Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen Fach Arbeitsrecht Art der Leistung Prüfungsleistung Klausur-Knz. WI-ABR-P12-070331 Datum 31.03.2007 Die Klausur enthält insgesamt 7 zu lösende Aufgaben. Es gibt zwei Aufgabenblöcke; in beiden Blöcken haben Sie eine Wahlmöglichkeit. Im Aufgabenblock A bearbeiten Sie bitte 1 der 2 Fälle, in Aufgabenblock B bearbeiten Sie bitte 6 der 7 Fragen; sollten Sie alle Aufgaben bearbeiten, wird Fall 2 und Aufgabe 7 nicht gewertet. Zur Lösung stehen Ihnen 90 Minuten zur Verfügung. Die maximal erreichbare Punktzahl beträgt 100 Punkte. Zum Bestehen der Klausur müssen mindestens 50 % der Gesamtpunktzahl erzielt werden. Lassen Sie 1/3 Rand für die Korrekturen und schreiben Sie leserlich. Denken Sie an Name, Unterschrift und Matrikelnummer auf Ihrem Klausur-Mantelbogen. Bearbeitungszeit: 90 Minuten Hilfsmittel: Aufgabenblöcke: -2- Höchstpunktzahl: -100- Arbeitsgesetze BGB Bewertungsschlüssel Aufgabenblock A : 1 von 2 Aufgabenblock B : 6 von 7 Aufgabe F 1 F 2 1 2 3 4 5 6 7 max. erreichbare Punkte 28 28 12 12 12 12 12 12 12 100 meine erreichten Punkte Notenspiegel Note 1,0 1,3 1,7 2,0 2,3 2,7 3,0 3,3 3,7 4,0 5,0 Punkte 100-95 94,5-90 89,5-85 84,5-80 79,5-75 74,5-70 69,5-65 64,5-60 59,5-55 54,5-50 49,5-0 WI-ABR-P12-070331 Seite 1 von 3
Aufgabenblock A 28 Punkte Wahlmöglichkeit: Bearbeiten Sie bitte nur einen der 2 Fälle! Fall 1 28 Punkte Nobbi (N) ist gerade mit der Schule fertig und braucht, wie man in seinem jugendlichen Alter von 17 Jahren gern zu sagen pflegt, Kohle. Er stöbert daher den Kölner Stadt-Anzeiger durch und findet eine interessante Annonce des Anton (A). In dem anschließenden Vorstellungsgespräch werden sich beide schnell einig. N schließt nunmehr einen Arbeitsvertrag mit A, wonach er sich zu einer Vollzeitbeschäftigung in dessen Unternehmen verpflichtet. Seinen Eltern hat N nichts davon erzählt, weil er weiß, dass sie der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses nicht zustimmen würden. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages gab N auf entsprechende Nachfrage des A sein Alter wahrheitswidrig mit 19 Jahren an. Als A drei Wochen nach Arbeitsaufnahme des N vom wahren Sachverhalt erfährt, möchte er das Arbeitsverhältnis mit N sofort beenden. N besteht darauf, weiterhin für A zu arbeiten. A bittet Sie nun um eine gutachterliche Prüfung, ob und wie er das Arbeitsverhältnis schnellstmöglich beenden kann. Fall 2 28 Punkte Franz (F) ist als LKW-Fahrer bei der Spedition Schnell KG beschäftigt und verdient dort 2.500 brutto im Monat. Auf einer seiner Auslieferungsfahrten, auf der ihn sein Kollege Krug (K) als Beifahrer begleitet, erhält er, während er auf einer innerstädtischen Straße unterwegs ist, von einem Kunden einen Anruf auf dem Mobiltelefon, den er selbst entgegennimmt. Um dem Kunden die gewünschte Information geben zu können, greift er in das Ablagefach in der Fahrertür und holt dort die entsprechenden Unterlagen heraus. Er legt diese sogleich auf seinen Schoß und blättert darin. In dem Geschehen übersieht er den Wechsel einer Ampel von Grün auf Rot und fährt bei Rot in die Kreuzung ein. Dort stößt er mit einem PKW zusammen. Der PKW und auch der LKW werden erheblich beschädigt. Prüfen Sie gutachterlich, ob die Schnell KG von F die Reparaturkosten für den LKW in Höhe von 4.000 Euro ersetzt verlangen kann! Abwandlung: Bei dem Unfall wird K verletzt, dessen Krankenversicherung nicht sämtliche Behandlungskosten trägt. K bittet Sie nunmehr um Begutachtung, ob er die unbezahlten Behandlungskosten in Höhe von 1.000 von F ersetzt bekommen kann. Auszug aus dem SGB VII, 105: (1) Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, sind diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Satz 1 gilt entsprechend bei der Schädigung von Personen, die für denselben Betrieb tätig und nach 4 Abs. 1 Nr. 1 versicherungsfrei sind. 104 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend. WI-ABR-P12-070331 Seite 2 von 3
