jugendhilfe die Erfassung Kinder suchtkranker Eltern systematisiert wird und in qualitätsgesicherten, gemeinsamen Fallbesprechungen eine kollegiale Beratung stattfindet. Der Datenschutz wird dabei beachtet. Institutionen wie Kita und Schule brauchen niedrigschwellige Kontaktmöglichkeiten zur Suchthilfe, um im Bedarfsfall aktiv werden zu können. Die Suchtberatungsstellen halten dafür spezialisierte Ansprechpersonen/Kinderschutzbeauftragte vor und informieren hierzu proaktiv und wiederkehrend die betreffenden Institutionen und das Kommunale Suchthilfenetzwerk. Die Landesstelle für Suchtfragen setzt sich für die Implementierung von Schulungsangeboten für Fachkräfte aus der Sucht- sowie der Kinder- und Jugendhilfe ein, um betroffene Kinder frühzeitig zu erkennen. Ziel ist der Kompetenzerwerb hinsichtlich des Erkennens möglicher Belastungen bzw. (Entwicklungs-) Gefährdungen von Kindern und die Einschätzung von elterlichen Erziehungskompetenzen. 9 Expertise des 13. Kinder- und Jugendberichts der Bundesregierung zu dem Thema Riskante Lebensbedingungen von Kindern psychisch und suchtkranker Eltern Stärkung ihrer Resilienzressourcen durch Angebote der Jugendhilfe, Prof. Lenz, 2009 (S.36) 5

Kinder suchtkranker Eltern gezielt unterstützen Dem Risiko für von elterlicher Sucht betroffene Kinder, selber eine Sucht oder eine andere psychische Krankheit zu entwickeln, muss mit gezielten Programmen begegnet werden. Die nach wie vor gesellschaftliche Tabuisierung einer Suchterkrankung erfordert in besonderer Weise, die Suchtproblematik kind- und altersgerecht zu erklären um somit das Tabu für die betroffenen Kinder aufzulösen. Da rüber hinaus sind die Kernpunkte der selektiven Prävention zu beachten wie das Erlernen einer Stressbewältigungsstrategie, Aufbau eines positiven Selbstkonzepts sowie die Erhöhung der Selbstwirksamkeitserwartung. 10 Ziel jeder suchtpräventiven Intervention ist eine somatische und psychosoziale Entlastung und der Aufbau von Schutzfaktoren. Die Landesstelle für Suchtfragen macht sich dafür stark, entsprechende Qualifizierungen flächendeckend in der Suchthilfe einzurichten. Geeignet sind evaluierte und manualisierte Programme 11, fortlaufende offene Gruppenangebote für betroffene Kinder sowie gemeinsame Freizeitangebote für Kinder und Eltern. Suchtkranke Menschen in der Elternrolle unterstützen Eine Suchterkrankung ist nicht per se als Gefährdung der Erziehungsfähigkeit und des Kindeswohls zu definieren, gleichwohl korrespondiert sie eng mit dem aktuellen süchtigen Konsum- und Verhaltensmuster. Suchtkranke Eltern zeigen spezielle Problematiken auf: sie sind häufig alleinerziehend und weisen häufig Klinikaufenthalte, nicht normative Lebensereignisse, soziale Ängste oder komorbide Störungen auf. Aufgrund der Tabuisierung als Selbstschutz sind suchtbelastete Familien schwer erreichbar. Die Arbeit mit suchtkranken Eltern muss die Aktivierung der Com pliance und die Stärkung der Elternschaft bei gleichzeitiger Sicherung des Kindeswohls zum Ziel haben. Die Suchthilfe, ambulant wie stationär, soll ihr Aufgaben- und Zielspektrum von Beratung und Behandlung um die Elternkompetenzen erweitern. Dafür werden die Fachkräfte qualifiziert und bestehende oder neu zu entwickelnde Beratungs- und Behandlungsmodule etabliert. 10 Vergl.: M. Klein u.a., Kinder aus suchtbelasteten Familien stärken, das Trampolin -Programm, 2013 (S. 10) 11 Z. B. Förderung des Programms Trampolin 6

Begleitkinder in der Suchtrehabilitation behandeln Eine mehrmonatige Suchtrehabilitation in Begleitung von Kindern bietet den Behandlern die einmalige Gelegenheit, über einen sehr langen Zeitraum einen realistischen Einblick in den Alltag von Kindern von Suchtkranken und deren Müttern und Vätern zu erlangen. Die Kinder erfahren nicht nur den Schutzraum Klinik bzgl. des Suchtmittels des Elternteils, sondern vor allem auch den Schutzraum vor psychischer, physischer und sexueller Gewalt und/ oder Verwahrlosung. Es ist davon auszugehen, dass der größte Teil der Begleitkinder bindungstraumatisiert ist. Daraus ergibt sich ein hoher Bedarf an heilpädagogischen und kindertherapeutischen Maßnahmen, um eine transgenerationale Weitergabe und das damit einhergehende eigene Erkrankungsrisiko zu minimieren oder zu verhindern. Gleichzeitig wäre die (Wieder)-Befähigung des suchterkrankten Elternteils zu einer bindungsorientierten und feinfühligen Erziehungskompetenz ein wichtiges zusätzliches Therapieziel. Systematisierung und Sicherstellung der Hilfen Inhaltliche und strukturelle Unterstützungssysteme sollen systematisiert werden. Die Suchthilfe übernimmt hier Verantwortung, indem Sie in den regionalen Netzwerken eine geeignete Systematisierung (z.b. Kooperationsvereinbarungen, Verlaufsmodelle zur Fallarbeit, Unterstützung bei Erstkontakten etc.) initiiert. Eine Systematisierung mit dem Ziel einer frühen Erreichbarkeit betroffener Kinder und deren Familie wird zu einem steigenden Bedarf an begleitenden Maßnahmen führen. Diese bedarfsorientierten Maßnahmen (Präventionsangebote) und Kooperationen können nur stabil entwickelt werden, wenn sie in der Regelfinanzierung berücksichtigt werden. Die Landesstelle setzt sich dafür ein, dass für die Begleitkinder ein Behandlungsauftrag im Rahmen der Eltern- Reha formuliert wird und die Erziehungskompetenz der Eltern als Reha-Ziel anerkannt wird. Die Landesstelle für Suchtfragen fordert hier eine Übernahme der Kosten durch die zuständigen Leistungsträger der medizinischen Rehabilitation. 7

Landesstelle für Suchtfragen der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg e.v. Stauffenbergstr. 3 70173 Stuttgart Tel. 0711 619 67 31 info@suchtfragen.de Diese Stellungnahme steht auch digital auf www.suchtfragen.de zur Verfügung. Grafische Gestaltung www.kreativplus.com 8