Aufgabenblock B 72 Punkte Wahlmöglichkeit: Bearbeiten Sie bitte nur 6 der 7 Aufgaben! Aufgabe 1 Auf welche zwei unterschiedlichen Wegen kann ein Arbeitsvertrag zustande kommen? Nennen Sie auch die jeweils einschlägigen Vorschriften! Aufgabe 2 Wie kann ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung einer Gratifikation erwerben? Wie kann sich der Arbeitgeber von der Zahlungsverpflichtung wieder lösen? 5 P. 7 P. Aufgabe 3 Der Gesetzgeber hält den Arbeitnehmer hinsichtlich seiner Lohnforderung für besonders schützenswert. Nennen Sie 4 Instrumente, mit denen die Lohnforderung des Arbeitnehmers besonders geschützt wird! Aufgabe 4 Begründen Sie am Gesetz, innerhalb welcher Fristen ein Arbeitnehmer Klage gegen eine Kündigung erheben muss, der in einem a) Kleinbetrieb mit insgesamt 4 Arbeitnehmern, b) Betrieb mit insgesamt 50 Arbeitnehmern beschäftigt ist! Was kann ein Arbeitnehmer tun, wenn er diese Fristen versäumt hat? Aufgabe 5 Schildern Sie umfassend, was bei der Kündigung eines Arbeitnehmers zu beachten ist, wenn in dem Betrieb ein Betriebsrat besteht. Gehen Sie dabei auch auf mögliche Konsequenzen für den betroffenen Arbeitnehmer ein! Aufgabe 6 Erläutern Sie, was im Zusammenhang mit einem Tarifvertrag unter einer Öffnungsklausel sowie dem Günstigkeitsprinzip zu verstehen ist! Aufgabe 7 Gilt das Betriebsverfassungsgesetz auch für sog. Tendenzbetriebe? Nennen Sie 3 Beispiele für einen Tendenzbetrieb! WI-ABR-P12-070331 Seite 3 von 3
Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen Fach Arbeitsrecht Art der Leistung Prüfungsleistung Klausur-Knz. WI-ABR-P12-070331 Datum 31.03.2007 Für die Bewertung und Abgabe der Prüfungsleistung sind folgende Hinweise verbindlich vorgeschrieben: Die Vergabe der Punkte nehmen Sie bitte so vor wie in der Korrekturrichtlinie ausgewiesen. Eine summarische Angabe von Punkten für Aufgaben, die in der Korrekturrichtlinie detailliert bewertet worden sind, ist nicht gestattet. Nur dann, wenn die Punkte für eine Aufgabe nicht differenziert vorgegeben sind, ist ihre Aufschlüsselung auf die einzelnen Lösungsschritte Ihnen überlassen. Stoßen Sie bei Ihrer Korrektur auf einen anderen richtigen Lösungsweg, dann nehmen Sie bitte die Verteilung der Punkte sinngemäß zur Korrekturrichtlinie vor. Rechenfehler sollten grundsätzlich nur zu Abwertung eines Teilschritts führen. Wurde mit einem falschen Zwischenergebnis richtig weiter gerechnet, so erteilen Sie die hierfür vorgesehenen Punkte ohne weiteren Abzug. Ihre Korrekturhinweise und Punktbewertung nehmen Sie bitte in einer zweifelsfrei lesbaren Schrift vor: Erstkorrektur in rot, evtl. Zweitkorrektur in grün. Die von Ihnen vergebenen Punkte und die daraus sich gemäß dem nachstehenden Notenschema ergebene Bewertung tragen Sie in den Klausur-Mantelbogen sowie in die Ergebnisliste ein. Gemäß der Diplomprüfungsordnung ist Ihrer Bewertung folgendes Notenschema zu Grunde zu legen: Notenspiegel Note 1,0 1,3 1,7 2,0 2,3 2,7 3,0 3,3 3,7 4,0 5,0 Punkte 100-95 94,5-90 89,5-85 84,5-80 79,5-75 74,5-70 69,5-65 64,5-60 59,5-55 54,5-50 49,5-0 Die korrigierten Arbeiten reichen Sie bitte spätestens bis zum 18. April 2007 in Ihr Studienzentrum ein. Dies muss persönlich oder per Einschreiben erfolgen. Der angegebene Termin ist unbedingt einzuhalten. Sollte sich aus vorher nicht absehbaren Gründen eine Terminüberschreitung abzeichnen, so bitten wir Sie, dies unverzüglich Ihrem Studienzentrumsleiter anzuzeigen. BEWERTUNGSSCHLÜSSEL Aufgabenblock A : 1 von 2 Aufgabenblock B : 6 von 7 Aufgabe F 1 F 2 1 2 3 4 5 6 7 max. erreichbare Punkte 28 28 12 12 12 12 12 12 12 100 meine erreichten Punkte KORREKTURRICHTLINIE Arbeitsrecht WI-ABR-P12-070331
Aufgabenblock A 28 Punkte Lösung zu Fall 1 SB 2, Kap. 5.1, SB 3, Kap. 4.7 28 Punkte 1. Widerruf Anton (A) könnte möglicherweise seine auf den Abschluss des Arbeitsvertrages gerichtete Willenserklärung gemäß 109 Abs. 1 S. 1 BGB widerrufen. Voraussetzung dafür ist ein Rechtsgeschäft eines beschränkt Geschäftsfähigen, das der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedarf, jedoch ohne Einwilligung geschlossen wurde. Der Arbeitsvertrag stellt ein solches Rechtsgeschäft dar. N ist zum Zeitpunkt des Abschluss des Vertrages mit 17 Jahren beschränkt geschäftsfähig ( 2, 106 BGB). Fraglich ist, ob der Abschluss des Vertrages überhaupt der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedarf. Gemäß 107 BGB ist eine solche Einwilligung grundsätzlich erforderlich bei der Abgabe einer Willenserklärung eines beschränkt Geschäftsfähigen, wenn diese nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Die aus dem Arbeitsvertrag folgenden Pflichten treffen nicht nur den A, sondern auch den N, sodass der Abschluss des Arbeitsvertrages nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Es könnte jedoch eine Ausnahme hiervon gemäß 113 Abs. 1 S. 1 BGB bestehen. Hiernach ist die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses ohne Zustimmung möglich, wenn eine generelle Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters besteht, in Dienst oder Arbeit zu treten. Die Eltern des N haben eine solche Ermächtigung vorliegend nicht erteilt. Folglich ist der Abschluss des Arbeitsvertrages zustimmungsbedürftig. A hatte auch keine (positive) Kenntnis von der Minderjährigkeit des N oder der fehlenden Einwilligung der gesetzlichen Vertreter. Im Ergebnis kann A daher den Abschluss des Arbeitsvertrages formlos widerrufen, und zwar entweder gegenüber N selbst oder gegenüber seinen Eltern. 2. Anfechtung A könnte möglicherweise seine auf den Abschluss des Arbeitsvertrages gerichtete Willenserklärung anfechten. Voraussetzung hierfür ist ein Anfechtungsgrund und eine Anfechtungserklärung innerhalb der maßgeblichen Anfechtungsfrist gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner. Ein Anfechtungsgrund könnte sich aus 119 Abs. 2 BGB ergeben. Dazu müsste sich A über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des N geirrt haben. Das Alter einer Person stellt unzweifelhaft eine Eigenschaft dar. Diese ist auch verkehrswesentlich, weil sie für das konkrete Rechtsgeschäft von Bedeutung ist, etwa im Hinblick auf die Anwendung besonderer Vorschriften zum Jugendschutz. Damit besteht ein Anfechtungsgrund gemäß 119 Abs. 2 BGB. Ein Anfechtungsgrund könnte sich auch aus 123 Abs. 1 BGB ergeben. Dazu müsste N den A durch arglistige Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt haben. N hat auf die Frage des A bewusst wahrheitswidrig geantwortet und damit bei diesem die Fehlvorstellung hervorgerufen, N sei 19 Jahre alt. Damit liegt auch ein Anfechtungsgrund gemäß 123 Abs. 1 BGB vor. Die Anfechtungserklärung ist gemäß 143 BGB gegenüber dem Vertragspartner zu erklären. Da N beschränkt geschäftsfähig, ist gemäß 131 Abs. 2 S. 1 BGB der Zugang an die gesetzlichen Vertreter erforderlich. Dies gilt gemäß 131 Abs. 2 S. 2 BGB nur dann nicht, wenn die Erklärung lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Mit der Anfechtung geht 1 P. KORREKTURRICHTLINIE WI-ABR-P12-070331 Seite 2 von 7
der Verlust der Rechte des N aus dem Arbeitsvertrag einher und bringt somit rechtliche Nachteile. Das fehlende Einverständnis der Eltern mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages kann nicht als eine konkludente Einwilligung in die Anfechtung gesehen werden. Die Erklärung muss daher den Eltern zugehen. Die Erklärung ist im Übrigen nicht formbedürftig. A müsste die Anfechtung binnen der maßgeblichen Fristen erklären. Eine auf 119 Abs. 2 BGB gestützte Anfechtung müsste gemäß 121 BGB unverzüglich nach Kenntniserlangung von dem Anfechtungsgrund, mithin ohne schuldhaftes Zögern erfolgen. Eine auf 123 Abs. 1 BGB gestützte Anfechtung müsste gemäß 124 BGB innerhalb eines Jahres ab Kenntnis von der Täuschung erklärt werden. 3. Außerordentliche Kündigung A könnte möglicherweise den Arbeitsvertrag gemäß 626 Abs. 1 BGB außerordentlich kündigen. Es müsste ein wichtiger Grund gegeben sein. Dies ist der Fall, wenn Tatsachen vorliegen, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bei ordentlicher Kündigung unzumutbar machen. Die vorsätzliche Falschangabe über das Alter stört das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und -nehmer erheblich. Die Fortsetzung ist damit für A unzumutbar. Es liegt hiernach ein wichtiger Grund vor. Auch die konkrete Interessenabwägung führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Kündigung müsste innerhalb der Kündigungserklärungsfrist von 2 Wochen ab Kenntniserlangung gemäß 626 Abs. 2 BGB erfolgen. Die Einhaltung dieser Frist ist vorliegend noch möglich. Die Kündigungserklärung muss schriftlich erfolgen ( 623 BGB) und den Eltern als gesetzliche Vertreter zugehen ( 131 Abs. 2 S. 1 BGB). KORREKTURRICHTLINIE WI-ABR-P12-070331 Seite 3 von 7
Lösung zu Fall 2 SB 3, Kap. 3 28 Punkte I. Ausgangsfall 1. 280 Abs. 1 BGB Der Schnell KG (S) könnte gegen Franz (F) ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten i. H. von 4.000 gemäß 280 Abs. 1 BGB zustehen. Zwischen der S und F bestand zum Unfallzeitpunkt ein wirksamer Arbeitsvertrag und damit ein Schuldverhältnis. F müsste eine aus diesem Schuldverhältnis folgende Pflicht verletzt haben. Aus einem Arbeitsvertrag folgt eine ungeschriebene Nebenpflicht, mit den Arbeitsgeräten sorgsam umzugehen und Beschädigungen zu vermeiden. Durch die Verursachung des Unfalls hat F diese Pflicht verletzt. Fraglich ist, ob F diese Pflichtverletzung zu vertreten hat. Ein Verschulden eines Arbeitnehmers, worunter gemäß 276 Abs. 1 S. 1 BGB jede Form von Fahrlässigkeit und Vorsatz zu verstehen ist, wird jedoch entgegen 280 Abs. 1 BGB gemäß 619a BGB nicht vermutet. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Vorliegend hat F durch das Telefonieren und Blättern in den Unterlagen während der Fahrt gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung verstoßen und damit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geltend jedoch nach allgemeiner Auffassung Abweichungen von den allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsgrundsätzen. Es sind vielmehr die Grundsätze über betrieblich veranlasste Tätigkeiten (innerbetrieblicher Schadensausgleich, früher: gefahrgeneigte Arbeit) anzuwenden. Danach gelten Beschränkungen der Arbeitnehmerhaftung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit und zwar abhängig vom Grad des Verschuldens. Bei vorsätzlichem Handelt haftet der Arbeitnehmer vollständig. Bei grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer ebenfalls voll, wenn nicht ein grobes Missverhältnis zwischen dem Lohn und dem verwirklichten Schadensrisiko besteht. Bei einfacher Fahrlässigkeit wird die Haftung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber abhängig von Umständen des Einzelfalls, also insbesondere der Art der Tätigkeit, dem Schadensrisiko, der Qualifikation, der Erfahrung, dem sonstigen Verhalten des Arbeitnehmers und einer möglichen Versicherbarkeit des Schaden, gequotelt. Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer hingegen nicht. Vorliegend hat F während der Fahrt telefoniert und in den Unterlagen geblättert, was als grob fahrlässig anzusehen ist. Daher haftet F grundsätzlich in vollem Umfang, wenn nicht ausnahmsweise ein grobes Missverhältnis zwischen dem Lohn des F und dem verwirklichten Schadensrisiko besteht. Der monatliche Brutto-Lohn des F beträgt 2.500. Der entstandene Schaden von 4.000 beträgt das 1,6-fache des monatlichen Brutto-Lohns, sodass unter Berücksichtigung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses kein grobes Missverhältnis besteht. Damit haftet F für den gesamten Schaden. Im Ergebnis besteht daher ein Anspruch der S gegen F auf Ersatz des entstandenen Schadens i. H. von 4.000 gemäß 280 Abs. 1 BGB. 2. 823 Abs. 1 BGB Der Anspruch ist ebenso gegeben. Die Grundsätze über die Haftungsbeschränkung gelten auch hier, da andernfalls die Privilegierung des Arbeitnehmers leer liefe. 8 P. 1 P. II. Abwandlung 1. 280 Abs. 1 BGB K könnte gegen F ein Anspruch auf Ersatz der Behandlungskosten i. H. von 1.000 gemäß 280 Abs. 1 BGB zustehen. Voraussetzung hierfür ist ein Schuldverhältnis zwischen K und F. Ein solches Schuldverhältnis ist nach dem mitgeteilten Sachverhalt nicht KORREKTURRICHTLINIE WI-ABR-P12-070331 Seite 4 von 7
denkbar. Im Ergebnis besteht daher kein Anspruch. 2. 823 Abs. 1 BGB K könnte gegen F einen Anspruch auf Ersatz der Behandlungskosten i. H. von 1.000 gemäß 823 Abs. 1 BGB zustehen. Die Voraussetzungen des 823 Abs. 1 BGB liegen im Grunde vor. Der Anspruch könnte jedoch gemäß 105 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen sein. Danach haftet ein Arbeitnehmer gegenüber einem Versicherten desselben Betriebes für Personenschäden aufgrund eines Versicherungsfalles nur, wenn dieser vorsätzlich herbeigeführt wurde oder es sich um einen Wegeunfall handelt. K und F arbeiten beide für die S und damit für denselben Betrieb. K handelte nicht vorsätzlich und der Unfall hat sich auch nicht auf dem Weg zu bzw. von der Arbeitsstelle ereignet. Im Ergebnis besteht daher kein Anspruch des K gegen F auf Ersatz der Behandlungskosten. KORREKTURRICHTLINIE WI-ABR-P12-070331 Seite 5 von 7
Aufgabenblock B 72 Punkte Lösung zu Aufgabe 1 SB 2, Kap. 4.1 durch Vertragsschluss, also durch gegenseitige Willenserklärungen (), 145 ff. BGB () durch Gesetz (), z. B. gemäß 613a BGB () Lösung zu Aufgabe 2 SB 2, Kap. 7.3.3 Gratifikationsansprüche können sich aus dem Arbeitsvertrag, aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, aus Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung sowie aus einer betrieblichen Übung ergeben. Je nachdem, worauf ihre Entstehung beruht, kann sich der Arbeitgeber auf unterschiedliche Weise wieder von ihnen lösen. Bei einzelvertraglicher Zusage kann sich der Arbeitgeber nur durch Änderungskündigung lösen. Erfolgt die Zahlung auf Grund eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung, so kann sich der Arbeitgeber für die Zukunft durch Kündigung der Betriebsvereinbarung oder mittels Kündigung bzw. Aufhebungsvertrag oder Zeitablauf des Tarifvertrags von der Zusage lösen. Schwieriger ist die Lage, wenn die Zahlung auf betrieblicher Übung oder Gesamtzusage, also durch eine einseitige Verpflichtungserklärung des Arbeitgebers (Aushang am schwarzen Brett ) beruht. Zahlungsansprüche der Arbeitnehmer entstehen nach der Rechtsprechung des BAG aufgrund betrieblicher Übung, wenn der Arbeitgeber dreimal hintereinander vorbehaltlos zahlt. Die betriebliche Übung führt praktisch zu einer stillschweigenden Änderung der Einzelarbeitsverträge, sodass sich der Arbeitgeber für die Zukunft nur durch Änderungskündigungen von der Zusage lösen kann. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt hindert das Entstehen einer betrieblichen Übung, wenn er ausdrücklich erklärt wird. 5 P. 5 P. Lösung zu Aufgabe 3 SB 2, Kap. 7.3.5 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (EFZG) Insolvenzausfallgeld ( 183 ff. SGB III) Pfändungsschutz ( 850 ff. ZPO) Aufrechnungsschutz gegenüber dem Arbeitgeber ( 394 BGB, 850 ff. ZPO) Abtretungsverbot ( 400 BGB, 850 ff. ZPO) Nennung der Vorschriften ist nicht erforderlich. je Lösung zu Aufgabe 4 SB 3, Kap. 5 a) 3 Wochen, 4 S. 1 KSchG. b) 3 Wochen, 4 S. 1, der wegen 23 Abs. 1 S. 2 KSchG auch für sog. Kleinbetriebe gilt. c) Antrag auf Zulassung verspäteter Klage gemäß 5 KSchG. KORREKTURRICHTLINIE WI-ABR-P12-070331 Seite 6 von 7
Lösung zu Aufgabe 5 SB 2, Kap. 4.3; SB 4, Kap. 4.7.3 Sofern in einem Betrieb ein Betriebsrat existiert, ist dieser gemäß 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG vor jeder Kündigung eines Arbeitnehmers, also sowohl vor einer ordentlichen als auch vor einer außerordentlichen, anzuhören. Eine Zustimmung des Betriebsrats zu der Kündigung ist nicht erforderlich. Ein Verstoß gegen das Anhörungserfordernis führt gemäß 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung. In der Anhörung hat der Arbeitgeber neben den Sozialdaten des betroffenen Arbeitnehmers gemäß 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG die Gründe mitzuteilen, auf die die Kündigung gestützt wird. Sofern der Betriebsrat der vorgelegten Kündigung ordnungsgemäß, also insbesondere fristgemäß und unter Beachtung der Grenzen in 102 Abs. 3 BetrVG widerspricht, erwächst in der Person des Arbeitnehmers ein Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß 102 Abs. 5 BetrVG, wenn er eine Kündigungsschutzklage gemäß 4 KSchG erhebt und die Weiterbeschäftigung verlangt. Lösung zu Aufgabe 6 SB 4, Kap. 2.5 Als sog. Öffnungsklausel bezeichnet man die in einem Tarifvertrag ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, auch zu Ungunsten des Arbeitnehmers von einem bestehenden Tarifvertrag abzuweichen. Das Günstigkeitsprinzip lässt sich als Durchbrechung der kartellähnlichen Wirkung von Tarifverträgen zu Gunsten des Arbeitnehmers verstehen. Diese kartellähnliche Wirkung von Tarifverträgen soll einen arbeitsrechtlichen Mindeststandard sichern und damit ungünstige Abweichungen verhindern. Für Arbeitnehmer günstige Abweichungen sollen damit aber gerade nicht verhindert werden. Lösung zu Aufgabe 7 SB 4, Kap. 4.1 Das BetrVG gilt in sachlicher Hinsicht für alle privatwirtschaftlichen Betriebe. Für sog. Tendenzbetriebe gilt das Betriebsverfassungsgesetz gemäß 118 Abs. 1 BetrVG nur eingeschränkt; beispielsweise gilt die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen in Tendenzbetrieben nicht. Allerdings ist die Einschränkung der Beteiligungsrechte immer eine Frage des Einzelfalls, wobei es auf die Tendenznähe der Maßnahme ankommt. Tendenzbetriebe sind beispielsweise Privatschulen, Buch- und Zeitschriftenverlage, Theater, Kunstbühnen. je () KORREKTURRICHTLINIE WI-ABR-P12-070331 Seite 7 von 7